Prävention der peripartalen Hypokalzämie des Rindes: Do s and don ts Walter Grünberg Plasma Kalzium bei Kühen um die Geburt 3,0 2,8 Plasma Calcium (mmol/l) 2,6 2,4 2,2 2,0 1,8 1,6 1,4-15 -10-5 0 5 10 15 Tage Days relative to zur calving Kalbung (=0) Grünberg et al. 2011
Klinische und subklinische Hypokalzämie 2,50 Plasma Calcium (mmol/l) 2,25 2,00 1,75 1,50 1,25 Kühe mit klinischem Milchfieber Kühe ohne Klinik 1,00 Tage relativ zur Kalbung Kimura et al. 2006 Inzidenz der peripartalen Hypokalzämie Klinische Hypokalzämie: 3,5-7% aller peripartalen Rinder Trotz intensiver Forschung kein Rückgang der Inzidenz in den letzten Jahrzehnten Subklinische Hypokalzämie: 38% aller peripartalen Rinder > 50% aller multiparen peripartalen Rinder 25% aller peripartalen Färsen Reinhardt et al. 2011
Wirtschaftliche Bedeutung der peripartalen Hypokalzämie Kosten klinische Hypokalzämie 300 US$/ Kuh Behandlung Zeitaufwand Produktionsverluste Komplikationen Kosten subklinische Hypokalzämie 125 US$/ Kuh Produktionsverluste Erhöhtes Erkrankungsrisiko Oetzel 2013 Wirtschaftliche Bedeutung der peripartalen Hypokalzämie Beispiel: 100-Kuh Milchviehherde Hypokalzämie-Inzidenz: 5% klinisch, 35% subklinisch, 1 Kalbung /Kuh/Jahr Klinische Fälle 300 x 5 = US$ 1500,- Subklinische Fälle 125 x 35 = US$ 4375,- Wirtschaftlicher Schaden aus subklinischen Fällen ist 3 x höher als der Schaden aus klinischen Fällen!
Hypokalzämie: Eine prädisponierende Imbalance Hypokalzämisches Festliegen ist nur die Spitze des Eisberges! Hypokalzämie: Eine prädisponierende Imbalance Hypokalzämie Schwergeburt 6,5 x Labmagenverlagerung 3,4 x Endometritis / Nachgeburtsverhaltung 3,2 x Ketose / Fettleber 8,9 x Mastitis 8,1 x
Zwei wichtige Paradigmenwechsel in der Nutztiermedizin Verlagerung der Gewichtung von der Therapie zur Prophylaxe Erkennen der Bedeutung subklinischer Erkrankung Strategien zur Prävention der peripartalen Hypokalzämie Alte Hüte auf dem Prüfstand
Parathormon (PTH) Mobilisation von Ca (und P) aus dem Knochen Erhöhte Ca-Reabsorption durch die Niere Aktivierung von Vitamin D in der Niere Vitamin D Gegenregulation bei Hypokalzämie Zwei Schlüsselhormone Erhöhte Ca-Absorption aus dem Darm Negativer Feed-back Mechanismus auf PTH- Sekretion Magnesium & Hypokalzämie PTH-Sekretion ist Mgabhängig Gewebsantwort auf PTH vermutlich Mg-abhängig Goff JP 2014 Magnesiummangel prädisponiert zu Hypokalzämie!
Kalium & Hypokalzämie Hoher Kaliumgehalt in der Ration induziert metabolische Alkalose Hemmt Ca-Mobilisation aus dem Knochen Prädisponiert zu Hypokalzämie Kalziumarme Fütterung vor der Kalbung Kalziumbinder Orale Kalziumgaben um die Geburt Vitamin D Strategien zur Milchfieberprophylaxe auf dem Prüfstand Kalziuminfusion IV / SC
Kalziumarme Fütterung vor der Kalbung Kalziumbinder Orale Kalziumgaben um die Geburt Vitamin D Strategien zur Milchfieberprophylaxe auf dem Prüfstand Kalziuminfusion IV / SC Kalziumarme Fütterung vor der Kalbung Ca-Bedarf von trockenstehenden Milchrindern (600 kg) 38-40 g Ca/d Für negativen Ca-Haushalt zum Ende der Trächtigkeit muss die tägl. Ca-Aufnahme unter 30 g Ca/ Kuh bleiben TM-Aufnahme 10-12 kg/tag <3 g Ca /kg TM Ausgewogene Trockensteherration mit < 3 g Ca / kg TM kaum zu formulieren Rationen mit höheren Ca-Gehalten lösen Gegenregulation nicht aus
Kalziumarme Fütterung vor der Kalbung Kalziumbinder Orale Kalziumgaben um die Geburt Vitamin D Strategien zur Milchfieberprophylaxe auf dem Prüfstand Kalziuminfusion IV / SC Zeolith-A Na-Aluminiumsilikate Binden Kalzium in der Ration Intenstinale Ca Absoprtion nimmt ab Induziert negativen Kalziumhaushalt Stimuliert PTH-Sekretion Stimuliert Aktivierung von Vitamin D
Zeolith-A Bindet auch Phosphat und Magnesium Verminderte Pi und Mg Konzentrationen im Blut um die Geburt Negativer Effekt auf Futteraufnahme Reduktion der TM-Aufnahme um 20% -50% Thilsing-Hansen et al. 2002 Grabherr et al. 2008 Zeolith-A Tagesdosis nicht über 250g/d Höhere Ca-Konzentration im Blut um die Geburt bei Kühen in der 3. und + Laktation Kein Effekt auf intestinale Mg-Absorption Erniedrigte Pi-Konzentration im Blut tolerierbarer Rückgang der TM-Aufnahme (von 11.2 auf 9.5 kg/d ) Grabherr et al. 2008
Kombination kalziumarme Fütterung + Zeolith A Trockensteherration mit dem geringstmöglichen Ca-Gehalt Idealerweise < 5g/kg TM Zugabe von Zeolith A Vermeide Tagesdosen über 250g/Kuh/d Goff 2014 Pansengeschützte Reiskleie Reiskleie reich an Phytat Bindet Ca Phytat muss im Pansen vor Abbau geschützt werden Formaldehyd-Behandlung
Pansengeschützte Reiskleie 1 kg Reiskleie bindet 8-10 g Ca im Futter Bis zu 3 kg Reiskleie /Tier/Tag empfohlen Bindet 25 g Ca im Futter Martin-Tereso et al. 2011 Tägl. Ca-Aufnahme sollte 50-55 g nicht überschreiten Muss für2-3 Wochen a.p gefüttert werden Pansengeschützte Reiskleie Ausreichende Energiedichte (>6 Mj NEL/kg) Keine Beeinträchtigung der Futteraufnahme Keine negativen Effekte auf andere Minerale bekannt Hoher Phosphatgehalt (2%) mit schlechter Bioverfügbarkeit (Pansengeschütztes Phytat)
Kalziumarme Fütterung vor der Kalbung Kalziumbinder Orale Kalziumgaben um die Geburt Vitamin D Strategien zur Milchfieberprophylaxe auf dem Prüfstand Kalziuminfusion IV / SC Orale Kalziumgaben um die Geburt Dosis-Empfehlungen 50 100 g elementares Ca im 12 h- Intervall - mindestens zweimalig CaCl 2 (140g CaCl 2 50g Ca) Ca-Propionat Ca-Glukonat Erste Behandlung bei ersten Anzeichen beginnender Geburt Goff et al. 1993 Queen et al. 1993 Oetzel 1995
Orale Kalziumgaben um die Geburt Plasma [Ca] (% des Ausgangswertes) Zeit (Stunden nach oraler Behandlung) Oetzel 2013 Orale Kalziumgaben Ca-Verbindungen mit unterschiedlichen Eigenschaften CaCl 2 Sehr gut löslich (schnelle Absorption) Hoher Ca-Gehalt (geringes Volumen) Bitterer Geschmack Reizend Schleimhautreizung Ca-Glukonat / Ca-Propionat Schlechter löslich (verzögerter Wirkungseintritt) Niedrigerer Ca-Gehalt (größeres Volumen) Geschmacksneutral Nicht reizend (SICHER!)
Kalziumarme Fütterung vor der Kalbung Kalziumbinder Orale Kalziumgaben um die Geburt Vitamin D Strategien zur Milchfieberprophylaxe auf dem Prüfstand Kalziuminfusion IV / SC Injektion von Vitamin D Parenterale Gaben von Vitamin D können Inzidenz klinischen Milchfiebers senken Gabe in bestimmten Zeitraum vor der Kalbung erforderlich Sehr hohe Dosen erforderlich Olson et al. 1973 Gast et al. 1979 McMurray et al. 1980 Einmalige parenterale Dosis (1 Mio IU/45kg) zwischen 10 und 4 Tagen vor der Kalbung Littledike und Horst 1980
Injektion von Vitamin D Enge therapeutische Breite 17 Mio IU waren letal bei 75% der behandelten Tieren Littledike und Horst 1982 Geringere Dosen deutlich weniger / nicht effektiv Behandlung innerhalb von 3 oder mehr als 12 Tagen vor der Kalbung können Milchfieber nicht verlässlich vorbeugen Horst und Reinhardt 1983 Langzeitwirkung von Vitamin D Erhöhte Serum [Ca] um die Kalbung Vom 3. bis über 14. Tag p.p. niedrigere Serum [Ca] als unbehandelte Tiere Hemmung der PTH-Sekretion Hove und Kristiansen 1984 Hemmung der Aktivierung von körpereigenem Vitamin D Gestörte Regulation der Ca-Homöostase in der Frühlaktation Erhöhte Inzidenz von subklinischer Hypokalzämie Horst und Reinhardt 1983
Langzeitwirkung von Vitamin D Erhöhte Serum [Ca] um die Kalbung Vom 3. bis über 14. Tag p.p. niedrigere Serum [Ca] als unbehandelte Tiere Hemmung der PTH-Sekretion Hove und Kristiansen 1984 Hemmung der Aktivierung von körpereigenem Vitamin D Gestörte Regulation der Ca-Homöostase in der Frühlaktation Erhöhte Inzidenz von subklinischer Hypokalzämie Horst und Reinhardt 1983 Orale Vitamin D-Gaben Orale Gaben von 40 000 IE/Kuh/d über mind. 5 Tage ist ähnlich effektiv wie parenterale Vitamin D-Injektion Hove und Kristiansen 1984 Orale Gaben von bis zu 30 Millionen IE/Kuh/d über 7 Tage ohne Nebenwirkung Hibbs und Pounden 1955
Kalziumarme Fütterung vor der Kalbung Kalziumbinder Orale Kalziumgaben um die Geburt Vitamin D Strategien zur Milchfieberprophylaxe auf dem Prüfstand Kalziuminfusion IV / SC Teilweises Ausmelken Intravenöse Kalziuminfusion Standardbehandlung festliegender hypokalzämischer Rinder Standard-Dosis: 15-20 mg/kg 8-12g Ca /Kuh Kontrollierte Infusionsgeschwindigkeit 10 min /500 ml (23% Ca-Glukonat)
Intravenöse Kalziuminfusion Transiente Umwandlung einer Hypokalzämie in eine Hyperkalzämie Unterbrechung der PTH- Sekretion PTH Aktivierung von Vitamin D verringerte Knochenmobilisation Verringerte intestinale Ca-Absorption Plasma [Ca] (mmol/l) 6 5 4 3 2 1 0 Plasma [Ca] nach 10 g Ca IV 0 4 8 12 16 20 24 Zeit (h nach Behandlung) Prophylaktische intravenöse Kalziuminfusion Plasma Calcium (mmol/l) 3,25 3,00 2,75 2,50 2,25 2,00 1,75 1,50 Keine Behandlung Ca-Glukonat 23% 500 ml IV Bovikalc Bolus 2 x p.os 1,25 Zeit (h nach Behandlung) Blanc CD et al. 2014
Prophylaktische intravenöse Kalziuminfusion Führt zu vorübergehender Hyperkalzämie Stört Regelkreise der Kalziumhomöostase Erhöht das Risiko von subklinischer Hypokalzämie für mindestens 48 h nach der Behandlung Prophylaktische subkutane Kalziuminfusion Empfohlene Dosierung wie intravenöse Behandlung 500 ml einer 23% Ca-Glukonatlösung Führt nicht zu massiver Hyperkalzämie Weniger störend auf Regelkreise der Kalziumhomöostase als intravenöse Behandlung
Prophylaktische subkutane Kalziuminfusion Oetzel 2013 Prophylaktische subkutane Kalziuminfusion Arbeitsintensiv Nachteile Verteilung auf mehrere Injektionsstellen erforderlich < 80 ml pro Injektionsstelle Nicht alle Lösungen zur S.C. Applikation geeignet Stark saure Lösungen, Glukose,
walter.gruenberg@tiho-hannover.de