Zahlen zum Einklemmungstrauma (SAR Ulm , Teil I)

Ähnliche Dokumente
Das Polytrauma. Erstversorgung & Management Erstellt von G. Kubiak (Referent Sanitätswesen DLRG Bezirk Bochum) 1

Bewusstlosigkeit. Stabile Seitenlage

1. Hilfe Lerndossier. Notrufnummern Polizei-Notruf 117. Feuerwehr-Notruf 118. Sanitäts-Notruf 144. REGA-RettungsHelikopter Pannenhilfe / TCS 140

Sanitätsausbildung vom bis Lehrgangsleitung: Frank Schönmetzler

Modul 1 (Grundsätze, Erstdiagnostik, Hygiene, Dokumentation, Bewusstlosigkeit,

Erste Hilfe am Kind. Erste Hilfe am Säugling und Kleinkind. Lehrgangsunterlagen. Sicher handeln bei Notfällen im Säuglings- und Kleinkindalter

Freiwillige Feuerwehr Stadt Püttlingen. Thema: Erste Hilfe

Notfallsanitäter. Diagnosestellung. B. Hossfeld. Sektion Notfallmedizin Klinik für Anästhesiologie & Intensivmedizin Bundeswehrkrankenhaus Ulm

Ausgerichtet an Anlage 5 der gemeinsamen Grundsätze der BAGEH-HO in der jeweils gültigen Fassung

Hinweise zum Vorgehen zu den Fällen

Wie viel Management braucht ein Trauma?

Das Patientenprotokoll

Leistungsnachweis 2016

TRAUMA EPIDEMIOLOGIE: TRAUMA. 3-gipfelige Letalitätskurve. Letalität: Trauma NOTARZT REFRESHERKURS 2017

Notfallmanagement in der zahnärztlichen Praxis

BLACK HAND ORKS. Erste Hilfe auf Con. Black Hand Orks Folie Nr.: 1/25. Stand

Bewusstlosigkeit. aus kinderchirurgischer Sicht

schulsanitätsdienst berlin Retten macht Schule!

30./ Notfälle im Betrieb Gedanken aus der Sicht des Rettungsdienstes

Bereitschaft 8 Stuttgart-Untertürkheim

KTQ-Zertifizierung im Rettungsdienst als nahtlose Einbindung in die sektorenübergreifende Qualitätssicherung im Gesundheitswesen

Wenn Kinder Grosses leisten. Ein. Leitfadennach. für Notfälle. 2. komplett überarbeitete Auflage und 2 neue Notfälle: Herzinfarkt und Schlaganfall

Schnittstellen Rettungsdienst Feuerwehr

Informationsservice der Johanniter für Betriebe und Unternehmen

Lagerung von Patienten im Rettungsdienst

Projekt Laienreanimation

Freiwillige Feuerwehr Stadt Püttlingen. Ausbilder: Thorsten Becker, Björn Leidinger, Dirk Dillenkofer. Thema: Erste Hilfe

Die Aus- und Fortbildung der betrieblichen Ersthelferinnen und Ersthelfer soll ab April 2015 an einem Tag erfolgen.

HLW und Erste Hilfe für die Paddler Teil II

Neues aus der Unfallmedizin Update Trauma-Management für Einsatzkräfte der Feuerwehr

Notfallmedizin. Bearbeitet von Thomas Ziegenfuß

Das ABCDE- Schema. Veranstaltungen des Bildungsinstituts. Folie 1

Im Notfall richtig handeln

Musterausbildungsplan für DRK-Einsatzeinheiten. Ausbildung nur durch Ausbilder Sanitätsausbildung Teil A

Checkliste für "Akuter Bauch"

Sicher handeln im Notfall.

SCHÄDEL HIRN TRAUMA. Autor: Dr. Fidel Elsensohn. Österreichischer Bergrettungsdienst

Die Herz-Lungen-Wiederbelebung

Hohe Notarzt-Qualifikation ist erst außerhalb von Algorithmen notwendig.

Fragenkatalog zur Hessischen Feuerwehrleistungsübung Lebensrettende Sofortmaßnahmen (Erste Hilfe) Es ist nur eine Antwortmöglichkeit richtig!

Störungen der Funktionen Atmung und/oder Herz-Kreislauf können also auch zur Bewußtlosigkeit führen.

Ortsfeuerwehr mit Grundausstattung beim Verkehrsunfall mit eingeklemmten Personen. FFw Wichtenbeck

Erste Hilfe Kurs (SuS)

Können Sie noch Erste Hilfe? EuroTest-Umfrage von DRK und ADAC

Fachhandbuch für Q08 - Notfallmedizin (6. FS) Inhaltsverzeichnis. 1. Übersicht über die Unterrichtsveranstaltungen... 2

PERUMOTO Erste Hilfe. Stabile Seitenlagerung

Einsatzhilfe. und. Einsatztagebuch. für den. Organisatorischen Leiter. Rettungsdienst

PHTLS und ATLS - Schwerpunkt Schock präklinisch -

Wege zur bedarfsgerechten Rettungsdienstausbildung Der Rettungsdienst im Bereich der Integrierten Leitstelle Westmecklenburg

Einsatztaktische Aspekte

PHTLS und ATLS - Schwerpunkt Schock präklinisch -

Auf finden Sie eine größere Aufnahme von diesem Bild. Makroskopie. Pupillenreaktion

Rettung bei Herzstillstand

Fragenkatalog zur Hessischen Feuerwehrleistungsübung Lebensrettende Sofortmaßnahmen (Erste Hilfe) Es ist nur eine Antwortmöglichkeit richtig!

Notfall-Set. Das. Das Notfall-Set. Erste Hilfe Vollmachten & Verfügungen Schweigepflichtentbindung Mit Notfallpass. Mit Formularen zum Ausdrucken

BASIC LIFE SUPPORT Die Erste Hilfe

Risikoprofil polytraumatisierter Kinder mit einem zusätzlichen Schädelhirntrauma

Trauma Guide Lines Wirbelsäule

Erste-Hilfe- Familienplaner

Erste-Hilfe- Familienplaner

Lehrinhalte Für den Unterricht zur Wiederbelebung

Foto: O. Poppe / DRK Göhl e.v.

Ist der Rettungsdienst vor dem First-Responder eingetroffen?

im Kreis Nordfriesland Jens-Peter Lindner Fachdienst Rettungswesen - Kreis Nordfriesland Katastrophenschutz Rettungsdienst

Ersteinschätzung und initiale Beurteilung Patient ABCDE

Unterweisungskurzgespräch Erste Hilfe


Der Atemweg - mit oder ohne Tubus

Trauma & Polytrauma Info 1.1

Notfallsituationen Vitalfunktionen und ihre Störungen

Sanitätslehrgang 2013 Herbst. Ausbilderübersicht: Lehrgangsübersicht:

Rufen Sie laut «Hilfe», wenn andere Personen in der Nähe sind, die Ihnen behilflich sein könnten.

Herz-Kreislauf Probleme. Herzinfarkt, Herzstillstand 07. Juli :30 bis 19:50 Uhr Hallenbad Untermosen Wädenswil. Seite

Kurz-Instruktion 12. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Fleischerei-Berufsgenossenschaft Mainz, Deutschland

Fachliche Grundlagen Methodik / Didaktik Inhalt

Verletzungen von Gehirn und Wirbelsäule. Dr. C. Mohr - Oberarzt / Neuroradiologie

Standard-Einsatz-Regel (SER) Wasser- und Eisrettung Stand: Januar 2010

- Schwerpunkt Schädel Hirn Trauma - Eine gemeinsame Sprache

VERLETZUNGEN DES KÖRPERSTAMMES WIRBELSÄULE UND BECKEN

Verletzungen von Gehirn und Wirbelsäule. Dr. C. Mohr - Oberarzt / Neuroradiologie

Thema: Erste Massnahmen Rettungsdienst

Beim Notfalleinsatz entfällt der Beleg Verordnung der Krankenbeförderung

Ortsverband Holzminden. Herzlich willkommen. Wolfgang Torunski Rettungsassistent

Handbuch First-Responder Rettungsdienst Spital STS AG

Ist der Rettungsdienst vor dem First-Responder eingetroffen?

Grundlegende notfallmedizinische Maßnahmen

Thema: Erste Massnahmen Rettungsdienst

Der Schock - eine lebensbedrohliche Kreislaufstörung

Berufsgenossenschaftliche Information für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (bisherige ZH 1/143) Verwaltungs-Berufsgenossenschaft

Notfälle im Kindesalter

Unterweisungskurzgespräch Erste Hilfe

Deckblatt. Cardio- Pulmonale- Reanimation. SK Tauchsicherheit & Rettung; Medizin-Praxis mit AED, Seite 1

Erste Hilfe. Handzettel

RettSan-Ausbildung Rettungswachenpraktikum Anlage 2

ERSTE HILFE. Übungsbeispiele für Bezirksbewerbe in Oberösterreich Österreichisches Jugendrotkreuz

Erste Hilfe und Notfall

Arbeitsblätter. Wiederbelebung verstehen und anwenden PRÜFEN RUFEN - DRÜCKEN

Teil 2 Typische Notfälle

Erste Hilfe Training

Transkript:

Zahlen zum Einklemmungstrauma (SAR Ulm 75 1988-1991, Teil I) In einer Untersuchung (veröffentlicht Akt. Chir. 1994) waren von 1291 versorgten Traumapatienten 162 eingeklemmt. Davon waren 80,2% mehrfachverletzt und 49,4% wiesen ein Polytrauma auf (= Zwei und mehr für sich bereits lebensgefährliche Verletzungen in Kombination, also Oberschenkel - und Beckenbrüche, innere Verletzungen im Bauch und Brustkorb sowie Schädel- Hirn-Verletzung)

Zahlen zum Einklemmungstrauma (SAR Ulm 75 1988-1991, Teil II) Kontinuierliche Zunahme des prozentualen Anteils Eingeklemmter bei Verkehrsunfällen Mittlere Einklemmungsdauer 23,3 (8-55) Minuten

Zahlen zum Einklemmungstrauma (SAR Ulm 75, 1988-1991, Teil III) Verletzungsmuster: Extremitäten 26% Schädel-Hirn-Verletzung 22% Thorax (Brustkorb + Organe) 21% Bauch (Innere Organe, Blutgefäße) 21% Lebensbedrohende Zustände: SHT mit GCS < 7 27% Instabile Atemfunktion 58% Schockindex > 1 51%

Zahlen zum Einklemmungstrauma (SAR Ulm 75, 1988-1991, Teil IV) Häufigkeit von Intubation und Beatmung beim Eingeklemmten: 69% (Fehler: RTH!!) Während Einklemmungsphase: 31% Nach Entklemmung: 38% Rhodes et al.: Nur 36,4 % der Eingeklemmten wiesen normale Vitalparameter (Klares Bewußtsein, guter Blutdruck, stabile Atmung) auf.

Herz-Kreislauf-Wirkungen beim Einklemmungstrauma Kompression ggf. von äußeren und inneren Blutungen (V.a. bei Einklemmung der Beine) Einschränkung des Blutrückflusses zum Herzen durch Kompression, häufig der unteren Hohlvene Ungünstig ist, daß die Einklemmung zumeist in sitzender Position erfolgt (Kopf höchster Punkt, daher Gefahr von Mangeldurchblutung und Bewußtseinsverlust bei schlechtem Kreislauf) Vorerkrankungen? Immer mehr alte Traumapatienten!

Auswirkungen auf die Atmung durch die Einklemmung Bei Einklemmung des Brustkorbes (und Bauches) können die Atembewegungen derart eingeschränkt sein, daß es zu Sauerstoffmangel, Kohlendioxidanstieg und dadurch ebenfalls zu Bewußtlosigkeit und einer bedrohlichen Übersäuerung des Blutes kommen kann!! Günstig kann dabei aber primär die Kompression innerer Blutungen sein (z.b. beim sog. Hämato- (Pneumo-) Thorax)

Sonstige Auswirkungen auf den Patienten bei Einklemmung Extrem hohe Unterkühlungsgefahr durch: Eingeschränkte aktive Bewegungsmöglichkeit (Verletzungsmuster, Fixiert-Sein) Minderdurchblutung Schlechte Möglichkeiten zum Wärmerhalt (Zugänglichkeit) Großflächiger Kontakt mit Metall (Hohe Wärmeleitfähigkeit!), auch im Sommer!!

Was passiert beim Entklemmen des Patienten? (Teil I) Verstärkte Blutung aus komprimierten Körperteilen durch Wegfall der Kompression und durch reaktive Gefäßweitstellung (Übersäuerung! Tourniquetsyndrom!) Wegfall des peripheren Widerstandes ( Ebenf. reaktive Gefäßweitstellung), dadurch Verstärkung des Schocks Bei weiterbestehender Oberkörperhochlagerung häufig dadurch Bewußtseinsbeeinträchtigung folgend!!

Was passiert beim Entklemmen des Patienten? (Teil II) Nach längerer Einklemmung des Brustkorbes nicht selten reaktives Lungenödem. Resümee: Der Patient ist durch die Entklemmung akut gefährdet, ohne spezifisch notärztlich - medizinische Maßnahmen (Schockbe-kämpfung!!) kann der Patient durch den Vorgang der Entklemmung versterben!!

Wie sollte die Feuerwehr bei Eingeklemmten vorgehen?(i) Oberstes Gebot: Keine Entklemmung ohne Rettungsdienst vor Ort! Lassen Sie sich nicht in Zugzwang bringen! Je großflächiger die Einklemmung, desto wichtiger ist die Vorversorgung vor Entklemmung durch den RD!! Im äußersten Notfall z.b. bei Erstickungsgefahr des Patienten z.b. Rückenlehne abknapsen und den Patient dann aber möglichst mit dem Oberkörper eher flachlagern (Tolerierung durch Patient?)!!

Wie sollte die Feuerwehr bei Eingeklemmten vorgehen? (II) Wichtig ist die enge Zusammenarbeit von Feuerwehr (TEL) und Notarztdienst (LNA): Genaues Absprechen der Einzelschritte zur Rettung des Patienten, ggf. mit Ping-Pong-Vorgehensweise Sehr hilfreich sind unterstützende Maßnahmen wie: Abschirmung Wärmeerhalt mit Scheinwerfern (etc., s.u.)

Wie sollte die Feuerwehr bei Eingeklemmten vorgehen? (III) Bei Rettungsmaßnahmen gilt: Life before Limb (Notärztliche Entscheidung!) Grundsätzlich wird die Wahrscheinlichkeit der QS- Lähmung durch unsachgerechte Rettung eines Wirbelverletzten überschätzt (tatsächlich < 1% bei manifester Verletzung), daher wirbelgerechte Rettung bei stabilem Patient, eher beschleunigte Rettung bei instabilem (z.b. bewußtlosem) Patient, wenn Stabilisierung in eingeklemmtem Zustand unmöglich!!

Wie sollte die Feuerwehr bei Eingeklemmten vorgehen?(iv) Zur wirbelgerechten Rettung sind folgende Maßnahmen indiziert: Abtrennen des Daches Herstellen einer schiefen Ebene (Rückenlehne abknapsen ) Pat. auf eine Schaufeltrage ziehen, die zwischen Sitz und Patientenrücken gebracht wird: Zu vermeiden sind Drehbewegungen, sowie Verkippen; übertriebener Längszug ist ebenfalls zu vermeiden. Merke: Vor der Rettung auf die Schaufeltrage ist eine HWS-Immobilisation durchzuführen Ggf. Fixation mit Gurten auf der Schaufeltrage bei längerem bzw. gefährlichem Transport Lagerung auf Rettungstuch und Vakuummatratze

Was braucht s zur sachgerechten Hilfe durch die Feuerwehr bei Eingeklemmten? Um fachgerecht helfen zu können, v.a. im Bereich der abseits der Rettungswachen gelegenen Stützpunktwehren ist aus meiner Sicht zu fordern: Mindestens ein Feuerwehrmann mit Ausbildung SAN, Rettungshelfer oder Rettungssanitäter Regelmäßige EH - Nachschulung der gesamten Truppe (Herz-Lungen-Wiederbelebung!!) Ein notfallmedizinisches Basisequipment (Sauerstoff, Beatmungshilfe, ggf. HWS-Immobilisationskragen, ggf. automatisches Handgelenk-RR-Gerät, Decken)

Wünsche des (L)NA an die Feuerwehr, Teil I In Stützpunktwehren gew. Potential an Feuerwehrleuten mit qualifizierter First Responder - Ausbildung sowie an entsprechendem Material Keine Entklemmung des Patienten ohne Not und daher ohne Notarzt vor Ort Wesentliche erweiterte EH - Maßnahmen: Sauerstoffgabe, Wärmeerhalt (Halogenstrahler, Deckenmaterial), ggf. Beatmung und HLW Enge Kooperation zw. Fw und RD am Einsatzort

Wünsche des (L)NA an die Feuerwehr, Teil II Abstellen etwaiger freier Wehrmänner zum Sammeln und zur Betreuung Un- und Leichtverletzter : ==> z.b. im MTW oder an einem Ort, der nicht zu nahe, aber auch nicht zu weit von der Einsatzstelle entfernt liegt. Absichern der Unfallstelle bei weiter fließendem Verkehr (Formel I - Prinzip?) Unnötigen Lärm vermeiden (Schmerzmittel Ketamin/ Ketanest ist ein LSD-Abkömmling ==> Bad dreams!!)

Wünsche des (L)NA an die Feuerwehr, Teil III Den Rettungsdienst bei der Suche nach für Verletzungsfolgen relevanten Unfallspuren unterstützen (mit Ende der technischen Rettung werden ja in jedem Fall Kräfte frei): Dashboard - Verletzung? Verbundglascheibe ausgebeult, andere aussagekräftige Fahrzeugdeformierungen? Zu tief eingestellte Kopfstütze? Gurt, Helm getragen? etc.

Fazit Nur durch gemeinsames Üben und Kennenlernen ist eine sinnvolle Zusammenarbeit gerade auch im Großschadenereignis möglich! Der Feuerwehr wird künftig mit der qualifizierten (First Responder) in Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen ein weiteres wichtiges und interessantes Betätigungsfeld eröffnet.