Organisationsentwicklung und regionales Management ambulanter Suchthilfe



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SUCHT, Artikel "st61" Ausdruck vom 23.4.01, 09:15 reemers publishing services gmbh BERICHTE AUS DER PRAXIS Organisationsentwicklung und regionales Management ambulanter Suchthilfe Erfahrungen mit Case Management in der Perspektive Solothurn nnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnn Karin Stoop 1, Lukas Leber 2 1 Sozialarbeiterin und Projektleiterin Case Management der Perspektive Solothurn 2 lic.iur., Geschäftsleiter Perspektive Solothurn 1 Zusammenfassung: Von sozialen Diensten und Einrichtungen wird erwartet, dass sie für das Gemeinwesen und für die Bürger soziale Probleme bewältigen helfen und lösen. Um diese Aufgabe zielwirksam und mit vertretbarem Aufwand wahrnehmen zu können, hat man für Humandienste die Arbeitsweise des Case Managements eingeführt. Es schafft Übersicht in der Versorgungslandschaft und Transparenz im Verfahren für alle Beteiligten und legt insbesondere für den Hilfebedürftigen Wegmarken für seine Unterstützung und sein eigenes Dazutun fest [1]. Die Perspektive Fachstellen für soziale Dienstleistungen Solothurn (Schweiz), nachstehend Perspektive genannt, ist ein Zusammenschluss verschiedener Trägerschaften in der Sozialarbeit mit Suchtmittelabhängigen. Die Fachstellen der Bereiche Beratung, Überlebenshilfe, Arbeit, Wohnen und Prävention arbeiten institutionenübergreifend nach Case Management. Schlüsselwörter: Ambulante Suchthilfe ± Case Management ± Regionalisierung ± Corporate Identity ± Coporate Design Organisationsentwicklung und Case Management Case Management wird im Sozial- und Gesundheitsbereich eingesetzt, um einzelne Behandlungsformen zu koordinieren, mit dem Ziel, eine einheitliche Unterstützung herzustellen. Es geht darum, den Ablauf einer Behandlung durch verschiedene Anbieter gemeinsam und fallbezogen zu bedenken. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitswesen in der Form des Case Managements hat noch kaum Tradition. Die alte Gewohnheit, alles alleine zu bestimmen, wird heute vermehrt durch Leistungsvereinbarungen verdrängt, die einzelnen Fachstellen ihre Aufgaben zuweisen. Suchttherapie 2001; 2: 1±6 Georg Thieme Verlag Stuttgart New York ISSN 1439-9903 Die Perspektive ist ein Zusammenschluss von acht verschiedenen Fachstellen mit fünf verschiedenen Trägerschaften. In den Städten Solothurn und Olten gab es in den 90er Jahren ± wenn auch nicht in gleichem Ausmaû wie in Zürich mit dem ¹Platzspitzª ± offene Drogenszenen. Als Sofortmaûnahmen wurden Anlaufstellen für Drogenabhängige, wo Drogen steril injiziert werden konnten, oder Heroinabgabeprojekte, Gassenküchen sowie Arbeitsmöglichkeiten und Beratungsstellen geschaffen. Drogenabhängige sahen sich zu jener Zeit mit einer Vielzahl von Hilfsangeboten und Tagesstrukturen konfrontiert. So konnte es vorkommen, dass sich täglich mehrere Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter verschiedener Einrichtungen mit dem gleichen Drogenabhängigen beschäftigten. In der Folge des allgemeinen Spardrucks versuchte der solothurnische Regierungsrat (Exekutive auf kantonalschweizerischer Ebene) mit einem neuen Konzept Doppelspurigkeiten in der Suchthilfe zu beheben. Der Regierungsrat verabschiedete ein entsprechendes Konzept mit vier Regionen der Suchthilfe und versah diese Regionen mit einem Leistungsauftrag, welcher sie verpflichten sollte, nach dem Modell des Case Managements zusammenzuarbeiten. Eine der beiden gröûeren Regionen ist die Region Solothurn (Nord-Westschweiz) mit 52 Gemeinden bzw. 90 000 Bürgern. Die Region Solothurn hat dank der überschaubaren Gröûe das Case Management konsequent umsetzen können: Insgesamt sind heute ca. 85 % der Klienten der regionalen Suchthilfe im Case Management erfasst. Corporate Identity, Corporate Design und Informationstechnologie Die juristische Voraussetzung für die Zusammenarbeit bildet die gemeinsame Trägerschaft mit der Rechtsform eines Vereins. Mit professioneller Unterstützung wurden das Erscheinungsbild, das Leitbild und die Kommunikationsinstrumente der Perspektive vereinheitlicht. Die Mitarbeitenden wurden in den Prozess mit einbezogen u. a. bei der neuen Namengebung ¹Perspektive Fachstellen für soziale Dienstleistungenª. Durch die Schaffung einer Corporate identity und eines Corporate design wurden die Grundlagen der Zusammenarbeit im Rahmen des Case Managements unterstützt. Alle Fachstellen der Perspektive arbeiten auf einem gemeinsamen PC-Netzwerk. Über jeden Klient wird ein Dossier erstellt. Der Zugang zu den Daten ist auf die Mitarbeitenden beschränkt, die direkt mit den Klienten in Kontakt stehen. Die Klienten werden über die Form der Datenerfassung informiert und müssen dem zustimmen, sofern sie Dienstleistungen der Perspektive beziehen wollen. Wichtiges Bindeglied zwischen Öffentlichkeit, Privatwirtschaft und Suchtmittelabhängigen ist ein speziell zu diesem Zwecke geschaffener Förderverein. Dadurch können in der Region Solothurn täglich 30±50 Abhängige für kurze Arbeitseinsätze an Unternehmen und an Privatpersonen vermittelt werden. Die Erfahrungen der ersten drei Jahre seit Bestehen der Perspektive haben gezeigt, dass mit dem Case Management nicht unbedingt Gelder einzusparen sind. Durch die vernetzte

2 Suchttherapie 2001; 2 Stoop K, Leber L Arbeit werden jedoch die öffentlichen Mittel gezielt und dank des Controllings nachvollziehbar eingesetzt. Case Management in der Perspektive Das Angebot an Dienstleistungen nach der Arbeitsweise Case Management soll dazu führen, dass einzelne Hilfestellungen koordiniert erbracht werden. Damit das Ziel, die Dienstleistungen wirksam zu erbringen, erreicht werden kann, muss der Ablauf der Hilfeerbringung geplant werden und einem bestimmten Schema folgen (siehe Abb. 1). Klare, einheitliche Strukturen sind eine wichtige Voraussetzung für diese Arbeitsweise. Erschlieûung des Zugangs Klienten, welche das Dienstleistungsnetz der Perspektive seit geraumer Zeit benutzen, können mit wenig Aufwand ins Verfahren des Case Managements aufgenommen werden. Schwierig gestaltet sich der Zugang zu den Personen, die die Erschließung des Zugangs Ausfindigmachen von Klienten Vereinbarung über eine Zusammenarbeit Intake/Fallaufnahme Assessment Einschätzung und Bedarfsabklärung Zielvereinbarung Hilfeplanung Verbindung der Klienten mit den Hilferessourcen, Organisation, Koordination Monitoring regelmäßige Neubewertung der Situation Ergebnisbewertung Beendigung der Zusammenarbeit Abb. 1 Ablaufmodell Case Management. Angebote der Perspektive eigentlich brauchen würden, diese jedoch bisher nur vereinzelt nutzten. Nach Wendt ist das Anmeldeverfahren daraufhin zu durchleuchten, ob es unbeabsichtigt zu einer Selektion der Klientel führt [2]. Am Beispiel des niederschwelligen Angebots Anlaufstelle zeigt sich jedoch, dass Klienten mit der Aufnahme ins Case Management kaum Mühe haben. Vereinbarung über die Zusammenarbeit Intake/ Fallaufnahme Alle Klienten werden beim Erstkontakt über das Case Management der Perspektive informiert und erhalten ein Informationsblatt (siehe Abbildung). In der Perspektive erfolgt bei der Fallaufnahme die Erfassung der wichtigen Daten mittels des Klientenverwaltungsprogramms ABC+Q. Das Dokumentationssystem ABC + Q wird in der problemorientierten ambulanten Beratung und Therapie für das Controlling und Qualitätsmanagement eingesetzt. ABC+Q ermöglicht das systematische Erfassen und Evaluieren von Beratungs- und Therapieverläufen. Das Instrument wurde im Kontext von Jugend-, Eltern- und Erwachsenenberatung entwickelt und richtet den Fokus ausdrücklich auf Suchtprobleme. Die soziodemographischen Daten der Klientinnen und Klienten können abgelegt und ausgewertet werden. Gleichzeitig bietet es den Beraterinnen und Beratern die Möglichkeit der EDV-gestützten Journalführung und der Pendenzen- und Adressverwaltung. ABC+Q wurde vom Wissenschaftlichen Dienst der Suchthilfeorganisation ContactNetz in Bern entwickelt. Peter von Splunteren vom niederländischen Nationalen Institut für Methodenentwicklung nennt zwei Ziele des Intake [2]: 1. Der Helfer informiert den Klienten über die Aufgabe und die Arbeitsweise der Institution. 2. Der Helfer entwirrt mit dem Klienten die Problematik und entscheidet danach, ob die Institution in seinem Fall ein Hilfeangebot machen kann. Der Erstkontakt mit der Perspektive kann nur in einer der acht Fachstellen stattfinden. Mit dem Intake werden die Personalien, der Grund der Anmeldung, die aktuelle Situation, die beteiligten Personen und Institutionen usw. erfasst. Verantwortlich für das Intake sind die Mitarbeiter der jeweiligen Fachstellen. Gemeinsam mit dem Klienten nehmen sie eine erste Bedarfseinschätzung vor und übermitteln diese Daten via ABC+Q an den Koordinator des Case Managements. Dieser bestimmt für jeden Fall einen Case Manager. Der Case Manager nimmt mit dem Klienten Kontakt auf, koordiniert die weiteren Interventionen und ist für die Erfassung der Profile sowie das Ausfüllen der Zielvereinbarung und der Auswertung im ABC+Q verantwortlich. Einschätzung der Situation und Bedarf an Dienstleistung Bei der Bedarfseinschätzung werden Ressourcen und Defizite in verschiedenen Lebensbereichen erfasst. Mit dem ¹Assessmentª 1 nimmt der Case Manager mit dem Klienten eine Einschätzung der Situation und des Bedarfs an Dienstleis- 1 Mit dem englischen Verb ¹to assessª ist der Vorgang einer kritischen Beurteilung und Bewertung eines Tatbestandes oder Sachverhalts bezeichnet.

Organisationsentwicklung und regionales Management ambulanter Suchthilfe Suchttherapie 2001; 2 3 Tab. 1 Auswertung Anlassprobleme im Erstgespräch (n = 225) ABC+Q 2000 Anlassproblem-Bereich Anzahl Nennungen % der Fälle % der Angaben Angaben % der Fälle pro Bereich 1. Suchtmittelkonsum 69,3 Suchtmittelkonsum 89 39,6 19,6 Entzug 16 7,1 3,5 Abstinenz35 15,6 7,7 Substitution 16 7,1 3,5 2. soziale Beziehungen 36,9 Familienbeziehungen 45 20,0 9,9 Erziehungsfragen 18 8,0 4,0 Partnerschaft 15 6,7 3,3 andere soziale Beziehungen 5 2,2 1,1 3. körperliche Gesundheit 16,4 psychisches Befinden 30 13,3 6,6 körperliche Gesundheit 2 0,9 0,4 Essverhalten 5 2,2 1,1 4. Ausbildung/Beruf/Finanzen 32,4 Ausbildung 14 6,2 3,1 Berufsarbeit 28 12,4 6,2 Finanzen 31 13,8 6,8 5. Bewältigung von Alltagsaufgaben 37,8 Wohnen 36 16,0 7,9 genügende Tagesstruktur 5 2,2 1,1 Umgang mit Justizund Behörden 12 5,3 2,6 Bewältigen von Alltagsaufgaben 32 14,2 7,0 6. Information 6,2 angemessen informiert sein 14 6,2 3,1 7. Suizidgefährdung ± Suizidgefährdung ± ± ± 8. Gewalt 1,8 Gewalt 4 1,8 0,9 anderes 3 1,3 0,7 1,3 total 455 100 tungen vor. Die Hilfestellung kann nur dann wirksam und gezielt erbracht werden, wenn während der Zusammenarbeit wiederholt eine Bedarfseinschätzung vorgenommen wird. Zielvereinbarung/Hilfeplan Aufgrund der Bedarfseinschätzung werden Ziele festgelegt und ein Hilfeplan erstellt. Die Zielvereinbarung wie auch der Hilfeplan werden im Verlaufe des Prozesses überprüft und bei Bedarf angepasst. In der Zielvereinbarung werden die Art der Dienstleistung, der Umfang der zu erbringenden Leistungen und der Zeitrahmen festgehalten. Der Klient wird in seiner Verantwortung angesprochen, beim Entwurf des Hilfeplans aktiv mitzuwirken. Der Hilfeplan wird schriftlich festgehalten und von allen Beteiligten unterzeichnet. Spätestens nach sechs Monaten wird jede Zielvereinbarung mit allen Beteiligten überprüft. Die Klientin und der Case Manager erhalten je ein Exemplar dieser Vereinbarung. Durch die Zielvereinbarung wird dem Klienten der Zugang zu den in der Planung festgelegten Dienstleistungen ermöglicht. Alle Tätigkeiten und Kontakte im Zusammenhang mit dem Fall werden schriftlich festgehalten. Will der Klient oder die Klientin während der vereinbarten Dauer der Zielvereinbarung die Dienstleistungen verändern, muss vor dem Bezug dieser Leistungen die Vereinbarung überarbeitet werden. Monitoring/Ergebnisbewertung Der Case Manager muss über die Entwicklung der Klienten informiert sein. Alle wichtigen Ereignisse werden durch die Mitarbeitenden der Fachstellen im ABC+Q festgehalten. In regelmäûigen Abständen erfolgt gemeinsam mit den Beteiligten eine Kontrolle (Monitoring) der Zielvereinbarung. Die Auswertung der Hilfeplanung ermöglicht es, Schwachstellen zu erkennen und einen neuen angepassten Hilfeplan zu erstellen. Nach der Auswertung wird festgelegt, ob und wie die Zusammenarbeit fortgesetzt wird. Wird sie fortgesetzt, muss eine neue Bedarfseinschätzung erfolgen und der gesamte Ablauf beginnt von neuem (Abb. 1). Mit dem Klientenverwaltungsprogramm ABC+Q verfügt die Perspektive über ein detailliertes Klientenprofil und es können Aussagen über die geplanten und die effektiv erbrachten Dienstleistungen gemacht werden. Vor allem ist ersichtlich, welche Maûnahmen sich als erfolgreich herausgestellt haben. Die Erfolgskontrolle ist zum einen für den Dienstleistungsnutzer wichtig, zum andern dient sie aber auch der Institution für den Rechenschaftsbericht gegenüber der Öffentlichkeit.

4 Suchttherapie 2001; 2 Stoop K, Leber L Case Management Begleitetes Wohnen Anmeldung KoordinatorIn Case Management Intake: Wenn nach dem Informationsgespräch weiter Aufträge entstehen, wie z. B. Gesuch um Kostengutsprache, wird ein Intake erstellt. Zuteilung an... Case ManagerIn Eröffnung der Fallführung in ABC&Q CM organisiert... Rückmeldung an KoordinatorIn "Assessment" und Hilfeplanung Die Sitzung findet mit allen Beteiligten statt: CM, BeWo, KlientIn. Bedarfsabklärung, Zielvereinbarung, Regelung des Dienstleistungsanspruchs. nach Ablauf der Vertragsfrist... Standortbestimmung / "Monitoring" mit allen Beteiligten (CM, BeWo, KlientIn) terminieren und durchführen. Erneut: Bedarfsabklärung, Zielüberprüfung, Einschätzung des Dienstleistungsanspruchs. entweder... oder... Datenerfassung der Vereinbarung in ABC&Q. Neue Vereinbarung. Dienstleistungen werden nicht mehr genutzt. Fallabschluss Abb. 2 Ablaufschema Case Management am Beispiel ¹Begleitetes Wohnenª.

Organisationsentwicklung und regionales Management ambulanter Suchthilfe Suchttherapie 2001; 2 5 Umgang bei unkooperativem Verhalten Falls sich Klientinnen oder Klienten unkooperativ verhalten, wird mit allen Beteiligten eine Sitzung vereinbart, an der das weitere Vorgehen geplant wird. Falls kein Konsens erarbeitet wird, entscheidet der Case Manager über das weitere Vorgehen. Diese Form der Zusammenarbeit verlangt von allen Beteiligten die Bereitschaft, über ihr angestammtes Arbeitsgebiet hinaus aktiv am Prozess der Klienten mitzuarbeiten. Wichtig ist, Ziele und Hilfestellungen so zu planen, dass sie für das gesamte Helfernetz Gültigkeit haben. Maûgeschneidertes Case Management Zur Sicherstellung des Case Managements müssen für einzelne Dienstleistungen individuelle Anpassungen vorgenommen werden. Arbeitseinsätze Alle Klienten der Perspektive Arbeitseinsätze werden ins Case Management aufgenommen. Als einzige Ausnahme gelten Klienten eines speziellen Beschäftigungsprogramms der Psychiatrie sowie Personen, die von der Bewährungshilfe an die Arbeitseinsätze vermittelt werden (gemeinnützige Arbeit statt Strafvollzug). Beim Intake werden die Klienten darauf aufmerksam gemacht, dass sie innerhalb von 14 Tagen nach Unterzeichnung des Rahmenarbeitsvertrages die Vereinbarung mit dem Case Manager gemacht haben müssen. Andernfalls sind sie nicht mehr berechtigt, die Dienstleistungen der Arbeitseinsätze in Anspruch zu nehmen. Der Arbeitsvertrag wird somit an die Zielvereinbarung des Case Managements geknüpft. Begleitetes Wohnen Die Miete einer Wohnung des Begleiteten Wohnens kann nur mit einer gültigen Case Management-Vereinbarung angetreten werden. Die Zusammenarbeit im Rahmen des Case Managements ist im Vertrag für Begleitetes Wohnen geregelt. Gassennahe Anlaufstelle Alle Klientinnen und Klienten der Anlaufstelle werden ins Case Management aufgenommen. Wer keine weiteren Dienstleistungen der Perspektive nutzen will, erhält keinen Case Manager zugewiesen. Damit bleibt die Niederschwelligkeit des Zugangs zum Angebot der Gassennahen Anlaufstelle erhalten. Die Mitarbeiter der Anlaufstelle sind anstelle des Case Managers direkt für die Vereinbarungen des Case Managements zuständig. Will ein Klient weitere Angebote der Perspektive nutzen, wird zuerst eine entsprechende Vereinbarung ausgearbeitet und ein Case Manager bestimmt. Damit stehen die anderen Dienstleistungen zur Verfügung. Gassenküche Der Betrieb der Gassenküche lässt kein eigentliches Intake zu. Das Gassenküchen-Team wird mittels Klientenliste über die Zuteilung des Case Managers informiert. Sie unterstützen das Case Management, indem sie die Benutzer regelmäûig auf die weiteren Dienstleistungen und das Case Management aufmerksam machen und bei Bedarf den Kontakt zu einem Case Manager herstellen. Für die Angebote der Überlebenshilfe ist keine Vereinbarung notwendig. Bei unkooperativem Verhalten kann aber eine Dienstleistung eingeschränkt oder der Zugang verweigert werden. Beratungsstellen Alle Klientinnen und Klienten der Beatungsstellen werden ins Case Management aufgenommen. Klienteninformation Case Management Das müssen Sie wissen... 1. Die Perspektive ist eine Fachstelle für soziale Dienstleistungen in der Region Solothurn. Unter einem Dach bietet sie gut aufeinander abgestimmte und koordinierte Dienstleistungen an. 2. Die Angebote sind Spritzentausch und -verkauf, Injektionsraum, ambulante Wundversorgung, Cafeteria, Dusche, Waschmaschine und Tumbler in der Gassennahen Anlaufstelle. Begleitetes Wohnen. Arbeitseinsätze tageweise oder längerfristig. Gassenküche. Beratung und Therapie. Präventionsprojekte. 3. Eine Ansprechperson für alle Fälle vermittelt Ihnen die benötigten Angebote, bringt Sie mit den verschiedenen Leistungserbringern in Kontakt und koordiniert bei Bedarf alle benötigten Leistungen. Diese Ansprechperson für Sie nennen wir Case Manager. 4. Sie alleine entscheiden, ob Sie Spritzen tauschen, einige Tage arbeiten oder eine Therapie in Angriff nehmen wollen. Im Rahmen dieser vorliegenden Leitplanken definieren und verantworten Sie allein über Ihren Bedarf an Dienstleistungen der Perspektive. 5. Eine schriftliche Vereinbarung hält unsere Abmachungen fest. In ihr wird z. B. bestimmt, dass Sie drei Monate alle Dienstleistungen der Gassennahen Anlaufstelle benutzen wollen oder dass Sie mit einer Kostengutsprache der Gemeinde für vorläufig sechs Monate ins begleitete Wohnen eintreten oder, dass Sie an einem Arbeitsprogramm teilnehmen wollen. Im letzten Fall erstellen wir aus versicherungstechnischen Gründen zusätzlich einen Arbeitsvertrag. 6. Alle Daten sind geschützt. Und die Mitarbeiter der Perspektive unterstehen zudem der Schweigepflicht. Informationen werden nur weitergegeben, wenn Sie die Perspektive oder andere Behörden entsprechend ermächtigt haben. 7. Der nächste Schritt liegt nach dieser Information bei Ihnen. Sie können sich überlegen, welche Dienstleistungen der Perspektive Sie nutzen möchten. Ihre Ansprechperson, der Case Manager, wird mit Ihnen die notwendigen Vereinbarungen treffen und schriftlich festhalten. Sicher verstehen Sie, dass ohne schriftliche Vereinbarungen längerfristig keine Dienstleistungen der Perspektive zur Verfügung gestellt werden können.

6 Suchttherapie 2001; 2 Stoop K, Leber L Literatur 1 Wendt WR. Beitrag zum Jahresbericht der Perspektive Solothurn, 2001 2 Wendt WR. Case Management im Sozial- und Gesundheitswesen. Eine Einführung. Freiburg i. Br.: Lambertus Verlag, 1999; 2. Auflage: 105 Lukas Leber Perspektive Fachstellen für Soziale Dienstleistungen Sandmattstrasse 2 4500 Solothurn Schweiz E-mail: Lukas.Leber@perspektive-so.ch