Untersuchung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln auf die Biomasse und die Keimfähigkeit von Schimmelpilzen

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Transkript:

Judith Meider Studium der Informationswirtschaft an der FH Köln Studium der Biologie an der Open University Milton Keyes, GB Geschäftsführerin und Laborleiterin der Labor Urbanus GmbH Vielfältige Fachpublikationen Arbeitsschwerpunkte: Mikrobiologische Untersuchungen in Privathäusern, Neubauten, öffentlichen Gebäuden und Bürokomplexen sowie mikrobiologische Schulungen und Seminare Adresse: Arnoldsstr. 16, D 50679 Köln, 0163 4417626, meider@labor urbanus.de, www.labor urbanus.de Untersuchung der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln auf die Biomasse und die Keimfähigkeit von Schimmelpilzen 1. Zusammenfassung Immer häufiger werden in der Sanierungspraxis Schimmelpilzschäden mit Desinfektionsmitteln behandelt und immer mehr Firmen werben mit wirksam geprüften Schimmelpilzentfernern. Die nachgewiesene Wirksamkeit bezieht sich in der Regel auf die Auswertung der Keimzahlbestimmung. Da auch von abgetöteten und nicht keimfähigen Schimmelpilzen allergene und reizende Wirkungen ausgehen können (1), wurden in einer Versuchsreihe die Wirksamkeit von verschiedenen Desinfektionsmitteln und Schimmelpilzentfernern getestet. Zusätzlich zu der Analyse der Keimzahl wurde auch die Wirksamkeit der eingesetzten Mittel auf die Gesamtzellzahl (Biomasse) und die Stoffwechselaktivität der Schimmelpilze untersucht. In dieser Versuchsreihe wurde ein abgetrockneter Schimmelpilzbefall auf einer handelsüblichen Raufasertapete mit verschiedenen Desinfektionsmitteln behandelt. Auf ihre Wirksamkeit getestet wurden 70% iges Isopropanol, Jati Schimmelentferner (Hauptwirkstoff Wasserstoffperoxid mit Fruchtsäureanteil), Ceresit Anti Schimmel (Hauptwirkstoff Natriumhypochlorid und 12% iges Wasserstoffperoxid). Die Proben wurden bezüglich ihrer Gesamtzellzahl (GZ/cm²), ihrer biochemischen Aktivität (BA/cm²) und der Keimzahl (KBE/cm²) nach 2 Stunden, 24 Stunden, 6 Tagen und einem Monat analysiert und ausgewertet.² Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass nach insgesamt einem Monat Inkubationszeit keines der Desinfektionsmittel die Gesamtzellzahl reduzieren konnte. Mit Ausnahme des Ceresit Anti Schimmel waren alle Proben stoffwechselaktiv. Nur die Keimzahl verzeichnete einen Rückgang bis zur Hintergrundbelastung (2).

2. Einleitung Schimmelpilze sind Mikroorganismen, die natürlicherweise in der Umwelt vorkommen. Kommt es zu einem vermehrten Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, kann es bei den Bewohnern dieser Räumlichkeiten zu gesundheitlichen Reaktionen kommen und aus diesem Grund empfiehlt das Umweltbundesamt aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes das Schimmelpilzwachstum zu unterbinden und zu entfernen. 1 Mikroorganismen wie Schimmelpilze und Bakterien benötigen für ihr Wachstum Wärme, Nahrung und Feuchtigkeit. Das Temperaturoptimum für die meisten Schimmelpilze liegt bei 26 C bei einer relativen Luftfeuchtigkeit um die 75%. Allerdings zeigt sich auch bei Extremtemperaturen und bei sehr hoher bzw. sehr niedriger Luftfeuchtigkeit Schimmelpilzwachstum (1). So kann zum Beispiel auch ein aktives Wachstum von Schimmelpilzen in Dachstühlen bei deutlich niedrigeren Temperaturen nachgewiesen werden. In Innenräumen ist davon auszugehen, dass Wärme und Nährstoffe ausreichend vorhanden sind, daher ist die Feuchtigkeit der ausschlaggebende Faktor für ein Schimmelpilzwachstum. Der eigentliche Schimmelpilz besteht aus verzweigten Hyphen, die das Myzel bilden. Das Myzel ist vergleichbar mit dem Wurzelgeflecht im Erdreich eines Waldpilzes. Es kann sich über eine weite Flächen ausdehnen; es wächst in die Breite und Tiefe, um Nährstoffe und Feuchtigkeit zu finden und aufzunehmen. Dieses Myzel ist für das menschliche Auge nicht sichtbar. Aus dem Myzel entstehen Sporenträger, an denen sich die Sporen entwickeln und nachfolgend in die Raumluft abgegeben werden. Erreicht dieses Luftmyzel eine hohe Dichte, wird es für das menschliche Auge sichtbar. Dies bedeutet, dass eine optische Sichtprüfung eines Baumaterials aus einem Schadensbereich nur eine sehr begrenzte Aussagekraft hat. Das Myzel entsteht durch das Auskeimen einer Spore. Wenn eine Spore von genügend Feuchtigkeit umgeben ist, beginnt das Auskeimen und das Wachstum nach 2 bis 5 Tagen. Um eine Vermehrung zu gewährleisten, muss so lange Feuchtigkeit vorhanden sein, dass der gesamte Kreislauf durchlaufen werden kann. Dies bedeutet, dass das schnelle Entziehen der Feuchtigkeit das einzige Mittel ist, um einen Schimmelpilzschaden zu vermeiden (3). Abb. 1: Lebenszyklus (Schimmel)Pilz (Quelle: Labor Urbanus GmbH)

3. Analytik Wird die mikrobiologische Analytik richtig eingesetzt, kann sie bei der Ursachensuche und Schadenseingrenzung helfen. Aus der Schwierigkeit heraus, dass nicht jeder Befall mit dem menschlichem Auge zu erfassen ist, können Analysen eingesetzt werden um zu überprüfen, bis wohin das (Bau)Material mikrobiologisch geschädigt wurde. Wichtig ist, dass die richtige Analyse für die entsprechende Fragestellung ausgewählt wird, um ein aussagekräftiges Ergebnis durch die Analytik zu erhalten. Auch die fachgerechte Probenentnahme und die Auswahl des zu untersuchenden Materials sind entscheidende Faktoren. Wenn es bei der Entnahme der Materialien zu Fehlern kommt, können diese im Labor nicht mehr korrigiert werden. Eine mikrobiologische Probeentnahme sollte immer gemäß VDI 4300, Blatt 10 erfolgen. Nicht nur der Ort und die Art der Probenentnahme spielt eine wichtige Rolle. Auch die Auswahl der richtigen Analytik ist entscheidend, um möglichst informationsreiche Ergebnisse zu erhalten. Drei für diese Arbeit wichtige Analysenmethoden werden im Folgenden näher erläutert: 1) Gesamtzellzahl (Biomasse) 2) Biochemische Aktivität (Stoffwechselaktivität) 3) Keimzahlbestimmung, koloniebildende Einheiten (Sporen) 3. 1. Gesamtzellzahl (GZ) Die Gesamtzellzahlbestimmung ist eine mikroskopische Zählung der in der Probe vorhandenen Biomasse. Mit dieser Zählung werden tote und lebendige Mikroorganismen mit einer Fluoreszenz Methode mikroskopisch gezählt, mit festgelegten Normalwerten verglichen und von normal bis stark erhöht beurteilt. Mit dieser Methode werden auch tote, abgetrocknete oder chemisch behandelte Mikroorganismen erfasst, die bei einer Anzüchtung der KolonieBildenden Einheiten (KBE) nicht entdeckt worden wären. Diese Analytik kann innerhalb eines Arbeitstages durchgeführt werden und bietet schnelle Informationen über die vorhandene Konzentration der Schimmelpilze und Bakterien in der analysierten Probe. Der Nachteil ist, dass die Schimmelpilze und Bakterien nur sehr selten differenziert werden können. 3. 2. Biochemische Aktivität (BA) Die biochemische Aktivität ist eine mikroskopische Zählung von stoffwechselaktiven Schimmelpilzen und Bakterien. Durch eine spezielle Färbung werden die stoffwechselaktiven Schimmelpilze und Bakterien markiert und mittels Fluoreszenzmikroskopie quantitativ zählbar.

3. 3. Keimzahlbestimmung, KolonieBildende Einheiten (KBE) Bei der Keimzahlbestimmung wird die Probe aufbereitet, in eine Suspension überführt und in Verdünnungsstufen auf verschiedene Nährmedien aufgebracht. Nach einer Bebrütungszeit von mindestens 7 Tagen bei einer Temperatur von 25 C können die gewachsenen Kolonien der Schimmelpilze und Bakterien ausgezählt und nach Art bzw. Gattung differenziert werden. Dieses Ergebnis wird mit festgelegten Normalwerten verglichen und von normal bis stark erhöht beurteilt. Schwierigkeiten können sich ergeben, wenn Mikroorganismen nicht auf den Nährmedien anwachsen, obwohl diese vorhanden sind (falsch negatives Ergebnis). Da auch von toten und nicht anzüchtbaren Schimmelpilzen und Bakterien gesundheitliche Risiken ausgehen, empfiehlt es sich, eine Gesamtzellzahlbestimmung durchführen zu lassen, wenn die Fragestellung sich auf die Befallsgröße bezieht. Wenn der Verdacht auf einen Schaden besteht und keine Mikroorganismen anwachsen, ist eine nachträgliche Gesamtzellzahlbestimmung möglich. In der Praxis sind nicht sichtbare Schimmelschäden und mikrobielle Altschäden eine besondere Herausforderung. Abgetrocknete oder chemisch behandelte mikrobiologische Befälle sind mittels KBE in der Luft oder im Material häufig nicht zu entdecken. Dies liegt unter anderem daran, dass sich nach einer chemischen Behandlung oder ohne ausreichende Feuchtigkeit die Anzahl der keimfähigen Mikroorganismen schnell reduziert. Wenn in so einem Fall eine alleinige Untersuchung der KBE vorgenommen wird, kann ein mikrobieller Befall unentdeckt bleiben und somit eine falsche Beurteilung bezüglich der mikrobiellen Situation des Gebäudes abgeleitet werden. Auch kann es bei mikrobiellen Altschäden zu einer geruchlichen Belastung und zu Gesundheitsstörungen der Bewohner kommen, die ohne einen mikrobiellen Befund nicht geklärt werden können. Mit der Bestimmung der Gesamtzellzahl können diese Schäden aufgedeckt werden, auch wenn eine Abtrocknung oder eine chemische Behandlung eines Schimmelschadens stattgefunden hat.

4. Desinfektion Die Fragen, ob eine Desinfektion bei einem nachgewiesenen Befall ausreicht bzw. was eine Desinfektion bei einem mikrobiellen Befall erreicht, ist in der Fachwelt häufig umstritten. Gemäß des Deutschen Arzneibuches (DAB) bedeutet Desinfektion: Totes oder lebendes Material in einen Zustand versetzen, dass es nicht mehr infizieren kann. Dies heißt, dass Mikroorganismen inaktiv (gemacht) werden, aber die Biomasse nicht zerstört wird. Das Umweltbundesamt schreibt im Schimmelpilzleitfaden (2002, S. 54, [1]): Eine bloße Abtötung von Schimmelpilzen reicht nicht aus, da auch von abgetöteten Schimmelpilzen allergische und reizende Wirkungen ausgehen können. Oder anders ausgedrückt: Wenn eine Desinfektion keine Dekontamination ist, sollte aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes ein Ausbau der befallenen Materialien stattfinden. Hinsichtlich der Aussage von einigen Herstellern, dass Schimmelpilzentferner und Desinfektionsmittel den Schimmelpilzbefall zerstören können und die Biomasse mit diesen Mitteln reduziert werden kann, wurde eine Bachelor Arbeit angefertigt, um zu untersuchen, welche Auswirkungen verschiedene chemische Mittel auf die Gesamtzellzahl, die Stoffwechselaktivität und die Keimzahl auf ein befallenes Material haben.

5. Versuchsaufbau Ziel der Untersuchungen war es zu überprüfen, wie Schimmelpilzentferner bzw. Desinfektionsmittel auf die Biomasse einer mit Schimmelpilz befallenen Tapete wirken. Als Versuchsmaterial wurde homogenes Probenmaterial hergestellt in Form von einer mit Aspergillus versicolor beimpften Raufasertapete. Vorversuche haben nachgewiesen, dass der Befall auf den einzelnen Tapetenstücken vergleichbar war. Jedes Probenmaterial wurde mit einem Desinfektionsmittel besprüht bzw. benetzt, die Kontrollgruppe wurde mit Wasser behandelt. Auf ihre Wirksamkeit getestet wurden 70% iges Isopropanol (IPA), Jati Schimmel entferner. (Jati, Hauptwirkstoff Wasserstoffperoxid mit Fruchtsäureanteil) Ceresti Anti Schimmel (Ceresit, Hauptwirkstoff Natriumhypochlorid) und 12% iges Wasserstoffperoxid (H 2 O 2 ). Die Proben wurden bezüglich ihrer Biomassen (GZ/cm²), ihrer biochemischen Aktivität (BA/cm²) und der Keimzahl (KBE/cm²) 2 Stunden, 24 Stunden, 6 Tage und einen Monat nach der Behandlung begutachtet. Das Probenmaterial wurde bei 55 % relativer Luftfeuchtigkeit und 25 C Raumtemperatur aufbewahrt. Zusätzliche Feuchtigkeit wurde nicht eingesetzt. Nach der jeweiligen Einwirkzeit wurden die Proben auf Gesamtzellzahl (Biomasse), Stoffwechselaktivität (biochemische Aktivität) und KBE untersucht und nach den Beurteilungskriterien der Labor Urbanus GmbH bewertet (2). Bezeichnung der Analyse Normalwerte pro cm Normalwerte pro g Gesamtzellzahl (GZ) <10.000 <100.000 Anzahl biochemische Aktivität (BA) <1.000 <10.000 Anzahl der Koloniebildenden <1.000 <10.000 Einheiten (KBE) Tab. 1: Normalwerte/ Hintergrundwerte Labor Urbanus GmbH Normale Werte Hintergrundwerte Etwas erhöht 10 fach über dem Normalwert Erhöht 100 fach über dem Normalwert Stark erhöht 1000 fach über dem Normalwert Tab. 2: Bewertungskriterien Labor Urbanus GmbH

6. Ergebnisse Die Untersuchung der Gesamtzellzahl (GZ) ergab, dass keines der eingesetzten Mittel einen reduzierenden Effekt auf die vorhandene Biomasse hatte (Abb. 2, Tab. 3, [2]). Abb. 2: Grafischer Vergleich der nachgewiesenen Gesamtzellzahl nach Anwendung von Anti Schimmelpilzmitteln und Einwirkzeiten (2)

Tab. 3 Nomineller Vergleich der nachgewiesenen Gesamtzellzahl nach Anwendung von Schimmelpilzmitteln und Einwirkzeiten² (2) Auch auf die biochemische Aktivität (BA) hatte die Behandlung der Proben kaum Auswirkung. Nur das Mittel Ceresit Anti Schimmel konnte die Stoffwechselaktivität mit sofortiger Wirkung dauerhaft reduzieren (Abb. 3, [2]). Abb. 3 Vergleich der nachgewiesenen biochemischer Aktivität nach Anwendung von Schimmelpilzmitteln und Einwirkzeiten² Abb. 3: Grafischer Vergleich der nachgewiesenen biochemischen Aktivität (BA) nach Anwendung von Anti Schimmelpilzmitteln und Einwirkzeiten (2)

Bei den Keimzahlbestimmungen (KBE) konnten ganz eindeutige reduzierende Effekte bereits nach 24 Stunden Einwirkzeit beobachtet werden (Abb. 4, [2]) Abb. 4: Vergleich der nachgewiesenen KBE nach Anwendung von Schimmelpilzmitteln und Einwirkzeiten (2) Diese Reduktion der Keimfähigkeit (KBE) konnte auch bei der Kontrollgruppe (die mit Wasser behandelt wurde) beobachtet werden. Bei der Gesamtzellzahl (GZ) hatte das Wasser nur einen leicht vermehrenden Effekt (Abb. 5, [2]). Abb. 5: Vergleich der verschiedenen Untersuchungsmethoden nach Anwendung von H 2 O und Einwirkzeiten (2)

7. Diskussion Die Ergebnisse zeigen, dass nach insgesamt einem Monat Inkubationszeit keines der Desinfektionsmittel die Biomasse reduzieren konnte. Mit Ausnahme des Mittels Ceresit Anti Schimmel waren alle Proben biochemisch aktiv während die KolonieBildenden Einheiten (KBE) aller Proben nach einem Monat im Normalbereich lagen (2). Ob die Reduktion der KBE dauerhaft ist und was erneuter Feuchtigkeitseintrag auslöst, sollte in weiteren Studien untersucht werden. Diese Versuchsreihen zeigen folgendes deutlich: Wenn die Wirksamkeit eines Desinfektionsmittels nur mittels KBE Analytik getestet wird, stellt sich eine Reduktion der Keimfähigkeit ein. Wenn aber eine weitergehende mikrobiologische Analytik angewendet wird, zeigt sich, dass die Behandlung auf die Biomasse keinen reduzierenden Effekt hat. Dies bedeutet, dass eine Desinfektion keine Dekontamination des Schimmelpilzbefalls darstellt. Überträgt man diese Erkenntnis auf die Aussage des Umweltbundesamtes, dass aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes Schimmelpilze aus Innenräumen entfernt werden sollen (da auch von abgetöteten und nicht keimfähigen Schimmelpilzen und Bakterien allergene und reizende Wirkungen ausgehen), führt dies abschließend zu der Frage, für welche Zielsetzung Schimmelpilzentferner in Innenräumen eingesetzt werden sollten (1, 4, 5). Literatur (1) Umweltbundesamt (2002): Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen, Berlin (2) Graßl, M (2012): Ermittlung des Dekontaminierungserfolg von Aspergillus versicolor durch antimikrobiell wirkende Substanzen, Hochschule Niederrhein Bachelor Arbeit (3): Palmgren U, Ström G, Blomquist G and Malmberg P (1986): Collection of airborne microorganisms on Nuclepore filters, estimation and analysis, CAMNEA Method. J. Appl. Bact. 61, 401 406. (4) WHO (2009): Dampness and Mould. WHO Guidelines for Indoor Air Quality (5) Malmberg P, Palmgren U, Rask Andersen A (1986): Relationship Between Symptoms and Exposure to Mould Dust in Swedish Farmers. American Journal of Industrial Medicine 10