Mitteilungen der Juristischen Zentrale REGIONALCLUB Nr. 31/2013 11.07.2013 Gs Kroatien: EU-Beitritt und Aktuelles Recht Sehr geehrte Damen und Herren, seit dem 01.07.2013 ist die Republik Kroatien Mitglied der Europäischen Union. Daraus ergeben sich auch für das Verkehrsrecht einige wichtige Veränderungen, da nun relevante europarechtliche Vorgaben und Gesetze zur Anwendung kommen. Dies ist insbesondere bei der Abwicklung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche nach einem Autounfall, aber auch im Führerscheinrecht von erheblicher Bedeutung. Aufgrund der in Zukunft möglichen grenzüberschreitenden Vollstreckungsmöglichkeit erhalten kroatischen Verkehrsvorschriften und Sanktionen für deutsche Autofahrer zusätzliche Bedeutung. Diese Mitteilung der Juristischen Zentrale gibt Ihnen einen Überblick über die wichtigsten, in Zusammenhang mit dem EU-Beitritt Kroatiens auftretenden Problemstellungen. Wenn Sie noch weitere Fragen rund um das Thema haben, helfen Ihnen die Clubjuristen unter der gerne weiter. Mit freundlichen Grüßen Rufnummer (089) 76 76 24 23 Ulrich May Leiter Juristische Zentrale
2 Kroatien: EU-Beitritt und Aktuelles Recht 1. Nationale Führerscheine Seit dem 01.07.2013 müssen kroatische Führerscheine nach Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Deutschland nicht mehr in deutsche Führerscheine umgeschrieben werden. Die Regelungen der EU-Führerscheinrichtlinien fanden somit mit sofortiger Wirkung Anerkennung. In der Praxis bedeutet dies, dass Inhaber gültiger kroatischer Fahrerlaubnisse seit Juli 2013 wieder im Rahmen ihrer alten kroatischen Fahrberechtigungen in Deutschland ein Kfz führen dürfen, also auch alte kroatische Führerscheinklassen wieder aufleben. Dies ist vor allem für Kroaten von Bedeutung, die nach Wohnsitzbegründung in Deutschland auf eine Umschreibung in eine deutsche Fahrerlaubnis verzichtet haben und somit in Deutschland bislang nicht fahrberechtigt waren. 2. Regulierung von Verkehrsunfällen Bei einem Verkehrsunfall in Kroatien sollte grundsätzlich immer die Polizei gerufen und auf Ausstellung eines polizeilichen Unfallberichts bestanden werden. Ereignet sich ein Unfall mit einem in Kroatien zugelassenen Kraftfahrzeug, erfolgt die außergerichtliche Regulierung des Schadens nun nach den Vorgaben der EU-Kraftfahrzeughaftpflichtrichtlinie (RiLi 2009/103/EG). Dies hat zur Folge, dass der Geschädigte seit dem 01.07.2013 zwei Möglichkeiten hat, seine Schadensersatzansprüche geltend zu machen: Anmeldung seiner Ansprüche bei der gegnerischen Versicherung direkt in Kroatien oder die Schadensregulierung über einen Regulierungsbeauftragten der kroatischen Haftpflichtversicherung in Deutschland betreiben. Die Anschrift kann über die Auskunftsstelle beim Zentralruf der Autoversicherer /GDV, (kostenfreie Rufnummer 0800 25 026 00) abgefragt werden. Die kroatische Versicherung, aber auch deren Repräsentant in Deutschland müssen den Schadensfall innerhalb von drei Monaten nach Meldung des Schadens bearbeiten und zumindest eine begründete Antwort erteilen, wenn die Unfallabwicklung aus sachlichen Gründen (noch) nicht erfolgen kann.
3 Die Entschädigungsstelle (Verkehrsopferhilfe e.v. in 10117 Berlin, Wilhelmstr. 43/43 G, Tel.: 030/20205000) kann in den Fällen eingeschaltet werden, in denen die gegnerische Versicherung oder deren Regulierungsbeauftragter in Deutschland nicht rechtzeitig innerhalb der drei Monate reagieren. Es besteht dann die Möglichkeit, dass sie nach Prüfung der Sach- und Rechtslage den Schaden selbst reguliert. Scheitern außergerichtliche Abwicklungsversuche, kann die gegnerische Versicherung nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13.12.2007 nicht nur im Ausland, sondern auch im Wohnsitzland des Geschädigten verklagt werden. 3. Verfolgung und Vollstreckung von Geldsanktionen Kroatien muss als EU-Staat die Vorgaben des EU-Rahmenbeschlusses zur Geldsanktionenvollstreckung umsetzen und in kroatisches Recht transferieren. Damit sind dann auch die von kroatischen Behörden und Gerichten verhängten und rechtskräftig gewordenen Bußgelder/Strafen in Deutschland (und umgekehrt deutsche Sanktionen in Kroatien) vollstreckbar. Zur EU-weiten Vollstreckung, zu den Voraussetzungen und zu dem Vollstreckungsverfahren wird auf die Mitteilungen für Regionalclubs Nr. 37/2010 und 38/2010 verwiesen. Als EU-Mitglied wird in Kroatien auch die EU-Richtlinie zum grenzüberschreitenden Halterdatenaustausch und Verfolgung von Verkehrsverstößen umgesetzt (die EUweite Umsetzungsfrist endet im November 2013). Kroatien ist danach bei acht verkehrssicherheitsrelevanten Verstößen (wie Tempolimitüberschreitungen, Rotlicht-, Überhol- oder Gurtverstöße) künftig verpflichtet, deutsche Fahrzeughalter in deutscher Sprache über den Verstoß und die drohenden Konsequenzen zu informieren. 4. Verkehrsrechtliche Sanktionen und Führerscheinmaßnahmen Die Promillegrenze beträgt 0,5. Eine Null-Promillegrenze gilt für Fahranfänger bis zu 24 Jahren, Lenker von Kfz über 3,5 t und Berufskraftfahrer. Verstöße werden mit Geldbußen zwischen 135 und 2.000 Euro (1.000 und 15.000 Kuna) und Führerscheinentzug/Fahrverbot geahndet. Freiheitsstrafe droht bei Fahrten mit mehr als 1,5 Promille. Für Geschwindigkeitsüberschreitungen zwischen 10 km/h und 50 km/h innerorts drohen Geldbußen von 40 bis 270 Euro (300 bis 2.000 Kuna), bei mehr als 50 km/h zwischen 670 und 2.000 Euro (5.000 und 15.000 Kuna). Auf Autobahnen und Landstraßen sind es bei einem Geschwindigkeitsverstoß zwischen 10 km/h und 50 km/h von 67 bis 135 Euro (500 bis 1.000 Kuna), bei mehr als 50 km/h bis 930 Euro (7.000 Kuna). Verstöße gegen das Handyverbot am Steuer und gegen die Anschnallpflicht werden mit 65 Euro (500 Kuna) geahndet, ein Verstoß gegen die Helmpflicht mit 135 Euro (1.000 Kuna).
4 Bei einem Rotlichtverstoß drohen zwischen 270 bis 665 Euro (2.000 bis 5.000 Kuna). Falsches Überholen oder die Missachtung der Vorfahrt hat eine Geldbuße bis zu 270 Euro (2.000 Kuna) zur Folge. Für Parkverstöße werden 40 Euro (300 Kuna) fällig. Von Ende Oktober bis Ende März besteht in Kroatien Lichtpflicht am Tag. Grundsätzlich ist die Verwendung des Abblendlichts vorgeschrieben. Ein Verstoß kostet 40 Euro (300 Kuna). Die Mitnahme von Ersatzglühlampen ist, sofern das Kfz nicht mit Xenon-, Neon-, oder LED-Leuchten (o. ä.) ausgestattet ist, vorgeschrieben. Auto- und Motorradfahrer müssen eine Warnweste mitführen und außerorts bei einer Panne oder Unfall anziehen. Zuwiderhandlungen werden derzeit noch nicht geahndet. Bei schwerwiegenderen Verstößen werden neben Geldbußen auch Punkte, ähnlich dem deutschen Punktesystem, vergeben. Ab neun Punkten wird ein mehrmonatiges Fahrverbot ausgesprochen. Das Führen von Kraftfahrzeugen auf kroatischem Staatsgebiet wäre in diesen Fällen auch deutschen Führerscheininhabern untersagt. Straßenverkehrszuwiderhandlungen in Kroatien haben aber keinen Punkteeintrag in Flensburg zur Folge. In Kroatien verhängte Führerscheinmaßnahmen (z. B. Fahrverbot / Führerscheinentzug) haben zudem keine Auswirkungen in Deutschland. 5. Verfahren bei Verkehrsverstößen Bei weniger schweren Verstößen werden vor allem Verkehrssünder aus dem Ausland direkt vor Ort abkassiert ( Sofortkasse ). Wird von der Polizei für die Begleichung der Geldbuße eine Zahlungsfrist gewährt, kommt es regelmäßig zur Beschlagnahme von Reisepass oder Personalausweis und der Fahrzeugpapiere. Bei schweren Verkehrsverstößen können Verfahren vor Schnellgerichten anberaumt werden. Um ein Erscheinen des Beschuldigten zu sichern, werden Personalausweis oder Reisepass beschlagnahmt. 6. Parkverstöße / Forderungen deutscher Anwaltskanzleien Seit einiger Zeit versuchen deutsche Anwaltskanzleien aus Parkzuwiderhandlungen in kroatischen Städten (z. B. Opatija, Pula oder Zagreb) resultierende Forderungen bei deutschen Autofahrern einzutreiben. Die Städte haben mit der Parkraumüberwachung private Unternehmen (z. B. Liburnija Parking in Opatija, Pula Parking in Pula oder Zagrebparking in Zagreb) beauftragt.
5 Die Nichtbezahlung von Parkgebühren oder eine Überschreitung der zulässigen Parkdauer kann dort mit einer zivilrechtlichen Vertragsstrafe belegt werden. Sollen diese Forderungen im Rahmen eines gerichtlichen Mahnverfahrens in Deutschland (bei Ignorieren der Zahlungsaufforderung) geltend gemacht werden, ist nicht ausgeschlossen, dass diese zivilrechtlichen Forderungen auch in Deutschland durchgesetzt werden können. Zu dieser Problematik gibt es nach unserem Kenntnisstand noch keine Rechtsprechung. Daher vermögen wir nicht zu beurteilen, wie die deutschen Gerichte in diesem Fall entscheiden werden. Es kann unter Umständen die Ansicht vertreten werden, dass die Forderung gegen deutsche Rechtsgrundsätze (z. B. die Ordre Public- Klausel des Art. 6 EGBGB) verstößt und eine entsprechende Klage von deutschen Gerichten abzuweisen wäre. Für den Fall des Ignorierens der Zahlungsaufforderung drohen die deutschen Anwaltskanzleien mit der Einleitung eines gerichtlichen Mahnverfahrens. Sollte dies wider Erwarten tatsächlich erfolgen und ein gerichtlicher Mahnbescheid zugestellt werden, empfehlen wir den betroffenen Mitgliedern, sich unverzüglich an einen ADAC Vertragsanwalt zu wenden. 7. D-Schild Deutsche Kraftfahrzeuge mit EU-Kennzeichen (mit blauem Rand) benötigen in Kroatien keinen zusätzlichen D-Aufkleber mehr, alte Kennzeichenformate hingegen schon.