Wenn Sie vor der Frage stehen, ob bei Ihnen oder einem Angehörigen eine "Magensonde" gelegt werden soll.

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Transkript:

Wenn Sie vor der Frage stehen, ob bei Ihnen oder einem Angehörigen eine "Magensonde" gelegt werden soll. Das Legen einer Magensonde durch die Bauchwand (PEG) ist eine Entscheidung mit weit reichenden Folgen, die Sie vorher bedenken sollten. Möglicherweise fühlen Sie sich unter Druck gesetzt mit der Bemerkung: "Sie wollen Ihren Angehörigen doch nicht verhungern lassen" - Lassen Sie sich Zeit, die Frage von allen Seiten zu beleuchten, Sie stehen nicht unter Zeitdruck! Bevor ein Mensch verhungert, vergehen mehrere Wochen. Es gibt auch andere Möglichkeiten der künstlichen Ernährung, die durchgeführt werden können, bis eine klare Entscheidung für oder gegen eine Magensonde (PEG) gefällt werden kann. Ein Beispiel soll einige Probleme verdeutlichen: Ein 75-jähriger Mann fragt: "Was kann ich tun? Meine Frau ist seit 3 Jahren in einem Altenheim, weil sie an Alzheimer erkrankt ist. Als sie vor 2 Jahren auch Schwierigkeiten mit dem Schlucken bekam, wurde sie ins Krankenhaus gebracht und ich mit dem Satz "Sie wollen Ihre Frau doch nicht verhungern lassen!" dazu gedrängt einzuwilligen, dass ihr eine Magensonde gelegt wurde. Ihre Krankheit verschlimmerte sich trotzdem. Jetzt liegt sie seit 2 Jahren bewegungsunfähig im Bett. Ich besuche sie jeden Tag. Sie erkennt mich schon lange nicht mehr und reagiert auch auf keinen Reiz. Meine Kinder besuchen sie nicht; sie geben mir die Schuld, ich hätte ja eingewilligt! Aber mir hat niemand gesagt, dass das jahrelang so weitergehen kann. Ich kann das so nicht mehr aushalten!" In welcher Situation soll eine PEG gelegt werden? Es macht einen großen Unterschied, ob die Schwierigkeiten mit dem Essen oder Schlucken vorübergehend oder voraussichtlich auf Dauer sind. Seit 1980 gibt es die PEG, und sie ist schon für manchen Patienten segensreich gewesen, weil sie seine Ernährung für eine Überbrückungszeit sichergestellt hat und er anschließend wieder normal essen konnte. "Aber als Dauerlösung für alte Menschen" - nur damit sie im Krankenhaus oder Pflegeheim pflegeleichter werden ist eine PEG- Sonde ein Frevel." (Frau Dr. Hasselbatt-Diedrich von der Landesärztekammer Hessen). - 2 -

- 2 Welche positiven Auswirkungen der PEG-Sonde gibt es? 1995 wurden in den USA 121.000 PEG- Sonden bei älteren Patienten gelegt, von denen etwa 30 % dement waren. Wenn ein älterer (verwirrter) Mensch Schwierigkeiten beim Schlucken bekommt, sich häufiger verschluckt, denken die betreuenden Mediziner daran, eine PEG- Sonde zu legen. Sie soll vor allem verhindern helfen, dass der Patient durch das Verschluckte eine Lungenentzündung bekommt. Außerdem hofft man, dass sich der Patient durch eine angemessene künstliche Ernährung noch einmal wieder erholt. Nun hat man in den USA genauere Untersuchungen gemacht um herauszufinden, ob die PEG- Sondenernährung wirklich die erhofften Auswirkungen hat. Folgende Ergebnisse insbesondere bei älteren, verwirrten Menschen aus den letzten 10 Jahren machen sehr nachdenklich: Patienten mit PEG- Sonde leben nicht länger als Patienten ohne PEG- Sonde, die herkömmlich ernährt werden. Auch mit PEG- Sonde kommt es bei 20 % der Patienten vor, dass sie eine Lungenentzündung entwickeln aufgrund von "Reflux" (Aufsteigen von Mageninhalt in die Speiseröhre). Der Ernährungszustand von mit PEG- Sonde Ernährten ist nicht besser als von herkömmlich ernährten Patienten. Bei dieser speziellen Patientengruppe hält die PEG- Sonde nicht, was man von ihr erwartet. Welche negativen Auswirkungen der PEG- Sondenernährung gibt es? Es musste auch genauer untersucht werden, welche evtl. negativen Auswirkungen eine PEG- Sonde haben kann. Beim Langzeiteinsatz dieser Sonden gibt es eine Komplikationsrate von 32 % bis 70 %! (Verstopfung der Sonde, Verlagerung, Undichtwerden, lokale Entzündung an der Bauchdecke, Magenbluten, schwere Durchfälle, Wasserverlust). Ähnlich schwerwiegend sind die seelisch-sozialen Auswirkungen für diese Patienten: Wenn Sondenernährung als dauerhafte Alternative zum Essen auf natürlichem Weg gedacht ist, werden die Patienten der Freuden des Essens beraubt. Demente Patienten mit PEG haben nicht mehr die Möglichkeit, Essen zu schmecken oder die soziale Befriedigung zu erfahren, die mit Mahlzeiten verknüpft ist und den Halt, den ein durch Mahlzeiten geprägter Tagesrhythmus geben kann. Mit der Hand Essen reichen ist zugleich ein Akt der Zuwendung, der nicht ersetzt werden kann durch einen Beutel mit Nährlösung, der an einem Ständer hängt, um durch die Sonde einlaufen zu können. (Theoretisch können Patienten mit PEG- Sonde natürlich zusätzlich noch normal essen. Aber in welcher Einrichtung wird sich jemand zu diesen Patienten setzen und ihnen zusätzlich Essen reichen?) Es gibt weitere Folgen: Weil der Patient nicht mehr kauen muss, verkümmert seine Kaumuskulatur. Bald wird seine Prothese nicht mehr passen, seine Sprache wird verwaschener? Der Patient erlebt das Nicht-mehr-mit Essen-versorgt-werden evtl. als eine Bestrafung und hat vielleicht trotz Völlegefühl Angst zu verhungern. Die schlimmste Konsequenz von Sondenernährung ist die Notwendigkeit der Fixierung des Patienten, damit er die Sonde nicht zieht. (Nach einer Studie waren 71 % der dementen Patienten fixiert - unabhängig von - 3

- 3 - der Art der Sonde.) Ein hochgradig verwirrter Patient hat nicht mehr die geistige Fähigkeit zu verstehen, warum eine Sonde aus seiner Bauchdecke ragt und will sie oft entfernen. Die Erfahrung festgebunden zu sein, ist auch für diese Patienten beunruhigend und führt oft zur Gegenwehr, was dann oft zusätzlich zur medikamentösen Ruhigstellung führt. Fazit: Da es wenige, oder keine Vorteile aber potentiell nachteilige Auswirkungen der PEG- Sonden bei Hochbetagten gibt, ist ihr routinemäßiger Einsatz bei Patienten mit schwerer Demenz nicht gerechtfertigt. (The New England Journal of Medicine, Jan. 2000) Entscheidungen müssen für jeden Einzelfall neu gesucht werden! Man muss bei jedem einzelnen Patienten genau hinsehen vor einer Entscheidung. Welche Grunderkrankung hat der Patient? Wie alt ist er? Ist seine Schluckunfähigkeit vorübergehend oder von Dauer? Und hat der Patient sich evtl. selbst geäußert (vielleicht in einer Patientenverfügung)? Eine Befragung von 421 noch ansprechbaren Bewohnern aus 49 Pflegeheimen ergab, dass nur 1/3 von ihnen eine PEG wünschte für den Fall, dass sie nicht mehr essen könnten aufgrund von dauernden Hirnstörungen. Dann hat noch 1/4 von denen, die ursprünglich für sich eine PEG gewünscht hätten, seine Meinung geändert, als sie hörten, dass sie vielleicht fixiert werden müssten, um den Gebrauch der PEG zu erleichtern. Beobachtungen in Pflegeheimen haben ergeben, dass Interesse am Essen typischerweise das Letzte aus dem Alltagsleben ist, was bei Dementen nachlässt. Schwierigkeiten beim Essen sind also ein Kennzeichen für schwere Demenz und signalisieren, dass die betreffende Person die Finalphase der Erkrankung erreicht hat. - Allerdings wird eine freie Entscheidung für oder gegen eine PEG dadurch erschwert, dass manche Alten- und Pflegeheime die PEG- Sonde zur Voraussetzung für die Aufnahme von pflegebedürftigen Personen machen. Was empfinden die Verwirrten / Sterbenden selbst? Weiß man denn etwas darüber, wie Menschen sich fühlen, die das Interesse an Nahrung verloren haben? Empfinden sie Hunger wie wir? Leiden sie darunter, nicht essen zu können? Verwirrte Menschen kann man nicht befragen. Es gibt aber Studien mit Krebspatienten im Spätstadium ihrer Erkrankung. Viele von ihnen verlieren auch das Interesse an Nahrung und von ihnen können viele sich äußern. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen kann man auf andere Patienten im Spätstadium übertragen. Es ist typisch für das Lebensende, dass der Appetit nachlässt. Man hat in einem Pflegeheim solchen Patienten mit Krebs im Spätstadium ermöglicht, auf einer Station versorgt zu werden, die sich nicht an objektiven Behandlungsrichtlinien orientierte sondern nur an der Befriedigung der Bedürfnisse der Patienten. Diese Patienten wurden nicht zum Essen oder Trinken gedrängt, sie brauchten auch keine Diät mehr einzuhalten. Immer dann, wenn sie etwas wollten, bekamen sie es. Innerhalb von 18 Monaten wurden so 32 Patienten - 4 -

- 4 beobachtet. 20 von ihnen empfanden nie Hunger. Sie aßen und tranken nur sehr geringe Mengen fester oder flüssiger Nahrung und fühlten sich trotzdem wohl (bei guter Behandlung von Schmerzen und anderen störenden Symptomen). 11 weitere Patienten hatten anfangs (wenige Tage oder Wochen) auch manchmal Hungergefühle, aber später bis zu ihrem Tod nicht mehr. Nur 1 Patient empfand bis zum Lebensende Hunger und bekam, was er wollte. Es ist keinmal vorgekommen, dass ein Patient nach anfänglicher Appetitlosigkeit später wieder Hungergefühle entwickelte. Es kam jedoch auch vor, dass Patienten sich unwohl fühlten, wenn sie auf Drängen ihrer Angehörigen mehr Nahrung aufgenommen hatten als sie selber wollten. (Mc Cann et al, JAMA Okt.94) Kann man mit PEG- Sonde die Ernährungssituation oder die pflegerische Abhängigkeit des Patienten verbessern? Auf der anderen Seite gibt es Studien über forcierte Ernährungstherapien bei Krebspatienten im Spätstadium. Die künstliche Ernährung ergab keinen entsprechenden Vorteil bei Erkrankung und Sterblichkeit. Auch konnte damit nicht die veränderte Stoffwechselsituation der Krebspatienten wieder rückgängig gemacht werden. Es wurde sogar nachgewiesen, dass aggressive Ernährungstherapie zu einer verkürzten Überlebenszeit führen kann (als Folge von Komplikationen der Ernährungstherapie und von möglicherweise dadurch gesteigertem Tumorwachstum). In einer weiteren Studie wurde gemessen, welche Verbesserungen die Ernährung mit PEG für den Ernährungsstatus, das Gewicht, die pflegerische Abhängigkeit und die Überlebenszeit bringt. Das Ergebnis war sehr ernüchternd. Es gab keine deutliche Verbesserung für die pflegerische Abhängigkeit (d.h. wer vorher schon bettlägerig war und voll versorgt werden musste, wurde durch die künstliche Ernährung nicht mobiler) und auch keine deutliche Verbesserung für den Ernährungsstatus und die Überlebenszeit. Mit einer PEG- Sonde kann der Ausgangszustand des Patienten zeitlich oft sehr verlängert aber selten verbessert werden. Dabei zeigte sich aber auch, dass die Überlebenszeit sehr vom Alter der Patienten abhängt. Jüngere Patienten (bis 40/50 Jahre) verlängerten durch künstliche Ernährung ihre Lebenserwartung beträchtlich, während ältere (über 70 Jahre) auch mit PEG manchmal schon nach kurzer Zeit starben. (Digestive Diseases and Sciences Vol. 39, Apr. 94) Darf man auf künstliche Ernährung verzichten? Wenn man für sich selbst eine Antwort sucht, ist das relativ einfach: man darf die künstliche Ernährung wie jede ärztliche Maßnahme ablehnen. Bei einer Entscheidung für einen anderen muss man grundsätzlicher fragen. In Deutschland ist es noch umstritten, ob die künstliche Ernährung zur Basispflege gehört (auf die jeder immer Anspruch hat) oder ob sie zu den medizinischen Maßnahmen zählt, die nur auf Wunsch durchgeführt werden. Die Grundsätze der Bundesärztekammer vom Sept. 98 sprechen vom "Stillen von Hunger und Durst" als ärztliche Aufgabe am Lebensende und machen damit deutlich, dass die subjektiv empfundenen Bedürfnisse ausschlaggebend sein sollen. Wenn ein Patient sich aber nicht mehr äußern kann, weiß die Umgebung nicht, ob er Hunger oder Durst hat und denkt dann schnell an künstliche Ernährung. Die oben angeführten Studien belegen, dass die Erwartungen durch die künstliche Ernährung oft nicht erfüllt werden. - 5 -

- 5 - Es ist eher das Problem, dass die Umgebung nicht damit umgehen kann, wenn ein Sterbender nicht oder kaum essen will, weil er kaum der noch Hunger und Durst hat. Ärzte, Pflegende oder Angehörige wollen ihm nicht schaden mit der angebotenen oder aufgedrängten Nahrung. Sie meinen, dass sie ihm noch nützt. Sie können ihre Machtlosigkeit angesichts des Todes nur schwer aushalten und möchten noch nicht akzeptieren, dass ein geliebter Mensch bald stirbt. Wenn ihnen bewusst wäre, dass sie den Sterbenden mit der forcierten Nahrungszufuhr eher quälen, könnten sie leichter darauf verzichten. Sie wollen Ihre Mutter doch nicht verhungern lassen! Das ist eine Aussage, die mit unfairer Wortwahl Schuldgefühle wecken soll und zugleich einen Denkfehler verdeckt. Todesursache ist (und bleibt auch mit den neuen Möglichkeiten der künstlichen Ernährung) die zugrunde liegende Erkrankung mit Schluckschwierigkeiten durch allmähliches Organversagen am Lebensende ein natürlicher Ablauf, der schon immer zum Alt-Werden von Menschen gehört und der den Sterbeprozess verkürzt und erleichtert. Seit 20 Jahren wird die PEG zunehmend auch am Lebensende eingesetzt und damit ergab sich ein Wandel im Denken und Fühlen: die neue Methode wurde zu Unrecht als moralisch erforderliche Behandlung am Lebensende eingestuft und in der Folge das Verweigern oder Beenden dieser Behandlung als Todesursache empfunden. (Dabei werden menschliche Handlungen und natürliche Abläufe vermengt.) Unter diesen Voraussetzungen ist die Beendigung einer Therapie kein Töten. Wer darf / soll entscheiden? Das Legen einer PEG- Sonde ist wie alle ärztlichen Behandlungen eine Maßnahme, die nur mit Zustimmung des Patienten durchgeführt werden darf. Wenn der Patient selbst nicht mehr zustimmen kann, muss geprüft werden, ob er sich vorher zur Frage der künstlichen Ernährung geäußert hat. Ansonsten muss sein Betreuer oder die von ihm bevollmächtigte Person erst die Zustimmung geben, bevor der Eingriff gemacht werden darf. Ärzte oder Pflegende dürfen nicht allein entscheiden. Es gibt Bestrebungen, das Legen der PEG von der Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes abhängig zu machen. Welche Alternativen gibt es? Falls Sie Betreuer oder Bevollmächtigter für Ihren Angehörigen sind und vor dieser Entscheidung stehen, lassen Sie sich nicht unter Zeitdruck stellen. Für die Zeit, bis Sie in Ruhe alles abwägen können, gibt es andere Möglichkeiten der Ernährung. Sie dürfen (wenn Ihnen die negativen Auswirkungen der PEG- Sonde in der Situation Ihres Angehörigen zu schwerwiegend erscheinen) das Legen der Magensonde verbieten, weil es überhaupt nicht sicher ist, dass ihm damit noch Lebenszeit und/oder Lebensqualität geschenkt wird. Wenn Sie und der behandelnde Arzt zur Feststellung kommen, dass Ihr Angehöriger jetzt in seinem letzten Lebensabschnitt lebt, schenken Sie ihm und sich selbst mehr, wenn Sie Ihre Zeit schenken: um mit sorgfältiger Mundpflege seine Mundtrockenheit zu lindern, um Nahrung zu reichen, die der Patient selbst wünscht - oder wenn er keine Nahrung mehr wünscht, können Sie ihm nahe sein, ihm erzählen, ihn streicheln oder massieren.. Erinnerungen an letzte so gemeinsam gefüllte Stunden, die Sie miteinander erlebt haben, werden für Sie nach dem Tod Ihres Angehörigen ein stärkerer Trost sein, als die Erinnerung an eine vielleicht längerzeitige künstliche Ernährung. Es ist sicher nicht leicht, in diesem Bereich - 6 -

- 6 - eine Entscheidung zu treffen, insbesondere wenn man dabei noch von außen moralisch unter Druck gesetzt wird. Wie möchten Sie für sich selbst entscheiden? Einfacher ist es, wenn man eine solche Entscheidung für sich selbst fällen muss. Das kann man auch im Voraus tun, etwa beim Erstellen seiner eigenen Patientenverfügung. Dabei geht es nicht darum, künstliche Ernährung grundsätzlich zu verbieten, sondern darum aufzuschreiben, unter welchen Voraussetzungen man sie für sich selbst erlauben will. Es ist auch möglich, eine zeitliche Begrenzung festzulegen. So schlägt der Vormundschaftsrichter Rink aus Frankfurt vor: Für den Fall, dass ich über einen bestimmten Zeitraum (x Wochen / Monate) im Koma liege und nach medizinischer Ansicht keine Chance besteht, dass ich noch einmal aufwache oder irgendwie bewusst leben könnte, will ich, dass die künstliche Ernährung eingestellt wird."