Inhalt 1 EINFÜHRUNG: PSYCHOKRIEG AM ARBEITSPLATZ... 3 2 WIE WIRD GEMOBBT?... 4 3 WIE VERLÄUFT MOBBING UND WIE HANDELT DER GEMOBBTE?...



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Transkript:

Inhalt 1 EINFÜHRUNG: PSYCHOKRIEG AM ARBEITSPLATZ... 3 2 WIE WIRD GEMOBBT?... 4 3 WIE VERLÄUFT MOBBING UND WIE HANDELT DER GEMOBBTE?... 6 4 URSACHEN VON MOBBING... 9 5 DIE ROLLENVERTEILUNG VON TÄTER UND OPFER... 12 6 IST MOBBING ABHÄNGIG VON DER BERUFSBRANCHE?... 13 7 MOBBING IN ZAHLEN... 14 8 MOBBING - EINDEUTIG FRAUENSACHE?... 15 9 FOLGEN VON MOBBING... 16 10 WAS TUN: HILFE UND PRÄVENTION... 17 11 INTERVENTION: WIE KÖNNEN MOBBINGOPFER UND VERANTWORTLICHE HANDELN? 20 12 WIE KANN ICH MOBBING NACHWEISEN? RECHTLICHE ASPEKTE... 24 13 LITERATUR... 28 2

1 Einführung: Psychokrieg am Arbeitsplatz Das Thema Mobbing wird zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert. Zum einen, weil die Umgangsformen am Arbeitsplatz immer rücksichtsloser und der Konkurrenzkampf immer härter zu werden scheinen. Zum anderen ist ein vermehrtes Auftreten von Mobbingfällen zu beobachten. Doch wann spricht man wirklich von Mobbing? Mobbing ist seelische Gewalt, bei der die gemobbte Person auf aggressive, schädigende Weise angegriffen wird (Tiefenbacher, 2008). Synonym wird oft auch die Bezeichnung Psychoterror am Arbeitsplatz verwendet, wobei allerdings zu beachten ist, dass Mobbing nicht nur im Beruf, sondern auch in anderen Lebensbereichen auftreten kann. Zudem ist es wichtig, Mobbing klar von alltäglichen Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten abzugrenzen. Denn im Gegensatz dazu ist beim Mobbing eine klare Absicht erkennbar, den Anderen persönlich zu verletzen und beruflich wie privat zu demontieren. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die gezielten Attacken über einen längeren Zeitraum stattfinden und meist schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Abgrenzung Der Begriff Mobbing leitet sich vom englischen to mob her, was so viel bedeutet wie über jemanden herfallen, anpöbeln, angreifen oder attackieren. Im englischsprachigen Raum spricht man nicht von Mobbing, sondern von Bullying. Darunter versteht man ein offensichtliches tyrannisches und despotisches Verhalten, was somit über den Mobbingbegriff hinaus geht, welcher eher subtile und latente Schikane bezeichnet. Bullying Im deutschsprachigen Raum wird oftmals zwischen Mobbing und Bullying differenziert. Bullying findet sich z.b. häufig in der Schule, wenn Gewalt bzw. deren Androhung eine Rolle spielen. Ein weiterer in Deutschland verwendeter Begriff ist das so genannte Bossing, welcher schikanöses Verhalten beschreibt, das ausschließlich von Seiten des Vorgesetzten ausgeht. Bossing 3

Für den Mobbingbegriff gibt es eine Vielzahl möglicher Definitionen. Im Folgenden soll die Definition nach Leymann (1995) dargestellt werden, der als Pionier in der deutschsprachigen Mobbingforschung angesehen wird. Leymann beschreibt Mobbing als eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder einigen Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Definition nach Leymann Von dieser Definition ausgehend leitet Leymann (1995) vier charakteristische Merkmale für Mobbing ab: feindselige Kommunikation systematisch und eine mindestens halbjährige Dauer eine Person ist unterlegen ein Ausstoß droht. Nach Leymann (1995) ist Mobbing gegeben, wenn eine oder mehrere von 45 genau beschriebenen Handlungen über ein halbes Jahr oder länger mindestens einmal pro Woche vorkommen. Andere Autoren wie Neuberger gehen allerdings davon aus, dass die Festlegung eines zeitlichen Kriteriums nicht sinnvoll ist, da einige Personen womöglich bereits nach wenigen Wochen, andere erst nach Jahren am Ende ihrer Kräfte seien, abhängig von der jeweiligen psychischen und physischen Konstitution. Eindeutig festgehalten werden kann jedoch, dass Mobbing die Bewältigungsfähigkeit eines Menschen überfordert. 2 Wie wird gemobbt? Die meisten Mobbinghandlungen kennen wir aus unserem täglichen Miteinander (z.b. Gerüchte, Beschimpfungen, Ignoranz), jedoch unter- 4

scheidet sich Mobbing von diesem in Ausmaß und Intensität der Angriffe. Dem Mobbingforscher Leymann zufolge können Mobbinghandlungen folgenden fünf Kategorien zugeordnet werden (Tiefenbacher, 2008): 1. Angriffe auf die Möglichkeit sich mitzuteilen Demütigungen, die den Betroffenen von der Kommunikation abhalten (Beschimpfungen, Anschreien, Türknallen, Drohungen etc.) Einschränken der technischen Kommunikationsmittel (z.b. Sperren des Email-Accounts oder Telefons) Mobbing durch nonverbale Kommunikation (wie Abwenden, Ignorieren von Ansprachen, Verdrehen der Augen) Isolation im Sinne von räumlicher Trennung von Anderen Schriftliche Kommunikation anstelle von direkter Ansprache (auch wenn man im gleichen Raum ist) Mitteilungen, die den Betroffenen fehllenken (z.b. verwirrende Rückmeldungen, Vorenthalten wichtiger Informationen) Direkte, verbale Handlungen im Sinne von Kritik (z.b. an der fachlichen Kompetenz oder auch an persönlichen Aspekten wie Aussehen, Religion) Mobbinghandlungen nach Leymann Angriffe auf die Möglichkeit sich mitzuteilen 2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen Innerhalb der Organisation können Kontakte z.b. reduziert werden: Zuweisung eines isolierten Arbeitsplatzes Ausschluss von sozialen Aktivitäten (z.b. der betrieblichen Weihnachtsfeier) Das gleichzeitige Verlassen der Kantine, wenn das Opfer diese betritt Kontakte außerhalb der Firma können z.b. eingeschränkt werden: Versetzung von Außen- und Innendienst Entziehen favorisierter Kunden Wegnahme des Dienstfahrzeuges Angriffe auf die sozialen Beziehungen 5

3. Angriffe auf das soziale Ansehen durch Bloßstellen, Verbreiten von Gerüchten, Zuweisung von erniedrigenden Arbeiten, Anzweifeln der Entscheidungen des Betroffenen, sexuelle Annäherungen oder Angebote Angriffe auf das soziale Ansehen 4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation Manipulation gegnerischer Arbeitsaufgaben bewusstes Vorenthalten von Informationen über Weiterbildungsmöglichkeiten Zuweisung von keinen, sinnlosen oder ständig wechselnden Aufgaben unter- oder überfordernde Arbeitsaufgaben kränkende Aufgaben Kritik an der Arbeitsmenge, Qualität der Arbeitsergebnisse oder auch der Arbeitsweise etc. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation 5. Angriffe auf die Gesundheit bewusste Zuweisung gesundheitsschädigender Arbeit angedrohte oder ausgeführte körperliche Gewalt Sexuelle Handgreiflichkeiten bewusste Verursachung von Kosten für den Betroffenen Angriffe auf die Gesundheit Bei all diesen Mobbinghandlungen gehen die Täter meist gezielt vor, um ihr Opfer systematisch zu zermürben. Die Attacken beziehen sich dabei sowohl auf berufliche Bereiche als auch auf Charaktereigenschaften der Person wie Selbstvertrauen, Selbstachtung und Stolz. 3 Wie verläuft Mobbing und wie handelt der Gemobbte? Jeder Fall von Mobbing ist individuell und von unterschiedlichen betriebsspezifischen Merkmalen geprägt. Dennoch geht man von einer gleichartigen Grundstruktur von Mobbingverläufen aus, die als Phasenmodell dargestellt werden kann. Abbildung 1 zeigt das Phasenmodell nach Leymann, das die Entwicklung innerbetrieblicher Konflikte und deren Eskalation beschreibt, wobei nicht immer alle Phasen durchlaufen werden. 6

Phase 2: Übergang zu systematischem Psychoterror, der Betroffene ist psychisch angeschlagen Interveniert der Arbeitgeber nicht oder nur unangemessen, wird der Weg in Richtung Mobbing geebnet. In dieser Phase verschärfen sich die Feindseligkeiten zunehmend und aus den anfänglich kleinen Sticheleien werden gezielte Attacken gegen ein bestimmtes Opfer. Der ursprünglich sachliche Konflikt wird verstärkt in die persönliche Ebene übertragen und kann oftmals in einer späteren Analyse gar nicht mehr als auslösendes Moment bestimmt werden. Beim Gemobbten führen die zunehmend gezielten Angriffe zu einem Abbau der körperlichen und geistigen Ressourcen, was ihn anfälliger für Fehler werden lässt. Phase 3: Eingreifen der Personalleitung In den ersten beiden Phasen sind die Führungskräfte (wenn sie nicht selbst Mobbinginitiator sind) in der Regel nicht beteiligt. Vorgesetzte scheuen sich meist davor, frühzeitig in die Konfliktsituation einzugreifen sei es durch Gleichgültigkeit, Überforderung oder Fehleinschätzung der Situation. Im Mobbingprozess ist jedoch inzwischen ein Ausmaß erreicht, dass ein Eingreifen von höherer betrieblicher Stelle zwingend notwendig macht. Die Arbeitsleistung und -qualität des Gemobbten nehmen erkennbar immer weiter ab. Ein Eingreifen von oben ist allerdings oft nicht an einer konstruktiven Problemlösung orientiert. Stattdessen werden nur Schuldige gesucht. Betroffene neigen meist dazu, sich permanent zu rechtfertigen, was nach außen wie ein Schuldeingeständnis wirkt. Dem Eingreifen der Personalleitung folgen meist unangemessene Maßnahmen wie die Versetzung in ein anderes Umfeld. Hat sich der Fall jedoch bereits im Unternehmen herumgesprochen, ist das Risiko einer Stigmatisierung so groß, dass die Integration in ein neues Arbeitsteam bereits von vornherein behindert wird. Phase 4: Medizinische Fehldiagnosen, vergebliche juristische Schritte In dieser Phase des Mobbings befindet sich der Betroffene meist in einer ausweglosen Position, denn die Kollegen haben ihr Urteil bereits gebildet, der Gemobbte gilt als gescheiterte Existenz und wird völlig isoliert. Nicht selten ist ein körperlicher und/oder seelischer Zusammenbruch die Folge. Spätestens in dieser Phase (meist jedoch schon 8

früher) ist eine medizinische Versorgung dringend notwendig. Nicht selten stellen Ärzte jedoch fatale Fehldiagnosen (z.b. manischdepressives Verhalten, Probleme bei der Anpassung an die soziale Umwelt) und verschärfen die Situation somit zunehmend. Durch fehlerhafte Diagnosen steigt die Gefahr, anschließend wirklich eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Betroffene leiten in dieser Phase mitunter juristische Schritte ein, die aber häufig nicht den gewünschten Erfolg mit sich bringen. Phase 5: Ausschluss aus der Arbeitswelt Mobbing hat meist zur Folge, dass der Betroffene aus dem Arbeitsleben ausgeschlossen wird, obwohl das Opfer eigentlich nicht vollkommen arbeitsunfähig ist. Jedoch stehen die Chancen für einen erfolgreichen Neuanfang in einem anderen Unternehmen schlecht, da Gemobbte häufig schlechte Arbeitszeugnisse erhalten und die negativen Erfahrungen bei einem Vorstellungsgespräch oft nur schwierig zu verbergen sind. Dem Mobbingopfer bleiben meist nur Alternativen wie Versetzung in eine andere Abteilung, Frühpensionierung oder vermehrte Krankschreibungen. In Ausnahmefällen kann sogar die Einweisung in eine psychiatrische Klinik bzw. spezielle Mobbingkliniken die Folge von Mobbing sein. Bei der Betrachtung der einzelnen Phasen wird deutlich, dass das Modell von Leymann eine Entspannung oder Verbesserung des Verlaufs fast gänzlich ausschließt. Zudem räumt es dem Opfer keinerlei Handlungsmöglichkeiten ein. Andere Modelle beziehen eine mögliche Abschwächung oder Beendigung des Konflikts mit ein und sehen das Opfer nicht als völlig passiv, sondern als aktiv handlungsfähig an. (Hermans & Krings, 2004) 4 Ursachen von Mobbing Es ist vielfach zu beobachten, dass Mobbing ungelösten Konflikten entspringt, die oft von der sachlichen auf die persönliche Ebene verlagert werden (im Sinne einer Personifizierung des Problems). Die Menschen suchen fortan das Problem nicht mehr bei sich selbst oder in der Sache begründet, sondern in der gemobbten Person. Mobbingursachen 9

An dieser Stelle sollen mögliche betriebliche, individuelle, psychodynamische und gesellschaftliche Ursachen des Mobbings aufgezeigt werden. (Tiefenbacher, 2008) 4.1 Betriebliche Ursachen Eine unflexible Organisation: Durch eine permanente Kontrolle und starre Hierarchien fehlen den Mitarbeitern Handlungsspielräume und Verantwortung. Sie fühlen sich unselbstständig und passiv, was zu wachsender Unzufriedenheit und aggressiven Tendenzen führt. Ungünstige Umgebungsbedingungen: Lärm, Schmutz und erhöhte Unfallgefahr etc. führen zu extremen Belastungen und somit zu Unzufriedenheit und Anspannung. Konkurrenz fördernde Systeme: Offensichtliche Belohnungen sind nach außen hin sichtbar und können Neid und Konkurrenzerleben fördern. Unklare Regelungen in Bezug auf Aufgaben, Zuständigkeiten, Rollen, Stellenbeschreibungen etc. können zu Missverständnissen führen. Stress kann psychische und körperliche Reaktionen nach sich ziehen. Folgen können z.b. Schuldgefühle, Müdigkeit, Hoffnungslosigkeit, Konzentrationsprobleme und sozialer Rückzug sein. Mangelhafte Kommunikation: Anstelle persönlicher Gespräche werden häufiger E-Mails geschrieben. Zudem haben Gesprächspartner heutzutage kaum mehr Zeit für private Unterhaltungen, welche das Arbeitsklima fördern würden. Fehlverhalten der Vorgesetzten: Der Führungsstil des Vorgesetzten spielt bei der Entstehung von Mobbing eine bedeutende Rolle. Bei demokratischer Führung haben die Mitarbeiter ein Recht zur Mitsprache und Mobbing ist seltener. Mobbing tritt hingegen häufiger beim autoritären Führungsstil auf, wenn die Mitarbeiter nur wenig zu sagen haben. Auch bei Laissez-faire-Führung, wenn der Chef den Mitarbeitern nahezu alle Freiräume lässt, zeigen sich höhere Mobbingtendenzen. Zudem ist es Aufgabe der Führungskraft, neue Teammitglieder nach ihrer Passung zum bestehenden Team auszuwählen und an- Betriebliche Ursachen 10

gemessen zu integrieren. Die Integration neuer Mitarbeiter wird jedoch häufig der alten Belegschaft überlassen. Denn wird der Neue einmal als unsympathisch, übermotiviert oder zu innovativ empfunden, ist Mobbing sehr wahrscheinlich. Über- und Unterforderung: Im Falle der Überforderungen kommt es zu Stress. Bei Unterforderung entsteht Langeweile, was wiederum die allgemeine Unzufriedenheit erhöhen kann. Eine niedrige Teammoral: In Teams mit niedrigen moralischen Werten kann Mobbing leichter entstehen als in Arbeitsgruppen mit einem guten Sozialklima. So fand eine Studie heraus, dass in Unternehmen, in denen ethische Grundwerte in der Unternehmensphilosophie verankert sind, deutlich weniger Mobbingfälle zu finden sind als in Unternehmen ohne eine derartige Verankerung. 4.2 Individuelle Ursachen Angst, Stress oder Frustration: Ist eine Person dauerhaft dadurch belastet, kann dieser Zustand Mobbing begünstigen. Neid, Antipathie: Auch fördern ein von Neid geprägtes Arbeitsklima und Antipathie unter Kollegen Mobbingtendenzen. Individuelle Ursachen 4.3 Psychodynamische Ursachen Gruppendynamik: Die meisten Mobber neigen nur in der Gruppe zu unmoralischen und destruktiven Verhaltensweisen. Das Sündenbockphänomen zeichnet sich dadurch aus, dass sämtliche Probleme einer Arbeitsgruppe auf einer einzelnen Person abgeladen werden, unabhängig davon, ob diese Person tatsächlich für die Widrigkeiten verantwortlich ist. Die anderen Teammitglieder grenzen sich zunehmend von diesem Sündenbock ab. Die somit geschaffene Distanz fördert die Entstehung von Mobbing. Ingroup-Outgroup-Konstellationen können Mobbing begünstigen. Eine Ingroup ist eine Gruppe, die eine leitende Position übernimmt, die Werte der anderen Gruppen bestimmt und sich von diesen Outgroups abgrenzt. Eine Outgroup kann aus einer einzelnen oder mehreren Personen bestehen. Psychodynamische Ursachen 11

4.4 Gesellschaftliche Ursachen Ein angespannter Arbeitsmarkt: Hohe Arbeitslosigkeit führt zu Konkurrenzdenken und somit zu gesteigerten Mobbingtendenzen. Veränderungen der Unternehmensstruktur: Mitarbeiter werden häufig neuen, projektbezogenen Teams zugeteilt. Ein stabiles langfristiges soziales Netzwerk wird immer seltener. Gesellschaftliche Werte: Minderheiten sind meist mit Stigmata belegt (z.b. Immigranten, Homosexuelle). Behinderte sind wesentlich häufiger Opfer von Mobbing als Nichtbehinderte. Gesellschaftliche Ursachen Es wird deutlich, dass die möglichen Ursachen von Mobbing vielgestaltig sind und meist nicht einzeln, sondern im Zusammenspiel zum Mobbingkonflikt führen. 5 Die Rollenverteilung von Täter und Opfer Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es weder ein typisches Täterprofil, noch eine typische Opferpersönlichkeit gibt. Jeder Mensch kann zum Opfer, aber auch zum Täter werden (Tiefenbacher, 2008). Des Weiteren ist die Rollenverteilung von Täter und Opfer nicht immer eindeutig feststellbar. So können in Einzelfällen auch anfängliche Täter im Konfliktprozess zu Opfern werden. Wenn z.b. Mitarbeiter sich mit dem ehemals Gemobbten verbünden und nun den Täter mobben. Deshalb ist Mobbing immer als Prozess zu betrachten und neben Anfang und Ende sind auch Zwischenstufen zu analysieren. Rollen: Täter / Opfer Studien konnten zeigen, dass sich die Täter in folgenden Merkmalen ähneln, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, zum Mobber zu werden, aber nicht als hinreichend betrachtet werden sollten. 5.1 Wer mobbt die Rolle des Täters So wurde u.a. festgestellt, dass sich der Großteil der Mobber (fast 70%) im mittleren Alter (zwischen 35 und 54 Jahren) befindet. Außerdem sind die meisten Mobbingtäter bereits mehrere Jahre im Unternehmen beschäftigt. Zudem ist vielen Tätern gemein, dass sie in der Vergangenheit eine Kränkung im beruflichen Bereich erlebt haben. 12

Auch haben die Täter oftmals ein labiles Selbstwertgefühl, das sie durch ihr kränkendes Mobbingverhalten zu stärken versuchen. (Hermans & Krings, 2004) 5.2 Wer wird gemobbt die Rolle des Opfers Zwar können bestimmte Verhaltensweisen im Umgang mit anderen Menschen das Risiko erhöhen, zum Mobbingopfer zu werden, sie bilden aber kein hinreichendes Kriterium. So trifft Mobbing auch Personen, die sich ihren Kollegen gegenüber angemessen verhalten, jedoch zu Opfern spezieller Situationen oder betrieblicher Prozesse werden. Besonders gefährdete Personengruppen sind (Hermans & Krings, 2004): Berufsanfänger und Arbeitnehmer über 55 Jahren: Eine Ursache könnte sein, dass Berufsanfänger sich in den Teams erst integrieren und behaupten müssen und ihnen die Berufserfahrung fehlt. Für Arbeitnehmer über 55 Jahren wäre Mobbing denkbar, um sie als Ältere zur Kündigung zu bewegen. Frauen und ausländische Mitarbeiter (wenn sie im Team Minderheiten darstellen) Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen Menschen mit einer eher geringen Selbstachtung und sozialen Ängsten. 6 Ist Mobbing abhängig von der Berufsbranche? Es gibt mobbinganfällige Berufsfelder, in denen Mobbing überdurchschnittlich häufig vorkommt. Dazu zählen Berufe, in denen in hohem Maße miteinander kommuniziert wird (z.b. im Dienstleistungssektor). Eine Erklärung könnte sein, dass Mobbing in erster Linie verbal geschieht und bei Mitarbeitern dieser Berufe die Fähigkeit, andere verbal zu verletzen, besonders ausgeprägt ist. Körperliche Arbeit (z.b. im landwirtschaftlichen Bereich und in der Produktion) scheint eher mobbinghemmend zu wirken. Weit verbreitet ist Mobbing im medizinischen und sozialen Bereich, womöglich weil die Mitarbeiter in diesen Berufen oft psychisch und 13

körperlich überlastet sind und hier eine starke hierarchische Struktur besteht. Auch im Schulwesen wird sehr häufig gemobbt. (Hermans & Krings, 2004) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es wohl keinen Bereich gibt, der als mobbingfreie Zone gelten könnte. Vielmehr zieht sich das Phänomen quer durch alle Berufsgruppen, Branchen und Betriebsgrößen (Meschkutat et al., 2002). 7 Mobbing in Zahlen Laut Thüringer Gesundheitsministerium sind schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen vom Psychoterror am Arbeitsplatz betroffen. Allerdings zeigen die meisten Quellen sehr unterschiedliche Zahlen, da sie sich häufig auf ein anderes Profil Betroffener beziehen. Zudem ist von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen, da sich viele Opfer nicht öffentlich zu ihrem Problem bekennen. (Hermans & Krings, 2004) Laut einer groß angelegten Umfrage, dem Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Meschkutat et al., 2002), sind circa 2,7% der Berufstätigen in Deutschland Opfer von Mobbing. Das entspricht einer absoluten Zahl von über 1 Million gemobbter Personen bei einer Gesamtzahl von etwa 38 Millionen Erwerbstätiger (laut Statistischem Bundesamt, Dezember 2000). Somit kann davon ausgegangen werden, dass in einem mittelständischen Unternehmen mit 100 Angestellten durchschnittlich 3 Männer oder Frauen gemobbt werden. Rechnet man die Menschen hinzu, die in der Vergangenheit gemobbt wurden, erhöht sich die Zahl auf 11,3%. Somit wird etwa jede neunte Person im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren mindestens einmal während ihrer beruflichen Laufbahn zum Mobbingopfer. Wie lange dauert ein Mobbingfall? Je mehr Täter am Mobbing beteiligt sind, desto länger dauert der Mobbingprozess. Mobbt nur eine einzelne Person, ist das Mobbing in über 50% der Fälle nach weniger als einem Jahr beendet (Tiefenbacher, 2008). Laut Mobbing-Report dauert Mobbing im Durchschnitt circa 16,4 Monate an und in mehr als der Hälfte der Fälle unter einem 14

Jahr. Dies deutet darauf hin, dass einige Fälle sehr lange unter Mobbing leiden. Nach Expertenmeinung lassen sich die Kosten für jede von Mobbing betroffene Person auf ca. 15.000 bis 75.000 schätzen (Hermans & Krings, 2004). Die jährlichen Gesamtkosten für die deutsche Wirtschaft werden auf bis zu 15 Milliarden geschätzt (Resch, 1994), andere Autoren gehen von 2 bis 3 Milliarden Mobbingkosten aus (Neuberger, 1999). Kosten entstehen dabei nicht nur durch den Arbeitsausfall des Mobbingopfers, sondern auch das verminderte Leistungsvermögen des Mobbers bzw. der mobbenden Gruppe zusammen mit dem Arbeitsausfall des Vorgesetzten und dem Zeitaufwand für die Personalabteilung. 8 Mobbing - eindeutig Frauensache? Mobbing unterscheidet sich je nach Geschlecht. Betrachtet man die Häufigkeit, so berichten Frauen von täglichen, Männer von wöchentlichen Angriffen (Hermans & Krings, 2004). Frauen haben im Vergleich zu Männern ein um drei Viertel erhöhtes Risiko, Opfer von Mobbinggewalt zu werden. Als mögliche Ursachen werden gesehen, dass Männer häufiger Führungspositionen innehaben, die Arbeitsverhältnisse von Frauen häufiger unsicherer sind und Frauen in Organisationen wie z.b. Gewerkschaften meist seltener vertreten sind als Männer und somit eine schwächere Position im Betrieb haben (Tiefenbacher, 2008). Männer und Frauen unterscheiden sich aber auch hinsichtlich der Art, wie sie beim Mobbing vorgehen (siehe Tabelle 1). Frauen mobben im Allgemeinen eher subtil, auf emotionaler Ebene (z.b. durch Gerüchte, Rufschädigung) und nehmen Auseinandersetzungen offenbar persönlicher. In vielen Fällen sind sogar extreme psychische Verletzungen im Spiel. Sie zielen darauf ab, das soziale Gefüge der gemobbten Person negativ zu beeinflussen. Frauen suchen dabei wesentlich häufiger Unterstützung beim Mobbing als Männer. Männer setzen zumindest teilweise passive Methoden ein (z.b. Ignoranz, Isolation). Sie verfolgen hauptsächlich das Ziel, einen Kolle- Geschlechtsspezifik 15

gen zu verdrängen und ihm beruflich zu schaden. Sie suchen die direkte Konfrontation, indem sie ihr Opfer zum Beispiel offen kritisieren oder es nicht zu Wort kommen lassen. Tabelle 1: Frauen Die sieben häufigsten Mobbinghandlungen von Frauen und Männern (Tiefenbacher, 2008) Männer 1. Aussprechen vager Andeutungen 1. Vermeiden, mit dem Betroffenen zu kommunizieren 2. Bloßstellen des Betroffenen vor anderen 3. Einschränken der Möglichkeiten des Mobbingopfers zu kommunizieren 4. Ständiges Herumnörgeln an der Arbeit des Betroffenen 2. Erteilen von Arbeiten, die Würde und Selbstbewusstsein des Betroffenen verletzen 3. Versetzen an einen Arbeitsplatz, an dem das Mobbingopfer isoliert ist 4. Angriff auf die religiöse oder politische Gesinnung des Betroffenen 5. Schlechtes Reden hinter dem 5. Häufiges Unterbrechen Rücken 6. Verbreiten von Gerüchten 6. Drohen 7. Lustigmachen über eine Behinderung oder Eigenart des Betroffenen * die Häufigkeiten nehmen von oben nach unten ab 7. Ständiges Einteilen zu neuen Arbeiten 9 Folgen von Mobbing Mobbing greift in erster Linie die Psyche eines Menschen an und führt Mobbingfolgen im Extremfall zu dauerhaften Beeinträchtigungen. Die möglichen Folgen für die Opfer sind vielfältig und dehnen sich darüber hinaus auch auf Unternehmen und Gesellschaft aus. 9.1 Psychische Beeinträchtigungen für die Betroffenen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen Selbstzweifel, Ängste Antriebslosigkeit oder Hektik Gereizte bis aggressive Stimmung Depressionen 16

Suizidgedanken: Jährlich werden etwa 200 Selbstmorde in Deutschland ursächlich auf Mobbing zurückgeführt (Hermans & Krings, 2004). Suchterkrankungen (Alkohol, Medikamente) 9.2 Körperliche Folgen als psychosomatische Krankheitserscheinungen (Tiefenbacher, 2008) Kopfschmerzen Magen-Darm-Probleme Rückenschmerzen Schlafstörungen etc. 9.3 Für das Unternehmen (Hermans & Krings, 2004) Meist deutlich nachlassende Arbeitsleistung Häufigere Krankschreibungen und längere Fehlzeiten Innere Kündigung ( Dienst nach Vorschrift ) Verschlechterung des Betriebsklimas Demotivation, sinkende Arbeitsmoral Verunsicherung in der Belegschaft Hohe Fluktuationsrate Imageverluste für das Unternehmen Steigende Produktions- und Lohnkosten, die zu einer stark sinkenden Rentabilität führen 9.4 Für den Betroffenen (Hermans & Krings, 2004) Sozialer Rückzug, Vereinsamung Arbeitslosigkeit Probleme in Partnerschaft und Privatleben: Das Mobbingopfer ist oftmals depressiv, gereizt oder aggressiv, worunter die ganze Familie leiden kann. Auch die Existenzangst belastet oftmals die Familie. 10 Was tun: Hilfe und Prävention Ist Mobbing einmal in Gang gesetzt, ist eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung kaum mehr möglich. Daraus ergibt sich die Notwen- Prävention 17

digkeit einer sinnvollen Prävention, um Mobbing fördernde Faktoren zu reduzieren. In diesem Abschnitt soll dargestellt werden, welche Möglichkeiten sowohl der Einzelne als auch das Unternehmen haben, um Mobbing vorzubeugen, zu erkennen und im aufgetretenen Mobbingfall zu intervenieren. Zunächst gilt es, die Ursachen von Mobbing zu ermitteln und zu analysieren (Hermans & Krings, 2004). Mittels Mitarbeiterbefragung können die aktuelle Stimmungslage der Mitarbeiter und das bisherige Wissen zum Thema Mobbing erfasst werden. Ausgehend von den Ergebnissen können anschließend präventive Maßnahmen abgeleitet werden. Dabei ist eine Bereitschaft von Seiten des Arbeitgebers zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Mobbing und zur offenen Diskussion eine notwendige Voraussetzung für eine wirksame Prävention. Organisatorische und personale Präventionsmaßnahmen können sein: Schaffung konfliktmindernder Rahmenbedingungen: Belastungs- und Konfliktquellen sind zu minimieren. Aufklärung durch Informationen: Schulungen und Betriebsversammlungen bieten die Möglichkeit, ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen. Verankerung von Mobbing als Schwerpunkt in der Personalund Betriebsarbeit: durch regelmäßige Informationen in Firmenzeitschriften und Aushängen, eine aktuelle Adressenliste mit Ansprechpartnern (z.b. Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Mobbingtelefone) oder auch eine Veröffentlichung von Mobbingurteilen zur Abschreckung. Stärkung kommunikativer und sozialer Strukturen: Dies ist wahrscheinlich die wichtigste Präventionsmaßnahme, da mit ihr eine Streitkultur geschaffen werden kann, die einen offenen Umgang mit alltäglichen Konflikten ermöglicht. Die Rolle des Vorgesetzten: Eine Führungskraft muss klar darstellen, was sie unter Mobbing versteht und dass sie dieses in kei- Organisatorische und personale Präventionsmaßnahmen 18

nem Fall duldet und entsprechende Sanktionen folgen werden. Des Weiteren hat sich ein mitarbeiterorientierter Führungsstil als günstig herausgestellt. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vorgesetzte eine kooperative Rolle einnimmt, das Mitspracherecht der Angestellten fördert und für eine vertrauensvolle Atmosphäre sorgt. Zudem sollte der Vorgesetzte regelmäßige Mitarbeitergespräche ermöglichen, um Vertrauen zu stärken und Mobbingfälle frühzeitig zu erkennen. Personalauswahl und -einsatz: Im Rahmen einer gezielten Personalauswahl sollten neben fachlichen auch soziale Kompetenzen berücksichtigt werden, um eine Passung der Person zum Unternehmen zu erreichen. Betreuung neuer Mitarbeiter: z.b. jedem neuen Mitarbeiter eine erfahrene Person an die Seite zu stellen, um die Integration in die Belegschaft zu erleichtern. Bereitstellung von Informationen: Zur Vermeidung von Unsicherheiten sollte die Belegschaft ausreichend über wichtige Entscheidungen und Geschehnisse des Arbeitsgebers informiert werden. Installation eines Beschwerdesystems Betriebsvereinbarungen: In einer Betriebsvereinbarung sollten die Sanktionen für Mobber genau festgelegt werden. Dies schafft mehr Verbindlichkeit als mündliche Vereinbarungen. Inhalte sollten sein: o Begriffsbestimmung o Klare Benennung nicht tolerierter Mobbinghandlungen o Hilfsangebote für Mobbingbetroffene o Drohende Sanktionen o Maßnahmen zur Konfliktlösung und Verbesserung des Betriebsklimas o Hinweise auf betriebliches Beschwerderecht, frühzeitige Intervention von Seiten des Arbeitsgebers sowie Mobbingbeauftragten Benennen von Kontakt- und Vertrauenspersonen (ggf. ein Mobbingbeauftragter bzw. Konfliktberater): Diese Person ist gezielt 19

zu schulen. Intern können diese Funktion Personalabteilung, Werksarzt oder Betriebsrat übernehmen. Extern wäre z.b. ein Unternehmensberater oder Psychotherapeut denkbar. Im besten Fall handelt es sich um einen unabhängigen Ansprechpartner, der mit dem Betriebsrat intensiv kooperiert, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Er sollte permanent für Betroffene erreichbar sein. Inhaltlich flexible Arbeitsgestaltung: Zur Vermeidung von Mobbing sind klare Tätigkeitsbeschreibungen und Aufgabenverteilungen notwendig. Denkbar wäre hier das Management by Objectives, bei dem Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam Arbeitsziele setzen. Wichtig sind ganzheitliche Aufgaben mit vielfältigen Anforderungen an Körper, Geist und Sinne sowie Handlungsund Entscheidungsspielräume, soziale Interaktionen, Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die Schaffung einer flexibleren Arbeitsplatzgestaltung, um Unterforderung und Monotonie zu vermeiden. Unfallprävention und betriebliche Gesundheitsförderung: Die Vermeidung gesundheitlicher Risiken ist notwendig, um Angst- und Frustrationstendenzen sowie einer angeschlagenen Psyche von Unfallopfern vorzubeugen. Es zeigt sich also, dass eine Vielzahl an Maßnahmen umzusetzen ist, um Mobbing tatsächlich einzugrenzen. Im Zentrum steht dabei die Schaffung einer offenen Kommunikationskultur. Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass einige der vorgestellten Maßnahmen für kleinere Betriebe mitunter schwer zu realisieren sind. Zudem ist es wenig sinnvoll, von einer allgemeinen Mobbingprävention auszugehen. Allerdings können die Vorschläge als Anregungen gesehen werden, die für das jeweilige Unternehmen spezifisch anzupassen sind. (Hermans & Krings, 2004) 11 Intervention: Wie können Mobbingopfer und Verantwortliche handeln? Ist eine Mobbingprävention dennoch gescheitert, kann mit einer geeigneten Intervention eine Eskalation umgangen werden. Intervention 20