Zur Grundhaltung gegenüber Menschen mit Demenz gehört, Verhaltensweisen zu tolerieren, die nicht der Norm entsprechen.

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Transkript:

Zur Grundhaltung gegenüber Menschen mit Demenz gehört, Verhaltensweisen zu tolerieren, die nicht der Norm entsprechen.

27 > Altenpflege Titelthema Wertschätzung Zu schwierigem Verhalten kommt es häufig, wenn Bewohner sich überfordert fühlen. Pflegende sollten ein Umfeld schaffen, das Wohlbefinden fördert und Sicherheit bietet. Text: Claudia Heim Toleranz leben > Menschen mit demenzieller Erkrankung verlieren einerseits ihre Identität und arbeiten andererseits daran, ihr eigenes Selbst aufrecht zu erhalten. In dieser Situation ist es für sie besonders wichtig, in einem stabilen und freundlichen Umfeld zu leben, das sie unterstützt. Ein wesentlicher Aspekt ist die Art und Weise, wie mit und über Personen mit einer demenziellen Erkrankung gesprochen wird. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob andere Personen zuhören oder das Pflegeteam unter sich ist. Eine wertschätzende Kommunikation ist Teil einer Grundhaltung, eines humanistischen Menschenbilds, das jede Pflegekraft verinnerlicht haben muss: der Respekt vor dem Anderen gleichgültig ob eine Krankheit bzw. Behinderung vorliegt oder nicht, die Förderung der Selbstbestimmung sowie bis zu einem gewissen Grad die Toleranz gegenüber Verhaltensweisen, die nicht der Norm entsprechen. Wenn wir von schwierigem Verhalten sprechen, benutzen wir den Ausdruck herausforderndes Verhalten. Doch auch dieser Begriff ist eher negativ geprägt. Von Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen können wir diesbezüglich einiges lernen. Die Mitarbeiter sprechen von speziellem oder herausragendem Verhalten, bezeichnen Handlungen, die nicht der Norm entsprechen, als kreativ oder verhaltensoriginell. Auch sie sind täglich vor Herausforderungen gestellt und praktizieren eine tolerante Einstellung. Wir müssen herausforderndes Verhalten immer hinterfragen, oft hat es mit Strukturen innerhalb der Einrichtung zu tun. Zum einen beeinflussen die Gestaltung der Räumlichkeiten und die Atmosphäre Handlungen von Personen mit Demenz, zum anderen sind es Arbeitsprozesse, die den Bewohner direkt betreffen. Der Bewohner braucht ein Umfeld, in dem er sich wohl fühlen kann. Dies hat unter anderem mit Erinnerungsstücken und bekannten Gegenständen zu tun. Es gibt mehrere Möglichkeiten, dessen Wohlbefinden zu steigern: Benutzung eigener Bettwäsche, eines individuellen Trinkglases, möglicherweise eigenes (altes) Geschirr. Ein Teppich aus der früheren Wohnung kann ein wichtiges Erinnerungsstück sein, gereinigt und als Wandteppich im Zimmer angebracht, stellt er auch keine Stolpergefahr dar. Insgesamt sollte die Umgebung biografiegerecht gestaltet sein. Ecken und Nischen, Decken und Zweisitzer Helles, blendfreies Licht dient der Sicherheit, schafft aber auch eine freundliche Atmosphäre. Geborgenheit geben warme Farben und Ecken, in die der Bewohner sich zurückziehen kann. Dies ist für Menschen, die sich verloren fühlen, meist ein wichtiges Bedürfnis. Hierzu ein Beispiel: In einer Einrichtung einer Großstadt besuchte ich eine Seniorenein- Herausforderndes Verhalten: Was fördert, was verhindert Verhaltensweisen, die herausforderndes Verhalten fördern: beim Reden unterbrechen ein bestimmtes Tempo abverlangen, z. B. bei der Körperpflege der Lächerlichkeit preisgeben, z. B. wenn Bewohner sich über ihn lustig machen dem Spott aussetzen, wenn er in bestimmten Situationen nicht geschützt wird degradieren, erniedrigen oder herabwürdigen, z. B. bei Fehlhandlungen schimpfen, seinem Ärger Luft machen zwingen oder nötigen, z. B. zum Trinken ausschließen, nicht beachten oder übergehen ( er kann sich sowieso nicht entscheiden ) wie ein Kind behandeln alles auf sich beziehen, persönlich nehmen Verhaltensweisen die herausforderndes Verhalten verhindern können: Anerkennung für bestimmte Leistungen zusammen lachen, spielen oder feiern (ohne zu überfordern) Gesagtes bestätigen, für gültig erklären Würdigung, z. B. beim Ansehen von alten Fotos es dem Betroffenen gemütlich machen, ihn verwöhnen entspannende Momente integrieren anregende Tätigkeiten anbieten, gemeinsam etwas schaffen Halt geben ( ich bin da ), vermitteln, weiterhelfen tolerant und zulassend sein ausreichend lange auf günstige Gelegenheiten warten www.altenpflege-online.net

Musterformulierung Fallbesprechung Name: Frau Summer Datum / Uhrzeit: 3. April 2014, 15.30 Uhr Beteiligte: Frau Summer, Frau Lehmann, Monika Muster (PFK) Was ist passiert? Frau S. hat Frau L. mit der Hand am Arm gepackt und sie stark gezwickt, woraufhin Frau L. sehr laut schrie und schimpfte. Monika Muster brachte Frau S. anschließend ins Zimmer, wo sich diese etwas hingelegt hat. Wann tritt das Verhalten auf? Wenn Frau L. sich (was häufig vorkommt) an Frau S. wendet und ihr sagt, dass sie etwas Bestimmtes unterlassen soll. Frau L. hat sich darüber aufgeregt, dass Frau S. die Servietten immer von links nach rechts und wieder zurück legt. Wo tritt das Verhalten auf? Im Gemeinschaftsraum, wenn alle am Tisch sitzen. Wie zeigt sich das Verhalten? Frau S. beginnt immer schneller werdend mit beiden Fäusten auf den Tisch zu schlagen und Nein, nein zu rufen. Bisher hat sie jedoch noch niemanden angegriffen. Vincentz Network GmbH & Co KG, Altenpflege 4.2014 Was könnten mögliche Auslöser sein? Frau L. bestimmt über Frau S. und sagt ihr immer, was sie tun und lassen soll. Überforderung von Frau S. aufgrund zu vieler Umgebungsreize. Welche Ideen / Lösungsmöglichkeiten gibt es im Team dazu? Frau L. und Frau S. getrennt voneinander setzen. Frau S. gelegentlich eine Rückzugsmöglichkeit anbieten. Hinweis Formular in Anlehnung an Beispiel aus der Veröffentlichung Modellprojekt DemOS Demenz-Organisation-Selbstpflege Altenpflege 4.14

29 > Altenpflege Titelthema richtung. Das Haus war sehr alt, ein unattraktiver Betonklotz. Im obersten Stock des Gebäudes gab es einen Wohnbereich, der Menschen mit Demenz vorbehalten war. Es gab lange Gänge, die Zimmer waren nichts Besonderes. Doch im ganzen Wohnbereich gab es Ecken und Nischen, in denen alte Sofas standen, meist Zweisitzer. Von der Decke hingen feine Dekostoffe in warmen dezenten Farben, die das Sofa einrahmten. Ein kleiner Anhänger, ein Engel oder ein geschliffener Stein hingen in der Mitte und ergaben ein schönes Bild. Überall verteilt saßen ältere Damen und Herren auf den Polstermöbeln und schienen sich sehr wohl zu fühlen. Von Zeit zu Zeit spazierten sie den Gang auf und ab, um es sich dann wieder gemütlich zu machen und das Geschehen zu beobachten. Der Wohnbereich war nicht geschlossen, trotzdem hatte wohl keiner der Menschen mit Demenz das Bedürfnis, das Stockwerk zu verlassen. Sehr überraschend, weil ich es so noch nie erlebt hatte, war, dass es außerordentlich ruhig zuging. Es herrschte eine gemütliche und angenehme Atmosphäre, die Pflegekräfte gingen in Ruhe ihrer Arbeit nach. Ich teilte meine Beobachtungen und Empfindungen einer Mitarbeiterin des Wohnbereichs mit und fragte sie, wie denn das Konzept aussähe, weil hier eine solch angenehme Stimmung herrsche. Sie meinte nur: Ja wissen Sie, wir sind hier sehr tolerant. Das war alles. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und wo kein Druck, da auch kein Gegendruck. Mit den Angehörigen war abgesprochen, wie die Gepflogenheiten sind. Beispielsweise wurde nicht korrigierend eingegriffen, wenn sich ein Bewohner in ein anderes Bett legte. Den Bewohner, dem das Bett gehörte, schien das nicht zu stören. Das ist wohl überhaupt ein wichtiger Punkt: Wenn etwas als störend empfunden wird, wer hat dann das Problem damit? Beispiel: Hat Herr Oswald ein Problem, weil er mit den Fingern isst? Nein. Wer hat dann das Problem? Vielleicht eine Angehörige? Wer auch immer das Problem hat, kann es lösen. Herr Oswald jedenfalls darf weiterhin mit den Fingern essen. Das Bestreben bei der Betreuung von Menschen mit Demenz ist, dass sich der Bewohner sicher und geborgen fühlt, akzeptiert wird und so sein darf, wie er ist und früher war. So tragen Sie dazu bei, dass sich ein Bewohner in Ihrer Umgebung wohl fühlt: Akzeptieren Sie das Verhalten und die Realität des Betroffenen. Reagieren Sie auf das Verhalten und die Realität des Bewohners (seine Realität). Versuchen Sie, das Verhalten zu verstehen und einzuordnen. Gewähren Sie eine kontinuierliche Tagesstruktur. Das gibt dem Bewohner Sicherheit. Studieren Sie die Biografie der Person. Sie erklärt das Verhalten (Lebensgeschichten, Zeitgeschichte). Zu herausforderndem Verhalten kommt es häufig, wenn Bewohner sich überfordert fühlen oder übergangen werden. Zu viele Reize in der Umgebung verwirren und machen unruhig. Vielleicht können wir uns das so vorstellen, als wären wir ständig auf einem Rummelplatz, auf dem es laut zugeht, grelle bunte Lichter aufblitzen und ständiger Lärm herrscht, den wir nicht einordnen können. Stellen Sie sich vor, eine Person, die an Demenz erkrankt ist, sitzt in einem Gemeinschaftsraum. Sie hört schwer und hat zwei Hörgeräte. Sie nimmt viele Stimmen und Geräusche wahr und hat immer einen gewissen Lärmpegel im Ohr. An der Wand läuft der Fernseher, sie versteht nicht, was gesprochen wird. Die Bilder wechseln schnell, dazwischen Werbung viele Eindrücke, die sie nicht einordnen kann. Nun kommt eine Pflegekraft von hinten an sie ran, zieht den Stuhl zurück und möchte mit ihr zur Toilette gehen. Die Bewohnerin erschrickt, da sie überrascht und bereits völlig überfordert ist. Die Situation eskaliert. Eine alltägliche Geschichte, die keine Seltenheit darstellt. Tage strukturieren, Orientierung schaffen Bewohner mit einer Demenz können sich nicht an ihre Umwelt anpassen. Die Umwelt muss sich an die Personen anpassen. Der Tag sollte strukturiert sein. Mahlzeiten finden immer zur selben Uhrzeit statt, Gewohnheiten werden berücksichtigt. Orientierungshilfen sind gut sichtbar angebracht. Diese müssen auch wieder auf den Menschen ausgerichtet sein: Eine digitale Anzeige kann der Bewohner meist nicht (mehr) umsetzen. Also muss eine Uhr mit Zeiger angeschafft werden. Erkennt die Person, was sich hinter der Türe mit WC verbirgt, oder wäre das Bild einer Toilette nicht geeigneter, um wirkliche Orientierung zu schaffen? Die Wenn etwas als störend empfunden wird, wer hat dann das Problem damit? Kennzeichnung der Zimmertüre mit dem Foto der Bewohnerin zeigt möglicherweise keine Wirkung. Sie sieht sich ja in ihrer Realität nicht als alte Frau, sondern als junges Mädchen. Besser geeignet wäre z. B. das Bild ihrer früheren Katze. Solche Maßnahmen wie die genannten tragen dazu bei, dass Bewohner mit einer Demenz sich sicher fühlen. Alles, was dazu beiträgt, dass die Person sich wohlfühlt, wirkt dem herausfordernden Verhalten entgegen. Nehmen Sie als Pflegeperson eine beruhigende Haltung ein. Sie über- ein deutscher Hersteller für Funkfinger kompatibel mit fast allen Schwesternrufanlagen ohne zusätzliche Installationskosten, zu einem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis. Info unter 04191/9085-0 www.megacom-gmbh.de www.altenpflege-online.net

30 tragen dadurch sehr viel Ruhe. Führen Sie Handlungen langsam durch und erklären Sie immer, was Sie tun. Sicher, die Zeit spielt eine Rolle. Doch wie ist es, wenn Sie auf ein eskalierendes Verhalten reagieren müssen? Wie viel Zeit verstreicht, bis wieder alles in geordneten Bahnen verläuft? Denn nicht selten werden andere Bewohner von solchen Ereignissen angesteckt und benötigen intensivere Zuwendung. Förderlich für Bewohner mit Demenz sind kleine Gruppen und Aktivitäten, die personenzentriert, also auf die einzelne Person ausgerichtet sind. Auch und gerade in beschäftigungsarmen Zeiten sind diese wichtig, etwa am Abend. Doch was ist zu tun, wenn sich herausforderndes Verhalten ereignet hat bzw. bei einer Person immer wieder vorkommt? Hier ist es wichtig, eine Fallbesprechung einzuberufen und die Situation zu analysieren (siehe Musterformulie- > Altenpflege Titelthema rung auf Seite 28). Dadurch kommt man gemeinsam oft zu Lösungsansätzen, die es wert sind, auszuprobiert zu werden. Meist lässt sich ein bestimmtes Muster erkennen, und so kann mit der Zeit das herausfordernde Verhalten bereits im Vorfeld verhindert werden. Wichtig ist auch das Eingehen auf den Schlaf-Wach-Rhythmus. Alte Menschen brauchen nicht mehr so viel Schlaf, liegen aber aufgrund äußerer Strukturen, teilweise bis zu 14 Stunden im Bett. Somit ist Unruhe vorprogrammiert. Die Frage ist, ob ein Bewohner, der um 3 Uhr nachts ausgeschlafen ist, eine Struktur vorfindet, die darauf eingerichtet ist. Möglich wäre dies beispielsweise durch ein Nachtcafé, in dem man sich nachts aufhalten kann. Sollte dies nicht der Fall sein, stellt sich die Frage, wie statt dessen mit dieser Störung verfahren wird. Noch viel zu oft werden dann sedierende Medikamente eingesetzt und der Mensch in das System gepresst, statt die Umgebungsbedingungen an den Menschen anzupassen. Mehr zum Thema Download: Die Rahmenempfehlungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz in der stationären Altenhilfe des Bundesministeriums für Gesundheit finden Sie als Download zur Zeitschrift unter www.altenpflege-online.net/ Arbeitshilfen/Downloads Claudia Heim ist Altenpflegerin, Coach und Supervisorin, TQM-Auditorin, Buchautorin und Autorin zahlreicher Fachbeiträge Altenpflege 4.14