1. Warum Fairer Handel wichtig ist



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. Warum Fairer Handel wichtig ist Fairer Handel stärkt Frauen Rund 70 Prozent der,3 Milliarden Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, sind Frauen. Auf dem Land haben Frauen oft keinen Zugang zu gut bezahlter Arbeit, ihre Eigentumsrechte sind beschnitten, sie haben geringere Bildungschancen, und sie tragen die Hauptlast der Kinderbetreuungspflichten. In den meisten ländlichen Gebieten des Südens geht die Schere zwischen Männern und Frauen folglich immer noch weiter auf. Jahrhunderte der Benachteiligung zu überwinden, ist ein langer, mühsamer Weg, doch bietet der Faire Handel bewährte Strategien zur Stärkung von Frauen. Er unterstützt Frauen im ländlichen Raum, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und die ihnen gebührende Anerkennung zu erlangen. Im Fairen Handel haben Frauen ein Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit auch in jenen Ländern, in denen die Arbeit von Frauen in der Regel unbezahlt bleibt. Durch den Fairen Handel haben Frauen auf dem Land Zugang zu Vorauszahlungen, zu erschwinglichen Krediten und Versicherungsleistungen, die ihnen sonst mangels Sicherheiten verwehrt blieben. Der Faire Handel unterstützt LandwirtInnen und KleinproduzentInnen aktiv dabei, sich demokratisch zu organisieren. Das bietet Frauen eine Plattform, auf der sie sich Gehör verschaffen können. Die Stellung der Frauen im Süden zu stärken, ist für sich genommen ein wichtiges Ziel und ein wesentlicher Faktor für die internationale Entwicklung, den die Welt schlicht nicht außer Acht lassen kann. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) liefert handfeste Beweise dafür, dass sich durch die Verringerung der Geschlechterunterschiede im ländlichen Raum die Zahl der unterernährten Menschen weltweit um 2 bis 7 Prozent verringern lässt das entspricht 00 bis 50 Millionen Menschen! Fairer Handel bekämpft den Klimawandel Für zahlreiche ProduzentInnen des Fairen Handels ist der Klimawandel bereits Realität. Die höheren Temperaturen während der Nachtstunden etwa begünstigen die Verbreitung des Kaffeerost-Pilzes, der in den letzten Jahren den KaffeeproduzentInnen in Zentral- und Südamerika schwer zu schaffen machte. Die befallenen Flächen entsprechen der Größe Europas, und die Schäden gehen in die Milliarden Euro. Fairer Handel unterstützt Bäuerinnen und Bauern, die Folgen des Klimawandels abzufedern und erforderliche Anpassungen vorzunehmen, er stellt Best-Practice-Modelle vor und ermöglicht den ProduzentInnen den Kauf widerstandsfähigerer Sorten. Die PartnerInnen des Fairen Handels sind zugleich jene Bevölkerungsgruppen, die vom Klimawandel am stärksten gefährdet sind. Durch ihre Unterstützung übernimmt der Faire Handel somit Verantwortung für seinen eigenen Beitrag zum Klimawandel. Die bäuerlichen ProduzentInnen sind hohen Umweltstandards verpflichtet. Aktiver Umweltschutz und Abfallvermeidung sind integraler Bestandteil ihres Wirtschaftens. Sie werden auch dazu ermutigt, einen Teil der Zusatzeinkünfte, die sie durch den Fairen Handel erzielen, in Energiesparmaßnahmen vor allem beim Einsatz nicht erneuerbarer Energiequellen zu investieren. In Indien etwa verwenden TeepflanzerInnen einen Teil der Fairtrade-Prämie für den Umstieg von den traditionellen Holzfeuerstellen auf Solarenergiesysteme. Kaffeebäuerinnen und -bauern in Costa Rica verschaffen die zusätzlichen Erlöse durch Fairen Handel die Möglichkeit, als Schutz gegen die Bodenerosion neue Bäume zu pflanzen und die Schalen der Kaffeefrüchte sowie getrocknete Makadamianuss- schalen als Brennstoff für umweltfreundliche Öfen einzusetzen. Somit ist es nicht mehr nötig, zur Feuerholzgewinnung Bäume zu fällen, was wiederum die Erhaltung des Regenwalds fördert. Fairer Handel fördert hohe Gesundheitsund Qualitätsstandards Fairer Handel ist nicht bloß eine Entwicklungsstrategie, sondern vielmehr ein marktbasierter Entwicklungsweg. Fair gehandelte Produkte sind nicht nur frei vom bitteren Nachgeschmack der Ausbeutung; sie unterliegen auch strengen Qualitätskontrollen und sind Gegenstand ambitionierter Produktentwicklung. Außerdem werden die ProduzentInnen dazu ermutigt, erfolgreiche Modelle gezielt weiterzuverbreiten, darüber hinaus erhalten sie Zugang zu Weiterbildung und Unterstützung. Das ist mit ein Grund, warum fair gehandelte Produkte bei Verkostungen oft Auszeichnungen erlangen. Beim Umgang mit Chemikalien müssen die ProduzentInnen des Fairen Handels nationale und internationale Standards einhalten, und es gibt klare Richtlinien dafür, welche Chemikalien nicht verwendet werden dürfen. Fair gehandelte Produkte, die außerdem aus biologischer Landwirtschaft stammen, erzielen höhere Marktpreise. Die ProduzentInnen werden deshalb ermutigt, die Fairtrade-Prämie für Innovationen zu verwenden, die ihnen zusätzlich zum Fairtrade-Gütesiegel eine Bio-Zertifizierung ermöglichen. Das wiederum bedeutet gesündere Arbeitsbedingungen, eine gesündere Umwelt und gesündere Produkte. Food and Agriculture Organization of the United Nations, The State of Food and Agriculture, Women in Agriculture, Closing the Gender Gap for Development, Rom, 20, S. 42.

Fairer Handel nimmt Kinderarbeit in Angriff Wenn in einem Land Kinderarbeit der Normalfall ist und die Behörden nichts dagegen unternehmen, kann niemand zu 00 Prozent garantieren, dass keine Kinderarbeit im Spiel ist. Mit dem Fairen Handel steht jedoch eine starke, ambitionierte Strategie zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit zur Verfügung. Wenn Verstöße gegen die Regelungen zur Kinderarbeit bekannt werden, werden umgehend entsprechende Maßnahmen ergriffen. Die Interessen der Kinder haben dabei Vorrang, denn es gilt weiteren Schaden zu verhindern. Fairer Handel steht nicht nur für ein Verbot von Kinderarbeit, er packt das Problem an der Wurzel, und diese heißt Armut. Der Faire Handel stützt sich auf ein externes Monitoring der Kinderarbeit. Doch es ist eine große Herausforderung, Kinderarbeit zu identifizieren und aufzuzeigen. Gerade wenn Jugendliche im bäuerlichen Betrieb mithelfen, ist das nicht automatisch als Kinderarbeit anzusehen. Die Bewegung des Fairen Handels kooperiert daher auch mit ProduzentInnengruppen, damit diese in Zusammenarbeit mit Kinderrechtsorganisationen und im Interesse der Kinder ein lokales Monitoring- und Hilfesystem gegen ausbeuterische Kinderarbeit aufbauen, um das Wohlergehen der Mädchen und Jungen in den ProduzentInnengruppen abzusichern. Kinderarbeit mag zwar oft kulturell verankert sein, allerdings werden Eltern ihre Kinder kaum zu gefährlicher Arbeit aufs Feld schicken, wenn es eine bessere Alternative gibt. Eben so wenig wollen europäischen KonsumentInnen zu Komplizen von Kinderarbeit werden. In einer Eurobarometer-Studie heißt es dazu: Die Europäer können nicht als passive Konsumenten betrachtet werden: soziale und ethische Anliegen sind relevante Kriterien für Kaufentscheidungen. 2 Fairer Handel spielt im Kampf gegen Kinderarbeit eine führende Rolle und ist bei entsprechender Unterstützung eine bewährte Alternative, von der die 98 Millionen Kinder und Jugendlichen, die weltweit in der Landwirtschaft arbeiten, profitieren könnten. Fairer Handel schafft gesunde Wirtschaftsstrukturen auf dem Land 64 Prozent 3 der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft zu finden sind, erleben Millionen junger Menschen in ländlichen Regionen, wie hart ihre Eltern um ihr Auskommen zu kämpfen haben. Sie wandern in die Städte oder ins Ausland ab, weil sie sich dort ein besseres Leben erhoffen. Wenn sich die junge Generation von der Landwirtschaft abwendet, gibt es für zahlreiche kleinbäuerliche Betriebe keinen Grund mehr, in ihr Land zu investieren. Die Folgen sind Bodenerosion, brach liegende Felder oder Nutzung des Landes für nichtagrarische Zwecke. Die rasante Urbanisierung der Länder des Südens führt zu ungeahnten neuen Problemen. Gesunde Wirtschaftsstrukturen auf dem Land sind nicht nur für die weltweite Ernährungssicherheit von zentraler Bedeutung. Auch viele europäische Unternehmen sind auf die ständige Verfügbarkeit hochwertiger Rohstoffe angewiesen. So gibt es Prognosen, denen zufolge etwa der Kakaopreis in den nächsten Jahrzehnten steigen wird. Dem liegt u.a. eine höhere Nachfrage aus Schwellenländern und ein Rückgang der Produktivität der Anbauflächen durch veraltete Kakaobäume, die Mangels attraktiver Einkommensperspektive und fehlender Ressourcen oftmals nicht ersetzt werden, zugrunde. Der Faire Handel konzentriert sich traditionell auf kleinbäuerliche Betriebe, da sie die besten Chancen bieten, dringend benötigte Beschäftigungsmöglichkeiten für die arme Bevölkerung zu schaffen. Üblicherweise werden auf diesen Betrieben nicht nur Produkte für den Export angebaut, sondern ebenso Nahrungsmittel zur Selbstversorgung der Familien und Gemeinden. Sie leisten somit einen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit auf längere Sicht. Es ist kein Zufall, dass 204 zum Internationalen Jahr der landwirtschaftlichen Familienbetriebe erklärt wurde. In Malawi etwa, wo Tabakanbau vorherrscht, unterstützt der Faire Handel den Anbau von Nahrungsmitteln im Sinne einer wirtschaftlichen Diversifizierung. In Ländern wie Côte d Ivoire oder Indonesien verwenden Kleinbäuerinnen und -bauern die Fairtrade-Prämie für die Verjüngung der Kakaobäume und die Einführung besserer Methoden der Bodenbewirtschaftung zur Ertragssteigerung. Die neuen Megastädte des Südens werden weiterbestehen, doch kann der Faire Handel zur globalen Ernährungssicherheit beitragen und der jungen Generation in den kleinbäuerlichen Betrieben eine Perspektive bieten. Weltweit stecken zahlreiche ländliche Gemeinden in der Krise. In Afrika südlich der Sahara, wo 29 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) direkt durch die Landwirtschaft erwirtschaftet werden und 3 World Bank, World Development Report 2008, Agriculture for Development, Washington D.C., 2007, S. 3. 2 European Commission, Special Eurobarometer, International Trade, Report, Brüssel, November 200, S. 54

2. Die EU-Politik und ihr Einfluss auf die Lebensumstände benachteiligter ProduzentInnen und ArbeiterInnen des Südens Einleitung Die EU wird oft als technokratisch und alles andere als bürgernah wahrgenommen. Ihre Institutionen, ihre Politik und ihre Gesetzgebung bieten jedoch großes Potenzial, um die Vision des Fairen Handels voranzutreiben. Von der Europäischen Union gehen 70 Prozent der Gesetzesvorschriften der 28 Mitgliedsstaaten aus. Der Großteil davon ist formal-technischer Natur (man denke nur an die viel belächelte Regulierung der Größe und Form von Bananen). Auch wenn EU-Richtlinien und die EU-Politik auf den ersten Blick oft abgehoben wirken, haben sie sehr wohl (positive und negative, direkte und indirekte) Auswirkungen auf die Lebensumstände benachteiligter ProduzentInnen und ArbeiterInnen im globalen Süden. Um zu verdeutlichen, warum es für den Fairen Handel so wichtig ist, das Augenmerk auf die EU zu richten, sollen die wichtigsten Politikfelder der EU und ihre Folgen für benachteiligte Bevölkerungsgruppen überblicksmäßig dargestellt werden. Die Handelspolitik der EU Die EU steht für ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von über 2,894 Billionen Euro. Den Berechnungen von Eurostat zufolge ist sie somit die weltweit größte Volkswirtschaft. Die EU ist die weltgrößte Exporteurin und seit 2008 auch die größte Importeurin von Gütern und Dienstleistungen. Sie stellt zugleich den mit Abstand größten Markt für Produkte aus Fairem Handel dar, der 202 an die 5 Milliarden Euro schwer war und gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 2 Prozent verzeichnen konnte. Zwischen 60 und 70 Prozent aller fair gehandelten Produkte werden in der EU gekauft 2, und laut Eurobarometer 405 vom November 203 sind die BürgerInnen der EU trotz der Krise zunehmend bereit, für Lebensmittel und andere Produkte mehr zu bezahlen, um ProduzentInnen in den Ländern des Südens zu unterstützen. Geht es um den internationalen Handel, tritt die EU gemeinsam als Block auf. Es fällt in die Zuständigkeit der Kommission, im Namen der Mitgliedsstaaten internationale Wirtschaftsverhandlungen zu führen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO. Außerdem agiert sie bei bilateralen Handelsabkommen als Vertreterin der EU (203 etwa wurden Verhandlungen mit den USA und Thailand aufgenommen). Die EU verfügt in der internationalen Wirtschaft jedenfalls über große Verhandlungsmacht im positiven wie im negativen Sinn. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde dem Europäischen Parlament ein stärkerer handelspolitischer Einfluss zugestanden. Wenn die Kommission mit einem Handelspartner ein Abkommen trifft, kann das Parlament dies blockieren. Dadurch erhalten die direkt gewählten EU-Abgeordneten größeren Einfluss auf die Richtung, die in der europäischen Handelspolitik eingeschlagen wird. Die Entwicklungspolitik der EU Von der Europäischen Kommission kommen rund zwölf Prozent der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) der EU. Die EU mit ihren 28 Mitgliedsstaaten leistet insgesamt mehr Entwicklungshilfe als alle anderen Industrieländer zusammen und ist somit der weltgrößte Geber. Da die EU die entwicklungspolitischen Aktivitäten der einzelnen Staaten koordiniert, können Doppelgleisigkeiten und Verschwendung vermieden werden. Die EU spielt also für die weltweite Entwicklungsagenda und die Finanzierung von Entwicklungsprogrammen eine einflussreiche Rolle. Auch auf multilateraler Ebene gehört die EU zu den Hauptakteuren, die die Entwicklungsagenda entscheidend bestimmen etwa bei der Bewertung der Millennium-Entwicklungsziele der UNO und den Vorfelddiskussionen über die nachhaltigen Entwicklungsziele, die ab 205 den Millenniumszielen folgen sollen. Auf die Positionen der EU in diesen internationalen Foren Einfluss zu nehmen, ist somit ein wirksames Instrument, um die Ergebnisse dieser globalen Abkommen mitzugestalten. Angaben zu Produkten mit Fairtrade-Zertifizierung unter http://http://agritrade. cta.int/ en/agriculture/topics/product-differentiation/continued-growth-infair-trade- sales-reported-in-germany-and-elsewhere. Informationen über den Verkauf durch Organisationen des Fairen Handels finden sich auch unter www. wfto.com. 2 European Commission Staff Working Document, EU 203 Report in Policy Coherence for Development, October 203, SWD(203) 456 final. Abrufbar unter http://ec.europa.eu/europeaid/what/development-policies/documents/ swd_203_456_f_staff_working_paper_en_v3_p_746653_en.pdf.

Öffentliches Beschaffungswesen Wenn öffentliche Stellen sich zum Kauf von Produkten aus Fairem Handel entschließen, kann dies ein bedeutender Impuls für eine stärkere Ausrichtung der öffentlichen Hand auf nachhaltigere Konsum- und Produktionsstrukturen sein und kann zur Erreichung nachhaltiger Entwicklungsziele insgesamt beitragen. 3 Es fällt in die rechtliche Zuständigkeit der EU, die Vorgaben für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen zu harmonisieren. Insbesondere hat sie die nötigen Kompetenzen, um Behörden dazu anzuleiten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem sie nicht bloß preisgünstige Güter und Dienstleistungen beziehen, sondern auch weitergehende gesellschaftliche Ziele wie etwa Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit, Verstärkung des Umweltschutzes und des Fairen Handels erreichen können. Ein öffentliches Beschaffungswesen, das fair gehandelten Gütern den Vorzug gibt, unterstützt die Bemühungen öffentlicher Stellen, die Millennium-Entwicklungsziele der UNO zu erreichen. Eine Auftragsvergabe auf der Basis von Fairem Handel ist außerdem eine Möglichkeit, die Umsetzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu fördern und einen Beitrag zur Abschaffung von Kinderarbeit zu leisten. Regelungen für die Lieferkette Eine wachsende Zahl von Unternehmen im EU-Raum wird sich der Bedeutung einer nachhaltigen Lieferkette bewusst. Eine Reihe von Unternehmen entwickelte Best-Practice-Modelle, die für andere Unternehmen beispielgebend sein können. Das entspricht auch den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der UNO 4, in denen weltweite Standards festgeschrieben wurden, um nachteilige Auswirkungen unternehmerischer Tätigkeiten auf die Menschenrechte aufzuzeigen und zu vermeiden. Es gehört zu den Rechtsbefugnissen der EU, politische Maßnahmen und Programme zur Stärkung und Durchsetzung beispielhafter Vorgangsweisen in Unternehmen zu initiieren, und sie kann dabei auf die praktische Erfahrung von Lieferanten des Fairen Handels zurückgreifen. Vor allem kann die EU systematisch gegen unfaire Handelspraktiken in der Lieferkette innerhalb der EU vorgehen, die nachteilige Auswirkungen auf die LandwirtInnen und ProduzentInnen inner- und außerhalb der EU mit sich bringen. Die Kommission hat auch Einfluss auf das Wettbewerbsrecht. Es steht in ihrer Macht, große Firmenzusammenschlüsse zu verhindern und Preisabsprachen zwischen Unternehmen zu bekämpfen. Nachhaltigkeit in Produktion und Konsum Die Idee der nachhaltigen Entwicklung wurde 992 auf dem Weltgipfel von Rio (Brasilien) verankert, auf dem die internationale Gemeinschaft auch die Agenda 2 als Aktionsprogramm zur nachhaltigen Entwicklung beschloss. Das zentrale Ziel der Agenda, die Förderung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster 5, wurde auf dem Gipfel Rio+20 im Jahr 202 neuerlich bekräftigt. 203 erklärte die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung A Decent Life for All ihre Bereitschaft, in diesem Prozess eine führende Rolle einzunehmen, und nannte eine Reihe europäischer Politikfelder, die direkte Auswirkungen auf nachhaltige Entwicklung haben. 5 Unter nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern versteht man die Nutzung von Waren und Dienstleistungen, die die Grundbedürfnisse befriedigen, die Lebensqualität verbessern und gleichzeitig den Verbrauch an natürlichen Ressourcen, den Einsatz von Giftstoffen, die Abfallmenge und die Schadstoffemissionen auf ein Minimum zurückschrauben, damit auch künftige Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können. (Symposium von Oslo 994). 3 UNOPS, 2008 Annual Statistical Report on United Nations procurement: Sustainable procurement supplement. 4 RUGGIE, John, Guiding Principles on Business and Human Rights: Implementing the United Nations Protect, Respect and Remedy Framework. March 20. Abrufbar unter http://www.business-humanrights.org/media/documents/ruggie/ ruggie-guiding-principles-2-mar-20.pdf.

3. Wachsende Unterstützung für den Fairen Handel Der Faire Handel macht aktuell zwar weniger als 0, Prozent des weltweiten Handels aus, dennoch ist er keineswegs eine vernachlässigbare Größe. Im Jahr 202 wurden allein in der EU über 4,8 Milliarden Euro durch Fairen Handel umgesetzt ein stolzer Zuwachs von 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit solchen Zahlen lässt sich Europas steigendes Interesse am Fairen Handel gut veranschaulichen, doch geht es letztlich nicht um Zahlen, sondern um Menschen. Die wachsende Bewegung des Fairen Handels umfasst geschätzte 2,5 Millionen ProduzentInnen und ArbeiterInnen aus über 70 Ländern, dazu kommen mehr als 00.000 Freiwillige, die in Weltläden, Vereinen und kirchlichen Einrichtungen organisiert sind und sich für Fairen Handel engagieren. Der Eurobarometerstudie vom November 203 zufolge ist die Hälfte der EuropäerInnen bereit, höhere Preise zu zahlen, wenn dies den Menschen in den Ländern des Südens zu Gute kommt. Diese Entwicklung bedeutet auch wachsende politische Unterstützung. Bei den Europawahlen 2009 bekannten sich 440 KandidatInnen zur Unterstützung des Fairen Handels. 70 von ihnen wurden ins EU-Parlament gewählt. Städte wie Brüssel, Madrid und London erklärten sich zu Fairtrade-Gemeinden, deren Zahl mittlerweile auf rund.400 angewachsen ist und durch die das Medieninteresse am Fairen Handel deutlich zunahm. Im EU-Parlament machte sich eine große Mehrheit der Abgeordneten immer wieder für den Fairen Handel stark. Unterstützung kommt auch von führenden EU-PolitikerInnen quer durch das Parteienspektrum, von den Präsidenten des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie Mitgliedern der Europäischen Kommission. Der Faire Handel ist zur Richtschnur für gerechte Wirtschaftsbeziehungen geworden und gab auch den Anstoß zu einer Verbesserung der Produktstandards außerhalb des eigentlichen Systems des Fairen Handels (vertreten durch Fairtrade International und die World Fair Trade Organization). Der Faire Handel ist ein Erfolgsmodell, das für Millionen Menschen eine realistische Perspektive bietet, um sich aus der Armut zu befreien. Selbst in den schlimmsten Krisenjahren verzeichnete der Faire Handel einen Anstieg, BürgerInnen Europas setzen sich unverändert für faire, nachhaltige Handelsbeziehungen ein. Ihr unbeirrtes Handeln soll sich auch in der Politik der EU widerspiegeln. European Commission. Special Eurobarometer 405: EU Development Aid and the Millennium Development Goals. November 203. Abrufbar unter http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_405_en.pdf.. Jerzy Buzek, Präsident des EU-Parlaments (2009 202), EVP (Fraktion der Europäischen Volkspartei/Christdemokraten) 2. EU-Abgeordnete Raül Romeva i Rueda, Jean Labert, Judith Sargentini, Franziska Keller, Grüne/ EFA (Grüne/Europäische Freie Allianz) 3. EU-Abgeordneter Louis Michel, ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) 4. EU-Abgeordnete Linda McAvan, S&D (Progressive Allianz der Sozialdemokraten)

4. Analyse der aktuellen EU- Politik zu Fairem Handel und Handelsgerechtigkeit Die Handelspolitik der EU Die Bewegung des Fairen Handels geht davon aus, dass die Berücksichtigung qualitativer Aspekte im Handel im Sinne sozialer und ökologischer Trag- und Zukunftsfähigkeit für benachteiligte ProduzentInnen im Süden einen Weg heraus aus der Armut darstellt. Die gemeinsame Handelspolitik der Europäischen Union wird von den Mitgliedsstaaten und der Kommission jedoch fast ausschließlich als Mittel zur Markterschließung für europäische Unternehmen gesehen. Als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa wird die Handelspolitik noch aggressiver gestaltet, denn die EU geht davon aus, dass in der nahen Zukunft 90 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums außerhalb Europas generiert werden. Gleichzeitig bedeutet die Agenda for Change für viele Schwellenländer (vor allem aufstrebende große Volkswirtschaften wie China, Brasilien und Indien) eine drastische Kürzung der EU-Mittel, da diese Staaten bei den relevanten Wirtschaftsindikatoren gut abschneiden. Ein solcher Ansatz wirkt zunächst logisch, doch ist der Wohlstand in den betreffenden Ländern höchst ungleich verteilt. 72 Prozent der armen Bevölkerung weltweit, die unterste Milliarde, lebt nicht in armen Ländern, sondern in den Staaten im mittleren Einkommensbereich 2. Ein wesentliches Problem der EU-Politik liegt bedauerlicherweise in der mangelnden Kohärenz in Zusammenhang mit der Entwicklungspolitik. Für die Entwicklungszusammenarbeit der EU wurden zwar große Ziele definiert, doch wird die Auswirkung anderer Politikbereiche (etwa Handel und Landwirtschaft) auf die Entwicklung großteils außer Acht gelassen. Wenn nichteuropäische Unternehmen bessere Marktzutrittschancen in die EU erhalten sollen (wovon häufig Großkonzerne der wirtschaftlichen Eliten profitieren), werden in den Verhandlungen zum Ausgleich oft Zollsenkungen für europäische Produkte und Dienstleistungen sowie zusätzliche Auflagen für die HandelspartnerInnen der EU gefordert. So sind Freihandelsabkommen für die EU-Kommission etwa eine Möglichkeit, um ihre HandelspartnerInnen daran zu hindern, bei öffentlichen Aufträgen etwa bei Schulspeisungsprogrammen lokalen KleinproduzentInnen den Vorzug zu geben. Das bedeutet, dass die Länder des Südens nicht mehr frei entscheiden können, welche Politik sie zum Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele verfolgen wollen. Die Entwicklungspolitik der EU Bislang wurden KleinproduzentInnen von den Entscheidungsträger- Innen kaum als wichtige AkteurInnen für Entwicklung wahrgenommen, doch zeichnet sich hier ein Wandel ab. So wird etwa ihre Rolle für die Ernährungssicherheit nun deutlicher erkannt. Die aktuelle Entwicklungsstrategie der EU (die Agenda for Change ) unterstreicht die Bedeutung der Unterstützung von KleinproduzentInnen und des ländlichen Raumes sowie der Entwicklung des lokalen Privatsektors. Öffentliches Beschaffungswesen In den geltenden EU-Vergaberichtlinien 3 aus dem Jahr 2004 wird die Einführung sozialer Kriterien nicht explizit erwähnt. Das führte zu einer unklaren Situation und zu Rechtsunsicherheit in der Frage, wie der Faire Handel im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe unterstützt werden kann. In der Folge kam es sogar zu Gerichtsverfahren auf nationaler Ebene, und ein Fall ging vor den Europäischen Gerichtshof 4. Dessen Urteil ist in Hinblick auf die Einführung von Fair-Handels-Kriterien im Vergabewesen sehr ermutigend, da der Gerichtshof diese Möglichkeit eindeutig akzeptiert. Die Vergaberichtlinien der EU wurden im Jannuar 204 überarbeitet und in einer neuen Fassung vorgelegt. Öffentliche Stellen konnen nunmehr im Rahmen des Beschaffungsvorgangs auch Produktionsprozesse (etwa Fairen Handel) und Nachhaltigkeit als Kriterium heranziehen. Diese günstige Rechtslage ist ein Signal für öffentliche Stellen, den Fairen Handel weiterhin durch verantwortungsvolle Beschaffungsentscheidungen zu unterstützen. Das sind gute Nachrichten, da sie bedeuten, dass in allen künftigen Programmen und Mittelzuteilungen der EU Maßnahmen zur Stärkung von KleinproduzentInnen prioritär zu berücksichtigen sind. Europäische Kommission. Beitrag der Kommission zur Debatte des Rats über Handel, Wachstum und Beschäftigung. Abrufbar unter http://ec.europa.eu/ europe2020/pdf/total_de.pdf. 2 Nähere Informationen unter http://www.ids.ac.uk/project/the-new-bottombillion. 3 Die Rechtsgrundlagen für Auftragsvergaben in der EU sind vor allem Richtlinie 2004/7/EG zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste sowie Richtlinie 2004/8/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge. 4 C-368/0, der so genannte Fall Nord-Holland.

Regelungen für die Lieferkette Für unfaire Handelspraktiken bei Transaktionen zwischen Unternehmen gibt es noch keine EU-Regelungen. Vor allem in Europa haben die Bäuerinnen und Bauern jedoch laut und deutlich ihre Stimme erhoben, um aufzuzeigen, dass sie die Leidtragenden unfairer Handelspraktiken sind. Der Faire Handel wird im Aktionsplan an mehreren Stellen als modellhaftes Beispiel angeführt, doch noch ist die EU nicht bereit, den nächsten logischen Schritt zu setzen, nämlich eine koordinierte Politik für Fairen Handel zu verfolgen und den Fairen Handel in der EU-Politik durchgängig zu berücksichtigen. Fairer Handel und die Politik der EU 204 wird eine Entscheidung der Kommission in Hinblick auf die künftige Stoßrichtung erwartet. Wie auch immer diese Entscheidung ausfällt wichtig ist ein System, das auch ProduzentInnen außerhalb der EU Schutz gegen unfaire Handelspraktiken bietet, wenn sie ihre Produkte in die EU exportieren. Gleichzeitig ist die europäische Wettbewerbspolitik darauf ausgerichtet, den VerbraucherInnen in der EU Zugang zu einer Vielfalt an billigen Produkten und Dienstleistungen zu ermöglichen. Dieses Verständnis von Mehrwert im Wettbewerbsrecht impliziert jedoch, dass die VerbraucherInnen nur an Schnäppchen interessiert seien, so als ob für sie allein der Preis der Ware zählte, während ihnen die Arbeitsbedingungen der ProduzentInnen und ArbeiterInnen egal seien. Nachhaltigkeit in Produktion und Konsum Seit 202 gibt es in der Europäischen Union den Aktionsplan für Nachhaltigkeit in Verbrauch und Produktion und für eine nachhaltige Industriepolitik 5. In diesem Zusammenhang entstand eine Reihe von Initiativen, die ihr Augenmerk auf die Umweltauswirkungen von Produkten und die Nichtbeachtung ökonomischer und sozialer Komponenten der Nachhaltigkeit richten. Trotz der wachsenden Unterstützung des Fairen Handels durch die BürgerInnen der EU und des beeindruckenden Umsatzzuwachses des Fairen Handels in den letzten Jahren, trotz großer politischer Unterstützung durch das Europäische Parlament und den Ausschuss der Regionen sowie in zahlreichen Mitgliedsstaaten gibt es keine echte europäische Strategie zur Förderung des Fairen Handels. In der derzeitigen Politik des Handelskommissars ist Fairer Handel lediglich eine Nachhaltigkeitsschema im Sinn der Verbrauchersicherheit, und es scheint kein Interesse daran zu bestehen, fair gehandelten Produkten einen höheren Stellenwert einzuräumen, der über business as usual hinausgeht. Angesichts der Tatsache, dass der Faire Handel einen wesentlichen Mehrwert darstellt, der sich direkt auf die nachhaltigen Entwicklungsziele der Kommission auswirkt, ist die gegenwärtige Haltung der EU schlicht nicht nachvollziehbar. Nimmt man sich die koordinierte EU-Strategie zur Förderung der biologischen Anbaus als landwirtschaftliche Alternative zum Vorbild, so sollte die Europäische Union neben der konventionellen Handelspolitik auch ein koordiniertes Vorgehen zur Förderung des Fairen Handels als alternatives Modell anstreben, das zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt und sicherstellt, dass die benachteiligten ProduzentInnen und ArbeiterInnen von diesem Modell profitieren. 5 Der Aktionsplan für Nachhaltigkeit in Verbrauch und Produktion und für eine nachhaltige Industriepolitik ist unter http://ec.europa.eu/enterprise/policies/ sustainable-business/environment-action-plan/index_de.htm abrufbar.