Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / 7412 22. 09. 2015. 15. Wahlperiode



Ähnliche Dokumente
Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Fraktion der FDP/DVP

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der SPD

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Fraktion der FDP/DVP

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode

Der vorliegende Gesetzentwurf setzt für notwendig erachtete Nachjustierungen und Verbesserungen bei den Entschädigungsleistungen für Abgeordnete um.

Zu den Kommunalwahlen 2019 soll das inklusive Wahlrecht in Baden-Württemberg eingeführt werden.

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 16 / Wahlperiode

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Fraktion der CDU

GESETZENTWURF. der SPD-Landtagsfraktion

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Landesregierung

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 16 / Wahlperiode. der Fraktion der AfD

Rauchwarnmelder in Nutzungseinheiten, die nicht ausschließlich dem Wohnen dienen, sind abweichend bis zum 31. Dezember 2014 nachzurüsten.

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 16 / Wahlperiode. der Fraktion der AfD

1. wie hoch an den baden-württembergischen Gemeinschaftsschulen der prozentuale Anteil von Lehrkräften mit Lehrbefugnis für das Gymnasium ist;

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Landesregierung

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzesbeschluss. Drucksache 15 / Wahlperiode. des Landtags

angesichts der derzeitigen gesamtwirtschaftlichen Lage bisher nicht realisiert werden konnte.

Vorlage zur Beschlussfassung Drucksache 17/2339 Gesetz zur Umsetzung der Energiewende und zur Förderung des Klimaschutzes in Berlin

2 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Gesetz zur Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz) Vom Der Bundestag hat mit Zustimmung

2. wie hoch die Finanztransaktionskomponente nach 3 der o. g. Verordnung zur zulässigen Kreditaufnahme nach 18 LHO für das Jahr 2017 ausfällt;

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 14 / Wahlperiode. der Landesregierung

Gesetz zur Änderung des Landeskommunalbesoldungsgesetzes

3. für welche Zwecke im Einzelnen der das 50-Millionen-Euro-Limit übersteigende Betrag eingesetzt worden ist;

Thüringer Landtag 6. Wahlperiode

Rechtsverhältnis zwischen Jugendamt und Personensorgeberechtigtem

Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags; hier: Senkung der Klassenfrequenzen bzw. Schaffung kleinerer Klassen

Zwischen Wächteramt und Hilfeleistungsauftrag sitzt das Jugendamt. Am Beispiel:

Schaffung einer landesgesetzlichen Grundlage, Überwachungs- und Prüfungsaufgaben

Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes hier: Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drucksache 16/308

die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat am 21. März 2017 beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten

Was ist was? erzieherischer und gesetzlicher Kinder- und Jugendschutz

Gesetz zur Verankerung der Ganztagsschule im Schulgesetz (Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Württemberg)

Enquetekommission Verfassungskonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 6)

Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes NRW (AbgG NRW)

LS 2013 Drucksache 5 Vorlage der Kirchenleitung an die Landessynode

Patientenfürsprecherinnen und Patientenfürsprecher in Baden-Württemberg


Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Baden- Württemberg und des Gesetzes über den Staatsgerichtshof sowie anderer Gesetze

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 13 / Wahlperiode. der Landesregierung

Bundesrat Drucksache 330/16. Verordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie

17. Wahlperiode Drucksache 17/8721

Landtag von Baden-Württemberg. Mitteilung. Drucksache 13 / Wahlperiode. des Präsidenten des Landtags

2. Wie viele Personen erhielten jeweils in den Jahren 2012 bis 2015 die jeweilige Ehrung für soziale oder kulturelle bzw. ehrenamtliche Verdienste?

Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 14 /

5. ob die Regenbogenflagge auch bei der nächsten Veranstaltung dieser Art auf dem Neuen Schloss von ihr gehisst werden soll;

Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/

Gesetz zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes und des Gesetzes zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011

Veröffentlichung der Rechnungen der Fraktionen im Landtag von Baden-Württemberg für 2014/2015

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Fraktion der FDP/DVP

Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode. Drucksache 6/2535. Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

1. Wie hoch waren die Gewerbesteuerrückerstattungen in den Jahren 2010 bis 2015 (getrennt nach Jahren) im Land Baden-Württemberg?

Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/ Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes Sachsen- Anhalt (LV)

Schweizerisches Zivilgesetzbuch Vorentwurf (Juli 2012) (Kindesunterhalt)

SORGERECHT FÜR NICHTEHELICHE KINDER Neue Rechtslage durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes

HESSISCHER LANDTAG. Gesetzentwurf der Landesregierung

Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Wegen Änderung des Bundesrechts Anpassung des Blindenhilfegesetzes und Aufhebung der Medizinprodukte-Kostenverordnung.

Zum Recht des Vormieters gegen den Vermieter auf Herausgabe der Kontaktdaten des Nachmieters

Gesetz über das Wahl- und Stimmrecht von Personen, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist

Wie steht es um die Wahlfreiheit der Eltern hinsichtlich der Ganztagsbetreuung in der Grundschule?

GESETZENTWURF. der Regierung des Saarlandes. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Stiftung eines Feuerwehr- Ehrenzeichens

Besetzung der Ausbildungsplätze im Wahlkreis 33 (Stadtkreis Baden-Baden und südlicher Landkreis Rastatt)

Praktische Relevanz bestehender Bleiberechtsregelungen in Baden-Württemberg

Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 16 / Wahlperiode. der Fraktion der FDP/DVP

Fallbearbeitung Klausur WiSe 2010/11 Fr. Busse

1.2.2 Elternrechte und Staatliches Wächteramt

Gesetz zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen

Satzung des Kyffhäuserkreises zur Förderung von Kindern in Kindertagespflege

Entwurf eines Gesetzes zur Klarstellung der Auskunftserteilung zur Altersvorsorge durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung

Wiederherstellung der baurechtlichen Genehmigungsfreiheit für die Errichtung von Antennenanlagen in, auf oder an Gebäuden.

Landtag von Baden-Württemberg. Gesetzentwurf. Drucksache 15 / Wahlperiode

Das Oddset-Wettegesetz soll die Zulassung einer Oddset-Wette (Sportwette mit festen Gewinnquoten) in Baden-Württemberg ermöglichen.

Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 7/

Beschlußempfehlung und Bericht

Wahlperiode. Enquete-Kommission Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern

HESSISCHER LANDTAG. für ein Gesetz zur Änderung des Artikel 124 der Verfassung des Landes Hessen (Stärkung der Volksgesetzgebung)

Kinderrechte im Grundgesetz. Prof. Dr. Friederike Wapler

HESSISCHER LANDTAG. Gesetzentwurf der Landesregierung

BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Drs 19/309 Landtag 26. Februar Wahlperiode (zu Drs 19/207 Neufassung der Drs 19/169)

Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.

HESSISCHER LANDTAG. Gesetzentwurf der Fraktion der SPD. für ein Gesetz zur vollständigen Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen. 19.

Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge

Datenschutz bei der Registrierung von Ausländervereinen

Gesetzentwurf. Deutscher Bundestag Drucksache 16/9607

Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder (TV EntgO-L)

3. Wann wurde der Schiedsauftrag dem Schiedsgerichtshof übergeben (Artikel 23 Schiedsgerichtsordnung der ICC International Chamber of Commerce)?

Landtag von Baden-Württemberg. Antrag. Stellungnahme. Drucksache 16 / Wahlperiode. der Abg. Dr. Timm Kern u. a. FDP/DVP.

des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration

I. Der Landtag nimmt von der Mitteilung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft vom 11. März 2013 Drucksache 15/3211 Kenntnis.

Landtag von Baden-Württemberg. Kleine Anfrage. Antwort. Drucksache 16 / Wahlperiode. des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD.

Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG)

2. welche konkreten Regelungen im Bereich des Baurechts (bisherige Landesheimbauverordnung)

Artikel 5 Änderung der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen

des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration 1. wie viele Badeunfälle es 2015 und 2016 in Baden-Württemberg gab;

Landtag von Baden-Württemberg. Antrag. Stellungnahme. Drucksache 16 / Wahlperiode. der Abg. Sascha Binder u. a. SPD.

Gesetz zur Errichtung eines Versorgungsfonds des Landes Baden-Württemberg und zur Änderung des Haushaltsstrukturgesetzes

drei Volksgruppen bzw. Nationen, welche dabei den größten Anteil stellen)?

Entwurf. G e s e t z zur Änderung des Niedersächsischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes

Transkript:

Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7412 22. 09. 2015 Gesetzentwurf der Fraktion der CDU, der Fraktion GRÜNE, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg A. Zielsetzung Mit diesem Änderungsgesetz werden der Landesverfassung Staatszielbestimmungen zu Kinder- und Jugendrechten, zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen sowie zur Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl hinzugefügt. Durch diese Verfassungsänderung wird der Inhalt dieser Staatsziele für Staat und Gesellschaft betont und gestärkt. B. Wesentlicher Inhalt Im neuen Artikel 2 a manifestiert sich die grundsätzliche Wertentscheidung zugunsten von Kindern und Jugendlichen sowie deren gesellschaftliche Wertschätzung an exponierter Stelle in der Landesverfassung. Über die unmittelbare Geltung der Grundrechte durch die Verweisung des Artikels 2 Absatz 1 der Landesverfassung auf das Grundgesetz hinaus setzt dies ein bewusstes und deutliches Zeichen einer kinderfreundlichen Gesellschaft und zeigt dies eine besondere Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen. In Artikel 3 a wird in Absatz 2 die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen als Staatsziel mit in die Verfassung aufgenommen. In Baden-Württemberg ist die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen als Leitvorstellung bereits in 2 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 des Landesplanungsgesetzes definiert. Eine ausdrückliche Regelung in der Landesverfassung fehlt bislang. Eingegangen: 22. 09. 2015 / Ausgegeben: 30. 09. 2015 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1

Die Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl wird durch die in Artikel 3 c Absatz 1 vorgenommene Ergänzung zum Staatsziel erklärt. Das Engagement für das Gemeinwohl trägt wesentlich zu einer menschlichen und solidarischen Gesellschaft bei und festigt das demokratische Gemeinwesen. Eine ausdrückliche Regelung in der Landesverfassung, den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl zu fördern, fehlt bislang. Artikel 13 wird um den Begriff Kinder ergänzt und in Verbindung mit Artikel 2 a entsprechend angepasst. Darüber hinaus werden die Begriffe Vernachlässigung und seelische Gefährdung mit in Artikel 13 aufgenommen. C. Alternativen Beibehaltung der bisherigen Rechtslage. D. Kosten für die öffentlichen Haushalte Keine. E. Kosten für Private Keine. 2

Der Landtag wolle beschließen, dem nachstehenden Gesetzentwurf seine Zustimmung zu erteilen: Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg Artikel 1 Änderung der Verfassung des Landes Baden-Württemberg Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 (GBl. S. 173), die zuletzt durch Gesetz vom 7. Feb ruar 2011 (GBl. S. 46) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. Artikel 2 a wird wie folgt gefasst: Artikel 2 a Kinder und Jugendliche haben als eigenständige Persönlichkeiten ein Recht auf Achtung ihrer Würde, auf gewaltfreie Erziehung und auf besonderen Schutz. 2. Der bisherige Artikel 2 a wird Artikel 2 b. 3. Artikel 3 a wird wie folgt geändert: a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1. b) Es wird folgender Absatz 2 angefügt: (2) Der Staat fördert gleichwertige Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen im gesamten Land. 4. Artikel 3 c Absatz 1 wird wie folgt gefasst: (1) Der Staat, die Gemeinden und die Gemeindeverbände fördern den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl, das kulturelle Leben und den Sport unter Wahrung der Autonomie der Träger. 5. Artikel 13 Satz 1 und 2 wird wie folgt gefasst: Kinder und Jugendliche sind gegen Ausbeutung, Vernachlässigung und gegen sittliche, geistige, körper - liche und seelische Gefährdung zu schützen. Staat, Gemeinden und Gemeindeverbände schaffen die erforderlichen Einrichtungen. 3

Artikel 2 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. 21. 09. 2015 Wolf Sitzmann Schmiedel Dr. Rülke 4

Begründung A. Allgemeiner Teil Mit diesem Änderungsgesetz werden der Landesverfassung Staatszielbestimmungen zu Kinder- und Jugendrechten, zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen sowie zur Förderung des ehrenamt lichen Einsatzes für das Gemeinwohl hinzugefügt. Durch diese Verfassungsänderung wird der Inhalt dieser Staatsziele für Staat und Gesellschaft betont und gestärkt. B. Einzelbegründung I. Zu Artikel 1 (Änderung der Landesverfassung) 1. Zu Nummer 1 (Artikel 2 a) Im neuen Artikel 2 a manifestiert sich die grundsätzliche Wertentscheidung zugunsten von Kindern und Jugendlichen sowie deren gesellschaftliche Wertschätzung an exponierter Stelle in der Landesverfassung. Über die unmittelbare Geltung der Grundrechte durch die Verweisung des Artikels 2 Absatz 1 der Landesverfassung auf das Grundgesetz hinaus setzt dies ein bewusstes und deutliches Zeichen einer kinderfreundlichen Gesellschaft und zeigt dies eine besondere Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen. Der Begriff eigenständige Persönlichkeit bedeutet dabei auch, dass Kinder und Jugendliche entsprechend ernst genommen werden. Sie sollen alters- und entwicklungsgemäß in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, angemessen beteiligt werden, so wie dies auch in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention vorge - sehen ist. Der Staat berücksichtigt dies bei Entscheidungen, die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben. Artikel 2 a trägt der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern und Jugend - lichen Rechnung, indem ihr Recht auf besonderen Schutz durch die staatliche Gemeinschaft an hervorgehobener Stelle in der Landesverfassung festgelegt wird. Die Bedeutung eines gewaltfreien Aufwachsens wird besonders betont. Konkrete subjektive Rechte lassen sich unmittelbar aus dieser Bestimmung nicht ableiten. 2. Zu Nummer 2 (Artikel 2 b) Als Folgeänderung zur Einfügung des neuen Artikels 2 a wird der bisherige Artikel 2 a unverändert zu Artikel 2 b. 3. Zu Nummer 3 (Artikel 3 a) Die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen wird als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen. In Baden-Württemberg ist die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen als Leitvorstellung bereits in 2 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 des Landesplanungsgesetzes definiert. Eine ausdrückliche Regelung in der Landesverfassung fehlt bislang. 5

Durch das Wort fördert wird klargestellt, dass die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhält nissen, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen zunächst einmal eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine alleinige Aufgabe des Staates sind. Das Fördern gleichwertiger Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen zum Staatsziel zu erheben, bedeutet aber, dass der Staat diesem Ziel bei all seinen Handlungen ein besonderes Gewicht beizumessen hat. Ein Rechtsanspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen lässt sich hieraus nicht ableiten. Gleichwertig bedeutet nicht gleichartig. Die unterschiedlichen strukturellen, historischen, kulturellen, gesellschaftlichen und natürlichen Voraussetzungen der einzelnen Landesteile Baden-Württembergs sind zu berücksichtigen. Der Staat muss aber dafür Sorge tragen, dass die Menschen in Baden-Württemberg in allen Landesteilen die gleichen Chancen für ihre Lebensentwicklung haben. Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen sind umfassend zu verstehen und beinhalten sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche. Zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse bedarf es in einem wirtschaftsstarken Land wie Baden-Württemberg auch entsprechender Infrastrukturen, wie z. B. im Bereich der Internetund Breitbandversorgung. Durch die Formulierung im gesamten Land soll hervorgehoben werden, dass gleichwertige Lebensverhältnisse, Infrastrukturen und Arbeitsbedingungen sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten anzustreben sind. Der länd - liche Raum soll, wo erforderlich, damit besonders gestärkt werden, um gleichwertige Verhältnisse zu schaffen. 4. Zu Nummer 4 (Artikel 3 c) Die Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl wird durch die in Artikel 3 c Absatz 1 vorgenommene Ergänzung zum Staatsziel erklärt. Das Engagement für das Gemeinwohl trägt wesentlich zu einer menschlichen und solidarischen Gesellschaft bei und festigt das demokratische Gemeinwesen. Eine ausdrückliche Regelung in der Landesverfassung, den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl zu fördern, fehlt bislang. Die neue Staatszielbestimmung ist gleichzeitig Signal und Handlungsauftrag für die Gemeinden, die Gemeindeverbände und das Land Baden-Württemberg, den Politikbereich bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt noch intensiver als bisher zur fördern: Durch Stärkung einer dauerhaften, verschiedene Engagements ermöglichenden Struktur, einem weiteren Ausbau der Anerkennungskultur und einer Sensibilisierung der Menschen für den Wert des bürgerschaftlichen Engagements. Durch das Wort fördern wird klargestellt, dass Staat, Gemeinden und Gemeindeverbände diesem Ziel ein besonderes Gewicht beizumessen haben. Ein Rechtsanspruch gegen das Land, die Gemeinden oder Gemeindeverbände auf eine konkrete, insbesondere auch finanzielle Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl kann hieraus jedoch nicht abgeleitet werden. Die Ergänzung um die Gemeindeverbände erfolgt im Sinne der Einheitlichkeit der Landesverfassung. Dass die Gemeindeverbände, die ebenfalls einschlägige Förderungen in diesem Bereich erbringen, bislang nicht genannt sind, ist unbefriedigend. 6

5. Zu Nummer 5 (Artikel 13) Artikel 13 wird um den Begriff Kinder ergänzt und in Verbindung mit Artikel 2 a entsprechend angepasst. Um die Wertschätzung von Kindern und Jugendlichen zu unterstreichen, wird der in Artikel 13 Satz 1 festgeschriebene, vom Staat sicherzustellende und durch den Gesetzgeber zu konkretisierende Schutz vor Ausbeutung und gegen sittliche, geis - tige und körperliche Gefährdung unbeschadet der weitreichenden Kompetenzen des Bundesgesetzgebers um die Begriffe Vernachlässigung und seelische Gefährdung erweitert. Unter Vernachlässigung ist die andauernde oder wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns durch sorgeverantwortliche Personen (Eltern oder andere von ihnen autorisierte Betreuungspersonen) zu verstehen, welches zur Sicherstellung der seelischen und körperlichen Versorgung des Kindes notwendig wäre. Dass die seelische Gefährdung bislang in Artikel 13 nicht aufgeführt ist, ist unbefriedigend, da diese ausdrücklich auch vom Kindeswohl in 1666 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches erfasst wird. Das durch Artikel 2 Absatz 1 der Landesverfassung in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes geschützte, am Kindeswohl auszurichtende elterliche Erziehungsrecht bleibt unberührt: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Die Ergänzung um die Gemeindeverbände in Satz 2 wurde im Sinne der Einheitlichkeit der Landesverfassung, insbesondere im Hinblick auf Artikel 11 Absatz 3, vorgenommen. Dass die Gemeindeverbände, die ebenfalls einschlägige Aufgaben wahrnehmen, bislang nicht genannt sind, ist unbefriedigend. II. Zu Artikel 2 (Inkrafttreten) Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten dieses Gesetzes. 7