Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht 16. Kammer Entscheidungsdatum: 11.06.2012 Aktenzeichen: 16 TaBV 237/11 Dokumenttyp: Beschluss Quelle: Norm: 40 Abs 1 BetrVG Hinzuziehung einer Moderatorin zu einer Klausurtagung des Betriebsrats Leitsatz 1. Nach 40 Abs. 1 BetrVG kommt eine Verpflichtung des Arbeitgebers nur für erforderliche Kosten des Betriebsrats in Betracht.(Rn.19) 2. Es gehört zu den Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden, Sitzungen des Gremiums ohne Hilfe von außen zu leiten.(rn.19) 3. In Ausnahmefällen kann die Zuhilfenahme externer Hilfe nötig und deren Kostentragung dem Arbeitgeber zumutbar sein, etwa wenn die Situation im Gremium festgefahren ist.(rn.29) Im Anschluss an Hessisches LAG vom 19. Mai 2011-9 TaBV 196/10 (juris) Verfahrensgang vorgehend ArbG Frankfurt, 28. September 2011, Az: 6 BV 114/11, Beschluss Diese Entscheidung zitiert Rechtsprechung Anschluss Hessisches Landesarbeitsgericht, 28. September 2011, Az: 6 BV 114/11 Tenor Gründe Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 28.09.2011 6 Bv 114/11 unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen teilweise abgeändert: Die Antragstellerin wird von den Kosten für die Moderatorin H in Höhe von 2.850,00 EUR (in Worten: Zweitausendachthundertfünfzig und 00/100 Euro) zzgl. Fahrtkosten in Höhe von 58,20 EUR (in Worten: Achtundfünfzig und 20/100 Euro) anlässlich der Klausurtagung der Bereichsvertretung vom 01.03.2011-03.03.2011 freigestellt. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I. 1 Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kosten für die Hinzuziehung einer Moderatorin zu einer Klausurtagung der Bereichsvertretung zu tragen. 2 Der Arbeitgeber schloss am 9. Dezember 2009 mit der Gewerkschaft V auf der Grundlage von 3 BetrVG einen Tarifvertrag über die Zuordnung von Betrieben und Betriebsteilen innerhalb des Geschäftsbereichs der T sowie über die Bildung des Gesamtbetriebsrates T (TV), wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 69-82 der Akten Bezug genommen wird. Auf dieser Grundlage wurden im April 2010 insgesamt 19 Betriebsräte gewählt. Innerhalb des nach 9 TV gebildeten Gesamtbetriebsrats sind eigenständige Bereichsvertretungen eingerichtet worden, in die die regionalen Betriebsräte je ein Mitglied entsenden. 3 Bei der Antragstellerin handelt es sich um die für den Organisationsbereich S (XXX) eingerichtete Bereichsvertretung. Der derzeitige Vorsitzende der Bereichsvertretung, P, war zuvor vier Jahre Betriebsratsvorsitzender eines Gremiums mit 21 Mitgliedern. Sein Stellvertreter ist ausgebildeter Mediator. 4 In ihrer Sitzung vom 2. Februar 2011 fasste die Bereichsvertretung den Beschluss, in der Zeit vom 1. bis 3. März 2011 eine Klausurtagung durchzuführen und zur Leitung die Moderatorin H hinzuzuziehen. Der Arbeitgeber lehnte dies unter dem 4. Februar 2011 ab, da die Erforderlichkeit der Beauftragung einer Moderatorin nicht erkennbar sei. Gleichwohl zog die Bereichsvertretung Frau H zu der Klausurtagung als Moderatorin hinzu. Die von Frau H der Bereichsvertretung unter dem 5. Juni 2012 in Rechnung gestellten Kosten von 2850 zzgl. 58,20 Fahrtkosten (Bl. 229 der Akten) erstattete der Arbeitgeber nicht. 5 Die Bereichsvertretung hat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber sei gemäß 40 BetrVG i.v.m. 80 Abs. 3 BetrVG zur Übernahme der Kosten für die Hinzuziehung der Moderatorin zu der Klausurtagung verpflichtet. 6 Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I des Beschlusses (Bl. 85-90 der Akten) verwiesen. 7
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung der Moderatorin ergebe sich weder aus 40 BetrVG noch i.v.m. 80 Abs. 3 BetrVG. Die Hinzuziehung der Moderatorin sei zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung nicht erforderlich gewesen. Es sei die Aufgabe des Vorsitzenden des betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums eine Klausurtagung, bei der es sich um eine zeitlich ausgedehnte Sitzung des Gremiums handele, zu leiten. Eine die Hinzuziehung einer Moderatorin ausnahmsweise rechtfertigende Sondersituation sei nicht erkennbar. Es sei nicht feststellbar, dass die Spannungen im Gremium der Bereichsvertretung über die sich typischerweise in betriebsverfassungsrechtlichen Gremien auf überbetriebliche Ebene ergebenden Erschwernisse hinausgegangen seien. Im Hinblick darauf, dass das Gremium immerhin über 11 Monate zusammengearbeitet habe, hätte es weitergehender Erläuterungen bedurft, weshalb der Sprecher des Gremiums für die Durchführung der Klausurtagung professionelle Hilfe benötigte. 8 Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Bereichsvertretung am 14. November 2011 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 7. Dezember 2011 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis 14. Dezember 2012 am 13. Dezember 2012 begründet. 9 Nach dem Vortrag der Bereichsvertretung sei die Hinzuziehung der Moderatorin zu der Klausurtagung aus folgenden Gründen erforderlich gewesen: In vielfacher Hinsicht sei in dem Gremium eine sachliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich gewesen. Die unterschiedlichen Interessenlagen seien darin begründet gewesen, dass die Mitglieder der Bereichsvertretung aus unterschiedlichen Betrieben und unterschiedlichen Regionen kamen und deren Herkunftsbetrieb und damit deren Beschäftigte für die Mitglieder im Vordergrund standen. Dies habe ständig zu der Grundkonfliktsituation geführt, dass von einem Teil der Mitglieder die Vorschläge des Arbeitgebers grundsätzlich immer kritisch hinterfragt wurden und vom Grundsatz her immer unlautere Absichten unterstellt wurden. Dies habe auch auf persönlichen Differenzen einzelner Betriebsratsmitglieder beruht. Hinzu seien betriebspolitische Machtinteressen und persönliche Animositäten gekommen, mit denen erhebliche Stimmung in der Bereichsvertretung gemacht wurde, um einzelne Gruppen auszugrenzen bzw. deren Handlungsfähigkeit einzuschränken. Die Entscheidungsfindung in der Bereichsvertretung habe sich unter diesen Umständen immer schwieriger gestaltet, da zum Teil auch ein Klima des Misstrauens entstanden war. Diese ständigen Querelen und Probleme hätten sich auf die Arbeit im Gremium ausgewirkt. Nach mehreren Monaten dieser konfliktgeladenen Situation habe das Gremium selbst festgestellt, dass ein Arbeiten unter solchen Bedingungen nicht mehr möglich sei und deshalb den Beschluss zur Klausurtagung unter Zuhilfenahme einer Moderatorin gefasst. 10 Die Bereichsvertretung beantragt,
11 den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2011-6 BV 114/11 - abzuändern, 12 die Bereichsvertretung von den Kosten für die Moderatorin H in Höhe von insgesamt 2850 zzgl. Fahrtkosten in Höhe von 84 zzgl. der Übernachtungskosten für zwei Übernachtungen in Höhe von insgesamt 199 für drei Tage anlässlich der Klausurtagung der Bereichsvertretung vom 1. bis 3. März 2011 freizustellen. 13 Der Arbeitgeber beantragt, 14 die Beschwerde zurückzuweisen. 15 Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Es werde ausdrücklich bestritten, dass es zu einer Lähmung der Arbeit der Bereichsvertretung gekommen sei. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe, seien Interessengegensätze und die daraus resultierenden Spannungen nicht ungewöhnlich. Damit müsse der Leiter eines Gremiums umgehen können. Das BetrVG sehe hierfür die Hinzuziehung eines Moderators oder Mediators nicht vor. Vielmehr erfolge die Konfliktlösung durch Mehrheitsentscheidung im Gremium. 16 Das Landesarbeitsgericht hat mit Schreiben vom 29. Mai 2012 den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis erteilt, zu dem die Bereichsvertretung mit Schriftsatz vom 6. Juni 2012 (Bl. 224-226 der Akten) und der Arbeitgeber mit Schriftsatz vom 5. Juni 2012 (Bl. 189-221 der Akten) Stellung genommen haben. Im Anhörungstermin wurde der Vorsitzende der Bereichsvertretung informatorisch befragt; insoweit wird auf das Protokoll der Anhörung vom 11. Juni 2012 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle verwiesen. II. 17 1. Die Beschwerde ist statthaft, 84 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, 87 Abs. 2 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG. 18
2. Die Beschwerde ist zum überwiegenden Teil begründet. 19 Das Arbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass nach 40 Abs. 1 BetrVG eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Freistellung der Bereichsvertretung nur für erforderliche Kosten in Betracht kommt und es zu den Aufgaben des Betriebsratsvorsitzenden gehört, Sitzungen des Gremiums ohne Hilfe von außen zu leiten. Andererseits sind Ausnahmefälle denkbar, in denen die Zuhilfenahme externer Hilfe nötig und deren Kostentragung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Nach zutreffender Rspr. der Kammer 9 des Hessischen Landesarbeitsgerichts, der die Kammer 16 folgt, kann eine dreitägige Klausurtagung mit einer Moderatorin erforderlich sein, wenn die Situation im Gremium festgefahren ist (19. Mai 2011-9 Ta BV 196/10, Rn. 26). Dies ist von der Kammer 9 in einem Fall bejaht worden, in dem die Handlungsunfähigkeit des Gremiums drohte, weil sich kein Mitglied für die Übernahme des Vorsitzes bereit fand. Ebenso wie bei der Inanspruchnahme von Sachmitteln obliegt dem Betriebsrat (oder vorliegend der Bereichsvertretung) bei der Inanspruchnahme von externen Dienstleistungen die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel oder eine externe Dienstleistung zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Die Entscheidung hierüber darf er nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Von ihm wird vielmehr verlangt, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und berechtigte Interessen des Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen (Bundesarbeitsgericht 14. Juli 2010-7 ABR 80/08-AP Nr. 107 zu 40 BetrVG 1972, Rn. 17). 20 Bei Anwendung dieser Grundsätze durfte die Bereichsvertretung die Hinzuziehung einer Moderatorin für die Klausurtagung vom 1. bis 3. März 2011 für erforderlich halten. Wie der Vorsitzende der Bereichsvertretung bei seiner Anhörung im Termin vom 11. Juni 2012 im einzelnen ausgeführt hat, war die Situation in dem Gremium davon gekennzeichnet, dass sich anlässlich der Grundsatzentscheidung über ein Rationalisierungsprogramm ("Everest") die Mitglieder bei den anstehenden Entscheidungen im wesentlichen von der Sicht des Betriebes, aus dem sie stammten, leiten ließen und die Gesamtsituation der Arbeitnehmer nicht (mehr) im Blick hatten. Man sei zu gar keiner Einigung mehr gekommen. Mit der Klausurtagung habe versucht werden sollen, diese Konflikte in Zukunft besser zu lösen, d.h. bezogen auf den gesamten Bereich und nicht auf die Einzelsicht einzelner Betriebsräte. Dies sei auch gelungen. Selbst wenn die Situation aktuell noch nicht zu einer Handlungsunfähigkeit des Gremiums geführt haben mag, sondern noch Beschlüsse gefasst werden konnten, ergibt sich aus den Schilderungen des Vorsitzenden der Bereichsvertretung eine schwerwiegende Kommunikationsstörung und Beeinträchtigung der Zusammenarbeit im Gremium. Eine verantwortungsbewusste Ausübung seines Amtes als Vorsitzender verlangte von ihm, dass er mit dem Gremium hieran arbeitet und einen Prozess in Gang setzt, indem die Verfolgung von Einzelinteressen gegenüber einem die Situation sämtlicher Beschäftigten berücksichtigenden Vorgehen zurückgedrängt wird. Hierbei kommt dem Vorsitzenden des Gremiums eine Einschätzungsprärogative zu, ob er sich selbst in der Lage sieht
diesen Prozess erfolgreich durchzuführen oder ob er hierfür externe Hilfe benötigt. Auch von einem langjährigen Vorsitzenden eines Gremiums kann nicht von vornherein erwartet werden, dass er sämtliche Störungen der Kommunikation im Gremium alleine oder mit seinem Stellvertreter bewältigt. Dies gilt auch dann, wenn der Stellvertreter ein ausgebildeter Mediator ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch dieser Teil des Gremiums ist und damit von anderen Mitgliedern als einem Lager zugehörend angesehen werden kann. Bereits dies kann zur Behinderung oder schlimmstenfalls zum Scheitern des Prozesses führen. Wenn der Vorsitzende der Bereichsvertretung sich deshalb vorliegend außer Stande sah, die Probleme in der Kommunikation innerhalb des Gremiums selbst zum Guten zu wenden, hält sich dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums. Er hat hierbei auch die dem Arbeitgeber entstehenden Kosten mitberücksichtigt, indem er eine Moderatorin beauftragte, deren Honorar im unteren Bereich dessen, was marktüblich ist, beauftragte. Dies hat der Vertreter der Bereichsvertretung in der Antragsschrift ausgeführt. Im Hinblick auf die in der Größe des Gremiums zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberin dürfte die Kostenrechnung der Moderatorin (Bl. 229 der Akten) den Arbeitgeber nicht in unzumutbarer Weise überfordern. Dies gilt vor allem, wenn man berücksichtigt dass eine Verbesserung der gremieninternen Arbeitsatmosphäre infolge des durchgeführten Kommunikationsprozesses auch dem Interesse des Arbeitgebers an einer erfolgreichen, sachorientierten Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung dient. 21 Der Antrag ist unbegründet, soweit die Bereichsvertretung die Freistellung von Fahrtkosten der Moderatorin in 58,20 übersteigender Höhe beansprucht. Auch die Freistellung von Übernachtungskosten der Moderatorin kann die Bereichsvertretung nicht verlangen, da ihr diese von der Moderatorin nicht in Rechnung gestellt wurden. 22 Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, 92 Abs. 1, 72 ArbGG.