Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung»



Ähnliche Dokumente
Gegenargumentarium zu den Argumenten des Initiativkomitees «Für eine faire Verkehrsfinanzierung»

Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung»; Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung des Bundes

Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) Faktenblatt «Entwicklung bei den Mineralölsteuern»

Obligatorische Abstimmung über die Verankerung des Nationalstrassen und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) in der Bundesverfassung.

Massiv unterschätzter Strassenverkehr

Vom Stauland Schweiz zur dauerhaften Engpassbeseitigung

Praxisbeispiel aus der Schweiz: Bahninfrastrukturfonds BIF

Strassenfinanzierung im Umbruch folgt nach dem NAF das Road Pricing? 16. November 2016 Referat Hans Koller, strasseschweiz

Ausgaben nach Aufgabengebieten 2017

Wer finanziert die Strasseninfrastruktur der Zukunft?

Ausgaben nach Aufgabengebieten 2017

Zukunft der Verkehrsinfrastrukturen: Durchwursteln oder strategisches Handeln?

Der Schweizer Infrastrukturfonds für Agglomerationen. Konferenz Österreichischer Städtebund vom

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau. Bundesamt für Strassen Abteilung Direktionsgeschäfte 3003 Bern

vom 6. Oktober 2006 (Stand am 1. Januar 2016)

Wie kann und soll die zukünftige Mobilität überhaupt noch finanziert werden? Drei Feststellungen und drei Thesen

Raubzug auf die Bundeskasse. 5. Juni Übervolle Strassenkassen Initianten wollen Geld auf Vorrat horten

Die Strasse im politischen Spannungsfeld

Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur in der Schweiz

Künftige Finanzierung von Strassenund Schieneninfrastrukturen

Ordentliche Einnahmen 2018

Ordentliche Einnahmen 2017

6. September 2011, Trento

1. Kosten. 2. Finanzierung der direkten Kosten Strassen- und Schienenverkehrs

Vorschau Herbstsession 2014

Dieser Text ist ein Vorabdruck. Verbindlich ist die Version, die im Bundesblatt ( veröffentlicht wird.

2) Unterstützen Sie grundsätzlich die Schaffung eines Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds

Das Schweizer Modell ein Vorbild für Europa?

Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) Gegenentwurf zur VCS-Initiative Für den öffentlichen Verkehr

NAF. ohne Überarbeitung droht der Verkehrsinfarkt! 69. ordentliche Mitgliederversammlung von strasseschweiz Verband des Strassenverkehrs FRS

Matthias Dietrich Geschäftsführer LITRA

Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs- Fonds (NAF)

Ja zur Finanzierung und zum Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI)

Der Grosse Rat hat am 13. September 2016 die Änderung des Steuergesetzes (Begrenzung Pendlerabzug auf Fr. 7'000. ) mit 64 zu 62 Stimmen gutgeheissen.

Tag der Schweizer Garagisten _ AGVS Classic Center Schweiz, Safenwil _ 19. Januar Jürg Röthlisberger, Direktor ASTRA

KOSA-Initiative. Schädlich für Wirtschaft und Staat. 6. Juni 2006 Nummer Jahrgang

Agglomerationsprogramme Verkehr und Siedlung Bilanz und Ausblick aus Sicht des ARE

2 Bundesgesetz über den Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr

Nachhaltige Mobilität durch Kostenwahrheit

Rohstoff. Fiskalquote Datum 15. Dezember Fiskalquote 2009 und ihre Bestandteile im Zeitverlauf

Kurzbericht Entwicklung Kerosinverbrauch und CO2-Emissionen des Flugverkehrs in Österreich

Basel, 13. Juni 2017 _ Propellerclub Die Schweiz wächst, die Verkehrsfläche und Angebote auch?

Übersicht über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben

Fragen und Antworten (FAQ)

AeschliEvent 2016 Campus Sursee _ 21. April Jürg Röthlisberger, Direktor ASTRA

EFD Medienmitteilung

Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik

Rechnung 2006 mit Milliardenüberschuss substanzieller Abbau von Schulden

Themendossier 4: Was kostet unsere Mobilität?

4. SALZBURGER VERKEHRSTAGE

Blick über den Tellerrand der SPNV in der Schweiz

Bundesgesetz über den Infrastrukturfonds für den Agglomerationsverkehr, das Nationalstrassennetz sowie Hauptstrassen in Berggebieten und Randregionen

Rohstoff. Fiskalquote Datum:

Auswirkungen der Vorlage STAF auf die Stabilisierung der AHV (AHV 21)

Kapitaldienstanteil. Jahr

Medienorientierung vom 6. September 2010 zu Voranschlag 2011 und IFAP des Kantons Luzern

Reden Sie mit bei der Reifenwahl: energiesparende und leise pneus!

Botschaft zur Deplafonierung Solidaritätsprozent in der Arbeitslosenversicherung

5 Änderung des Asylgesetzes (AsylG)

Teil I: Grundhaltung Kanton Aargau: "Ja zum Fonds, nein zur Finanzierung"

Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich

Gemeindeversammlung vom 7. Dezember 2015 Finanzkennzahlen zum Voranschlag 2016

CO 2 -Gesetz Klimarappen Gebäudeprogramm

Vorschau Frühjahrssession 2016

VCÖ-Input für die 2. Sitzung des nationalen Klimaschutzbeirats: Maßnahmen im Verkehrsbereich

Revision der Energieverordnung (EnV): Erhöhung des Zuschlags nach Art. 15b des Energiegesetzes (Art. 3j Abs. 1 und 3 bis EnV)

PPP Verkehrsinfrastruktur

Finanzperspektiven der AHV 2011: Grundlagen, neue Hypothesen und Auswirkungen

Referat Dr. Max Friedli. Direktor Bundesamt für Verkehr (BAV)

Vernehmlassungsantwort Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) Gegenentwurf zur VCS-Initiative "Für den öffentlichen Verkehr"

Vergleich der Energiepreise in verschiedenen OECD-Ländern

KRB Objektkredit für "Stadttunnel mit ZentrumPlus", Planung, Landerwerb und Bau, mit Genehmigung des Generellen Projektes

Ein Blick in die Zukunft

hohe belastung durch steuern und abgaben in der schweiz

Vernehmlassung der IHZ zum NAF

Institutionelle Lösungen für die Bereitstellung und Finanzierung der schweizerischen Eisenbahninfrastrukturen

Vorschau Sommersession 2014

Rohstoff. Fiskalquote Datum 29. November 2011

Gesetz über die National- und Kantonsstrassen und ihre Finanzierung (Strassengesetz, StrG) 1)

1. Wie begründet der Bundesrat diese massive Erhöhung bereits nach 2 Jahren?

Vereinbarung zur Regelung der Teuerung im Infrastrukturfonds

Finanzierung des Agglomerationsverkehrs

Erläuternder Bericht zur Verordnung über Anpassungen des Verordnungsrechts an die Weiterentwicklung der Programmvereinbarungen

Gesetz über die Förderung des öffentlichen Verkehrs (FöVG)

Änderung der Verordnung des EFD über den Abzug von Berufskosten der unselbständigen Erwerbstätigkeit per 1. Januar 2016

Bundesrat beschliesst Massnahmenpaket zur Aufgabenüberprüfung

Reform Altersvorsorge 2020 Stand nach SGK-S

Vernehmlassung: Bundesbeschluss über das Programm zur Beseitigung von Engpässen im Nationalstrassennetz und über die Freigabe der Mittel

Trafic routier massivement sous-estimé

Mobilität und Nachhaltigkeit: wohin geht die Reise? Meran, URANIA, 27. Oktober 2014

Botschaft. vom 18. Februar Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren

Bauenschweiz _ Parlamentarieranlass Bern, 3. Juni 2015

Besten Dank für die Gelegenheit, uns zu den Vorlagen NAF, Schliessung der Finanzierungslücke und STEP äussern zu können.

HESSISCHER LANDTAG. Gesetzentwurf der Fraktion der SPD. für ein Gesetz zur vollständigen Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen. 19.

Sozialdemokratische Partei der Schweiz

Entschließung des Bundesrates zur Zukunft der Verkehrsfinanzierung

Transkript:

Eidgenössisches Finanzdepartement EFD Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» Stand: März 2016 Fragen und Antworten Was will die Initiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung»? Um den sich abzeichnenden Finanzierungsengpass in der Strassenfinanzierung zu verhindern, verlangt die Initiative, den gesamten Ertrag der Mineralölsteuer auf Treibstoffen für den Strassenverkehr zu verwenden, also auch jene Hälfte, die heute den anderen Bereichen des Bundes zur Verfügung steht. Warum lehnt der Bundesrat die Initiative ab? Durch die Zweckbindung der gesamten Mineralölsteuer auf Treibstoffen würde ein bewährtes Finanzierungssystem geändert. Den anderen Aufgaben des Bundes würden auf einen Schlag rund 1,5 Milliarden Franken entzogen. Dieser Verlust müsste mit Mehreinnahmen oder Sparmassnahmen aufgefangen werden. Da es auf absehbare Zeit hinaus unrealistisch wäre, neue oder höhere Steuern zu erheben, müsste ein umfangreiches Sparprogramm geschnürt werden. Sparen ist doch gut! Was wäre an einem Sparprogramm so negativ? Das durch die Initiative ausgelöste Sparprogramm träfe den Bund in einer schwierigen Zeit. Wegen der globalen Finanz- und Schuldenkrise und der Frankenstärke sind im Bundeshaushalt innerhalb kurzer Zeit Sparprogramme von rund 2,5 Milliarden Franken notwendig geworden. Bereits mit dem Voranschlag 2016 wurden die Ausgaben um 3 Prozent gekürzt. Mit dem Stabilisierungsprogramm 2017 2019 kommen weitere 3 Prozent hinzu. Mit diesen bereits beschlossenen bzw. beantragten Kürzungen, die sich zum grössten Teil erst in den kommenden Jahren auswirken werden, wird das Wachstum der Ausgaben gebremst. Käme nun noch ein Sparprogramm in Milliardenhöhe als Folge der Initiative hinzu, müssten die Ausgaben des Bundes in vielen Bereichen effektiv gekürzt werden. Wo wären Sparmassnahmen nötig? Bundesrat und Parlament würden bei Annahme der Initiative noch über die genaue Aufteilung eines Sparprogramms auf die einzelnen Aufgabengebiete entscheiden. Zumindest in Kommunikation EFD Bundesgasse 3, 3003 Bern Tel. +41 58 462 60 33 Fax +41 58 463 38 52 info@gs-efd.admin.ch www.efd.admin.ch

einer ersten Phase müssten aber vor allem die ungebundenen Ausgaben einbezogen werden. Als ungebunden bezeichnet man Ausgaben, die nicht durch Verfassung, Gesetz oder Verträge langfristig fixiert sind, sondern kurzfristig beeinflusst werden können. Das Sparprogramm würde sich wie folgt auf die ungebundenen Ausgaben auswirken (alle Aufgabengebiete, in Mio. Fr.): Die grössten Sparbeiträge würden auf die Direktzahlungen an die Landwirtschaft entfallen, den Finanzierungsbeitrag ETH, das Personal der Verteidigung, die Institutionen der Forschungsförderung und den regionalen Personenverkehr. Stark betroffen wären aber auch die Entwicklungszusammenarbeit, die LSVA-Einlage in den Bahninfrastrukturfonds, die Beiträge an die Berufsbildung, die Hochschulförderung und das Grenzwachtkorps. Weil das Sparprogramm anfänglich noch nicht voll wirkt, müssten in den Jahren 2020 bis 2022 zum Ausgleich entsprechend höhere Sparvorgaben gemacht werden. Diese erreichen bis zu rund 6 Prozent jährlich der ungebundenen Ausgaben gegenüber dem Legislaturfinanzplan 2017 2019. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser bereits Kürzungen von je 3 Prozent aufgrund des Voranschlags 2016 sowie des Stabilisierungsprogramms 2017 2019 enthält. Zusammengerechnet könnte das bei vielen Aufgabengebieten zu Reduktionen von bis zu 12 Prozent gegenüber den zum Zeitpunkt der Erstellung der Botschaft 2014 noch gültigen Planungsannahmen führen. Ausgabenreduktionen dieses Umfangs bleiben nicht ohne spürbare Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung. Werden die Kürzungen zudem nicht linear, sondern nach politischen Prioritäten verteilt, dürften einzelne Aufgaben noch wesentlich stärker betroffen sein. Das nominale Ausgabenniveau 2016 würde erst 2021 wieder erreicht. Viele dieser Einsparungen würden auch die Kantone betreffen, die ihrerseits Sparprogramme umsetzen oder Steuererhöhungen prüfen müssten, um die wegfallenden Bundesleistungen auszugleichen. Was bedeutet die Initiative für den öffentlichen Verkehr? Der öffentliche Verkehr wäre auf verschiedene Weise von der Initiative betroffen: Das Sparprogramm müsste auch die Bundesbeiträge an den regionalen Personenverkehr einschliessen. Kürzungen würden sich insbesondere bei schwach ausgelasteten 2

Bahn- und Buslinien auswirken. Viele Gemeinden in Randregionen würden vom öv-netz abgehängt. Daneben müssten Fahrplanverdichtungen in den Agglomerationen für Arbeitspendler, Schüler, usw. zeitlich aufgeschoben oder sogar zurückgenommen werden. Die Initiative will zudem in der Verfassung festschreiben, dass die für den Strassenverkehr reservierten Mittel «ausschliesslich» für diesen Bereich verwendet werden dürfen. Diese Ausschliesslichkeit steht im Widerspruch zur Verfassungsbestimmung über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI): Volk und Stände hatten 2014 beschlossen, dass aus der Mineralölsteuer während einer Übergangszeit jährlich höchstens 310 Millionen Franken in den Bahninfrastrukturfonds fliessen. Welche Folgen eine Annahme der Initiative auf diese Verfassungsbestimmung hätte, ist ungewiss. Der Bundesrat hatte in seiner Botschaft die Auffassung vertreten, die Verwendung von Mineralölsteuermitteln für die Bahninfrastruktur bleibe möglich. 1 Es läge am Parlament, diese Frage abschliessend zu klären. Die Finanzierung und der Ausbau der Bahninfrastruktur stünden bei Annahme der Initiative somit erneut zur Diskussion. Schliesslich macht die Initiative das Autofahren im Vergleich zu Bahn und Bus immer billiger. Weil die Autos immer weniger Treibstoff verbrauchen und die Mineralölsteuer und der Mineralölsteuerzuschlag seit 1993 bzw. 1974 unverändert sind, haben die durchschnittlichen Abgaben der Automobilistinnen und Automobilisten in den letzten 20 Jahren um rund einen Drittel abgenommen. Dies hat dazu beigetragen, dass die Fahrkosten des Strassenverkehrs in diesem Zeitraum nur noch im Ausmass der Teuerung angestiegen sind. Die Initiative würde an diesem Trend nichts ändern. Hingegen wiesen die Tarife des öffentlichen Verkehrs in der Vergangenheit ein über der Teuerung liegendes Wachstum auf. Auch künftig werden sich die Benützerinnen und Benützer mit höheren Billettpreisen am Ausbau der Schieneninfrastruktur beteiligen. Diese Scherenbewegung bei den Fahrkosten kann zur Rückverlagerung des Verkehrs auf die Strasse führen und zusätzliche Staus bewirken, insbesondere in Städten und Agglomerationen. Wie sieht die Lösung des Bundesrates aus? Bereits vor einigen Jahren erkannte der Bundesrat, dass die Finanzierung der Infrastrukturen sowohl im Schienen- als auch im Strassenbereich neu geregelt werden muss. Für den Schienenbereich wurde 2014 von Volk und Ständen die FABI-Vorlage gutgeheissen. Zentrales Element ist der Bahninfrastrukturfonds (BIF). Dieser wird mit zweckgebundenen Einnahmen gespeist und stellt die Finanzierung von Ausbau und Unterhalt des Schienennetzes auf eine langfristig tragfähige Basis. Neben dem Bundeshaushalt beteiligen sich auch die Bahnbenützerinnen und -benützer mit höheren Tarifen an den künftigen Ausbauten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass auch der Strassenverkehr eine dem BIF vergleichbare Finanzierungslösung erhalten soll. Er hat deshalb dem Parlament eine Vorlage zur Schaffung eines Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) unterbreitet. Auch der NAF verfügt über zweckgebundene Einnahmen. Die Finanzierung der künftigen Ausbauten soll mit einem massvollen Beitrag der Automobilistinnen und Automobilisten in Form eines Aufschlags des seit 1974 unveränderten Mineralölsteuerzuschlags um wenige Rappen einerseits und mit rund 400 Millionen Franken aus der Bundeskasse durch die Zweckbindung der Automobilsteuer andererseits gesichert werden. Das ist im Gegensatz zur Initiative, die das Finanzierungsproblem einfach in andere Aufgabenbereiche verlagert ein fairer und ausgewogener Ansatz. Wäre es nicht fair, die Abgaben der Automobilistinnen und Automobilisten zu 100 Prozent zweckzubinden? Auf Fahrzeugtreibstoffen (Benzin, Diesel usw.) wurde in der Schweiz seit jeher eine Abgabe erhoben. Anfänglich floss diese Abgabe damals «Benzinzoll» genannt zusammen mit den übrigen Zolleinnahmen vollumfänglich in die allgemeine Bundeskasse. Sie diente somit 1 Botschaft zur Volksinitiative «Für eine faire Verkehrsfinanzierung» vom 19. Nov. 2014, BBI 2014, S.9634 3

der Finanzierung aller Aufgaben des Bundes. 1958 wurde in der Verfassung festgelegt, dass ein Teil des «Benzinzolls» der heutigen Mineralölsteuer nur für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr verwendet werden darf (sogenannte Zweckbindung, heute 50 Prozent). Später kamen der Mineralölsteuerzuschlag und die Autobahnvignette hinzu. Beide sind zu 100 Prozent zweckgebunden. Rechnet man all diese Abgaben zusammen, sind insgesamt 72 Prozent zweckgebunden. Unsere Nachbarländer, aber auch die Niederlande, Grossbritannien und Spanien kennen keine ähnlichen Zweckbindungen. Die schweizerischen Automobilistinnen und Automobilisten sind somit bezüglich Strassenfinanzierung schon in einer privilegierten Situation. Wenn diese Privilegierung im Sinne der Initiative noch ausgeweitet würde, nämlich auf einen Schlag um weitere rund 1,5 Milliarden Franken, hätte dies einschneidende Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Die Initiative zeigt nicht auf, wie dieses Problem gelöst werden könnte. Sie ist deshalb keine faire Lösung. Stimmt es, dass die Automobilistinnen und Automobilisten über 9 Milliarden an den Bund abliefern, wovon nur rund 30 Prozent der Strasse zugutekommen? Die Rechnung der Initianten operiert mit äusserst fragwürdigen Annahmen. Die Verfassung legt fest, welche Abgaben der Strassenbenützenden in welchem Ausmass für die Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr verwendet werden (Zweckbindung). Heute sind dies die Hälfte der Mineralölsteuer und die gesamten Erträge von Mineralölsteuerzuschlag und Autobahnvignette. Von den Gesamteinnahmen von rund 5,2 Milliarden Franken (2014) sind 3,7 Milliarden oder 72 Prozent zweckgebunden und werden auch entsprechend verwendet. Weder unsere Nachbarländer noch die Niederlande, Grossbritannien und Spanien kennen vergleichbare Zweckbindungen der auf Treibstoffen erhobenen Steuern. Die Differenz zwischen den erwähnten 5,2 Milliarden Franken und den von den Initianten ins Feld geführten rund 9 Milliarden stammt daher, dass diese auch Mehrwertsteuern auf Treibstoffen und Autos (rund 2 Mrd.), die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA; rund 1,5 Mrd.) und die Automobilsteuer (rund 0,4 Mrd.) in die Rechnung einbeziehen. Es ist jedoch nicht zulässig, diese Abgaben in einen Topf zu werfen: Die Mehrwertsteuer ist keine Strassenabgabe, sondern dient der Finanzierung des Bundeshaushalts: Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer fliessen nirgends direkt an die Besteuerten zurück. Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) wird zweckgebunden verwendet: Die Einnahmen aus der LSFV gehen zu 2/3 an den Bund und zu 1/3 an die Kantone. Der Bundesanteil wird gemäss Verfassung dazu verwendet, die Bahninfrastruktur auszubauen, auch zur Entlastung der Strasse von Schwerverkehr. Das bewirkt weniger Staus und erhöht die Verkehrssicherheit. Die Kantone verwenden ihren Anteil am Reinertrag vorab für den Ausgleich der von ihnen getragenen ungedeckten Kosten im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr. Diese Lösung ist vom Schweizervolk mehrfach an der Urne bestätigt worden. Die Automobilsteuer soll künftig auch nach dem Willen des Bundesrates zweckgebunden werden: Diese Abgabe soll künftig in den Nationalstrassen und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) fliessen. Ist es nicht eine Zweckentfremdung, wenn Mittel aus dem Strassenverkehr zur Schiene umgeleitet werden? Teile der zweckgebundenen Abgaben (Mineralölsteuer, Mineralölsteuerzuschlag und Autobahnvignette) werden für den schienengebundenen Agglomerationsverkehr (insbesondere Trams) und für die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Strasse auf die Schiene eingesetzt. Das entlastet die Strasse und dient so auch den Automobilistinnen und Automobilisten. Hinzu kommt ein befristeter Beitrag an den Bahninfrastrukturfonds aus zweckgebundenen Mineralölsteuermitteln von jährlich höchstens 310 Millionen Franken. Diese Mitfinanzierung 4

läuft ca. 2030 aus und wurde in der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 zur FABI-Vorlage von Volk und Ständen mit grossem Mehr beschlossen. Zum andern legt der Bund seinen Anteil an den Einnahmen der LSVA (rund 1 Milliarde Franken pro Jahr) grösstenteils in den Bahninfrastrukturfonds ein. Auch dieser Einsatz von Mitteln für den öffentlichen Verkehr wurde im Rahmen der FABI-Vorlage vom Volk so beschlossen und entspricht der Zweckbestimmung gemäss Verfassung. Von einer Zweckentfremdung kann somit nicht gesprochen werden. Stimmt es, dass die Automobilistinnen und Automobilisten immer mehr zahlen müssen? Das Gegenteil ist der Fall. Zwar sind die Erträge der Abgaben des Strassenverkehrs insgesamt in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Dieser Anstieg hängt aber in erster Linie mit der Verkehrszunahme zusammen. So lag z.b. die Zahl der Personenwagen Ende 2015 mit rund 4,5 Millionen fast neunmal höher als 1960 mit gut 0,5 Millionen. Hingegen sind die Abgaben pro Fahrzeug an den Bund seit Jahren ständig gesunken. Der Preis der Autobahnvignette wurde letztmals 1995 erhöht, die Mineralölsteuer 1993 und der Mineralölsteuerzuschlag 1974. Mineralölsteuer und -zuschlag machen zusammen rund 74 Rappen pro Liter Benzin oder Diesel aus. Wenn die Steuern auf Diesel und Benzin seit 1973 bzw. 1993 der Teuerung angepasst worden wären, lägen sie heute rund 60 Prozent höher. Hinzu kommt: Je mehr Treibstoff verbraucht wird, desto mehr Steuern werden bezahlt und umgekehrt. Seit 1996 ist der Treibstoffverbrauch neuer Autos von 9 auf rund 6,1 Liter/100 km gesunken. Wer 1996 jährlich 15 000 km mit dem Auto zurückgelegt hat, entrichtete im Durchschnitt Mineralölsteuern (und -zuschlag) in Höhe von ca. 1000 Franken pro Jahr. 2015 betrugen die Abgaben mit einem aktuellen Fahrzeug und bei gleicher Fahrstrecke ca. 680 Franken. Die Abgaben der Automobilistinnen und Automobilisten an den Bund sind somit nicht gestiegen, sondern deutlich gesunken. Deshalb zeichnet sich in der Strassenfinanzierung ja auch ein Engpass ab. Stimmt es, dass sich der Strassenverkehr selber finanzieren kann? Die Strassenbenützenden decken mit den Abgaben zwar die Kosten für die Strasseninfrastruktur, sie bürden der Allgemeinheit aber Umwelt- und Unfallkosten auf. Von den von ihnen verursachten Kosten übernehmen die Strassenverkehrsbenützenden in einer Gesamtsicht 90 Prozent, der Rest (im Jahr 2012 rund 6,3 Milliarden Franken)2 wird von der Allgemeinheit getragen. Wie funktioniert die Strassenfinanzierung beim Bund? Artikel 86 der Bundesverfassung regelt, welche Einnahmen dem Bund für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr zur Verfügung stehen. Mit der Spezialfinanzierung Strassenverkehr (SFSV) werden die Einnahmen und Ausgaben miteinander verrechnet. Die jährliche Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben erhöht oder vermindert die Rückstellungen der SFSV. 2 Quelle: Bundesamt für Statistik>Themen>11 Mobilität und Verkehr>Kosten und Finanzierung des Verkehrs>Strasse (inkl. Langsamverkehr); http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/11/02/blank/04.html 5

Für das Jahr 2014 zeigte sich das folgende Bild (in Mio. Fr.): Welchen Einfluss hätte die Initiative auf die SFSV und den Bundeshaushalt? Mit der Initiative würden sich die Finanzflüsse wie folgt verändern (Zahlen 2014, in Mio. Fr.): 6

Stimmt es, dass die Strasse chronisch unterfinanziert ist? Das System für die Finanzierung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr hat sich über Jahrzehnte bewährt. Bis vor einigen Jahren überstiegen die zweckgebundenen Einnahmen regelmässig die Ausgaben. Dank der kumulierten positiven Saldi betrug die Rückstellung der Spezialfinanzierung Strassenverkehr Ende 2014 noch rund 1,8 Milliarden Franken. Für die realisierungsreifen Projekte, insbesondere der Nationalstrassen, standen somit jederzeit genügend Mittel zur Verfügung. Von einer chronischen Unterfinanzierung der Strasse kann deshalb rückblickend nicht gesprochen werden. Hingegen zeichnet sich in ein paar Jahren ein Finanzierungsengpass ab. Die heute noch vorhandenen Rückstellungen dürften sich aufgrund der seit einiger Zeit zu beobachtenden Ausgabenüberschüsse innerhalb kurzer Zeit deutlich reduzieren. Auf der Einnahmenseite gehen die Erträge aus der Mineralölsteuer und dem Mineralölsteuerzuschlag angesichts des sinkenden Treibstoffverbrauchs der neuen Fahrzeuge zurück. Spürbare Mindereinnahmen sind aktuell auch wegen des abnehmenden Tanktourismus (eine Folge der Frankenstärke) zu verzeichnen. Auf der Ausgabenseite wirken sich der stetig steigende Unterhaltsbedarf des Nationalstrassennetzes sowie die nötigen Massnahmen zu dessen Kapazitätserhalt und - ausbau (Engpassbeseitigungen, Ausbau von Anschlüssen) kostensteigernd aus. Vor diesem Hintergrund ist auch aus Sicht des Bundesrates eine Neuordnung der Strassenfinanzierung nötig. Mit der Vorlage für einen Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs- Fonds (NAF) hat er dem Parlament ein Konzept vorgelegt, mit dem die Finanzierung der Aufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr langfristig gesichert werden kann. Im Gegensatz zur Initiative wird das Finanzierungsproblem aber nicht einfach auf andere Aufgaben des Bundes verschoben. Warum ist die NAF-Vorlage kein direkter Gegenvorschlag zur Initiative? Diese Frage liegt auf der Hand, da beide Vorlagen Artikel 86 BV betreffen und sich somit gegenseitig ausschliessen. Nach einer Annahme der Initiative würde sich die NAF-Vorlage nämlich in weiten Teilen erübrigen, insbesondere hinsichtlich der Neuregelung der Finanzierung. Der Bundesrat hat trotzdem beschlossen, die beiden Vorlagen nicht zu verknüpfen. Im Vordergrund stand, dass möglichst rasch Klarheit darüber geschaffen werden sollte, ob die Finanzierung der Aufgaben in Zusammenhang mit dem Strassenverkehr in Zukunft nach dem Konzept der Initiative gesichert werden soll. Dieses steht in deutlichem Widerspruch zur Finanz- und Verkehrspolitik von Bundesrat und Parlament und hätte erhebliche Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung in allen anderen Aufgabengebieten. Die Initiative stellt zudem auch das von Volk und Ständen 2014 beschlossene Finanzierungskonzept für den Ausbau der Bahninfrastruktur gemäss der FABI-Vorlage teilweise wieder in Frage. Mit Blick auf die mittel- und längerfristige Planungssicherheit in diesen Bereichen hielt es der Bundesrat daher für angezeigt, sie rasch zur Abstimmung zu bringen und die Grundsatzfrage der vollständigen Zweckbindung der Mineralölsteuererträge möglichst bald zu klären. 7