Die UN-Behindertenrechtskonvention Motor für die Weiterentwicklung Sozialpsychiatrischer Dienste? Forum VIII auf der Jahrestagung der DGSP vom 24.-27.10.2012 in Mönchengladbach 1. Das Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste in Deutschland ein Steckbrief 2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Vorstellung des Thesenpapiers 3. Krisenintervention Nagelprobe für das Recht auf Selbstbestimmung & Inklusion 4. Die UN-BRK als Herausforderung an die Arbeit des Netzwerks Diskussion
1. Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste Steckbrief (1) Vorgeschichte: Berichte aus den Ländern 2004-2009 In den Sozialpsychiatrische Informationen erscheint die Artikel-Reihe Wie geht es eigentlich den Sozialpsychiatrischen Diensten in? ; Beiträge aus allen Bundesländern bis auf Mecklenburg-Vorpommern Alle Artikel wurden veröffentlicht in einem Sonderband für die Teilnehmer an der Fachtagung Segel setzen!, ergänzt um historische und programmatische Texte: Elgeti H, Albers M (2010): Hart am Wind Welchen Kurs nimmt die Sozialpsychiatrie? Bonn; Psychiatrie-Verlag 2
1. Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste Steckbrief (2) Kooperationspartner und Koordinatoren AWO: Reinhild Schulze (SpDi Heidekreis) BVÖGD: Matthias Albers (SpDi Mettmann) / Eva Dorgeloh (SpDi Köln) Der Paritätische: Klaus Jansen (Köln) / Claudia Zinke (Berlin) Diakonie / BEB: Wolfram Beins (SpDi Celle / Katharina Ratzke (Berlin) DGSP: Constantin v. Gatterburg (SpDi Kreis Bergstraße) Akademie für öffentl. Gesundheitswesen: Petra Wiemer (Düsseldorf) Psychiatrie-Verlag: York Bieger (Köln) Netzwerk Süd: Heinrich Berger (SpDi München) / Klaus Obert Netzwerk West: Eva Dorgeloh (SpDi Köln) / Matthias Albers Netzwerk Ost: Detlev Gagel / René de la Chaux (SpDi Berlin) MHH: Marc Ziegenbein LFB Psych NI: Hermann Elgeti LVG & AFS: Sabine Erven Geschäftsstelle in Hannover und Netzwerk Nord 3
1. Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste Steckbrief (3) Ziele des Netzwerks 1. Länder- und Träger-übergreifender Erfahrungsaustausch 2. Klärung des Selbstverständnisses Sozialpsychiatrischer Dienste 3. Entwicklung zukunftsweisender Arbeitskonzepte 4. Aufklärung der (Fach-) Öffentlichkeit über die Bedeutung Sozialpsychiatrischer Dienste für eine Verwirklichung gemeindepsychiatrischer Versorgungskonzepte 5. Auf die Bedürfnisse der Arbeit im Sozialpsychiatrischen Dienst zugeschnittene Fortbildungen 4
1. Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste Steckbrief (4) Fachtagungen Segel setzen! 2010 in Hannover (MHH) 08.-10.07. Zur Zukunft der Sozialpsychiatrischen Dienste in Deutschland Bilanz und Perspektiven (dabei: Veröffentlichung der Hannoveraner Thesen: Bei der kommunalen Daseinsfürsorge für psychisch erkrankte Menschen sind Sozialpsychiatrische Dienste unverzichtbar! Vorbereitung dieser ersten bundesweiten SpDi-Fachtagung ab 9/2009; 8/2010 Gründung des Netzwerks durch die Veranstalter und Aufbau regionaler Netzwerke in Nord-, Süd-, Ost- und Westdeutschland 2012 in Hannover (Akademie des Sports) 22.-23.03. Kernaufgaben der Sozialpsychiatrischen Dienste (anschließend: Erarbeitung Thesenpapier zu den Kernaufgaben der SpDi) 2014 in Hannover (Akademie des Sports) 20.-21.03. Sozialpsychiatrische Dienste im Sozialraum (Arbeitstitel) 5
1. Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste Steckbrief (5) Weitere Aktivitäten: Informationsdienst Homepage www.sozialpsychiatrische-dienste.de Rundbriefe an alle SpDi in Deutschland halbjährlich (ab Januar 2011, auf Homepage abrufbar) Nachrichtenseite Immer die Nase im Wind in den Sozialpsychiatrischen Informationen (ab Heft 3/2011) Alle SpDi (als Team und/oder Mitarbeiter persönlich) kommen in den Email-Verteiler, wenn sie dies Frau Erven mitteilen: info@akademie-sozialmedizin.de 6
1. Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste Steckbrief (6) Weitere Aktivitäten: regionale Netzwerke I Netzwerk Süd: 1. Treffen am 15.-16.09. 2011 in Kloster Irsee Grundversorgung und Kernaufgaben der SpDi weitere Arbeitsfelder (Selbsthilfe, IV, Pflege, Hilfe für Migranten) Ein nächstes gemeinsames Treffen ist für 2013 geplant. Netzwerk West: 1. Treffen am 20.10.2011 in Düsseldorf Junge psychisch Kranke zwischen Rebellion, Resignation und Rehabilitation Nächstes Treffen: 05.03.2013 in Frankfurt/Main Netzwerk Ost: 1. Treffen am 19.-20.01.2012 in Berlin Sammlung von Themen für die folgenden Treffen 2. Treffen am 21.-22.09.2012 in Berlin 7
1. Netzwerk Sozialpsychiatrischer Dienste Steckbrief (7) Weitere Aktivitäten: regionale Netzwerke II Netzwerk Nord 1. Treffen am 18.03.2011 in Hannover Psychiatrische Begutachtung von Migrantinnen und Migranten - von der PTBS bis zur Schizophrenie; Qualitätsentwicklung psychiatrischer Hilfen im regionalen Verbund 2. Treffen am 09.11.2011 in Lüneburg Was soll ein Sozialraumbudget in der Eingliederungshilfe? Kooperation zwischen Klinik und Sozialpsychiatrischem Dienst 3. Treffen am 19.09.2012 in Hamburg die Rolle der SpDi in Modellen der integrierten Versorgung verschiedene Modelle ambulanter Kriseninterventionsdienste SpDi als Bestandteil der sozialen Infrastruktur der Kommunen 4. Treffen am 13.03.2013 in Bremerhaven 8
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (1) Vorbemerkungen Sozialpsychiatrische Dienste erfüllen Kernaufgaben auf dem Weg zu einer inklusiven und Sozialraum-bezogenen Psychiatrie! Thesen des bundesweiten Netzwerks Sozialpsychiatrischer Dienste im Anschluss an die 2. Fachtagung Segel setzen! in Hannover (22.- 23.03.2012) Wir haben anlässlich der 1. Fachtagung Segel setzen! 2010 in unseren Hannoveraner Thesen begründet, warum Sozialpsychiatrische Dienste bei der kommunalen Daseinsfürsorge für psychisch erkrankte Menschen unverzichtbar sind. Auf der Folgetagung 2012 mit erneut etwa 160 Teilnehmenden diskutierten wir die Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste vor dem Hintergrund der Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention nach Inklusion. Als ein Ergebnis unserer Diskussionen haben wir fünf Kernaufgaben definiert: 9
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (2) 1. niederschwellige Beratung und Betreuung I Dies ist die wichtigste Aufgabe Sozialpsychiatrischer Dienste. Sie bezieht sich nicht nur auf Bürgerinnen und Bürger mit psychischen und sozialen Problemen, sondern auch auf ihre Angehörigen und andere um sie besorgte Mitmenschen. Einerseits geht es dabei um kurzfristige Beratungen ohne Wartezeit mit Klärung der oftmals komplexen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und sozialen Nöte. Erforderlichenfalls sind die Betroffenen anschließend an eine geeignete wohnortnahe Unterstützungsmöglichkeit zu vermitteln. 10
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (3) 1. niederschwellige Beratung und Betreuung II Andererseits ist bei Bedarf eine Gruppe von chronisch und schwer psychisch erkrankten Menschen unter Umständen längerfristig multidisziplinär zu betreuen, ggf. auch aufsuchend bzw. nachgehend. Das ist in all den Fällen erforderlich, in denen die Betroffenen trotz entsprechender Notwendigkeit noch nicht oder nicht mehr von den hier eigentlich einzusetzenden Hilfsangeboten erreicht werden. 11
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste - Thesen (4) 2. Krisenintervention und Zwangseinweisung I Menschen können einmalig, mehrmals oder im Rahmen lang dauernder Beeinträchtigungen immer wieder in gefährliche Zuspitzungen ihrer psychosozialen Problemlage geraten. Für solche Fälle muss eine multidisziplinär besetzte mobile Notfallbereitschaft verfügbar sein, die die Situation sofort, ggf. auch vor Ort, fachkompetent klären und die notwendigen Maßnahmen einleiten kann. Der Sozialpsychiatrische Dienst einer Kommune sollte in die Lage versetzt werden, diese Aufgabe immer dann wahrzunehmen, wenn andere Dienste nicht zuständig sind oder nicht rechtzeitig in geeigneter Weise tätig werden können. 12
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste - Thesen (5) 2. Krisenintervention und Zwangseinweisung II Bei einer akuten und mit ambulanten Mitteln nicht zu bewältigenden Selbst- oder Fremdgefährdung ist dafür zu sorgen, dass die betroffene Person nach der rechtlich gebotenen Prüfung auch gegen ihren Willen in die nächstgelegene dafür geeignete Klinik eingewiesen werden kann. Die mit dieser Aufgabe betrauten Fachleute brauchen ein hohes Maß an Fachkompetenz und ethischer Fundierung ihres Handelns, ausgeprägte Dialogbereitschaft und Respekt gegenüber allen Beteiligten. Neben Belastungsfähigkeit ist auch Einfühlungsvermögen nötig, neben Entscheidungsfreude auch das Zulassen von Zweifel, neben Konzentration auf das Vordringliche und Wichtige auch der Blick auf Kontextfaktoren und Folgewirkungen der Krisenintervention. 13
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (6) 3. Planung und Koordination von Einzelfallhilfen Menschen mit schweren und chronisch verlaufenden psychischen Erkrankungen haben nicht selten einen komplexen Hilfebedarf, der den Einsatz unterschiedlicher Hilfen erfordert. Oft sind weder die Betroffenen selbst noch die Leistungserbringer und Kostenträger in der Lage, den individuellen Hilfebedarf sachgerecht festzustellen, die erforderlichen Leistungen in ihrem Gesamtzusammenhang zu planen und zu koordinieren. Sozialpsychiatrische Dienste können diese Aufgabe am besten erfüllen, nicht nur aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz und Unabhängigkeit, sondern auch aufgrund ihrer guten Kenntnis der Unterstützungsmöglichkeiten im Sozialraum und der Hilfsangebote im gemeindepsychiatrischen Netzwerk. Dafür muss der jeweilige Kostenträger den Auftrag erteilen und das zu seiner Erfüllung erforderliche Personal finanzieren. 14
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (7) 4. Netzwerkarbeit und Steuerung im regionalen Verbund I Ohne eine regionale Koordination und Planung der Hilfen für psychisch erkrankte Menschen lässt sich eine bedarfsgerechte wohnortnahe Versorgung nicht gewährleisten. Die Herausforderungen auf diesem Gebiet steigen nicht nur mit der Vielfalt der individuellen Bedarfe, sondern auch mit der Zersplitterung der Kostenträger, der Spezialisierung der Hilfsangebote und ihrer Konkurrenz untereinander. Hier sind Sozialpsychiatrische Dienste notwendig und gut geeignet, im Auftrag der Kommune für eine Vernetzung der verschiedenen Akteure und für eine regionale Planung der Angebotsentwicklung zu sorgen. 15
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (8) 4. Netzwerkarbeit und Steuerung im regionalen Verbund II (Hier sind Sozialpsychiatrische Dienste notwendig und gut geeignet, im Auftrag der Kommune für eine Vernetzung der verschiedenen Akteure und für eine regionale Planung der Angebotsentwicklung zu sorgen.) Dabei hilft ihnen die strikte Orientierung auf den Sozialraum der Kommune und auf die gleichberechtigte Teilhabe der betroffenen Menschen am Leben der Gemeinschaft, unabhängig von Art und Umfang ihrer Beeinträchtigungen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind Sozialpsychiatrische Dienste auf eine enge Zusammenarbeit sowohl mit den Leistungserbringern und Kostenträgern als auch mit den kommunalen sozialen Diensten und nicht zuletzt auch mit den Selbsthilfe-Initiativen der Betroffenen und ihrer Angehörigen angewiesen. 16
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (9) 5. Beschwerdemanagement und Fachaufsicht Um die Qualität der Hilfeleistungen wirksam zu sichern und nachhaltig zu verbessern, müssen ihre ethischen bzw. fachlichen Standards regelmäßig überprüft werden. Die Nutzer der Hilfen sind dabei konsequent einzubeziehen. Sozialpsychiatrische Dienste sollten sich in Zukunft stärker als bisher dieser Aufgabe widmen, in Abstimmung mit den Partnern im Netzwerk der Kommune und den für die Qualitätssicherung der Angebote zuständigen Stellen. Ein wichtiger Bestandteil entsprechender Aktivitäten ist eine unabhängige Beschwerdestelle für alle Dienste und Einrichtungen des regionalen Verbunds. 17
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (10) Schlussbemerkungen I Sozialpsychiatrische Dienste sollten sich darüber hinaus in ihrer Kommune an der Gemeinwesenarbeit zugunsten der seelischen Gesundheit in der Bevölkerung und an Aktivitäten zur Prävention psychischer Erkrankungen beteiligen. Häufig ist es auch sinnvoll, weitergehende Dienstleistungen im Rahmen verschiedener gesetzlicher Vorschriften zu übernehmen, z.b. für seelisch behinderte Menschen in der Eingliederungshilfe, für arbeitslose oder wohnungslose Menschen, für Flüchtlinge und Asylbewerber, für Kinder, Jugendliche und alte Menschen mit einem besonderen Hilfebedarf. In all diesen Fällen ist darauf zu achten, dass diese Aufgaben nur soweit und solange übernommen werden, wie keine ebenso gut geeigneten anderen Leistungserbringer zur Verfügung stehen. Außerdem benötigt der Sozialpsychiatrische Dienst dafür in ausreichendem Umfang gesonderte Personalressourcen. 18
2. Kernaufgaben Sozialpsychiatrischer Dienste Thesen (11) Schlussbemerkungen II Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sozialpsychiatrischer Dienste wollen psychisch erkrankten Menschen Hilfe zur Selbsthilfe leisten und treten für ihre volle gesellschaftliche Teilhabe ein. Sie wollen die betroffenen Menschen dabei unterstützen, ihre Entscheidungsspielräume zu erweitern und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. 19
UN-BRK als Motor für die Sozialpsychiatrischen Dienste? Kontaktadressen der Moderatoren Dr. med. Matthias Albers Kreisverwaltung Mettmann 53-5 Gesundheitsamt Sozialpsychiatrischer Dienst Düsseldorfer Straße 47, 40822 Mettmann matthias.albers@kreis-mettmann.de Dr. rer. nat. Joachim Brandenburg Netzwerk 01 Psychiatrie-Erfahrene Köln & Umgebung Carl-Schurz-Str. 14, 50935 Köln r.j.brandenburg@web.de Dr. med. Hermann Elgeti Region Hannover Dezernat für Soziale Infrastruktur Sozialplanung Hildesheimer Straße 20, 30169 Hannover hermann.elgeti@region-hannover.de 20