TÜRKISCHE MIGRANTEN IN DEUTSCHLAND UND UMGANG MIT BEHINDERUNG MY LEBENSKRAFT GBR INTERKULTURELLE FAMILIENARBEIT Mürvet Yüksel-Karakoc
Die Bundesrepublik Deutschland schloss ein Anwerbeabkommen mit Italien (1955) Griechenland und Spanien (1960) Türkei (1961) Marokko (1963) Portugal (1964) Tunesien (1965) Jugoslawien (1968)
DIE MIGRATION DER TÜRKEISTÄMMIGEN MIGRANTEN KANN MAN IN 3 PHASEN ERKLÄREN: 1. Migrationsphase Vor 1970 der angeworbenen türkischen Gastarbeiter waren 20 % weiblich. Diese Frauen kamen allein und in der Regel aus eigenem Antrieb. Meist stammten sie aus städtischem Umfeld und hatten eine Ausbildung absolviert.
2. Migrationsphase In der 2. Migrationsphase ab Anfang der 70er Jahren folgten Frauen sowie Männer vom Land.
3. Migrationsphase In der 3. Migrationsphase nach dem Anwerbestopp von 1973 kamen Frauen sowie Männer im Rahmen eines Familiennachzugs aus den Dörfern Anatoliens. Bis zum Anwerbestopp 1973 lebten 910.500 Türken in Deutschland.
: Nach Ilhami Atabay gibt es 3 Familientypen der türkischen Migranten: Religiöse-traditionell orientierte Familien Familien zwischen Tradition und Moderne Moderne Familien
Religiös-traditionell orientierte Familien
Diese Familien orientieren sich an traditionellen islamischen Vorschriften, Werten und Normen. Diese Familien erziehen ihre Kinder heimatorientiert. Heimatorientierte Erziehung bedeutet, dass die Kinder religiöser, konservativer und autoritärer Erziehung bekommen. Die Kinder werden nach islamischen Normen und Werten erzogen.
FAMILIEN ZWISCHEN TRADITION UND MODERNE
Trotz des Modernen leben sind für diese Gruppe: die Jungfräulichkeit, Ehre, Würde und Ansehen sehr wichtig. Diese Familien bewegen sie sich im Alltagsleben zwischen traditionellen und modernen Wertvorstellungen. Sie sind gläubig, aber praktizieren ihren Glauben nicht. Sie zeigen sich nach außen als modern lebende Familien. Wenn man die innerfamiliären Beziehungen analysiert, denken und handeln in der Regel vor allem die Männer traditionsgebunden.
Die Rollenzuweisungen von Mann und Frau, aber auch andere Zuständigkeiten sind auf klassische Art und Weise aufgeteilt Typisch für diese Familien ist jedoch, dass die Frauen beruflich tätig sind und oft bessere berufliche Qualifikationen erlangt haben als die Männer.
Nach Akgün weist die Familie in der Migration eigenständige Züge auf. Hier entsteht ein neuer Familientypus, der Züge der Herkunftsfamilie sowie Züge der deutschen Familie innehat. In der Migration vermischen sich die Wertvorstellungen von Orient und Okzident miteinander und bilden eine Arabesk-Kultur*, welche durch Widersprüchlichkeit, Hoffnungslosigkeit und Trauer gekennzeichnet ist. *Arabesk ist eine Musikart, die mit griechischer Rembetiko ( Musik der Griechen, die aus Anatolien geflüchtet sind) vergleichbar ist und durch Trauer, Hoffnungslosigkeit und Widersprüchlichkeit gekennzeichnet ist.
Moderne Familien
Die Paare bezeichnen sich als nichtreligiös und nehmen eine kritische Haltung zu den traditionellen Wert- und Normvorstellung ein. Eine geschlechtliche Aufgabenzuteilung wie bei traditionellen Familien existiert hier nicht. Die Verwirklichung und die Bewahrung der eigenen Interessen stehen im Vordergrund. Ein Schwerpunkt liegt auf der Individualität.
Neben der sprachlichen Komponente gibt es zahlreiche Gründe für das Schulversagen wie: Soziokulturelle sozioökonomische schulorganisatorisch-politische Gründe. Nicht nur sprachliche Defizite der Eltern beeinträchtigen deren Unterstützungsfähigkeit, sondern auch die vorherrschende Unkenntnis des deutschen Schulsystems sowie fehlende Kontakte zu den Lehrern.
ERZIEHUNG VON TÜRKISCHEN KINDERN In den traditionellen Familien werden die Kinder eher nach autoritärer Erziehung erzogen. Erziehungsziele der türkischen Eltern sind: Respekt vor Autoritäten Ehrenhaftigkeit Zusammengehörigkeit Türkische Identität Religiöse Identität
ERZIEHUNG VON JUNGEN Männlichkeit Ehre Freundschaft Soziale Status Autonomes Sexualverhalten Der ältere Sohn kommt an 2. Stelle nach dem Vater. Der Sohn übernimmt die Pflichten und Rechte für die Familie.
ERZIEHUNG VON MÄDCHEN Zurückhaltung Schüchternheit Anpassung an die Mutter Aufenthalt im häuslichen Bereich Kontrolle und Überwachung der Sexualität Verinnerlichtes religiöses Gewissen
VERSTÄNDNIS VON BEHINDERUNG
In der türkischen Sprache gibt es unterschiedliche Begriffe, die für Behinderung genutzt werden. Engelli: heißt übersetzt behindert, beeinträchtigt. Özürlü: heißt übersetzt defekt und wird von den Familien eher negativ empfunden. Sakat: heißt übersetzt Krüppel und wird als sehr abwertend empfunden. Der Begriff Sakat wird eher von Familien aus ländlichen Gebieten der Türkei genutzt.
Das Verständnis von Behinderung ist bei Menschen mit islamischem Hintergrund zunächst maßgeblich von der islamischen Theologie und Ethik geprägt.
Behinderung wird im KORAN mit du'afa'u (körperlich schwach) bzw. safih (schwach im Geist; allgemein da'if = schwach) bezeichnet und nicht als dararun (Schaden, Leiden).
Der Islam geht davon aus, dass Gott den Menschen in idealer Gestalt geschaffen hat.
Manche sehen Behinderung als Strafe Gottes für eigene Fehler, suchen nach Schuld in der eigenen Person oder im Leben von Angehörigen.
Einige Familien nehmen die Behinderung der Kinder als einen Schicksalsschlag von Allah (Gott). Behinderungen werden entweder nicht gesehen, verleugnet oder als eine Krankheit gesehen, die nicht ein lebenslang andauernder Zustand und heilbar ist.
Es gibt Familien, die sich für die Behinderung der Kinder schämen und ziemlich isoliert leben. Sie lassen sich nicht mit ihren behinderten Kindern sehen, weil sie davon ausgehen, dass die türkische Gesellschaft daran glaubt, sie seien schlechte Menschen und Allah (Gott) hätte sie mit der Behinderung der Kinder bestraft.
Andere Familien sehen die Behinderung der Kinder als eine Bereicherung. Sie nehmen die Behinderung als ein Geschenk Gottes an oder als eine Prüfung, denn wenn man mit den behinderten Menschen gut umgeht, sie gut versorgt, wird man im Jenseits dafür belohnt. Es ist eine gute Tat vor Gott. Behinderte Menschen sind im Islam unschuldige Menschen und sündigen nicht.
Literatur: Akgün, Lale Strukturelle Familientherapie bei türkischen Familien Heft : Familiendynamik 1991 Atabay, Ilhami :Zwischen Tradition und Assimilation 1998 MERZ-ATALIK, K.: Kinder nichtdeutscher Muttersprache und Herkunft Belastung oder Bereicherung für den Gemeinsamen Unterricht? In: Eberwein, H. (Hrsg.): Handbuch der Integrationspädagogik. 6. Auflage. Weinheim 2002 MÜLLER, R.: Behinderung und Integration im Islam. In: Pithan, A. et al (Hrsg.): Handbuch integrative Religionspädagogik Reflexionen und Impulse für Gesellschaft, Schule und Gemeinde. Gütersloh 2002 ÖZTÜRK, Y. N.: 400 Fragen zum Islam 400 Antworten. Ein Handbuch. Düsseldorf 2001. Reißlandt, Carolin: Von der Gastarbeiter-Anwerbung zum Zuwanderungsgesetz. Migrationsgeschehen und Zuwanderungspolitik in der Bundesrepublik auf www.bpb.de, Internetseite der Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), 15. März 2005 von Wogau, Eimmermacher, Lanfranchi (Hrsg.): Therapie und Beratung von Migranten. Systemisch-interkulturell denken und handeln
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT