Konstruktion von Lernaufgaben



Ähnliche Dokumente
Allgemeine Übersicht: Leistungsbewertung Erdkunde Sek. I und II. Kompetenzen. Kenntnisse Fähigkeiten Fertigkeiten

Elterninformationen zum Thema Hausaufgaben

Textbausteine zur Erstellung der verbalen Beurteilung

GLOSSAR BEGRIFF FREIARBEIT

Leistungsbewertung im Fach: Chemie. ggf. max. Anz. relevante Aspekte pro HJ Hausaufgaben als Grundlage

Stefanie Purann & Saskia Jodlowski

in Kinderschuhen Möglichkeiten und Wege der Partizipation Kinder unter drei Franziska Schubert-Suffrian 21. April 2010

Konzept zum Umgang mit Hausaufgaben an der Peter-Härtling-Schule

Vier-Ohren-Modell. 2. der darin verborgenen Selbstbeschreibung. 3. dem darin verpackten "Appell" des Sprechenden

Präsentation und Rhetorik

Beitrag für den NWA-Tag 2008

Vom Lernfeld zur Lernsituation Kooperatives Lehren und Lernen in Lernfeldern

Die 10 Gebote der BARRIERE-FREIHEIT Barrieren sind Hindernisse. Barriere-Freiheit heißt: Ohne Hindernisse Gebot heißt: Du sollst etwas genau beachten

Mögliches Vorgehen beim Erarbeiten von Kurzgeschichten

Hochbegabung erkennen und fördern. Elterninformation, 29. September 2010

Das Mitarbeitergespräch - Eine Übersicht von Schwierigkeiten und Anforderungen

Fragebogen für die Weiterbildung im Schulversuch Ethik/ Philosophie

ALGEBRA Quadratische Gleichungen

Anhang 14: Fragebogen für die Absolventen der Weiterbildung im Schulversuch Ethik/ Philosophie

1. Korinther 12, 4-11: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Prüfungen im Fach Biologie im Schuljahr 2013/14

Fragebogen für Schülerinnen und Schüler Version 3 Juni Beteiligung und Schulkultur. Der Unterricht an der Schule

Rehabilitation heißt: Wieder in der Gesellschaft mit machen. Zum Beispiel: Durch Hilfe für behinderte oder kranke Menschen.

Die Schüler sollen von der Idee bis zur Durchführung ihre Arbeit selbst organisieren und bearbeiten.

Kompetenzorientierter Unterricht an der Berufsschule Eisenstadt

Zehn Merkmale guten Sportunterrichts von Johannes Reckermann

I. BEWERTUNG DER KOMMUNIKATIVEN KOMPETENZ (30 Punkte) Lesen Sie den Text und lösen Sie die folgenden Aufgaben: Eine Schulklasse, viele Sprachen In

Förderung arithmetischer Basiskompetenzen bei lernschwachen Schülern

Schülergruppen in Untis und WebUntis 2015

Kompetenzanalyse Profil AC an Realschulen

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Kreatives Schreiben - Kinder schreiben Reizwortgeschichten

Kompetenzorientiertes Lernen in heterogenen Lerngruppen

Pisafit Mathematik Klammern. Inhaltsverzeichnis

Josef-Kentenich-Schule - Evaluation Fragebogen Schüler, Schuljahr 2014/15

Portfolio Praxiselemente

Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS

Entdeckendes Lernen am Zahlengitter für alle Kinder

Beobachtungsbogen für Unterrichtsbesuche

Grammatik-Werkstatt. Von Daniele Voß-Pauli und Ivana Kuckhoff

Lehrerfortbildungsinstitut Bremerhaven. Kompetenzorientiert unterrichten

So wird s überzeugend! Debattieren im Deutschunterricht Wie man verständlich formuliert und schlüssig argumentiert

22A) Was ist besonders gut an der Veranstaltung/Vorlesung?

Piraten-starke Hausaufgaben-Tipps FÜR DAS KIND. der Schreibtisch in meinem eigenen Zimmer. Da bin ich ganz ungestört.

Zehn Merkmale guten Unterrichts nach: Liane Paradies, Hilbert Meyer; Carl-von-Ossietzky-Universität, Oldenburg

Planungs- und Bestellvorgänge festlegen Auftragsplanung

Till-Eulenspiegel-Schule Mölln

Teilbarkeitsregeln 3, 6 und 9

2.1 Überfachliche Kompetenzen als Gegenstand des Hochschulstudiums

Der Pädagogische IKT-Führerschein

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg

Hausaufgabenkonzept der Königin-Luise-Schule für die Jahrgangsstufen 5 bis 9

Illustrierende Aufgaben zum LehrplanPLUS

Flächeninhalt von Dreiecken

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Kleine und große Momente des Glücks. Das komplette Material finden Sie hier:

Darstellende Geometrie/ 3D- Geometry

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Aufgabenbeispiele für Klassen der Flexiblen Grundschule

Modul 10: In Gruppen handlungsorientiert lernen

Unterschiedliche Zielarten erfordern. unterschiedliche Coaching-Tools

Kooperatives Lernen. Gliederung: Definition. Was ist Kooperatives Lernen. Unterscheidung zu traditionellem Gruppenunterricht.

Rahmenvereinbarung. über die Ausbildung und Prüfung. für ein Lehramt der Grundschule bzw. Primarstufe. (Lehramtstyp 1)

Mikro-Lernpfad: Lineare Funktionen

Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die Fächerübergreifende Kompetenzprüfung Kerstin Klein, SSDL LB (RS) April 2006

Was ist Montessori-Pädagogik? - eine Einführung für Eltern -

So überquere ich die Straße richtig

Zur Vermittlung grundlegender interaktiver Kompetenzen im Unterricht

I NE ERL DAS SCHRECKLICHE LEBEN? KOPF TEIL 5: ROLLSTUHL FÜR BERNHARD MEYER

Ubuntu4Africa; Hout Bay, Kapstadt Südafrika Katja. Fakultät 13, Bachelor Rehabilitationspädagogik, 3. Fachsemester

Eigenes Geld für Assistenz und Unterstützung

Die Zielsituationen können je nach Kurskontext und Kursteilnehmer_in sehr unterschied-

Lernblatt: Lagebeziehungen

Fachanhang zur Studienordnung des Bachelorstudiengangs der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock. B 10: Philosophie. Vom 30.

Angestrebte Kompetenzen/Ziele

Positive und negative Zahlen

Theorie und Praxis der Schulentwicklung EU-Projekte als Mittel der Schulentwicklung am Beispiel Forschendes Lernen

Jedes Kind hat Gelegenheit sich verschiedene Bücher anzusehen und sucht sich dann ein Buch aus, Lesezeit

Selbstständig als Unternehmensberater interna

Bildungskongress Arbeiten mit Kompetenzrastern Erbach. Zusammengestellt im April2016 FBU Nicole Dolpp und Anne Strobel

3. Versteh mich doch endlich!

Der Löwe Bantu und die Zehnerüberschreitung

Fotodoppelseiten Lektion 11: Versäumt

Fragebogen für Schüler im Projekt Praxisberater. Klasse 8

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Die Jungen/Mädchen meiner Schulklasse/Gruppe. 30 Minuten bis zwei Stunden. Lehrer_innen, Pädagog_innen, Multiplikator_innen

Wir sollen erarbeiten, wie man mit Hilfe der Mondentfernung die Entfernung zur Sonne bestimmen kann.

AG 3 METHODIK & DIDAKTIK

KOMPETENZORIENTIERTE LEHRPLÄNE FÜR DAS BERUFLICHE GYMNASIUM

VERBINDLICH FÜR DAS FACH DEUTSCH (zur Orientierung für andere Fächer)

Außendifferenzierung und Förderung durch bilingualen Unterricht

Schnellerer Spracherwerb

Diagnostizieren und Intervenieren im kompetenzorientierten Mathematikunterricht

Lehre/Prüfen: ConstructiveAlignment. Abb. 1

Leistungsbewertung im Fach: Latein

1A Strukturiertes Erklären (beliebiges Thema)

Wiesbachschule Grävenwiesbach. Konzept Zensierung und Bewertung von Schülerleistungen

Anforderungsbereiche Niko 10

Unterricht ist Kommunikation. Der Schüler entscheidet, was gelehrt wurde.

In 7 Schritten zum Für immer aufgeräumten Schreibtisch Dauerhaft mehr Zeit für Beruf und Familie

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Transkript:

Schulpraktische Seminare Musik Konstruktion von Lernaufgaben [Definition Beispiele Erarbeiten Darbieten Üben Literatur] Definition "Lernaufgabe" ist kein klar definierter didaktischer oder methodischer Begriff. Er bezeichnet lediglich, dass "etwas gelernt werden soll" und dieses "Etwas" in der Regel dem Individuum von außen gesetzt wird, eben "aufgegeben". Dabei ist folgender Hinweis von grundlegender Bedeutung: "Das Lehren ist dem Lernen systematisch untergeordnet" (MEYER 1997, S. 46; Hervorh. vom Verfasser). Das bedeutet, dass das Lehren so konstruiert werden muss, dass es dem Individuum Lernen ermöglicht. Das heißt nun wiederum, dass bei der Konstruktion des Lehrens antizipiert werden muss, welche Lernoperationen der Schüler wahrscheinlich ausführen muss, um das angestrebte Lernergebnis zu erreichen. Deswegen folgender Vorschlag einer Faustregel: Konstruktion einer Lernaufgabe heißt die Zurückführung eines Lernergebnisses auf die zu seiner Erreichung notwendigen Lernprozesse. Beispiele Dabei ist es ein großer Unterschied, wie das Lernergebnis definiert wird. Einige Beispiele: "Wissen und Behalten" erfordert mnemotechnisch sinnvoll angelegte Lernprozesse. "Erkennen und Verstehen" erfordert möglichst eigenständige Lösung eines bestimmten Problems, dafür muss aber das nötige Handwerkszeug und ggf. auch die nötige

Vorgehensweise dem Schüler bereitgestellt werden. "Beherrschen" in psychomotorischer Hinsicht setzt wieder ein ganz spezifisches Repertoire von Operationen voraus. "Mögen", "positives Verhältnis gewinnen zu etwas" bewegt sich auf der Ebene der Ermöglichung und erfordert das Wissen um mögliche Barrieren. Ein weiteres, übergeordnetes Prinzip ist die sich aus der (nicht nur zeitlichen) Begrenztheit schulischen Lernens ergebende Forderung nach Ermöglichung von Selbstständigkeit des Schülers. "Hilf mir, es selbst zu tun" lautet der Ausspruch, den Maria Montessori von einer Schülerin überliefert (und der oft zu eng verstanden wird). "... Der Schüler [soll sich] unter mehr oder weniger direkter Anleitung und Kontrolle des Lehrers in die gestellte Lernaufgabe einarbeiten. Dabei soll er Kenntnisse erwerben bzw. Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln, die ihn dazu qualifizieren, solche oder ähnliche Aufgaben in Zukunft ohne fremde Hilfe zügig zu erledigen" (MEYER 1987, S. 151). Solche Lernaufgaben dienen...... dem Aufbau von Sach- und Fachkompetenz,... dem Aufbau von Methodenkompetenz,... der Förderung der sozialen und kommunikativen Kompetenz (angelehnt an MEYER, a. a. O.). Zur Verdeutlichung der Relevanz solcher Überlegungen könnten folgende fragwürdige Vorgehensweisen diskutiert werden: Lehrer(in) spielt Dreiklang vor, fragt: "Dur oder Moll?" Lehrer(in) versucht im fragend-entwickelnden Unterrichtsgespräch den stilgeschichtlichen Begriff "Barock" zu erarbeiten. Lehrer fordert Schüler auf, höher zu singen. Es ist hilfreich, immer wieder zu unterscheiden zwischen * eine Sache von Schülern erarbeiten lassen, * eine Sache Schülern darbieten,

* eine Sache mit Schülern üben. Dabei ist eine Hierarchisierung dieser drei Möglichkeiten wissenschaftlich nicht begründbar. Zum Punkt "Erarbeiten" Eine auch nur annähernd befriedigende Skizze würde den Rahmen dieses Arbeitspapiers bei weitem sprengen. Hier hilft nur eine intensive Diskussion im Seminar bzw. im Kollegenkreis. Wenigstens folgender Verweis auf einen bereits oben ausgeführten Gedanken: Über welche Fähigkeiten, Informationen und Materialien muss ein Schüler verfügen, um die von mir gestellte Aufgabe (wie klein oder groß sie auch immer sein mag) wirklich eigenständig lösen zu können? (Grell: "Ich lasse die Schüler arbeiten [und störe sie dabei nicht].") Zum Punkt "Darbieten" "Die Darbietungsaufgaben sind also sehr vielgestaltig. Zum Glück hat uns unsere akademische Lehrerausbildung dafür das notwendige Handwerkszeug vermittelt. Sicher haben Sie alle in Frage kommenden Darbietungsmethoden mit ihren Feinheiten in den entsprechenden Seminaren ( Moderne Präsentationsmethoden für den Chemie- Unterricht', Die Darbietungstechniken im Lernfeld Kreatives Schreiben, Pädagogischer Grundkurs: Erklären und Vormachen in der Primarstufe ) und ebenso im Referendariat gründlich trainiert. Falls nicht, müssen wir uns diese beruflichen Künste... antrainieren" (GRELL 1998, S. 66). "Verständliche Darstellung ist keine Naturbegabung - man kann es lernen" (SCHULZ VON THUN 1981, S. 155). Zum Punkt "Üben" Wegen der Relevanz für den Musikunterricht und weil dieser Ansatz noch recht wenig beachtet, geschweige denn hoch geschätzt wird, eine ausführliche Darstellung des Modells des "Direkten Unterrichtens" (so übersetzt Jochen Grell das amerikanische "direct instruction"; der nachfolgende Abschnitt ist entnommen GRELL 1998): "Direkter Unterricht folgt in seinem Ablauf einem Grundmuster aus drei Arbeitsschritten: 1. Demonstration und Präsentation,

2. Üben unter Anleitung, 3. selbstständiges Üben. Diese Schritte muss man allerdings nicht pedantisch einhalten.(...) Erster Schritt: Demonstration und Präsentation Den Schülern wird mitgeteilt, was sie lernen sollen. Dann wird ihnen der Lehrstoff so deutlich wie möglich dargeboten. Das heißt die Schüler werden nicht - wie es traditionellerweise oft geschieht - in sokratischer Weise nach dem Stoff ausgefragt, den sie erst noch lernen sollen. Sie müssen nicht von selbst darauf kommen, worauf es ankommt. Sie sollen den Unterrichtsinhalt nicht selbst entdecken. Der zu lernende Inhalt wird den Schülern vielmehr so direkt wie möglich gezeigt, demonstriert, vorgemacht oder erklärt, oft mehrmals, und zwar in kleinen, übersichtlichen, gut erlernbaren Häppchen und nicht alles auf einmal. (...) Schüler meinen...: Lehrer müssen gut erklären können. (...) Der wichtigste Tipp bleibt aber: Fasse dich kurz! Bei den meisten Menschen schaltet sich die Merkfähigkeit schon nach wenigen Minuten mehr oder weniger aus. Sie behalten von einer Darbietung nur sehr wenig, wenn sie nicht sofort eine Gelegenheit bekommen, deren Inhalte zu üben und sie sich einzuprägen. Darum ist der folgende Schritt so wichtig. Zweiter Schritt: Üben unter Anleitung Dieser Arbeitsschritt ist der Kern des Direkten Unterrichtens: Der Lerninhalt wird unter Lehreranleitung mit der ganzen Klasse intensiv und in möglichst zügigem Tempo geübt: 1. Man stellt ein Frage oder Aufgabe. 2. Sie wird von einem Schüler beantwortet. 3. Man gibt dem Schüler Feed-back. 4. Man stellt eine neue Frage. 5,... usw. (...) Mit zehn oder zwanzig Fragen und ein bisschen Lehrerfantasie kann man sehr gut eine

Stunde lang üben, ohne dass die Schüler sich dabei langweilen müssen. Denn oft ist es sinnvoll, dieselben Fragen oder Aufgaben mehrmals zu stellen.(...) Das Üben unter Anleitung des Lehrers muss sich für die Schüler lohnen. Lehrer, die nicht nur mit Worten, sondern mit dem ganzen Körper zu reden verstehen, können ihre Schüler ständig mit Belohnungen versorgen und so ihre Lernlust anheizen. Die Apostel des selbst gesteuerten Lernens haben hier natürlich Bedenken: Die Schüler dürfen nicht über äußere Belohnungen zum Lernen dressiert werden, sondern sie sollen aus sich selbst heraus und für sich selbst und nicht nur für den Lehrer lernen. Einverstanden! Aber zeigt mir bitte auch, wie man das im Unterricht macht! (...) Als Lehrer müssen wir dafür sorgen, dass die Schüler möglichst viele richtige Antworten geben können. Häufig machen wir genau das Gegenteil und sind dann hinterher enttäuscht, wie wenig unsere Schüler begriffen haben. Dieses Prinzip - ein hoher Prozentsatz richtiger Antworten, die schnell und beinahe automatisch gegeben werden - ist ein relativ neues Ergebnis der Unterrichtsforschung. (...) Dritter Schritt: Selbstständiges Üben (...) Literatur Grell, Jochen: Direktes Unterrichten. In: Praxis Schule 5-10, Heft 4/1998, S.66-68 Meyer, Hilbert: Unterrichtsmethoden. II. Praxisband. Frankfurt/Main 1987 Meyer, Hilbert: Schulpädagogik. Bd. I. Für Anfänger. Berlin 1997 Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden: Störungen und Klärungen. Reinbek 1981 [Zum Anfang] (Stand 10/2001; inhaltliche Verantwortung: Uwe Kany)