LITERATUR MACHEN. Schreibwerkstätten im Deutschunterricht

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Transkript:

LITERATUR MACHEN Schreibwerkstätten im Deutschunterricht Ein Projekt des Literaturhauses Stuttgart In Kooperation mit dem Landesinstitut für Schulentwicklung und den Seminareinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung

Impressum LITERATUR MACHEN Literatur machen Unterricht im Dialog: Schreibwerkstätten im Deutschunterricht Ein Projekt des Literaturhauses Stuttgart In Kooperation mit dem Landesinstitut für Schulentwicklung und den Seminareinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg Gefördert durch die Robert Bosch Stiftung Redaktion: Boris Kerenski, Tilman Rau Layout: Jochen Starz Fotos: Yves Noir Kontakt: Literaturhaus Stuttgart, Erwin Krottenthaler Boschareal, Breitscheidstraße 4, 70174 Stuttgart Tel. 0711/220 21 741, Fax 0711/220 21 748 info@literaturhaus-stuttgart.de, www.literaturhaus-stuttgart.de Besuchen Sie auch die Internetseite für junge Literatur des Literaturhauses Stuttgart: www.literaturmachen.de Schreibwerkstätten im Deutschunterricht 1

Inhaltsverzeichnis Grußwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg... 4 Vorwort des Literaturhauses Stuttgart... 6 Schreibwerkstätten im Unterricht Comic Stefan Dinter... 10 Drama Thomas Richhardt... 12 Lyrik José F. A. Oliver... 14 Prosa Tilman Rau... 16 Prosa & Fotografie Ulrike Wörner und Yves Noir... 18 Reportage Tilman Rau... 20 Wort und Spiele Timo Brunke... 22 Stuttgarter PartnerSchulen Lehenschule... 26 Friedensschule... 28 Schloss-Realschule... 30 Realschule Ostheim... 32 Max-Eyth-Schule... 34 Eberhard-Ludwigs-Gymnasium... 36 Friedrich-Eugens-Gymnasium... 38 Unsere ProjektPartner Landesinstitut für Schulentwicklung in Baden-Württemberg... 42 Seminareinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg... 44 Institut für Schulpädagogik, Philipps-Universität Marburg... 46 2 Die Präsentation der Werkstätten... 48 3

Grußwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Grußwort Die Bildungsstandards von 2004 haben Anstöße für eine neue Konzeption des Literaturunterrichts in der Schule gegeben. Aus Bildungsstandards muss die Unterrichtsplanung erst entwickelt werden. In diesem Zusammenhang ist zu klären, welche Unterrichtsinhalte und Methoden geeignet sind, um Kompetenzen und unverzichtbares Wissen zu erwerben. Literatur kann ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn sie mit Freude gelesen wird, zum Mitfühlen und Mitdenken anregt und einen persönlichen Gewinn bringt. Deshalb steht im Zentrum der neuen Konzeption für den Literaturunterricht die Frage, wie dies gelingen kann. Medien können die unmittelbare Begegnung mit der Literatur nicht ersetzen, aber sie können und sollen sie fördern und ergänzen. Ein handlungs- und produktionsorientiertes methodisches Vorgehen unterstützt bei Schülerinnen und Schülern den kreativen Umgang mit literarischen Texten. Zugänge zur Literatur eröffnen die Internetrecherche, Illustrationen, Bilder, Skizzen, Zeitungsberichte, Aufführungen und Autorenlesungen. Lehrerinnen und Lehrer haben den Freiraum, Texte auszuwählen, die ihre Klasse besonders ansprechen. Wenn eine Lehrkraft im Team mit einem Werkstattleiter wie im vorliegenden Projekt vorgesehen Methoden und Arbeitsansätze entwickelt, in denen Bildungsstandards im Sinne offener kreativer Schreibformen konkretisiert werden, kann bei den Schülerinnen und Schülern das Verständnis für den Umgang mit Literatur erweitert und die Sprachkompetenz in der Begegnung mit den literarischen Ausdrucksformen gefördert werden. Es kommt den Schulen entgegen, dass die Arbeitsansätze und Methoden im Umgang mit dem literarischen Schreiben in den regulären Deutschunterricht integriert werden. Da die Dozentinnen und Dozenten aus der literarischen Praxis kommen, kann ihre Kompetenz den Vermittlungsansatz von Sprache und Literatur modifizieren. Die Schülerinnen und Schüler können zum Beispiel lernen, über das Medium Comic Geschichten zu erzählen. Sie können Vorgänge in Szene setzen, die die kreative Kraft des dramatischen Arbeitens freisetzen. Sie können der klassischen, der modernen und der neuen Lyrik begegnen und im Rahmen dieses Projekts selbst schreiben. Auch die Beschäftigung mit verschiedenen Prosaformen ist vorgesehen, in einer Fotowerkstatt werden ihnen neue Möglichkeiten des individuellen bildnerischen Ausdrucks gezeigt. Sie können aber auch das Thema Reportage umsetzen und so die Arbeit einer Zeitungsredaktion nachvollziehen. Sprachspiele helfen ihnen, die eigenen Sprech- und Sprachmuster zu erweitern und variabler zu gestalten. All dies sind neue Formen des Literaturunterrichts, die einen dialogischen Literatur- und Schreibunterricht in der Schule fördern können. Helmut Rau MdL Minister für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg 4 5

Vorwort des Literaturhauses Stuttgart 6 Unterricht im Dialog Schreibwerkstätten im Deutschunterricht Schreibwerkstätten und Deutschunterricht passt das zusammen? Seit dem Schuljahr 2006/2007 versucht das Literaturhaus Stuttgart gefördert durch die Robert Bosch Stiftung mit dem Projekt Unterricht im Dialog dieser Fragestellung auf den Grund zu gehen. Anstatt wie bisher kurze und unabhängige Einzelprojekte im Literaturhaus durchzuführen, werden jetzt an ausgewählten Pilotschulen die Werkstattangebote des Literaturhauses über einen Zeitraum von fünf Jahren in den regulären Deutschunterricht integriert. Dadurch ergibt sich eine Konstellation, die für alle Beteiligten neu und ungewohnt ist eine besondere Herausforderung. Die Dozentinnen und Dozenten, die künstlerische Berufe ausüben, unterrichten gemeinsam mit der Deutschlehrkraft über ein Schuljahr hinweg jeweils eine reguläre Schulklasse. Mit den bisherigen Schreibwerkstätten, an denen in der Regel bis zu 15 Jugendliche auf freiwilliger Basis und entsprechend hoch motiviert teilnahmen, hat das nur noch wenig zu tun. Die Lehrerinnen und Lehrer wiederum, für die eine Klassenstärke mit 30 oder mehr Schülern alltäglich ist, haben nun plötzlich jemanden an ihrer Seite, der aktiv in den Unterricht eingreift. Statt wie sonst als Einzelkämpfer vor die Klasse zu treten, sind sie nun Teil eines Teams, das in einem gemeinschaftlichen Prozess Unterrichtsinhalte aufeinander abstimmt und optimiert. Es liegt auf der Hand, dass dies viele Herausforderungen mit sich bringt. Zum Beispiel die Frage, ob der vorgeschriebene Unterrichtsstoff zu kurz kommt, wenn stattdessen Comics gezeichnet, Bühnenpräsentationen geübt, Gedichte geschrieben und überarbeitet werden. Auch für die Schülerinnen und Schüler ergibt sich aus alledem eine neue Situation. Statt wie bisher in erster Linie Aufsätze zu schreiben, sind sie nun aufgefordert, kreativ zu sein. Im Bereich Lyrik sollen sie zum Beispiel persönliche Gedanken und Eindrücke in Sprache verdichten. Im Bereich Reportage selbstständig recherchieren und Interviews führen. In der Gruppe Drama wird ein Bühnenstück verfasst und selbst aufgeführt. Selbstverständlich steht auch in dieser veränderten Unterrichtsform am Ende des Schuljahres eine Note auf dem Papier. Und natürlich muss diese Note transparent und vermittelbar sein Schülern und Eltern gleichermaßen. Die Teams versuchen, Wege und Lösungen zu finden, die sowohl dem Anspruch des Bildungsplanes als auch der künstlerischen, sprachlichen und persönlichen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler während des Jahres gerecht werden. All dies zeigt, wie kompliziert und vielschichtig die Thematik Schreibwerkstätten im Deutschunterricht und die Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen Kultur- und Bildungseinrichtungen ist. Ich gebe gerne zu, dass wir uns im Vorfeld einiges einfacher vorgestellt haben. Dennoch haben alle Beteiligten bereits viele positive Erfahrungen gemacht. Ergebnisse aus annähernd 50 offenen Werkstattprojekten in den Jahren 2001 bis 2006 mit ca. 800 Jugendlichen im Alter von 14 bis 21 Jahren haben gezeigt, dass die Teilnahme an einer Schreibwerkstatt die Sprachsensibilität fördert, die schöpferische Kreativität verfeinert, die Fantasie anregt und das Verständnis für den Umgang mit Literatur insgesamt erweitert. Die Zusammenarbeit zwischen dem Literaturhaus und den Partnerschulen wäre über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht möglich, wenn nicht die Dozentinnen und Dozenten und die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer so hoch motiviert, kooperativ und stressresistent wären. Und bereit, Neues zu versuchen und zu wagen. Es ist nicht selbstverständlich, dass Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten (beteiligt sind eine Förderschule, zwei Hauptschulen, zwei Realschulen, zwei Gymnasien und eine Berufsfachschule) an einem Tisch über die nötigen Veränderungen des Deutschunterrichts diskutieren. Zudem wäre das Projekt sicherlich bereits im Vorfeld zum Scheitern verurteilt gewesen, wenn uns nicht mit dem Landesinstitut für Schulentwicklung und den Seminareinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg, Kooperationspartner zur Seite stünden, die das Literaturhaus immer wieder in organisatorischen und rechtlichen Sachverhalten beraten. Im Sinne einer Übertragbarkeit sollen deshalb am Ende Ergebnisse aufzeigt werden, die künftig in die Bildungsplanarbeit und in Fortbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer einfließen können. Hierfür soll nicht zuletzt die Einbindung der Universität Marburg beitragen, die das Projekt wissenschaftlich begleitet. Jeweils zum Schuljahresende werden Arbeitsansätze, einzelne Übungen und Ergebnisse aus allen Einzelprojekten in der Zeitschrift Literatur machen dokumentiert und auf unserer Projektwebsite www.literaturmachen.de veröffentlicht. Mit der vorliegende Infobroschüre möchten wir Ihnen die an dem Projekt beteiligten Personen und Institutionen vorstellen. Unser ganz besonderer Dank gilt der Robert Bosch Stiftung, die uns seit Jahren bei der Umsetzung unserer Ideen unterstützt. Wir hoffen sehr, dass wir Ihr Interesse an unserem Projekt wecken und Sie zur Nachahmung unseres Arbeitsansatzes anregen können. Erwin Krottenthaler Stellvertretender Leiter des Literaturhauses Stuttgart 7

Schreibwerkstätten im Unterricht 8 Comic (Stefan Dinter) Drama (Thomas Richhardt) Lyrik (José F. A. Oliver) Prosa (Tilman Rau) Prosa & Fotografie (Ulrike Wörner/Yves Noir) Reportage (Tilman Rau) Wort und Spiele (Timo Brunke) 9

Comic Wir entdecken, dass vor dem Zeichnen das Schreiben kommt. Und davor die Idee. Dass hinter einer Geschichte ein Konzept steht. Über klasseninterne Präsentationen und Einzelgespräche mit Lehrer und Dozent erwerben die Schüler neue gestalterische Kompetenzen und bauen schon vorhandene aus: analytischeres Hinsehen, besseres Einschätzen der eigenen Arbeit, Kritikfähigkeit, exakte Benennung von Problemen, verschiedene zeichnerische Herangehensweisen und Techniken. Am Ende des Kurses soll jeder Schüler das Werkzeug an der Hand haben, um eine eigene Geschichte in Comicform sicher und gut erzählen zu können. 10 Wortbilder und Bildworte (in Blasen und Kästen und drumherum) Wo sich das Wort am Bild reibt, wo das Bild uns Worte eingibt, wo ein Bild und ein Wort zusammen mehr sagen als ein Bild oder ein Wort, wo die Geschichte in der Pause zwischen den Bildern und den Worten stattfindet: da entstehen Comics. Comics können zeigen, wo sie nicht sprechen, und sie können sprechen, wo die Bilder ihr Ende finden. Als ein Medium, das andere Medien kombiniert, können sie mit Mitteln des Dramas umgehen, mit Mitteln von Prosa, Reportage, Lyrik, Biografie, Autobiografie aber auch mit impressionistischen oder expressionistischen Stilen, realistisch, abstrakt, karikierend. Dies alles in der Stilistik des jeweiligen Comicautoren. Wir müssen nur die Vokabeln und die Grammatik der Comics lernen. Dann können wir ihre Sprache sprechen. Und in ihr erzählen. Ideen zu Worten zu Bildern In diesem Workshop geht es darum, über das Medium Comic Geschichten zu erzählen, und nicht darum, perfekt zeichnen zu lernen. Wir wollen Geschichten in Wort-Bild-Kombinationen schreiben/zeichnen. Die Schüler erfahren die Geschichte der Comics, sie lernen ihre Spezialbegriffe. Wir beginnen mit einfachen Übungen, die eventuelle Ängste vor dem Skizzieren und Zeichnen abbauen, wir schreiben Drehbücher, wir sprechen über dramaturgische Ansätze in der Erzählung. Bausteine Vermittlung der Geschichte und der Gestalt der Comics Neuer Wortschatz: die Vokabeln der Comics Nutzung des Skizzenbuchs als Labor für Ideen Comics richtig schreiben: von Idee über Plot und Exposé zum Skript, von der Daumennagelskizze über Skizze, Reinskizze und Vorzeichnung zur Reinzeichnung Wie kann ein Skript für einen Comic aussehen Verschiedene Formen des Schreibens: Full Script (Dialogdrehbuch), Stichwortdrehbuch, Scribble Script, Marvel Method Von der Charakterskizze zur Figur, Erstellung von Rollenbiografien und ihre zeichnerische Ausarbeitung, Erlernen einfacher Regeln zum Zeichnen von Portraits und Figuren in der Perspektive Die Geschichte auf der Seite: verschiedene Erzählperspektiven, das Umblättern als Teil der Dramaturgie Was brauche ich zum Zeichnen, Vorstellung verschiedener Werkzeuge Was geschieht nach der Reinzeichnung: Kolorierung, Lettering, Druckvorstufe, gedrucktes Buch Gäste: Comiczeichner mit aktuellen Projekten Der Dozent Stefan Dinter (*1965) studierte Kommunikationsdesign an der Merz Akademie, Stuttgart, bei Prof. Julio Rondo. Er arbeitet seit 1993 als freier Illustrator und Comiczeichner für Verlage, Zeitungen und Agenturen in Deutschland und den USA. Als Redakteur betreut er junge deutsche Zeichner für einen deutschen Independent-Comicverlag. 11

Drama 12 10 Gründe, warum Schüler immerzu Teilnehmer einer Drama-Werkstatt sind: Jeder Schüler sucht von Beginn an seine Rolle in der Klasse Jeder Schüler entwickelt ein Gespür für Subtexte und unausgesprochene Verhaltensregeln Jeder Schüler arbeitet daran, sich, seine Meinungen und seine Vorstellungen in der Klasse zu positionieren Jeder Schüler muss lernen, sich mit Konflikten auseinander zu setzen Jeder Schüler ist damit konfrontiert, dass Unterricht nur im Zusammenspiel aller Beteiligten funktioniert Jeder Schüler hat ein Gespür für die Kraft einer unerhörten Sprache Jeder Schüler weiß, dass das Wesentliche in den Pausen stattfindet Jeder Schüler experimentiert mit der Wirkung von Störungen Jeder Schüler erprobt die spielerischen Möglichkeiten der Schulräume Jeder Schüler ist im ständigen Dialog mit sich selbst und den Anderen Die Drama-Werkstatt arbeitet mit dem, was sie in der Klasse vorfindet. Sie bietet die Möglichkeit, Strukturen bewusst zu machen und diese zu gestalten. Mit Hilfe von choreographischen, sprachlichen, körperlichen und musikalischen Übungen erproben die Teilnehmer das Zusammenspiel. Aus diesem Zusammenspiel erschaffen die Schüler im Kontext der Drama-Werkstatt Szenen, Dialoge, Spannungen, Konflikte, Figuren und Welten. 5 Ziele einer Drama-Werkstatt im Deutschunterricht: Gruppenziele Die Teilnehmer sollen eine Gruppe werden, in der man für einander verantwortlich ist, die sich konzentrieren will und gemeinsam auf ein Werk hinarbeitet. Individuelle Ziele Die Teilnehmer sollen Raum für Gefühle, Haltungen, Meinungen und Einstellungen bekommen, ihr individueller Ausdruck und ihre Sprachkompetenz sollen gefördert werden. Künstlerische Ziele Die Teilnehmer arbeiten gemeinsam auf ein künstlerisches Werk hin und entwickeln ein ästhetisches Bewusstsein. Weitergehende Ziele Die Drama-Werkstatt eröffnet einen Möglichkeitsraum, in dem Leidenschaft und Begeisterung (auch im schulischen Kontext) erlebbar ist. Irritationsmomente Es finden Dinge statt, die nicht planbar sind: Vorgänge werden in Szene gesetzt, die das Klassen- und Schulsystem irritieren, die dazu beitragen, Rollenmuster und Systemstrukturen bewusst zu machen und die die kreative Kraft des dramatischen Arbeitens freisetzen. Der Dozent Thomas Richhardt (*1971) studierte Diplom-Psychologie und arbeitete als Dramaturg an freien und städtischen Theatern. Als Dramatiker entwickelt er seine Stücke oftmals in Zusammenarbeit mit einem Ensemble. So entstanden Auftragswerke für die Städtischen Bühnen Münster, das Forum Freies Theater Düsseldorf und das Düsseldorfer Schauspielhaus. Als Dramaturg begleitete er von 2004 bis 2006 die Gründung des Jungen Ensemble Stuttgart, des neuen Kinderund Jugendtheaters der Stadt Stuttgart. Seit 2006 ist er als freier Dramaturg, Dozent und Autor tätig und betreut Drama-Werkstätten für Jugendliche und junge Autoren im In- und Ausland. 13

Lyrik ins Eigene, vielmehr eröffnet diese Beschäftigung auch Wege ins Lesen, in die Nachvollziehbarkeit und ins Verständnis literarischer Texte. Wenn wir schreiben, übersetzen wir. Wir übersetzen das Auge, das Ohr. Wir übersetzen, was wir fühlen, was wir denken. Aber wie und wann entsteht dabei ein Gedicht? Ein Gedicht erklärt nichts, ein Gedicht bittet uns ins Wesentliche. Die Werkstatt für Lyrik ist diesem Credo auf der Spur, indem wir uns mit jener Sprache beschäftigen, die sich in einem Gedicht schöpft. Im eigenen Schreiben und in den Gedichten anderer. Beidem wollen wir uns stellen. Vielleicht entsteht ja ein Gedicht dabei. Der Dozent 14 Sprache ist Identität. Sprache ist Identität. Wo wir aus den (elenden) Identitätsbeziehungen aufbrechen, schaffen wir jene offene, sich und andere annehmende Sprache, die das Eigene und Fremde im Innern benennt. Dadurch finden wir unseren Wohnort im Sinnbild der Fremde selbst. Zwischen den Stühlen. Als Möglichkeit in bewegung zu bleiben: w:orte, die sagbar w:erden. In sich selber. Im Anderen. Sprache in ihrer Wirklichkeit und in ihrer Wirkung zu erfahren, die Lust darauf, sie aus und in diesen Bezügen zu verdichten und mit Wörtern die Spannung zu erzeugen, die im Wort steht, Wort hält, beschreibt die Herausforderung an die Arbeit mit Schülern, die im Rahmen dieses Projektes schreiben, aber auch den vielfältigen Stimmen der klassischen, der modernen und der neuen Lyrik begegnen. Das Verschriften, ein sich Her- und Fortschreiben, führt nicht nur José F. A. Oliver, andalusischer Herkunft, wurde 1961 in Hausach im Schwarzwald geboren und lebt dort als freier Schriftsteller. Für seine dichterischen Arbeiten erhielt er u.a. 1989 das Literaturstipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg e.v., 1994 das Aufenthaltsstipendium des Berliner Senats im Literarischen Colloquium Berlin. 2001 war er Stadtschreiber in Dresden. 2002 Gastprofessor und writerin-residence am MIT (Cambridge/USA). 2004 Stadtschreiber in Kairo. 2007 Chamisso-Poetik-Dozentur an der TU Dresden. 1997 ist er mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet worden. 2007 erhielt er den Kulturpreis des Landes Baden-Württemberg. Jüngste Publikationen: Unterschlupf, Gedichte (Suhrkamp, 2006) und Mein andalusisches Schwarzwalddorf, Essays (Suhrkamp, 2007). www.hablemos.twoday.net 15

Prosa Chancen und Ziele Die Werkstatt will Literatur erfahrbar machen. In der Beschäftigung mit dem Schreiben verändert sich automatisch das Leseverhalten und das persönliche Verhältnis zur Literatur, die plötzlich nicht mehr nur abstrakt ist. Dabei gilt es anfangs, Hemmungen abzubauen und sich erst einmal behutsam an das freie Schreiben heranzutasten. Was mit Einstiegsübungen beginnt, geht in die Entwicklung und Planung von Kurzgeschichten über. Die Schüler sollen Lust am Erzählen erleben, Vertrauen in die eigene Ausdrucksfähigkeit entwickeln und einen Eindruck von der Kraft und Möglichkeit der Sprache bekommen. Inhalte Beschäftigung mit verschiedenen Prosaformen (Kurzgeschichte, Roman, etc.) Strategien zur Entwicklung von Gedanken und Ideen: Tagebücher, Gedanken- und Ideenbücher Grundelemente und Grundbegriffe des Erzählens: Raum, Zeit, Handlung, Perspektive, Charaktere Umgang mit Sprache und Text: Textarbeit; Funktionalität und Anwendung von Textverarbeitung; Benutzung von Wörterbüchern und Enzyklopädien Buchlektüre und Anlage eines Lesetagebuchs Gäste: Einladung von Autoren zu Lesungen im Unterricht; gemeinsame Vorbereitung und Interviews 16 Was gibt es zu erzählen? Manchmal reichen wenige Worte, um große Geschichten zu erzählen. Jeder Mensch ist voller Geschichten, Erfahrungen und Gefühle wichtig ist nur, die richtige Form dafür zu finden. Die Prosa hält eine Vielzahl solcher Formen bereit: Miniatur, Kurzgeschichte, Erzählung, Tagebuch, Brief, Roman. Wem es einmal gelungen ist, im Schreiben sich selbst und seine Ideen zu erleben und festzuhalten, wer es geschafft hat, mit dem selbst Geschriebenen einen Leser zu fesseln, wird auch sich selbst als Leser neu entdecken. Der Dozent Tilman Rau (*1971) lebt in Stuttgart und arbeitet als freier Journalist, Dozent und Autor. Er hat zahlreiche Kurzgeschichten und Erzählungen veröffentlicht, außerdem literaturwissenschaftliche Artikel und Essays. 2007 erhielt er ein Literatur-Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg. Als Dozent leitet Tilman Rau zahlreiche Prosa-Schreibwerkstätten für Jugendliche, unter anderem in Mittel- und Osteuropa. 17

Prosa & Fotografie Mit experimentellen Vorgehensweisen können Schüler einen völlig neuen Zugang zur Literatur und Fotografie erleben und selbst Texte und Bilder erstellen. Die Schüler sollen mit Hilfe der Fotografie von der Körpersprache über die Bildsprache zur Schriftsprache finden. Inhalte experimentelle Übungen vermitteln erste Eindrücke vom kreativen Umgang mit Sprache und Literatur Schritt für Schritt zum eigenständigen Text eine einfache Fototheorie führt in die Bildsprache und Bildgestaltung ein und hilft beim selbstständigen Fotografieren Bilder und Worte werden miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig Exkursionen und Autorenbesuche erweitern die Werkstatt Text und Bild Beim Schreiben und Fotografieren gibt es keine Verlierer oder Sieger. Ergebnisse sind Texte und Bilder. Im besten Fall gute. Dieser Ansatz sollte niemanden zu dem Gedanken verleiten, mit Kreativwerkstätten könnten gesellschaftliche Versäumnisse oder Probleme innerhalb und außerhalb der Schule oder jugendlicher Szenen gelöst werden. Denn Schreiben und Fotografieren gehören zu den stillen Künsten. Die Teilnehmer der Werkstatt sollen lernen mit Sprache anders als gewohnt umzugehen, und zwar innerhalb des Deutschunterrichts, sie sollen die Freude an der Sprache (wieder-)finden. Der, der einmal versucht hat, einen Text zu schreiben, so zeugt die Erfahrung, wird jedes Buch buchstäblich mit anderen Augen lesen. Der, der stundenlang nach einem geeigneten Bildmotiv gesucht hat, wird jedes Bild oder Foto mit neuen Augen betrachten. Die Dozenten Ulrike Wörner (*1969) studierte Allgemeine Vergleichende Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Germanistik und arbeitet als Geschäftsführerin des FBK Baden-Württemberg Literatur für Kinder und Jugendliche und als Dozentin für Literatur und Kreatives Schreiben im In- und Ausland. Prosa und Fotografie im Unterricht Die Prosa- und Fotowerkstatt zeigt den Schülern neue Möglichkeiten des individuellen Ausdrucks in Bild und Wort. Ein Instrumentarium des sprachlichen und bildnerischen Ausdrucks wird erarbeitet, und damit wird der sprachliche Ausdruck und die Begriffsbildung mit kreativen Methoden gefördert und verbessert. 18 Yves Noir (*1967), gebürtiger Franzose, studierte Mediendesign mit Schwerpunkt Fotografie und arbeitet als freischaffender Fotograf und Dozent für Fotografie im In- und Ausland. 19

Reportage Chancen und Ziele Die Schüler haben die Möglichkeit, im Deutschunterricht über ein Schuljahr hinweg die Arbeit einer Zeitungsredaktion nachzuvollziehen. Nach Einstiegsübungen und einem langsamen Herantasten an die Form der Reportage, suchen sie sich alleine oder in Kleingruppen ein Thema, das ihren Interessen und/ oder ihrem persönlichen Erfahrungsbereich entspringt. Zur Umsetzung dieses Themas gehören sorgfältige Planung, Kontaktaufnahme mit Gesprächspartnern, Interviews, Recherche vor Ort und schließlich das Verfassen und Überarbeiten des Artikels. Ziel ist, dass alle Schüler am Ende des Schuljahres eine eigene Reportage geschrieben haben. Inhalte Beschäftigung mit Medientypen und journalistischen Formen Journalistisches Handwerk: Themensuche, Recherche, Interview, Artikalaufbau, Redigieren Umgang mit Sprache und Text: Textarbeit, Funktionalität und Anwendung von Textverarbeitung Exkursionen: z.b. Reportage in der Stadt oder Kinobesuch mit Verfassen einer Filmkritik Einbindung verschiedener Zeitungsformen: Nachricht, Bericht, Meinungsbeitrag, Kulturkritik 20 Geschichten aus dem Alltag Die Welt mit den Augen eines Reporters sehen. Das heißt zunächst einmal sich zu interessieren. Für das, was einen umgibt: Menschen, Dinge, Institutionen, Phänomene. All das, was scheinbar selbstverständlich ist. Doch wer nur ein wenig an der Oberfläche kratzt und die richtigen Fragen stellt, wird erstaunt sein, wie viel es zu erzählen gibt. Der Reporter begibt sich auf die Suche nach den Geschichten im Alltäglichen und Nicht-Alltäglichen. Um seine Leser an spezielle Plätze zu führen, ihm besondere Menschen vorzustellen. Der Dozent Tilman Rau (*1971) studierte Politikwissenschaft, Amerikanistik und Neuere deutsche Literatur und arbeitete bereits während des Studiums als Radiomoderator und Nachrichtenredakteur und schrieb für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Heute ist er freier Journalist, Dozent und Autor und leitet zahlreiche Schreibwerkstätten für Jugendliche. 21

Wort und Spiele Wo die Wege der Textproduktion schon vor dem ersten Schritt steinig bis versperrt sind, wo in einem bücherfernen Alltag Schreibblock und Stift eher sporadische Gäste in der Hand statt selbstverständliches Werkzeug sind, dort bieten sich Sprachspiele als Erfahrungsschlüssel an. Die Schönheit einer Sprache zeigt sich gerade auch in ihren Strukturen. Deswegen werden Grammatik, Wortschatz und Literatur in der Werkstatt Wort und Spiele nicht voneinander getrennt, sondern vereint vorgestellt. Wobei sich die Lehrertandems bemühen, durch Kooperation den Schüler immer weniger kapieren als vielmehr selbst entwickeln zu lassen. Nur wenn das Lehrertandem lernt, in die Haut speziell diese Schüler zu schlüpfen, mit ihren Augen zu sehen, mit ihren Ohren zu hören, ihre Gedanken zu erahnen und ihre berechtigten Gefühle beim Lernen nachzuvollziehen, nur dann haben genau diese Schüler reale Gelegenheiten, sich den eigenen deutschen Wortschatz und einen komplexeren Satzbau zu erspielen den oft bemühten Respekt durch Zuhören und Mitspielen tatsächlich zu praktizieren aus eigenem Antrieb mit Papier und Stift zu arbeiten Lernen nicht als Nötigung, sondern als beweglichen Prozess zu verstehen Freude an der eigenen Anstrengung zu haben, am Ball zu bleiben die Existenz von Kultur, Kunst und Literatur wahrzunehmen und als Wert schätzen zu lernen. 22 Wort und Spiele im Unterricht Schüler mit Migrationshintergrund bringen unterschiedlichste sprachliche Kompetenzen in den Deutschunterricht ein. Von rudimentären bis zu üppigen Kenntnissen in mehreren Sprachen reicht das Spektrum. Da die Sprachvermittlung hierzulande in multinationalen Regelklassen auf Deutsch als Verkehrssprache ausgerichtet ist, bedarf es einiger grundsätzlicher Überlegungen, wie Lehrer und Dozent bei den Schülern für die deutsche Sprache werben können. Ist die stadt- und landläufige Kanak-Sprak Schicksal oder Ansporn für mehr Integration? Wo und wann geht das Überlebens-Deutsch von Migrantenkindern in ein auf-deutsch-denken-können über? In manchen Gegenden unserer Sprachlandschaft bildet die mündliche Sprachkultur oft den einzigen Ansatzpunkt für den Deutschunterricht oder gar für die Vermittlung von Büchern und Literatur. Der Dozent Timo Brunke ist als Sprachkünstler im In- und Ausland tätig, Autor und Darsteller experimenteller Sprachstücke und zahlreicher Programme für spoken word- Bühnen und das literarische Kabarett. Seit 2001 erfindet Timo Brunke Sprachspiele für den Unterricht und entwickelt vorhandene Spielideen weiter. Weitere Informationen und Anregungen finden Sie auf www.timobrunke.de 23

Stuttgarter PartnerSchulen 24 Lehenschule Friedensschule Schloss-Realschule Realschule Ostheim Max-Eyth-Schule Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Friedrich-Eugens-Gymnasium 25

Lehenschule wird das Gemüse für den Kochunterricht gezogen, gleichzeitig machen die Schüler an diesem Ort erste Naturerfahrungen, eignen sich Arbeitstugenden an und backen im selbstgebauten Holzofen Brot. Trotz wechselnder Schülerschaft unverändert ist die Lehenschule mit Schülern befasst, denen viele Aspekte der Wirklichkeit verschlossen bleiben, und die immer weniger am allgemeinen Erfahrungsschatz partizipieren können. Da dies nur über den Weg der Sprache geschehen kann, steht die Bearbeitung der sprachlichen Defizite im Mittelpunkt unserer Arbeit. Lange Zeit reagierten wir hierauf v.a. mittels einer Reduzierung des Anspruchsniveaus. So bildeten v.a. Inhalte, die einer vordergründigen Lebenstauglichkeit dienten, unser didaktisches Proprium. Ungewollt wurden die Kinder mehr und mehr vom kulturellen Erfahrungsschatz ausgeschlossen. An die Möglichkeit, dass Förderschüler das Medium Sprache nicht nur pragmatisch, sondern kreativ-künstlerisch nutzen, glaubte man kaum mehr. Skepsis war deshalb auch die erste Reaktion, als die Mitarbeit im Projekt des Literaturhauses in Aussicht gestellt wurde. Nach einiger Zeit des Überlegens sahen wir jedoch die didaktische Sackgasse, in der wir uns befanden, und beschlossen den Versuch zu wagen. Bald war klar, dass wir dabei den Schülern nicht nur eine andere Wirklichkeit vor Augen führen und Schwellenängste abbauen müssen, sondern primär von ihrer Individualität/ihrer Egozentrik unseren Ausgangspunkt nehmen müssen. Die Mischung von Bekanntmachung mit Kunst/Literatur und den von unseren Künstlern vorbereiteten und initiierten Eigenproduktionen zeigten Wirkung. Es ging zwar langsamer als wir uns das gewünscht hatten, auch ist unser Anteil an der Ideenentwicklung und Umsetzung noch viel zu hoch, aber nun, nach einem Jahr, ist spürbar, dass die Schüler, noch zaghaft, aber zunehmend selbstbewusster, Sprache als ein Medium nutzen lernen, sich auszudrücken. Seit fast 100 Jahren (1911) ist die Lehenschule mit jenen Schülern befasst, die bzgl. Lerntempo, Lernumfang bzw. Lerninhalt von der Norm abweichen. Im Stuttgarter Süden (Arbeiterviertel) gelegen, hat sich die Schülerschaft in dieser Zeit mehrfach geändert. Es begann mit den klassischen Hilfsschulkindern, die dem Regelschulbetrieb v.a. intellektuell nicht gewachsen waren, die störten und das Vorwärtskommen der Anderen behinderten. Für diese Kinder schuf man eine Schulart, die Tempo und Inhalt reduzierte und in kleineren Lerngruppen arbeitete. Gegenwärtig ist, wegen der Innenstadtlage, der Anteil von Kindern aus Migrantenfamilien auffallend hoch. Viele Kinder kommen aus dem Kosovo, der Türkei oder arabischen Ländern. Deutsche Kinder sind eher selten und meist wegen ihrer sozialen Herkunft und erst in zweiter Linie wegen intellektueller Beschränkungen in dieser Schulart. Somit ist auch der Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten zunehmend in den Mittelpunkt gerückt. Die Lehenschule entwickelte hierfür ein eigenes Konzept der Konfliktbearbeitung (Trainingsraum, etc.). Die Lehenschule hatte mit ca.180 Schülern in den Siebzigerjahren einen quantitativen Hochpunkt erreicht. Seither geht es mit den Schülerzahlen stetig bergab, derzeit bewegen sich die Zahlen zwischen 60 und 70 Schülern. Verantwortlich hierfür ist nicht nur die schlechte Akzeptanz dieser Schulart in der Öffentlichkeit, sondern auch ein verordneter Organisationsrahmen, der Schülerzahlen quasi vorschreibt. Wie vor fast 100 Jahren, so sind auch heute noch die Bindungen zwischen Lehrern und Schülern sehr eng. Lehrer übernehmen neben der Aufgabe eines besonderen Unterrichts mehr und mehr erzieherische Aufgaben, die von den Familien unserer Schüler immer weniger geleistet werden können. Ungewöhnlich für eine Schule im Herzen einer Großstadt sind die Gartenanlagen. Hier 26 Der betreuende Lehrer Dr. Joachim Krenauer (Sonderschullehrer/ Lernbehindertenpädagogik) Lehenschule Römerstraße 91 70180 Stuttgart lehenschule@stuttgart.de www.lehenschule.de 27

Friedensschule 28 Die Friedensschule Stuttgart ist eine reine Hauptschule (mit Werkrealschule) und mit ihrer Lage mitten im Stuttgarter Westen eine so genannte Brennpunktschule. Seit ca. 60 Jahren unterrichtet sie Schüler aus über 30 Nationen, die auf unterschiedliche Art und Weise gefördert werden. So geben Kooperationsklassen, IVK-Klassen und Vorklassen besondere Hilfen, während zwölf reguläre Hauptschulklassen die Kinder und Jugendlichen auf den Lebens- und Berufsalltag vorbereiten. Den Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule versucht die Friedensschule in den Klassen 5 und 6 mit dem Konzept Guter Start in der Hauptschule zu erleichtern. Kern eines erweiterten Angebotes sind fünf zusätzliche Stunden für jede Klasse. An der Friedensschule sind diese Stunden aufgeteilt in eine KlAG-Stunde (Klassenarbeitsgemeinschaft), drei SoL-Stunden (Selbstorganisiertes Lernen) sowie in eine Förderstunde. Die KlAG-Stunde dient der Arbeit mit der Klasse (zum Beispiel in Form der Klassenversammlung), und während des selbstorganisierten Lernens werden die Schüler im Rahmen von Freiarbeits- und/oder Wochenplanarbeit an ein eigenverantwortliches, selbstständiges Lernen herangeführt. Unterstützt wird dies durch ergänzendes Einüben von Lern- und Arbeitstechniken, sowie einer verstärkten Leseförderung. Werden bei Schülern erhebliche Schwierigkeiten in den Fächern deutlich, können diese über den Förderunterricht zum Teil aufgearbeitet werden. Im Mittelpunkt aller Arbeit steht immer der Schüler. Das Pädagogische Netz, bestehend aus Sozialarbeitern, dem Pädagogischen Rat, dem Trainingsraum und den Streitschlichtern zeigt, wie wichtig es dem Kollegium ist, auf Probleme der Kinder und Jugendlichen auf pädagogisch angemessene Art und Weise zu reagieren. Gespräche und klare Regelungen erleichtern einen konfliktarmen Schulalltag und zeigen den Schülern, dass sie angenommen und akzeptiert werden. In allen Klassen legt die Friedensschule einen besonderen Schwerpunkt auf die Sprachförderung. Schülern aus der Türkei, dem Kosovo und arabischen Ländern, Italienern, Spaniern, Russen und Indonesiern soll die deutsche Sprache nahe gebracht werden. Auffallende Defizite sind v.a. im Wortschatz, der Ausdrucksfähigkeit und im Leseverstehen verankert. Dieses geringe Sprachvermögen zieht sich häufig durch die gesamte Schullaufbahn, und ruft bei unseren Schülern nicht selten Aggression, sowie zurückhaltendes oder verdrängendes Verhalten hervor. Können diese Defizite nicht aufgefangen werden, verpassen die Jugendlichen den Anschluss an und damit die Integration in die deutsche Gesellschaft. Hier liegen die Hoffnungen in Bezug auf das Projekt Wort und Spiele mit dem Dozenten Timo Brunke. In zwei Schulstunden pro Woche kann ein Sprachtraining ganz ohne Notendruck seine Wirkung entfalten. Sprachliche Kreativität, Fantasie und das Kind stehen hier im Vordergrund. Exkursionen als Grundlage für die Wortschatzerweiterung und Büchereibesuche, die die Welt der Literatur öffnen, erweitern nicht nur den Erfahrungshorizont, sondern auch das Sprachvermögen. Die Besonderheit des Projektes liegt in seiner Dauer. Innerhalb von vier oder fünf Jahren können viele Wege beschritten werden, die uns an das Ziel der sprach- und selbstbewussten Schüler führen. Wenn dabei die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Dozent gelingt, können alle Beteiligten in hohem Maße von diesem Projekt profitieren Die betreuenden Lehrerinnen Lydia Vranic & Nadine Speicher Friedensschule Bismarckstraße 30 70176 Stuttgart friedensschule@gmx.net www.friedensschule-stuttgart.de 29

Schloss-Realschule Die Schloss-Realschule feiert im Schuljahr 2006/07 ihr 160-jähriges Bestehen, doch erst seit 1996 ist die Schloss-Realschule auch für Mädchen geöffnet. Die vielen Jahre zuvor war sie eine reine Jungenschule. Zu den bekanntesten Absolventen der Schloss-Realschule gehört Jürgen Klinsmann, der seine ehemalige Schule mit einem unterschriebenen Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft unterstützte, das im September 2006 zugunsten der Schule offiziell versteigert wurde. Die Schloss-Realschule legt großen Wert auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern und dem Elternhaus. Jedes Jahr begeben sich dafür freiwillig Eltern, Schüler und Lehrer zu einem mehrtägigen ESL-Seminar, bei dem neue wichtige Schwerpunkte für den schulischen Alltag gemeinsam erarbeitet und dann anschließend in der Schule umgesetzt werden (z.b. die neue Regelung von Stunden und Pausen). Der Schloss-Realschule ist es wichtig, dass Eltern sich aktiv am Schulleben beteiligen und dieses mitgestalten, denn an der Schloss-Realschule sollen sich Schüler, Eltern und Lehrer wohl fühlen! Ein weiterer Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit liegt in der Gewaltprävention. Gemeinsam wird versucht präventiv zu arbeiten, sodass Gewalt erst gar nicht entsteht. Die einzelnen Klassen sollen durch ganz unterschiedliche und auf die jeweilige Klassenstufe abgestimmte Projekte eine Gemeinschaft erarbeiten und erleben. Die Projekte dienen so auch noch der Umsetzung der unterschiedlichen Kompetenzen, die unerlässlich sind. So umrundet die Klasse 5 zum Beispiel in einer fünftägigen Wanderung Stuttgart, während die Klassen 8 ihren Schullandheimaufenthalt in einem erlebnispädagogischen Waldschullandheim erleben. Die Klassen der Stufe 9 absolvieren ihr Praktikum zum sozialen Engagement und vor allem die Abschluss-Klassen können sich in der SMV aktiv an der Gestaltung des Schullebens beteiligen. Das Projekt Unterricht im Dialog eröffnet den Schülern einen völlig neuen Zugang zur Literatur und zum Schreiben. Den Schülern wird vermittelt, dass das Produzieren von eigenen Texten ein sehr kreativer und wertvoller Prozess ist. Durch das Projekt lernt die Klasse, dass Literatur und der Umgang damit viel Spaß machen und jeden persönlich weiterbringen kann. Die Schüler erkennen im Laufe eines Schuljahres eigene Fortschritte und sehen, wie die unterschiedlichen Kompetenzen gefördert werden. So kommen die Schüler zu einem neuen Verständnis von sich und ihren Leistungen, was zu neuem Selbstbewusstsein und einer wichtigen Ich-Stärkung führt. 30 Die betreuende Lehrerin Rebecca Müller Schloss-Realschule Breitscheidstraße 28 70176 Stuttgart poststelle@s-schlossreal.schule.bwl.de 31

Realschule Ostheim Die Realschule Ostheim entwickelte sich aus der 1903 eröffneten Schule für die Kolonie Ostheim. Sie liegt am Rande dieser um 1900 gegründeten ehemaligen Arbeitersiedlung. Unter dem gleichen Dach und im Nebengebäude befindet sich die Grund- und Hauptschule Ostheim. Die RSO hat ca. 300 Schüler. Über 90% der Schüler haben einen Migrationshintergrund. Die Herkunftsländer reichen von Europa über Afrika bis Ostasien. Die meisten sind somit keine kompetenten Sprecher (de Saussure) der deutschen Sprache, worauf die Schule schon ab Anfang der Neunzigerjahre wegen des Zustroms vieler Immigranten aus Osteuropa zu reagieren hatte. Im Schulprofil ist die intensive Beschäftigung mit der deutschen Sprache fest verankert. Neben der Theater AG ist die Beschäftigung mit LRS in Zusammenarbeit mit der Grundschule fester Bestandteil des Angebots der Schule. Das Zusammentreffen so vieler Kulturen ist nicht immer störungsfrei. Hier versucht die Schule, mit gezielten Aktivitäten präventiv zu wirken; sei es durch das Projekt Gewaltprävention in Zusammenarbeit mit der Polizei, sei es mit der gemeinsamen Jahresabschlussfeier der verschiedenen Kulturen und Religionen in der nahen Lukaskirche und mit vielen anderen Unternehmungen. Durch permanente Öffentlichkeitsarbeit kommuniziert die Schule ihre Aktivitäten nach außen. Sie lädt zu verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen ein, die aktiv von der Schulgemeinschaft gestaltet werden, um die Schule und ihre tägliche Arbeit transparent zu machen und sie im Stadtteil fest zu verankern. Außerdem finden Klassenprojekte auch außerhalb der Schule statt. Durch regen Kontakt zu wirtschaftlichen, staatlichen und sozialen Einrichtungen versucht die Realschule Ostheim, ihren Schülern vielfältige Möglichkeiten der beruflichen und schulischen Weiterbildung zu erschließen. Durch Offenheit für Kritik, Leistungsbereitschaft und Verantwortung aller erreichen wir unser Ziel. Das Projekt Unterricht im Dialog Durch die oben beschriebene Situation der Schüler ist die Schule ständig bemüht, nach neuen Formen des Sprachunterrichts zu suchen. Hierbei geht es nicht nur um Textproduktion, sondern auch um Textpräsentation, um den Kindern in zunehmendem Maße Schreib- und Sprechsicherheit im Deutschen zu vermitteln. Die Integration des Projektes in den Unterricht wird insofern erleichtert, als die Schulleitung mit einem Vier-Stunden-Block für den Fachlehrer den organisatorischen Rahmen bereitstellte. Somit ist es möglich, sich am Stück sehr intensiv mit den Texten zu beschäftigen, ob im Literaturhaus oder in der Schule. Für dieses Projekt gibt es zudem mannigfaltige Bezüge zum Bildungsplan. Inhaltlich dient das Projekt der Beschäftigung mit Sprache. Die intensive Arbeit am Wort bewirkt auch eine Änderung der Haltung zur Sprache, die in erster Linie von den Schülern als Informationsweitergabe auch sehr redundant und bar jeglicher Grammatikalität gesehen wird. Da Sprache Realität nicht nur abbildet, sondern auch konstituiert, bleibt die Hoffnung, dass die Beschäftigung mit Sprache auch eine Veränderung der Weltsicht bewirkt. Mag dies auch ein sehr hoch gestecktes Ziel sein, so liegt der erste Schritt dazu im Wort und im Dialog über das Wort, und somit über die Literatur. Die Beschäftigung mit Lyrik ist dabei deshalb so hilfreich, weil hier insbesondere auf jegliche Nuancen in der Sprache geachtet werden muss. Dabei werden auch so manche Erkenntnisse über Lyrik gewonnen: Oh, Herr Oliver, ich glaube, ich hab s kapiert. Gedichte haben keine Grenzen, aber Regeln. Dieser Aussage einer Schülerin ist nichts mehr hinzuzufügen. 32 Der betreuende Lehrer Waldemar Staniczek Realschule Ostheim Landhausstraße 117 70190 Stuttgart realschule.ostheim@stuttgart.de www.rso.s.schule-bw.de 33

Max-Eyth-Schule Diese Schulart bietet technisch interessierten und begabten Jugendlichen, die einen guten Hauptschulabschluss mitbringen, eine technische Grundausbildung im Berufsfeld Metall und eine weiterführende Allgemeinbildung mit einem mittleren Bildungsabschluss. Begrüßungstage am Schuljahresbeginn erleichtern den Schülern das Ankommen in der neuen Schule. Eine Basis für Teamarbeit legen drei außerschulische Tage mit erlebnispädagogischen Elementen. Die Max-Eyth-Schule Stuttgart ist eine gewerbliche Schule für Maschinenbau und Design. Das breit gefächerte Angebot umfasst den Bereich der Pflichtschulen als Berufsschulen und den Bereich der Angebotsschulen als Berufsvorbereitungsjahr, zweijährige Berufsfachschule, Berufskolleg, Technisches Gymnasium sowie Technikerund Meisterschule. Die Max-Eyth- Schule Stuttgart legt Wert auf eine angenehme Lernatmosphäre, auf professionelle pädagogische Konzepte in jeder Schulart und auf eine ständig aktualisierte Ausstattung in den Werkstätten und in den IT- Bereichen. Eine Klasse der zweijährigen Berufsfachschule nimmt am Projekt Unterricht im Dialog teil. Die betreuende Lehrerin Andrea Mark Max-Eyth-Schule Stuttgart Gewerbliche Schule Fritz-Elsas-Straße 29 70174 Stuttgart info@mes-stuttgart.de www.mes-stuttgart.de Das Projekt Unterricht im Dialog Das Projekt Unterricht im Dialog wird auf schulischer Seite von Andrea Mark begleitet. Sie unterrichtet seit 16 Jahren die Fächer Deutsch und Religion an Beruflichen Schulen; seit 2004 ist sie Lehrerin an der Max-Eyth-Schule Stuttgart. Der Deutschunterricht in der Berufsfachschule soll Raum geben für Freude am Lesen, für eine Erweiterung der Sprachkompetenz und für eine Steigerung der Fantasie, des Einfühlungsvermögens und des ästhetischen Empfindens. Es gibt viele Wege, diese Ziele anzustreben. Unterricht im Dialog kann ein solcher Weg sein. 34 35

Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Meine Gedanken zum Projekt Ich sehe in dem Projekt die große Chance für die Schüler, nach außen zu gehen, den Elfenbeinturm Schule einmal zu verlassen. Die Aufgabe, eine Reportage zu schreiben, fördert die Eigenständigkeit der Schüler immens, denn sie müssen sich selbstständig mit diversen Institutionen in Verbindung setzen, Termine ausmachen und Interviews führen. Dies alles zu bewältigen und von den Gesprächspartnern ernst genommen zu werden, ist sicherlich eine gute und wichtige Erfahrung für die Jugendlichen, gerade in diesem Alter. Darüber hinaus fördert dieses Projekt die Wertschätzung von Literatur, denn wer einmal selbst vor einem leeren Blatt saß, auf dem hinterher eine Reportage stehen soll, der weiß, dass literarisches Schaffen nicht immer einfach ist und wird in Zukunft Zeitungen, aber auch andere Medien mit anderen Augen betrachten. Die Zusammenarbeit mit einem Fachmann war für mich selbst spannend und auch bereichernd. Die Schüler verfolgten seine Ausführungen mit Interesse, schließlich kann auch die Lehrerin nicht alle Fragen zum Journalismus beantworten. Durch das Projekt kamen auch neue Impulse in den Deutschunterricht der Klasse 8. So wurde vom Dozenten eine Spontanreportage in der Stuttgarter Markthalle initiiert. Es gab einen gemeinsamen Kinobesuch mit der Aufgabe, anschließend eine Filmkritik zu verfassen. Außerdem wurde gemeinsam im Computerraum gearbeitet, wobei die Schüler Neues über Textverarbeitung erfuhren. Dies alles bereicherte den normalen Deutschunterricht ungemein. Das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium ist ein humanistisches Gymnasium, geprägt von einer mehr als dreihundertjährigen Tradition. Neben den alten Sprachen gehört auch Musik zu unserem besonderen Profil. Abgesehen von Wissen und Sachverstand sind klares Denken, die Fähigkeit und Bereitschaft, die Gedanken anderer zu verstehen, verständlich zu schreiben und zu sprechen sowie überzeugend zu argumentieren Ziele unserer Schule, denen wir uns inner- und außerhalb des Unterrichts verpflichtet fühlen. Impulse aus dem kulturellen Leben, der Wissenschaft und der Wirtschaft bereichern unser Schulleben, indem wir öffentliche Lesungen, Vorträge und Diskussionen in der Schule ausrichten. Bei Berufs- und Sozialpraktika verlassen die Schüler das gewohnte Unterrichtsfeld und sammeln wichtige Erfahrungen außerhalb des Schulgebäudes. Hinzu kommen vielfältige internationale Kontakte durch unsere Partnerschulen in aller Welt. Über den normalen Unterricht hinaus gibt es am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium zahlreiche Arbeitsgemeinschaften wie: Orchester, Chöre, Theater, Schulgeschichte, Informatik, Cambridge Vorbereitung, Jugend Debattiert u.a. 36 Die betreuende Lehrerin Katharina Dargan Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Herdweg 72 70174 Stuttgart ebelustgt@aol.com www.ebelu.de 37

Friedrich-Eugens-Gymnasium Das Friedrich-Eugens-Gymnasium (FEG) im Stuttgarter Westen blickt auf eine traditionsreiche Geschichte zurück. Es wurde 1796 durch Herzog Friedrich Eugen von Württemberg als Real- und Oberrealschule gegründet und ist somit eine der ältesten Schulen des Landes. Als erstes Gymnasium in der Stuttgarter Innenstadt wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaut; das Schulgebäude steht heute unter Denkmalschutz. Entsprechend der Tradition der Schule kommt den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern eine besondere Bedeutung zu; das Angebot wurde aber um das neusprachliche Profil erweitert. Von 1997 bis zur Bildungsreform 2004 wurde parallel zum G9- der G8 (Begabten)-Zug angeboten, der eine individuelle Leistungsförderung ermöglichte. Nach der allgemeinen Einführung von G8 wurde am FEG nach anderen Möglichkeiten der Leistungsdifferenzierung gesucht, woraus sich das Profil Fordern und Fördern entwickelt hat: Ein vielfältiges Kursangebot fordert die leistungsstärkeren Schüler z.b. durch die Fächer Astronomie und Philosophie in der Unterstufe und fördert die weniger leistungsfähigen Schüler, indem es ihre Schwächen schon in den ersten Jahren des Gymnasiums ausgleicht. Teil des Programms ist zudem in Klasse 5 eine Einführung in Lern- und Arbeitstechniken und ein Kurs zur Stärkung der sozialen Kompetenz. Offenheit für Vielfalt ist ein zentrales Anliegen aller am Schulleben Beteiligten das heißt nicht nur, den unterschiedlichen Begabungen der Schüler gerecht zu werden, sondern vor allem auch, die multikulturelle und soziale Verschiedenheit der Schülerschaft (80% kommen aus deutschen Familien, 20% haben einen multiethnischen Hintergrund) zu respektieren und ein tolerantes Miteinander zu fördern. Das am FEG eingeführte offene Ganztageskonzept ist in besonderer Weise geeignet, dieses Miteinander zu verwirklichen: Vom Mittagessen über die Hausaufgabenbetreuung bis zu einem umfangreichen Bildungsangebot auch in der unterrichtsfreien Zeit bietet es gleichermaßen verlässliche Betreuung und soziale Interaktion seit kurzem auch im neu erbauten Schülerhaus. Die große Chance, die das Projekt meines Erachtens bietet, ist der andersartige Zugang zur Literatur. Zum einen ist das Sprechen über Texte ein ganz anderes, wenn der Gesprächspartner ein echter Profi ist, einer, der genau weiß, wovon er spricht. Zum anderen erhalten die Schüler die Möglichkeit, eben nicht nur über Literatur zu sprechen, sondern sie selbst zu machen und dahin kann der Experte sie vermutlich direkter führen als ein Lehrer, der in dieser Hinsicht oftmals Laie ist. Und: Schüler, die selbst versuchen, literarische Texte zu verfassen, verändern ihren Blick auf die Literatur, begegnen ihr mit mehr Wertschätzung und vielleicht auch mit einer gewissen Vertrautheit. Einen weiteren Vorteil sehe ich darin, dass Schule hier einmal außerhalb der Schule stattfindet; dass der Lehrende einmal nicht der Lehrer ist. Wechsel von Ort, Person, Situation all das trägt dazu bei, dass der Lernstoff dauerhaft verinnerlicht wird. So nämlich ist die emotionale Beteiligung des Gedächtnisses gegeben, sind die positiven Gefühle möglich, die in der Lernpsychologie als unerlässlich für sinnvolles Lernen erachtet werden. Nicht zuletzt profitieren wir Lehrer selbst vom Zusammenarbeiten mit den Fachleuten. Es geht darum, Aufgaben zu verteilen, Rollen einzunehmen, Sichtweisen auszutauschen und darin immer wieder die Positionen zu verändern. 38 Die betreuende Lehrerin Sandra Laib Friedrich-Eugens-Gymnasium Silberburgstraße 86 70176 Stuttgart feg@stuttgart.de www.feg.s.bw.schule.de 39