Auswertung der Umfrage Wirkung der Baclofen-Medikation bei Alkoholabhängigkeit, Angst und Depressionen und in der Nikotinreduktion vom 21. Februar 2010 Am 16.2.2010 haben wir unsere Umfragebögen zum Download ins Forum gestellt. Von den damals 109 Mitgliedern im Forum haben wir bis zum Erhebungstag, dem 21.2.2010, 31 Rückläufe erhalten, was einer Rücklaufquote von 28 % entspricht. Das ist leider deutlich schlechter als bei unserer Umfrage vom 24.1.2010 (dort 40%). Bei 30 der 31 TN steht die Alkoholabhängigkeit im Vordergrund, bei einem TN alleine das Thema Angst und Depressionen. 20 der 30 TN mit der Hauptproblematik Alkoholabhängigkeit streben die Abstinenz (AB) an, 10 das Moderate Trinken(MT). Das 66% zu 33% Verhältnis der Ziele AB zu MT passt recht gut zu dem Ergebnis der 2.Umfrage mit 60% AB und 40 % MT. Der Mittelwert der Medikationsdauer von Baclofen liegt bei 56 Tagen, und unterscheidet sich nur wenig zwischen den beiden Gruppen AB und MT. Bei den begleitenden Maßnahmen, d.h. Psychotherapie und/oder SHG, ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei der 2. Umfrage (Abb.1). Begleitende Massnahme 19% 56% 13% PT PT+SHG SHG Alk SHG Angst Keine 6% 6% Abb. 1 Begleitende Maßnahmen zur Baclofen- Medikation Wie auch bereits bei der 2. Umfrage liegt der Anteil der TN, die keine externe Unter stützung aus der Systemumgebung in Anspruch nehmen, bei gut über 50%. Das liegt zum großen Teil wohl auch daran, dass die meisten TN nur negative Therapieerfahrungen aus der Vergangenheit haben. Die Ziele der Baclofen- Medikation haben wir in der letzten Umfrage weiter detailliert. Die Verteilung der Ziele ist in der Abbildung 2 dargestellt. Die Prozentzahlen sind durch Mehrfachnennungen nicht direkt mit denen der Abbildung1 vergleichbar.
Aufteilung der Ziele 21% 12% 26% 10% 7% depression/mt angst/mt nikotin/mt AB/Depression AB/angst AB/nikotin 24% Abb.2 Zielsetzungen der Baclofen-Medikation Insgesamt werden von 68% der TN die Reduktion von Angst und/oder Depression als Ziel angegeben. Ca 50% der TN werden mit Medikamenten gegen Depression und/oder Angst behandelt. Ca. 67% aller TN beziehen das Baclofen über ein Rezept vom Haus- oder Facharzt, 33% beziehen das Baclofen über das Internet oder Andere Quellen. Die Prozentzahlen sind trotz der vielen neuen TN gleich geblieben in Bezug auf die 2. Umfrage. Dosierungsverlauf In der Abbildung 3 ist der Dosierungsverlauf (mg Baclofen pro Tag) in den ersten 20 Tagen der Baclofen- Medikation dargestellt. Normalerweise wird in dem Zeitraum die Enddosierung erreicht. Eingetragen sind die Mittelwerte der Dosierung für 31 TN und die Teilgruppen AB und MT, die über den Zeitrahmen annähernd gleich sind, jedoch gegen Ende in der Gruppe MT höher liegt als in der Gruppe AB. Das wird bestätigt durch die Mittelwerte der Erhaltungsdosis, die in der Gruppe MT bei 70 mg und in der Gruppe AB bei 55 mg pro Tag liegt. Die Erhaltungsdosierungen reichen zwar von 15 mg pro Tag bis zu 150 mg pro Tag, allerdings liegen ca. 85 % im Bereich 50 mg bis 100mg.
Dosierungsverlauf 70 60 50 Baclofen mg/tag 40 30 20 10 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Tage alle Tn Ziel Abst Ziel MT Abb. 3 Dosierungsverlauf in den ersten zwanzig Tagen Wirkungen und Nebenwirkungen Die Wirkungen von Baclofen wurden getrennt für die beiden Gruppen AB (enthält auch den TN nur Angst/Depression) und MT ermittelt. Das Ergebnis ist in der Abbildung 4 zusammengefasst. Die relative Stärke ist definiert 0 = kein 1 = schwach 2 = mittel 3 = stark Das Craving und das Interesse am Alkohol ist in beiden Gruppen nur schwach ausgeprägt. Die Motivation liegt in der Gruppe AB mit einer relativen Stärke von 2,35 noch etwas höher als in der Gruppe MT.
Wirkungen 3 2,5 Rel. Stärke 2 1,5 1 0,5 0 MT AB craving Motivation Int. Alkohol Abb 4. Gegenüberstellung der Wirkung von Baclofen für die Gruppen AB und MT Die Nebenwirkungen sind bei Baclofen in den oben dargestellten Dosierungen (Abb. 3) eher gering und unterscheiden sich nicht zwischen den beiden Gruppen, so dass die Darstellung der Nebenwirkungen sich auf alle TN bezieht. Allenfalls die Müdigkeit am Abend ist eine lästige Nebenwirkung, die nach Berichten zahlreicher Forenmitglieder mit längerer Medikation in der Regel verschwindet. Abb.5 Nebenwirkungen bei der Baclofen- Medikation
Ergebnisse der Medikation bei Alkoholabhängigkeit Aufgrund der längeren Zeitreihen der einzelnen Datensätze und der damit verbundenen deutlich höheren Zahl von TN, die ihre individuelle Erhaltungsdosis erreicht haben, sind im Vergleich zur 2.Umfrage mehr quantitative Aussagen möglich. Abstinenz Von den 31 TN haben 20 ihre Medikation von Baclofen mit dem Ziel Abstinenz gestartet.!4 TN haben ihre Erhaltungsdosis (Mittelwert 56 mg) erreicht. Das bestätigt sehr gut den Mittelwert in dieser Gruppe aus der 2. Umfrage (54 mg) Alle 14 TN sind entweder abstinent in die Therapie gestartet oder haben in den ersten 2-4 Tagen die Abstinenz erreicht (3 TN). Die 14 TN sind alle noch abstinent mit einer mittleren Abstinenzzeit von 54 Tagen. Der Einfluss der begleitenden Maßnahmen auf das Ziel Abstinenz ist in der Abbildung 6 gezeigt. Massnahmen Abstinenz 7% 14% 43% SHG+PT SHG PT kein 36% Abb. 6 Anteil der begleitenden Maßnahmen bei der Erzielung der Abstinenz Der Mittelwert der Abstinenzzeit mit SHG und/oder PT beträgt 81 Tage im Vergleich zu 34 Tage ohne begleitende Maßnahme. Trotz aller Skepsis der TN gegenüber PT und SHG sind hier deutliche Vorteile sichtbar. Eine weitere Aufteilung zwischen PT und SHG ist aufgrund der Datenlage nicht möglich.
Moderates Trinken Hier ist eine Messung der Erfolgsrate schwieriger. Aber das Ergebnis der Auswertung scheint ziemlich eindeutig. Von den 10 TN mit dem Ziel MT haben 5 TN ihre individuelle Erhaltungsdosis, die im Mittelwert 49 mg pro Tag beträgt, erreicht. Pro TN werden im Schnitt 1,5 SD (standard drinks) konsumiert. Der Mittelwert für das Erhalten des MT beträgt 103 Tage. Reduktion von Angst und Depressionen Von den 31 TN haben 22 TN die Reduzierung von Depressionen und/oder von Angst als Ziel der Baclofen-Medikation angegeben. Die Abbildung 7 zeigt die Wirkung auf Angst und Depressionen. Die Wirkung von Baclofen auf die beiden Gruppen AB und MT ist annähernd gleich. 3,0 Reduktion Angst/Depressionen 2,5 2,0 Rel. Stärke 1,5 1,0 0,5 0,0 Beginn 5/7 Tage Aktuell Angst Depressionen Abb. 7 Reduzierung von Angst und Depressionen Interessant ist die schnelle Wirkung von Baclofen auf Angst und Depressionen. Von einem gemittelten Anfangswert der relativen Stärke von je 2,1 fällt die - Angst auf 1,0 (entspricht: schwach) nach einer gemittelten Medikationszeit von 7 Tagen (Dosis an Tag 7 bei ca.30 mg) - Depression auf 0,7 nach einer gemittelten Medikationszeit von 5 Tagen (Dosis an Tag 5 ca. 25 mg) Bis zum Erhebungsdatum ( aktuell in Abb. 7)- entsprechend einer mittleren Medikationsdauer von 55 Tagen- reduzieren sich Angst und Depressionen dann nur noch wenig auf 0,7 bzw. 0,6. Abgesehen von dieser deutlichen Reduzierung von Angst und Depressionen im Mittelwert, bezeichnen sich am Erhebungsdatum mehr als die Hälfte der TN frei von
Angst und von Depressionen. Reduktion von Nikotinkonsum Die Datensätze von 12 TN standen zur Auswertung zur Verfügung. Das Ergebnis ist in der Abbildung 8 zusammengefasst. 8 7 6 Nikotinreduzierung Anzahl TN 5 4 3 2 1 0 mehr 30 weniger 30 weniger 20 weniger 10 Anfang Aktuell Abb. 8 Nikotinreduzierung in der Baclofen- Medikation D.h. auch hier ist eine Wirkung von Baclofen nachweisbar. Zwischen Beginn und den aktuellen Daten liegen ca. 55 Tage. Ein Unterschied zwischen den Gruppen AB und MT lässt sich nicht aus den Daten erkennen. Ein Einfluss der Medikationsdauer und der Dosierung kann (noch) nicht aus den Daten abgeleitet werden. Zusammenfassung 1. Die Ergebnisse der 2. Umfrage wurden in wesentlichen Punkten bestätigt. 2. Die Umfrage zeigt klare Wege der Baclofen- Therapie für die Erzielung einer Abstinenz auf: Die Baclofen- Medikation sollte abstinent oder mit einer Abstinenz in den ersten Tagen begonnen werden. Eine Begleitung der Medikation durch eine SHG und/oder Psychotherapie scheint sich positiv auf das Abstinenzziel und die Abstinenzdauer auszuwirken. Bei den hier aufgezeigten Dosierungsverläufen treten bis auf die Abendmüdigkeit nur sehr schwache Nebenwirkungen auf. In der Regel ist eine Dauerdosierung um 50 mg pro Tag ausreichend. Die Abstinenzrate nach ca. 2 Monaten Medikationsdauer liegt extrem hoch. Zusätzlich zu einer deutlichen Reduzierung von Craving und dem Interesse am Alkohol bewirkt Baclofen ein hohes Maß an Motivation und Elan. 3. Die Umfrage zeigt deutlich, dass die Erhaltung des MT-Status mit Dauerdosierungen um 50 mg pro Tag möglich ist. Das Craving und das Interesse an
Alkohol ist in der Gruppe MT etwas höher als in der Gruppe AB, die relative Stärke in Bezug auf Elan und Motivation ist etwas schwächer. Die geringen Nebenwirkungen vergrößern sich nicht durch den maßvollen (im Mittel 1,5 standard drinks pro Tag in unserer Umfrage) parallelen Alkoholkonsum. 4. Die erhebliche Reduzierung von Angst und Depressionen stellt sich bereits nach einer Woche bei sehr geringen Dosierungen von 20-30 mg pro Tag ein. Nach einer Zeit von knapp zwei Monaten sind bei moderaten Dosierungen von Baclofen mehr als 50% der TN frei von Angst und Depressionen. 5. Die Wirkung auf die Reduzierung vom Nikotinkonsum ist merkbar, aber nicht so eindeutig wie die unter den Punkten 2-4 zusammengefassten Wirkungen.