So lernt mein Kind sprechen



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Transkript:

Annerose Keilmann So lernt mein Kind sprechen Sprachstörungen erkennen Sprachentwicklung fördern Mit vielen Übungen und Sprachbeispielen Tonbeispiele zusammengestellt und kommentiert von Thomas Brauer 1

Annerose Keilmann Univ.-Prof. Dr. med. Annerose Keilmann geboren in Tuttlingen, Studium der Medizin in Homburg (Saar) und Freiburg i. Br., Promotion in der Physiologie, Weiterbildung zur HNO-Ärztin, Habilitation zu Schalldeprivation und Hörbahnreifung, Fachärztin für Phoniatrie und Pädaudiologie. Seit 1996 Leitende Oberärztin der Klinik, seit 2006 Leiterin des Schwerpunkts Kommunikationsstörungen der Universität Mainz, seit 2003 Landesärztin für hör-, stimm- und sprachbehinderte Menschen in Rheinland-Pfalz und Ärztliche Leiterin der Lehranstalt für Logopäden Mainz. Mitglied des Präsidiums der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie, des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Sprach- und Stimmheilkunde und des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie. Verheiratet, eine Tochter. Thomas Brauer Lehrlogopäde, Fachlicher Leiter der Lehranstalt für Logopäden am Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Vorstandsmitglied des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (dbl). Er ist Verfasser des Bandes Logopädie - Wo lern(t)e ich das?, Mitautor der Bände Logopädie - Was ist das?, Logopädie - Wer ist wer? (Schulz-Kirchner Verlag) und Mitautor der Reihe Stimm- und Sprachstörungen in akustischen Beispielen (Thieme Verlag). 2

Annerose Keilmann So lernt mein Kind sprechen Sprachstörungen erkennen Sprachentwicklung fördern Mit vielen Übungen und Sprachbeispielen Tonbeispiele zusammengestellt und kommentiert von Thomas Brauer Das Gesundheitsforum Schulz- Kirchner Verlag 3

Annerose Keilmann Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. So lernt mein Kind sprechen ist die komplett überarbeitete und um Tonbeispiele ergänzte Neuauflage der erstmals 1998 im Midena Verlag erschienenen Ausgabe. Besuchen Sie uns im Internet: www.schulz-kirchner.de 3. Auflage 2014 2. Auflage 2008 1. Auflage 2005 ISBN 978-3-8248-0378-1 Alle Rechte vorbehalten Schulz-Kirchner Verlag GmbH, 2014 Mollweg 2, 65510 Idstein Vertretungsberechtigte Geschäftsführer: Dr. Ullrich Schulz-Kirchner, Nicole Haberkamm Fachlektorat: Prof. Dr. Jürgen Tesak Lektorat: Doris Zimmermann Umschlagentwurf und Layout: Petra Jeck Umschlagfoto: www.photocase.de Fotos im Buch: Thomas Brauer Druck und Bindung: medienhaus Plump GmbH, Rolandsecker Weg 33, 53619 Rheinbreitbach Printed in Germany 4

Inhaltsverzeichnis Einleitung 11 Die wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der Sprache 13 Die Entwicklung von Sprachverständnis und Sprache 19 Der Neugeborenenschrei 19 Gurrlaute 19 1. Lallphase (ab 6. Lebenswoche) 20 2. Lallphase (beginnend im 6. bis 8. Lebensmonat) 20 Entwicklung des Hörvermögens 21 Motherese 22 Entwicklung des Sprachverständnisses 23 Das erste Wort 23 Vom Zweiwortsatz (Zweiwortäußerung) zu komplexen Sprachleistungen 24 Die Entwicklung des Lautinventars 24 Der Wortschatz 26 Grammatik: Syntax und Morphologie 27 Entwicklungsunflüssigkeit 27 Möglichkeiten, die Sprachentwicklung im Säuglings- und Kleinkindalter zu fördern 29 Natürliche Sprachsituationen schaffen und nutzen 29 Babysprache ja oder nein? 30 Kinder mitreden lassen 30 Telefonieren 31 Vorsingen und Mitsingen 31 Blickkontakt 31 Erfahrungen mit allen Sinnen sammeln 31 Spiele mit dem Mund 32 Beruhigungssauger 32 Spielplätze 33 Krabbelgruppe 34 Zuhören 34 Geräusche erkennen lernen 35 5

Annerose Keilmann Möglichkeiten, die Sprachentwicklung im Kindergartenalter zu fördern 36 Bewegungserfahrungen 36 Musikalische Erziehung 38 Spielerische Förderung der Mundmotorik 38 Gesprächssituationen 38 Rollenspiele 38 Sprachentwicklungsstörung - Sprachentwicklungsverzögerung 39 1. und 2. Lallphase, beginnendes Sprachverständnis 39 1. Wort im 9.-14. Lebensmonat 40 Mindestens 50 Wörter und Zweiwortsätze am 2. Geburtstag 41 Vom 2. zum 3. Geburtstag 41 Richtige und allgemein verständliche, einfache Sätze am 4. Geburtstag 41 Die Diagnosestellung setzt eine ausführliche Untersuchung voraus 42 Sprachverständnisstörungen 42 Stammeln - Dyslalie 43 Sprachentwicklungsbehinderung 47 Ursachen von Sprachentwicklungsstörungen und -verzögerungen 49 Hörstörungen 49 Mittelohrschwerhörigkeiten (Schallleitungsschwerhörigkeiten) 49 Innenohrschwerhörigkeiten (Schallempfindungsschwerhörigkeiten) 50 Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) 51 Periphere Sehstörungen und visuelle Wahrnehmungsstörungen 53 Veränderungen der Sprechorgane: Gaumenspalten, Zungenbändchen 53 Gestörte Ansteuerung der Sprechwerkzeuge vom Gehirn 54 Intelligenzdefizite 54 Allgemeine Entwicklungsverzögerung 55 Familiäre Faktoren 55 Familiär bedingte Reifungsstörung, familiärer Sprachschwächetypus 55 Geschlecht und Position in der Geschwisterreihe 55 Psychosoziale Faktoren 56 Veränderte soziokulturelle Bedingungen als Ursache für die Zunahme von Sprachentwicklungsstörungen 57 Sprachentwicklung und psychische Probleme 57 6

Sprachentwicklung bei Hörbehinderungen 59 Verzögerte oder ausbleibende Sprachentwicklung bei Hörstörungen 60 Verhaltensstörungen bei nicht erkannter Hörstörung 61 Wahl der Schule für das schwerhörige Kind 61 Sprachentwicklung bei Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumen- Segelspalten 62 Weitere Stimm-, Sprach- und Sprechstörungen 63 Näseln 63 Entwicklungsunflüssigkeiten und Stottern 66 Entwicklungsunflüssigkeiten 66 Stottern 66 Stottern und Sprachentwicklungsstörungen 67 Offenheit im Umgang mit dem Stottern 67 Ursachen des Stotterns 68 Verhalten der Umgebung 68 Poltern 71 Mutismus 72 Autismus 73 Lese-Rechtschreibschwäche (LRS)/Legasthenie 74 Typische Symptome 74 Ursachen der Legasthenie 75 LRS und Sprachentwicklungsstörungen 75 Behandlung der Legasthenie 75 Kindliche Stimmstörungen 76 Erhebung des Sprach- und Sprechbefunds 76 Diagnose von Sprachstörungen 77 Ärztliche Untersuchung 77 Hörprüfung 77 Verdacht auf auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung 78 Weiterführende Untersuchungen 78 Beurteilung der Sprachentwicklung 80 Beurteilung des Sprachverständnisses 80 Beurteilung der produktiven Sprache 81 Artikulationsprüfung 81 Überprüfung des Wortschatzes 82 Überprüfung der Grammatik 83 Pragmatische Ebene 83 7

Annerose Keilmann Behandlungs- und Fördermaßnahmen bei Sprachentwicklungsstörungen, Stammeln, mangelnder Grammatikbeherrschung, eingeschränktem Wortschatz oder eingeschränktem Sprachverständnis 84 Elterntraining 84 Frühförderung 84 Logopädische Therapie 85 Sprachheilkindergarten 86 Sprachheilschule 86 Kliniken für Phoniatrie 86 Sprachheilzentrum 86 Wer trägt die Kosten für eine Sprachbehandlung? 87 Kann ein Kind, dessen Sprache noch nicht altersentsprechend entwickelt ist, eingeschult werden? 87 Wie sollen die Eltern und andere Bezugspersonen mit ihrem Kind umgehen, wenn die Sprachentwicklung nicht normal verläuft? 89 In Ruhe zuhören 89 Keine Nachsprechübungen 89 Wenn das Kind ausgelacht wird 90 Sprache anbieten 90 Korrektives Feed-back 91 Fragen 93 Schimpfwörter 94 Welche Spiele eignen sich zur Sprach- und Sprechförderung? 96 Förderung der Finger- und Handmotorik 96 Förderung der Mundmotorik 97 Zungenübungen 98 Lippenübungen 98 Übungen für die Wangenmuskulatur 99 Übungen zur Luftstromlenkung 99 Übungen für das Gehör 100 Geräusche 101 Stimmen erraten 101 Schallquellen orten 102 Unterscheidung von Lauten 102 Förderung der Sprache im engeren Sinn 103 Krabbelsack 103 8

Tierlaute 103 Reime und Fingerspiele 103 Rollenspiele 108 Kaufladen 108 Puppen- und Handpuppenspiele 108 Einkaufen 109 Museumsbesuche 109 Zoobesuch 109 Telefonieren 110 Tagebuch führen 110 Sprachwettspiele 111 Gegenstände beschreiben 111 Pantomime 111 Tiere erraten 111 Fernsehansagerin spielen 111 Verrückte Gerichte erfinden 111 Wörter sammeln 112 Ich sehe was, was du nicht siehst 112 Alle Vögel fliegen hoch 112 Ich packe meinen Koffer 112 Fehler suchen 113 Medien 114 Fernsehen 114 Negative Auswirkungen des Fernsehens 114 Wie sollen Eltern mit dem Fernsehen umgehen? 115 Kassetten-/CD-Player 115 Computer 116 Kindliche Zweisprachigkeit 117 Sprachentwicklung bei Mehrsprachigkeit 119 Was sollten die Eltern beachten? 120 Einfluss der Mehrsprachigkeit auf die Entwicklung 122 Mehrsprachigkeit und Sprachentwicklungsstörungen 123 Dialekt 124 Literatur 125 Adressen von Ärzten und Sprachtherapeuten 128 Anhang Tonbeispiele und Erläuterungen zur CD 130 9

Annerose Keilmann 10

Einleitung Der Mensch bedient sich unterschiedlichster Formen der Kommunikation. Von allen Kommunikationsmöglichkeiten ist die Sprache diejenige, die die differenzierteste Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen ermöglicht. Ein großer Teil unserer Denkvorgänge im Erwachsenenalter läuft ebenfalls über die Sprache. Deshalb ist es für die Gesellschaft sehr beunruhigend, wenn, wie mehrere Untersuchungen der letzten Jahre zeigten, immer mehr Kinder unter Sprachentwicklungsstörungen leiden. Eine normale Entwicklung des Sprachverständnisses und der aktiven Sprache ist eine ebenso wichtige Voraussetzung für die Entwicklung normaler Beziehungen im sozialen Umfeld und für die geistige Entwicklung. Sprache wird im Umgang mit Eltern, Geschwistern und anderen Personen gelernt. Die Art und Weise, in der diese Personen mit Sprache umgehen, spielt eine ganz entscheidende Rolle für den Spracherwerb jedes Kindes. Abb. 1: Sprache wird im Umgang mit anderen Menschen gelernt. In diesem Buch wird die normale Entwicklung der Sprache mit ihrer Variationsbreite geschildert. Dabei werden die Grenzen dessen, was noch im Bereich des Normalen liegt, verdeutlicht. Mit diesen Informationen kann abgeschätzt werden, ob eine professionelle Untersuchung eines Kindes notwendig ist. 11

Annerose Keilmann Mehr Wissen über die Sprachentwicklung trägt dazu bei, mit dem Kind in besserer Weise umzugehen, ihm eine sprachfördernde Umgebung zu schaffen. Breiten Raum nehmen schließlich Spiele ein, die überwiegend ohne großen materiellen Aufwand Spaß machen und die sprachlichen Fertigkeiten auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Entwicklungsphasen fördern. Wird eine Abweichung von der normalen Sprachentwicklung rechtzeitig erkannt und sind die Ursachen abgeklärt, dann können negative Auswirkungen auf die weitere Entwicklung in vielen Fällen verhindert werden. Die Aussichten sind umso günstiger, je früher geholfen werden kann, möglichst bevor eine ausgeprägte Störung vorliegt und sich auch das Kind schon dieser Schwierigkeiten bewusst wird, also ein Störungsbewusstsein entwickelt. Erwachsene wie Eltern und Erzieher sind oft unsicher im Umgang mit sprachgestörten Kindern. Durch ständige Aufforderungen, sich nun doch mal anzustrengen oder deutlicher zu sprechen, helfen sie den betroffenen Kindern nicht. Kinder entwickeln oft Verhaltensauffälligkeiten, wenn sie nicht verstanden werden. Auch wenn ein Kind die Aufforderungen der Erwachsenen nicht versteht, können hieraus Probleme erwachsen. Die Eltern interpretieren vielleicht, dass sich das Kind bockig anstellt und nicht will, obwohl es in Wirklichkeit gar nicht verstanden hat, was es tun sollte. 12

Die wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der Sprache Die normale Entwicklung der Sprache setzt die richtige Funktion verschiedener Systeme voraus: die Planung im Gehirn, die Atmung, die Stimme, die Lautbildung (Artikulation), das Gehör und die zentrale Verarbeitung des Gehörten. Ebenso wichtig wie die genannten Voraussetzungen einschließlich einer angeborenen Begabung des Menschen, Sprache zu erwerben sind die Bedingungen, unter denen ein Kind aufwächst: Es braucht ausreichend Wärme und genügend Akzeptanz von Menschen, die ihm Sprachvorbild und Gesprächspartner sind. Verschiedene Anteile des Gehirns arbeiten auf bis heute nicht vollständig bekannte Art und Weise zusammen, um den Inhalt der geplanten Äußerung in einem Satz zu formulieren und dann alle Ausführungsorgane wie z. B. Lunge, Kehlkopf, Gaumen, Zunge und Lippen koordiniert anzusteuern. Besonders beim Erlernen der Sprache ist die Kontrolle über das Ohr von großer Bedeutung. Während des Spracherwerbs entwickelt sich dabei auch das Gehirn weiter. Die normale Entwicklung der für die Steuerung der Sprache zuständigen Zentren im Gehirn ist dabei nur möglich, wenn Sprache eingesetzt wird. Das Erlernen bestimmter Fähigkeiten ist in bestimmten Altersstufen leichter möglich. Kleinkinder, die in Bayern aufwachsen, lernen meist ohne sichtliche Probleme das Zungen-R, solche, die in Südbaden aufwachsen, das Rachen- R, und chinesische Kinder weder das eine noch das andere. Versuchen Erwachsene, ihnen unbekannte Laute zu erlernen, dann stoßen sie meist auf Schwierigkeiten. Auch die den Sinn übermittelnde Sprachmelodie (Prosodie) wird typischerweise früh in der Kindheit erlernt. Erwachsene lernen Sprachen meist auf andere Weise. Sie stellen Überlegungen über die Struktur der Sprache an und orientieren sich oft an der Schriftsprache. Wortschatz und Grammatik können auch in höherem Lebensalter gut erlernt werden. Die Atmung dient nicht nur zur Versorgung des Körpers mit Sauerstoff bzw. zur Entsorgung des Kohlendioxids, sondern wird beim Menschen und vielen höheren Tierarten auch zur Lauterzeugung eingesetzt. Die Luft aus der Lunge wird durch die Spannkraft der Lunge, durch die Muskeln zwischen den Rippen und mittels Zwerchfell durch die Luftröhre in den Kehlkopf gedrückt, wo sie die Stimmlippen in Schwingungen versetzt. Gesunde Säuglinge nutzen 13

Annerose Keilmann die erste Atemluft nach der Umstellung bei der Geburt zum ersten Schrei, der ersten stimmlichen Äußerung des Menschen. Ohne kräftige Atmung ist auch im späteren Leben die Sprache oft leise und undeutlich, eine gute Atemfunktion ist also für die Sprachentwicklung von großer Bedeutung. Die Stimme wird gebildet, indem die Stimmlippen in eine der Lautstärke und Tonhöhe entsprechenden Länge und Spannung gebracht, zusammengeführt und dann durch den Luftstrom aus der Lunge in Schwingungen versetzt werden. Ohne Stimme kann nur geflüstert werden. Bei Kindern, die keine Stimme bilden können, z. B. weil der Kehlkopf gelähmt oder für Luft nicht passierbar ist, kann sich die Sprache nicht normal entwickeln. Der Kehlkopf des Säuglings mit seinen schmalen und kurzen Stimmlippen erzeugt eine hohe Stimme. Durch das Wachstum des Kehlkopfs und der Stimmlippen wird der Tonumfang erweitert und die Stimme wird voller und leistungsfähiger. In der Pubertät wächst der Kehlkopf dann rascher. Beim männlichen Jugendlichen sinkt die Stimmlage etwa um eine Oktave, beim Mädchen etwa um eine Terz ab und erreicht nach einer Phase der unsicheren Spannungsverhältnisse mit wechselndem Stimmklang ( Stimmwechsel, der bei einem Fünftel der Jungen als Stimmbruch mit stark schwankenden Tonhöhen verläuft) die Eigenschaften der erwachsenen Stimme (Keilmann, 2005). Der vom Kehlkopf gebildete Ton wird von den Artikulationsorganen zu bestimmten Lauten geformt. Durch die unterschiedlichen Einstellungen des Kiefers, der Zunge, des Gaumens und der Lippen werden die verschiedenen Vokale geformt, die meisten Konsonanten werden durch Bildung von Engstellen im Mund- und Rachenraum gebildet. Wichtige Voraussetzung für die Sprachentwicklung sind dementsprechend eine normale Form und Funktion dieser Organe. Formabweichungen wie eine Gaumenspalte oder Lähmungen z. B. der Lippe behindern die Sprachentwicklung. Die Artikulationsbewegungen erfordern sehr präzise Bewegungsabläufe, die von jedem Kind lange geübt werden müssen. Vorübungen für die Bewegungsmuster zur Lautbildung sind grundlegendere Funktionen wie Saugen, Schmatzen und Schlucken. Die richtige Bildung der Laute wird im normalen Spracherwerb überwiegend über das Gehör kontrolliert, mit zunehmender Übung entwickelt der Sprechende dann auch die Kontrolle über die Eigenwahrnehmung von Lage, Spannungen und Bewegungen in den lautbildenden Organen. Die meisten Kinder benutzen zuerst nur einfacher zu bildende Laute. Die schwierigeren Laute lernen Kinder meist erst später. Die Schwierigkeit hängt vom Bildungsort (Lippenlaute sind einfacher als weiter hinten zu bil- 14

Abb. 2: Die Lautbildung (oben [a], Mitte [i], unten [u]) erfordert die Beherrschung zahlreicher Bewegungsabfolgen von Kiefer, Lippen, Zunge und Gaumensegel. 15