Wortprotokoll. 17. Wahlperiode. Öffentliche Sitzung. Ausschuss für Verfassungsund Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung

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vom 20. April 2009 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. April 2009) und Antwort

Transkript:

Plenar- und Ausschussdienst Wortprotokoll Öffentliche Sitzung Ausschuss für Verfassungsund Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung 72. Sitzung Beginn: Schluss: Vorsitz: 15.36 Uhr 17.25 Uhr Cornelia Seibeld (CDU) Punkt 1 der Tagesordnung Siehe Inhaltsprotokoll. Aktuelle Viertelstunde Punkt 2 der Tagesordnung Besprechung gemäß 21 Abs. 3 GO Abghs Bericht des Opferbeauftragten zur Situation der Opfer von Straftaten im Land Berlin (2014/2015) (auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU) 0276 Recht Siehe Inhaltsprotokoll. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Wir kommen dann zu Redaktion: Carola Reitis, Tel. 2325-1464 bzw. quer 99407-1464

Seite 2 Wortprotokoll Recht 17/72 Punkt 3 der Tagesordnung Besprechung gemäß 21 Abs. 3 GO Abghs Organisation und Struktur des Übergangsmanagements für Strafgefangene (auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU) 0265 Recht Hierzu: Anhörung Vorsitzende Cornelia Seibeld: Dazu bitte ich die drei Anzuhörenden nach vorn. Der Vorgang wurde in der Sitzung am 20. Januar vertagt. Wird ein Wortprotokoll zur Anhörung gewünscht? Ich sehe allseitiges Nicken. Dann begrüße ich sehr herzlich Frau Berns, Bereichsleiterin Wohnungslosenhilfe und Straffälligenhilfe in der Berliner Stadtmission, Frau Kurch, Geschäftsführerin der FREIEN HILFE und Frau Röbel von der Straffälligen- und Bewährungshilfe Berlin e. V. Vielen Dank, dass Sie uns zur Verfügung stehen und heute zu uns gekommen sind. Bedarf es einer Begründung der Koalition zu diesem Tagesordnungspunkt? Das ist nicht der Fall. Dann darf ich Sie bitten, wie im Vorfeld vereinbart, kurz zu den Aspekten, die aus Ihrer Sicht wichtig sind und Berücksichtigung finden sollten, verbesserungswürdig wären oder wo Sie noch Probleme sehen oder Wünsche hätten, aus Ihrer Sicht vorzutragen. Dann werden wir es wie beim Tagesordnungspunkt zuvor so machen, dass wir eine Runde mit Nachfragen, Anregungen der Abgeordneten machen und Sie noch einmal Gelegenheit haben, darauf zu antworten. Dann beginnen wir mit Frau Kurch. Kathleen Kurch (FREIE HILFE - soziale Dienstleistungen ggmbh): Herzlichen Dank für die Einladung! Wie eben schon gesagt wurde, bin ich die Geschäftsführerin der FREIEN HILFE. Meine Kolleginnen sind hier mehr in der Praxis verankert. Zum Thema Organisation und Struktur des Übergangsmanagements: Der FREIE HILFE BERLIN e. V. ist in zwei Haftanstalten tätig, zum einen in der JVA Tegel, in der Teilanstalt II, sowie mit einer weiteren Stelle für die Entlassungsvorbereitung in der Teilanstalt V und VI. Zudem sind wir mit unserem Projekt noch in der JVA Heidering mit einer weiteren Stelle vor Ort und führen dort die Entlassungsvorbereitung durch. Ich hatte mir jetzt aufgrund der Einladung überlegt, Ihnen kurz etwas zur Organisation und Struktur der Entlassungsvorbereitung zu sagen, wenn das gewünscht ist. Genau! In der JVA Tegel das nehme ich jetzt einmal als Beispiel führen wir die Entlassungsvorbereitung seit sechs Jahren durch. Die Finanzierung in der TA II erfolgt durch die Senatsverwaltung für Justiz, in der TA V und VI ist das durch einen Dienstleistungsvertrag mit der JVA Tegel geregelt. Ebenfalls ist das mit einem Dienstleistungsvertrag in der JVA Heidering so geregelt. Die Tätigkeit unserer Kollegen erstreckt sich auf die Zeit in der Haft. Dort führen wir konkret die Entlassungsvorbereitungen durch. Nach der Haft sind wir dafür nicht mehr zuständig, sondern haben dann bereits in Netzwerke vermittelt, in unsere eigenen trägerinternen Netzwerke und in die Netzwerke anderer Träger wie der sbh, der Ziegner-Stiftung, Drogenberatung, Schuldnerberatungsstellen. Die Beratungsthemen in der Haft richten sich natürlich nach den individuellen Erfordernissen der einzelnen Inhaftierten. Ganz oben auf der Liste steht immer die Unterkunft nach der Haft, gefolgt von den Maßnahmen der sozialen Sicherung und der Suchtberatung, daneben die anderen Problemfelder, die sicherlich auch bekannt sind, wie Schuldenregulierung, Abarbeitung von Ersatzfreiheitsstrafen und Sonstiges, Regelung mit der

Seite 3 Wortprotokoll Recht 17/72 Krankenkasse. Das Ziel der Entlassungsvorbereitung ist natürlich die gelungene Reintegration in die Gesellschaften zu gewährleisten und zu schauen, dass man die Sorgen und Nöte sowie Unsicherheiten zu dem Zeitpunkt, an dem sich der Inhaftierte noch in der Haft befindet, zu minimieren. Wir arbeiten dabei in enger Kooperation mit dem Sozialdienst in den Haftanstalten, mit den Gruppenleitungen. Wir bekommen Zuweisungen der Inhaftierten durch die Gruppenleitungen. Wir sind auch im ständigen Austausch mit dem Sozialdienst in den Haftanstalten. So eine Zuweisung muss man sich so vorstellen, dass sie in unseren Bereichen sechs bis neun Monate vor dem Haftende erfolgt. Das heißt, wir müssen immer noch genügend Zeit haben, um alles vorzubereiten, was für den Inhaftierten nach der Haft von Bedeutung ist. Dann fragte die Vorsitzende gerade nach ein paar Dingen, die für uns wichtig sind, die zum einen gut laufen, die aber vielleicht auch verbesserungswürdig sind. Da haben wir vor allem Dingen das Problem, dass nach der Haft zu wenig Wohnraum und auch zu wenig Betreuungsplätze im betreuten Wohnen zur Verfügung stehen. Das betrifft sowohl die Maßnahmen nach 67 SGB XII als auch nach 53 SGB XII das ist die Eingliederungshilfe. Wir stellen vermehrt fest, dass wir Wartezeiten bis zu einem Jahr haben, bis der Inhaftierte nach der Entlassung wirklich in eine solche Maßnahme vermittelt werden kann. Dies hat zur Folge, dass wir häufig erst einmal in ASOG-Einrichtungen vermitteln müssen, bis geklärt ist, ob der Inhaftierte eine Bewilligung für eine Aufnahme in einem betreuten Wohnen bekommt. Das ist so der Hauptpunkt, der uns beschäftigt und den ich jetzt als verbesserungswürdigen Punkt mitgebracht habe, die Wohnraumsituation nach der Inhaftierung zu verbessern. Es sind sich alle des engen Berliner Wohnungsmarktes bewusst. Es auch nicht immer ein Verschulden der Träger, dass sie nicht genug Plätze frei haben, sondern auch die Träger können ihre Klienten oder ihre Betreuten vermehrt nicht in Wohnraum vermitteln, sodass sie auch keine neuen wieder aufnehmen können. Das ist unser großes Problem. Ansonsten würde ich an die Kollegen abgeben, um noch etwas zur Struktur sagen zu können. Vielen Dank! Vorsitzende Cornelia Seibeld: Dann vielen Dank! Dann machen wir mit jetzt Frau Röbel weiter. Bitte schön! Anke Röbel (sbh-gefangenen Fürsorge ggmbh): Ergänzend zu Frau Kurch möchte ich eigentlich noch kurz ausführen, dass die sbh Straffälligen- und Bewährungshilfe Berlin e. V. die Entlassungsvorbereitung aufgrund eines Dienstleistungsvertrages in der gesamten JVA Plötzensee durchführt. Wir haben dafür 20 Wochenstunden in den Häusern A, D und G das sind die Geldstrafe-Häuser und der offene Vollzug sowie 6 Stunden im geschlossenen Vollzug zur Verfügung. Der Dienstleistungsvertrag läuft über die Ausschreibung ganz normal. Wir haben ihn für zwei Jahre gewonnen und führen das jetzt auch weiter fort. Wir beackern quasi dieselben Aufgabenfelder wie die FREIE HILFE nur in einer anderen Haftanstalt. Die Probleme, die wir haben, sind auch die gleichen, außer dass wir durch die Beratung von Geldstrafen, die relativ kurze Verweildauern in den Haftanstalten haben, mehr damit befasst sind, Wohnungen zu sichern bzw. Wohnungen zu erhalten. Ansonsten schließe ich mich vollständig Frau Kurch an, möchte aber noch hinzufügen, dass die Zusammenarbeit mit der JVA Plötzensee unglaublich unkompliziert läuft. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Das hören wir gern. Vielen Dank! Dann hat jetzt Frau Berns das Wort. Bitte!

Seite 4 Wortprotokoll Recht 17/72 Eva Berns (Verein für Berliner Stadtmission): Ich möchte mich erst einmal ganz herzlich für die Einladung bedanken. Inhaltlich kann ich mich eigentlich meinen beiden Vorrednerrinnen anschließen. Auch wir beackern dieselben Bereiche nur mit dem Unterschied, dass unsere Einrichtung, die Beratungsstelle Drinnen und Draußen nicht von Justiz finanziert wird, sondern von der Senatsverwaltung für Soziales. Wir haben primär den offenen Vollzug, das heißt, die Inhaftierten kommen zu uns in die Einrichtung. Wir haben auch viele Inhaftierte aus Tegel, die im Prinzip dann die Beratung bei Drinnen und Draußen in Anspruch nehmen, wenn sie Freigänger sind. In den Haftanstalten beraten wir eigentlich nicht über Drinnen und Draußen, was schade ist, was aber mit der Finanzierung über die Senatsverwaltung für Soziales zu tun hat. Hinsichtlich der Problemfelder kann ich mich auch nur den Vorrednerinnen anschließen. Wir haben ganz große Probleme, die Klienten letztlich nach Haftentlassung unterzubringen. Wir haben Wohnhilfen, die auf Haftentlassene spezialisiert sind. Aber da stellt sich das Problem dann etwas später nach der Haftentlassung, wenn nämlich ein Betreuungsverhältnis ausläuft. Aber auch wir haben das Problem, dass wir weil wir auch nicht unendlich viele Trägerwohnungen zur Verfügung haben in ASOG-Einrichtungen vermitteln müssen. Ein weiteres Problem habe ich jetzt mit der unterschiedlichen Finanzierung unserer Einrichtung in der Straffälligenhilfe schon angedeutet, ist eben, dass es wünschenswert wäre, wenn es da engere Kooperationen zwischen den Senatsverwaltungen Soziales und Justiz geben würde, was eben auch Finanzierungen von Anschlussbetreuungen betrifft. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! Dann hat sich zunächst der Kollege Dr. Behrendt gemeldet. Dirk Behrendt (GRÜNE): Danke schön erst einmal für den Eindruck Ihrer Arbeit, die Sie geschildert haben. Die Entlassungsvorbereitung und das Übergangsmanagement beschäftigen uns schon seit einigen Jahren als eine der wesentlichen Baustellen in der Justizlandschaft. Mich würde vorab einmal interessieren, wie viele der 10 000 Strafgefangenen, die wir in Berlin pro Jahr im Schnitt entlassen, mit Ihren Projekten erreicht werden. Wir haben einmal mit einem kümmerlichen Projekt kümmerlich nur deswegen, weil es so klein war, es ist ansonsten ein tolles Projekt von der FREIEN HILFE in Tegel gewesen gerade einmal 150 Strafgefangene erreicht. Im Verhältnis zu den 10 000, die wir entlassen, ist das ein kleines Pflänzchen, das, wenn es nach uns ginge, viel größer wäre und schneller wachsen sollte. Mich interessiert, wie der Stand heute ist. Wie viele schaffen Sie mit den Mitteln, die Sie geschildert haben, zu erreichen? Welcher Anteil der Gefangenen kommt in den Genuss der Entlassungsvorbereitung? Interessant fand ich, Frau Röbel, was Sie aus Plötzensee geschildert haben, dass Sie auch Entlassungsvorbereitung bei Ersatzfreiheitsstrafern machen. Die hätte ich jetzt für die Entlassungsvorbereitung als, ich sage es einmal so, nicht prioritär gesehen, weil sie ja doch relativ kurz sitzen. Meine bisherige Herangehensweise war immer zu sagen, dass es bei mittlerer Haftstrafe bis längerer Haftstrafe wichtig ist, wo wirklich sämtliche Bindungen nach draußen abgeschnitten sind. Bei Ersatzfreiheitsstrafern ist das nicht so der Fall, wenn sie nicht gerade aus dem Obdachlosenmilieu kommen. Die haben in der Regel zumindest eine Wohnung. Der Steuerhinterzieher, der keine Lust hat, seine Ersatzfreiheitsstrafe zu bezahlen und deswegen für eine Woche oder zwei in den Knast geht, der kann in seine alte Wohnung zurück und kann dann weiter als Steuerberater oder sonst was seine Beratungen machen, wie man in Panama Geld anlegt oder sich ähnlichen interessanten Fragestellungen widmen. Deswegen interessiert mich, wer überhaupt die Klientel ist, die Sie erreichen wollen. Mich hat

Seite 5 Wortprotokoll Recht 17/72 auch überrascht, dass Sie nicht berichtet haben, dass es Schwierigkeiten bei der Vermittlung in Arbeit gibt, sondern dass das Wohnungsproblem offenbar gravierender ist. Kann man das so verstehen, dass der wirtschaftliche Aufschwung Berlins auch bei den Strafgefangenen ankommt, was mich erfreuen würde? Bisher sind die Schilderungen immer so, dass es sehr schwierig ist, Menschen, die nicht sich selbst erklärende Lücken im Lebenslauf haben, in Berufe zu vermitteln. Das ist vielleicht hier anders. Damit in Zusammenhang steht die Frage, ob eigentlich die Anstalten mit dem, was sie in dem Bereich Arbeit und Qualifikation sowie Ausbildung anbieten, heute besser auf den Arbeitsmarkt Berlins vorbereiten als es vielleicht noch vor zehn Jahren der Fall war, wo sie doch Berufe gefördert haben, die in der freien Wirtschaft eigentlich so gut wie gar nicht mehr vorkamen. Sind die Gefangenen, die jetzt eine längere oder mittlere Haftzeit haben, für den Arbeitsmarkt eigentlich gut vorbereitet? Erfüllt da die Anstalt ihre Aufgabe, dann auch für die Zeit danach vorzubereiten? Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! Dann habe ich mich selbst auf die Rednerliste gesetzt. Frau Berns, Sie hatten angesprochen, dass es bei der Zusammenarbeit von Justiz und Soziales hinsichtlich der Finanzierung hakt und es Probleme gibt. Vielleicht können Sie dazu noch etwas Näheres sagen und uns vor allen Dingen an die Hand geben, wo wir Verbesserungen schaffen könnten, was tatsächlich konkret die Aufgaben an die Parlamentarier sind, und wo da die Problemstellen liegen. Weitere Wortmeldungen habe ich im Moment nicht auf der Rednerliste. Dann würde ich sagen, dass wir in umgekehrter Reihenfolge beginnen. Der Staatssekretär möchte noch vor der Antwortrunde etwas sagen. Bitte! [Staatssekretär Alexander Straßmeir: Gern danach!] Dann fängt Frau Röbel mit der Antwortrunde an! Anke Röbel (sbh-gefangenen Fürsorge ggmbh): Ich fasse kurz zusammen, weil das eine sehr lange Rede war. Sie hatten gefragt, warum wir Geldstrafer beraten, weil diese in der Regel relativ kurz inhaftiert sind und eigentlich nicht originäre Ansprechpartner sein sollten oder aus Ihrer Sicht nicht können. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Zuweisungen, die wir von der JVA bekommen, für die Häuser, in denen die Geldstrafe inhaftiert sind, sind viel höher als die für den geschlossenen Vollzug. Das liegt daran, dass wir festgestellt haben, dass etwa 80 Prozent der inhaftierten Geldstrafer Transferleistungsempfänger sind und demzufolge in dem System beheimatet sind, dass sie, wenn sie inhaftiert werden, vom Jobcenter abgemeldet werden der Leistungsbezug wird abgeschnitten und es demzufolge unbedingt notwendig ist, wenn sie eine Wohnung erhalten, auf die Wohnhilfen zurückzugreifen und dann die Wohnung während der Haft weiter zu finanzieren, weil die Haftstrafe so kurz ist. Wenn ich einen Menschen habe, der eine längere Strafe zu verbüßen hat, bin ich in der Entlassungsvorbereitung viel gelassener, weil ich mehr Zeit habe. Demzufolge sind die Ersatzfreiheitsstrafer schon eine Zielgröße, die wir anstreben. Ich kann Ihnen ungefähr sagen, wie viele Klienten wir im Jahr 2015 in der Entlassungsvorbereitung in Plötzensee gesehen haben. Es waren 1 476 Klienten. Dazu kann ich vielleicht noch ergänzen, dass die sbh e. V. an drei vollen Werktagen in der JVA Plötzensee vor Ort ist und berät. Die zweite Frage war, ob die Inhaftierten besser auf Arbeit und den Arbeitsmarkt vorbereitet sind. Dazu kann ich aus unserer Sicht sagen, dass wir nicht in Arbeit vermitteln, sondern auf die Angebote, die die Agentur für Arbeit bzw. die Anstalt selbst vorhält, verweisen. Das gehört nicht zu unserem originären Aufgabenbereich.

Seite 6 Wortprotokoll Recht 17/72 Vorsitzende Cornelia Seibeld: Gut! Frau Kurch noch ergänzend? Kathleen Kurch (FREIE HILFE soziale Dienstleistungen ggmbh): Ich schließe einmal an die Frage an, die Sie zum Thema Arbeit stellten. Auch bei uns ist es so, dass wir nicht direkt in Arbeit vermitteln, sondern in die Maßnahmen, die nach der Inhaftierung erst einmal greifen, Arbeitslosengeld I, Arbeitslosengeld II oder sonstige Sozialleistungsbezüge. In den Haftanstalten vor Ort ist die Arbeitsagentur mit ihren Resozialisierungsbeauftragten. An diese vermitteln wir dann. Zu den Zahlen kann ich auch etwas sagen. Wir hatten im Jahr 2015 in der JVA Heidering 181 Klienten, die wir beraten haben. Dazu muss man sagen, dass eine Beratung mit mehreren Gesprächen dazu stattfand. Die Zahlen in der JVA Tegel sind ähnlich. Im Haus V und VI waren es 189 Klienten, im Haus II betrug die Fallzahl 180. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Ja, vielen Dank! Dann Frau Berns, bitte! Eva Berns (Verein für Berliner Stadtmission): Auch bei uns ist es so, dass wir nicht direkt in Arbeit vermitteln, sondern eben auf die Hilfsangebote, Arbeit zu finden, an die entsprechenden Organisationen verweisen. Wir hatten im Jahr 2015 308 abgeschlossene Fälle, Klienten, die in dem Jahr abgeschlossen worden sind, wobei auch die mehrere Termine hatten. Zu dem anderen Thema: Zwischen Soziales und Justiz läuft es beispielsweise so, wenn beispielsweise Inhaftierte Anhörungen haben und es beispielsweise um vorzeitige Entlassung oder ähnliches geht, haben wir viele Fälle bei Drinnen und Draußen gehabt bzw. haben sie noch, dass Richter in die Beschlüsse hineinschreiben, Herr XY ist verpflichtet, weiter bei Drinnen und Draußen Beratungstermine wahrzunehmen. Das ist für uns schön, und natürlich freuen wir uns auch, dass Richter das Vertrauen in die Arbeit der Kollegen haben, aber die Senatsverwaltung für Soziales findet das eben weniger schön, weil sie eben sagen, okay, der ist jetzt entlassen, und eigentlich sollte jetzt die Priorität auf den anderen liegen; es ist nicht einzusehen, warum wir bezahlen sollen, im Grunde genommen das Gericht irgendetwas entscheidet. Es ist eben schwierig, weil die Beratungsstelle Drinnen und draußen auch eigentlich für Haftentlassene offen ist. Das hat sich aber über eine längere Zeit ziemlich gehäuft, was die Senatsverwaltung für Soziales eben nicht gut fand. Das wäre ein Beispiel. Das andere ist natürlich, wenn wir Klienten übernehmen und das über die 67-er Hilfen machen, dass es eigentlich so ist, dass die Klienten eigentlich ganz andere Bedürfnisse oder Bedarfe haben, als es beispielsweise bei Wohnungslosen der Fall ist. Wenn wir Sicherungsverwahrte, als Beispiel, bekommen, die 20 oder 25 Jahren in Haft waren bzw. sich in der Sicherungsverwahrung befunden haben, kann man nicht erwarten, dass innerhalb von einem halben Jahr alles geregelt ist und alle Hilfeziele erreicht sind. Das ist auch einfach nicht so. Irgendwann sagen dann eben auch die Bezirksämter: Nein, wir unterstützen nicht mehr weiter, und wir sind auch nicht bereit, einen höheren Tagessatz für die Klienten zu bezahlen, weil es nicht unsere Zuständigkeit ist; wenn es gewünscht ist, soll sich bitte Justiz darum kümmern. Und Justiz sagt dann auch nicht so ganz viel dazu. Das sind so zwei Beispielgebiete, wo es tatsächlich ein bisschen hakt. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! Dann hat der Staatssekretär das Wort. Bitte schön! Staatssekretär Alexander Straßmeir (SenJustV): Das, was Frau Berns zum Schluss angesprochen hat, ist natürlich ein Problem, was immer mit richterlichen Auflagenbeschlüssen

Seite 7 Wortprotokoll Recht 17/72 zusammenhängt. Der Richter sagt: Sie melden sich bitte am, um, oder Sie nehmen folgende Therapie- oder Beratungsangebote wahr, und dann ist eine Gerichtsentscheidung dabei. In der Tat ist es so, dass, wenn es sich um einen Träger handelt, der das machen muss, er damit etwas herausgefordert ist, wenn nämlich seine Zuwendungsvereinbarung etwas anderes vorsieht, als diese richterliche Weisung oder Auflage an dieser Stelle. Wir nehmen das Thema noch einmal mit, da es möglicherweise auch an dem guten und bekannten, eingeführten Namen von Drinnen und Draußen liegt, den die Richter kennen und deswegen immer gern in die Beschlüsse hineinschreiben, da weiterhin dabeizusein. Man könnte auch mit denen einmal kommunizieren, dass der Beschluss möglicherweise auch ein wenig anders gefasst wird, dass sie sich eben bei einer Einrichtung zu melden haben. Insoweit verstehe ich dann auch die Senatsverwaltung, die sagt, dass sie einen Zuwendungsvertrag auf einer ganz anderen Grundlage gemacht haben und das jetzt auch noch mitbezahlen soll. Entscheidend ist mir aber, dass diese Leistungen erbracht werden können und weiterhin auch erbracht werden. Das Übergangsmanagement findet von uns aus statt, einmal in Zusammenarbeit mit den freien Trägern, von denen wir drei heute hier haben und bei denen ich mich selbst auch noch einmal ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken möchte. Das Übergangsmanagement klappt nur, wenn es systematisch geplant ist, fallbezogen stattfindet und einzelfallübergreifend die vollzugsinternen Behandlungs- und Erziehungsmaßnahme mit den vollzugsexternen verknüpft. Das ist manchmal etwas schwierig, wenn wir nämlich mehr als die Hälfte aller Gefangenen haben, die tatsächlich weniger als zwölf Monate im Strafvollzug sind. Sie können sich vorstellen, dass es dann unsere Maßgabe ist, mit dem ersten Tag des Vollzuges mit dem Vollzugs- und wie er demnächst heißt Vollzugs- und Eingliederungsplan zu beginnen und dann eben auch die ganzen Maßnahmen bei der Mehrzahl der Gefangenen bei einer weniger als zwölf Monate betragenden Haftzeit stattfinden zu lassen. Im Jahr 2014 sind ein neueres statistisches Jahr habe ich jetzt hier nicht vorliegen 8 400 entlassen worden. Aus der Untersuchungshaft sind davon 1 550 entlassen worden. In der Tat, wie Sie sehen, Herr Behrendt, sind es nicht ganz die 10 000, aber jedes Jahr doch eine große Zahl. Bei uns beginnt das Übergangsmanagement mit dem Tag, an dem der Vorzugsplan erstellt wird. Da werden dann eben auch einige Dinge, die von Bedeutung sind und im Vollzugsverlauf im Fokus stehen, hereingenommen. Stichworte dazu sind Persönlichkeit und soziale Umgebung, die Bearbeitung der Straftaten, insbesondere die Erarbeitung der auslösenden oder befördernden Umstände von Straftaten, die Erarbeitung von Vermeidungsstrategien und Konfliktbewältigung das ist sehr wichtig, die Suchtproblematik, sofern eine vorliegt, die Themen berufliche und/oder schulische Qualifikation und Beschäftigung, die unterstützenden sozialen Kontakte das können Familie, Kinder oder sonstige Kontakte seien und, auch ganz wichtig, dafür haben wir auch Kooperationen, das Thema Schuldenregulierung an dieser Stelle. Für die Entlassung sind aber die Fragestellungen standardmäßig zu beachten. Das wird dann auch von den sozialen Diensten innerhalb der Justizvollzugsanstalten gemacht, die entlassungsrelevanten Papiere zusammen zu bekommen. Im Jahr 2014 war so, dass immerhin über 80 Prozent aller Entlassenen gültige Ausweispapiere hatten. Das ist nicht ganz selbstverständlich. Das Thema Unterkunft ist das große Problem, das auch schon benannt worden ist. Der Wohnungsmarkt spitzt sich zu. Wir versuchen auch, bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz das Thema besser zu platzieren als bei den Leitlinien Wohnungslosenhilfe und Wohnungslosenpolitik, es auch mehr in den Fokus zu nehmen, dass wir die Haftentlassenen haben, die wir dann eben zunehmend schwerer in Wohnungen unterbringen können. Dann gibt es die Fragen der ausländerrechtlichen Stellung und Integrations-

Seite 8 Wortprotokoll Recht 17/72 maßnahmen, Ausbildung, Beruf und Beschäftigung, Sicherung des Lebensunterhalts, Schuldenregulierung. Die Einrichtung eines Girokontos ist heutzutage Voraussetzung dafür, dass man eine bürgerliche Existenz führt, aber auch dass die Krankenversicherung danach sichergestellt ist, sobald die Heilfürsorge endet. Dafür müssen dann eben auch die Behandlungsunterlagen in Arztbriefform hergestellt werden. Dann gibt es eine Entlassungsbeihilfe, die reguliert werden muss. Strafgefangene ich nehme jetzt einmal die männliche Form, weil die meisten Männer sind müssen auch mit Bekleidung ausgestattet werden. Dann geht es noch um die Vermittlung und Anbindung sowie Nachsorge an Therapieeinrichtungen. Dafür bewährt sich die Erstellung einer Dokumentenmappe, die das Ganze, Entlassungs- und Übergangsmanagement, vorbereitet. Außerdem haben wir ein Kurzstraferkonzept entwickelt, um, wie gesagt, in Situationen, in denen wenig Haftzeit für diese eben geschilderten Aufgaben verbleibt, alles zügig zusammen zu bekommen. Das ist noch einmal in Kürze gefasst das, was wir außerhalb der Maßnahmen, die wir durch unsere Vertrags- und Kooperationspartner vornehmen, selbst im Bereich des Übergangsmanagements mit unseren eigenen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Justizvollzugsanstalten machen, was Eingang in den Vollzugs- und Eingliederungsplan findet und eben auch eine laufende, begleitende Betätigung für die Beschäftigten bei uns während des gesamten Justizvollzuges darstellt. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! Offenbar hat der Beitrag des Staatssekretärs mehr Fragen ausgelöst als die Vorträge der Anzuhörenden vorher. Herr Dr. Behrendt und dann Herr Dr. Lederer! Bitte schön Dirk Behrendt (GRÜNE): Ich dachte, eine Anhörung sei immer dazu da, auch Fragen zu stellen, Frau Vorsitzende. Aber danke, dass ich das noch einmal darf. Herr Staatssekretär! Ich gehe eigentlich davon aus, dass alle Strafentlassenen in Berlin einen Ausweis haben sollten. Eine Erfolgsmeldung, dass jeder Fünfte das nicht hat, kann ich nicht unterschreiben. Ich finde das ein kümmerliches Ergebnis. Nachfragen wollte ich aber noch einmal bei den Anzuhörenden, nach welchen Kriterien eigentlich ausgewählt wird, wer in den Genuss Ihres Angebotes kommt, und was mit den drei Vierteln der Strafgefangenen geschieht, die entlassen werden und nicht in den Genuss kommen. Wie läuft das Verfahren genau ab? Läuft das jetzt über Sozialdienst in der Anstalt, dass sie sagen, den und den und den schicke ich in ein Übergangsmanagement und die anderen, warum auch immer, nicht, oder ob das allen Gefangenen angeboten wird, die dann kommen oder auch nicht kommen? Das ist mir ein noch bisschen unklar, denn der Bedarf, insbesondere, was Sie auch geschildert haben, Frau Röbel, was den Erhalt der Wohnung bei Ersatzfreiheitsstrafern angeht, wird ja bei sehr vielen vorhanden sein. Wenn Sie drei Viertel nicht erreichen und nur knapp ein Viertel erreichen, stellt sich die Frage, wie der Mangel es ist viel besser geworden, seit wir mit 150 angefangen haben, inzwischen sind wir bei 2 500, die wir über das Jahr erreichen; das geht in die richtige Richtung, aber drei Viertel erreichen wir immer noch nicht behoben wird. Wonach wird das entschieden? Suchen Sie sich die einfachen Fälle oder die schwierigen Fälle aus? Wie läuft das? Vorsitzende Cornelia Seibeld: Herr Dr. Lederer! Dr. Klaus Lederer (LINKE): Bei einem Besuch bei der Stadtmission jüngst am Bahnhof Zoo habe ich auch die Information vom dortigen Einrichtungsleiter erhalten, dass sich die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen in den letzten fünf Jahren verfünffacht hat. Das ist natürlich

Seite 9 Wortprotokoll Recht 17/72 genau der Aspekt des Übergangsmanagements, raus aus dem Knast, rein ins Leben. Hat denn der Senat, oder haben Sie möglicherweise auch, ein Gefühl oder vielleicht sogar belastbare Zahlen darüber, wie viele die Kurve dann nicht bekommen und uns dann als Obdachlose wieder begegnen? Vorsitzende Cornelia Seibeld: Dann fangen wir diesmal in umgekehrter Reihenfolge bei Frau Berns an und gehen der Reihe nach. Bitte! Eva Berns (Verein für Berliner Stadtmission): Wenn es um die Zugänge geht, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, zumindest in unserem Bereich. Bei Drinnen und Draußen besteht eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Teilanstalten des offenen Vollzugs. Zum Teil weisen die Gruppenleiter zu, wenn sie das Gefühl haben, für Herrn X oder Herrn Y wäre es gut, daran teilzunehmen. Teilweise ist so, dass die Inhaftierten untereinander sprechen und sich dann durch Mund-zu-Mund-Propaganda selbst zuweisen. Teilweise ist es so, dass wir auch untereinander gucken, ob jemand, der beispielsweise in der Schuldnerberatung ist und wo man merkt, dass dort eigentlich noch etwas ganz anderes bearbeitet werden sollte, wir sie dann verweisen, da wir alle Einrichtungen der Straffälligenhilfe auf einer Ebene habe. In der Schuldnerberatung ist es so, dass wir auch über die Gruppenleiter der Justizvollzugsanstalten die Zuweisung erhalten, auch über Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir arbeiten auch sehr gut mit den beiden anderen Einrichtungen, Trägern, zusammen; auch von dort kommen Zuweisungen zu uns und auch umgekehrt. Es gibt viele. Das ist vielleicht nicht ganz unwichtig: Die Inhaftierten, die das prinzipiell nicht wollen, die erreichen wir auch nicht. Zu den belastbaren Zahlen: Belastbare Zahlen haben wir nicht. Ich kann mir auch ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es irgendeine ernstzunehmende Statistik gibt, die das genau erfassen würde. Als Träger sehen wir die, die bei uns in den Einrichtungen sind. Da können wir natürlich sagen, dass wir in dem Jahr soundso viele Leute aufgenommen haben und können dann auch sagen, dass die schon einmal nicht obdachlos waren. Wir wissen aber nichts über die Grundgesamtheit, über alle Entlassenen. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! Frau Kurch! Kathleen Kurch (FREIE HILFE soziale Dienstleistungen ggmbh): Dann ergänze ich einmal: Bei uns funktioniert das ähnlich. Wir bekommen über den Sozialdienst, also die Gruppenleiter, in den Haftanstalten die Zuweisung, dass wir denjenigen in der EVB beraten sollen. Es kann genauso gut vorkommen, dass sich der Klient selbst bei uns meldet, und dann erfolgt bei uns die Rücksprache mit den Gruppenleitern, wenn wir es für notwendig halten und die Gruppenleiter es ebenso sehen. Dann wird der Betreffende in unsere Entlassungsvorbereitung zugewiesen. Es ist richtig, dass schon eine Prüfung erfolgt, wie der Bedarf des Inhaftierten ist, denn Inhaftierte, die gelockert sind, die schon anderweitig irgendwo angebunden sind, die also heraus können und selbst mithilfe von freien Trägern oder selbständig ihre Entlassung vorbereiten können, kommen nicht zu uns in die EVB. Ein Großteil unserer Klienten wird nicht gelockert. Zur zweiten Frage: Ich habe natürlich Zahlen aus den Sachberichten, wie viele Klienten wir wohin entlassen. Die habe ich schon da. Dazu muss man aber sagen, dass wir, so kann ich sagen, fast niemanden in die reine Obdachlosigkeit entlassen, nur Klienten, die aufgrund ihres ausländerrechtlichen Status eventuell überhaupt keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Ansonsten ist auch eine Vermittlung in eine ASOG-Einrichtung keine Obdachlosigkeit, wenn Sie so wollen. Natürlich ist es ein Obdachlosenheim, aber sie werden erst dorthin vermittelt. Ein Anteil von diesen Vermittelten wird später ins BEW vermittelt. An

Seite 10 Wortprotokoll Recht 17/72 denen bleiben wir trotzdem dran und sprechen mit den Kollegen jeweils, wie sie Kapazitäten frei haben. Wir haben Zahlen von unseren Klienten. Wie es für das Gesamtbild aussieht, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Anke Röbel (sbh-gefangenen Fürsorge ggmbh): Über den Zugang zu Entlassungsvorbereitung in der JVA Plötzensee ist es so vereinbart, dass wir ein standardisiertes Verfahren haben. Es gibt ein Formblatt. Dieses steht den jeweiligen Gruppenleitern zur Verfügung. Darauf stehen die Aufgabenbereiche. Das können Sie anklicken und dann schicken Sie uns quasi diese Zuweisungen. In der Regel ist es im Haus A, D und G so, dass fast jeder Inhaftierte bei uns aufschlagen sollte. Ob er die Beratung wahrnimmt, ist eine zweite Frage. Im geschlossenen Vollzug gibt es eine andere Mentalität der Gruppenleiter. Da schlägt nicht jeder bei uns auf. Das passiert dann aber tatsächlich teilweise über Vormelder oder Mundpropaganda, sodass die Kollegen dann trotzdem eine Beratung durchführen. Eine besondere Schwierigkeit sind wieder die Geldstrafer, wo eine Beratung angefangen wird, die dann nicht zu Ende gebracht wird, weil es ebenso die Mentalität gibt, dass eben auch einmal ausgelöst wird, was auch in Ordnung ist, weil es eine freiheitsentziehenden Maßnahme ist. Zu Zahlen kann ich leider nicht sagen. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Vielen Dank! Herr Staatssekretär! Staatssekretär Alexander Straßmeir (SenJustV): Unser Eindruck um auch von unserer Seite auf Sie, Herr Dr. Lederer, zu antworten ist der gleiche, wie er beispielsweise von Berns und Frau Kurch vorgetragen wurde. Wir haben den Eindruck, dass wir niemanden direkt in die Obdachlosigkeit entlassen. So ganz genau wissen wie es auch nicht. Vieles geht eben in Übergangseinrichtungen oder ASOG-Einrichtungen auch bei uns. Wir wissen natürlich auch nicht, wie belastbar, wenn soziale Bindungen vorhanden sind, und jemand aus dem Familien- oder Freundeskreis bereit ist, den Entlassenen aufzunehmen, und dauerhaft das ist. In dem Fall hat er dann erst einmal eine Wohnung, aber wir wissen natürlich auch nicht, wie konfliktfrei das läuft und wie lange diese Wohnsituation anhält. Das entzieht sich dann auch unserem Beobachtungskreis und damit auch unserer Erkenntnis, ob das nachhaltig funktioniert. Wir teilen aber eben auch den Eindruck, dass die zunehmende Wohnungsmangelsituation in Berlin für diesen Personenkreis es für alle, die daran arbeiten, schwerer macht. Gleichwohl haben wir bisher den Eindruck, dass wir niemanden in die Obdachlosigkeit entlassen. Es sind aber, das ist auch schon dargestellt worden, teilweise auch nur Übergangslösungen, in die wir die Leute hineinbringen. Das sehen wir auch so. Da teilen sich unsere Beobachtungen und Erfahrungen mit dem, was hier gerade vorgetragen wurde. Vorsitzende Cornelia Seibeld: Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann ist der Tagesordnungspunkt damit abgeschlossen. Ich darf Ihnen Dreien ganz herzlich danken, dass Sie uns zur Verfügung gestanden haben. Selbst verständlich können Sie gern weiter zuhören, aber gern auch entweder an Ihren Schreibtisch zurückkehren oder die Sonne draußen genießen, wie Sie möchten. [Beifall]

Seite 11 Wortprotokoll Recht 17/72 Punkt 4 der Tagesordnung Besprechung gemäß 21 Abs. 3 GO Abghs Vorbereitung, Einführung und Begleitung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern in der Berliner Justiz (auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU) 0249 Recht Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 5 der Tagesordnung Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2137 Korruption am BER wirkungsvoll bekämpfen Rechnungshöfe einbeziehen 0236 Recht Haupt Siehe Inhaltsprotokoll. Punkt 6 der Tagesordnung Verschiedenes Siehe Inhaltsprotokoll.