Modernisierung von Milchviehställen in kleinen Beständen

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Transkript:

KTBL-Schrift 429 Modernisierung von Milchviehställen in kleinen Beständen Planungsempfehlungen und Beispiellösungen 2. überarbeitete Auflage Angela Reichel Hermann Wandel Herausgeber Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.v. (KTBL) Darmstadt

Autoren Dr. Angela Reichel Badstraße 18 88131 Lindau Hermann Wandel Hadäckerstraße 43 70597 Stuttgart Unter Mitwirkung in Kapitel 9 von Jochen Simon Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft Institut für Landtechnik und Tierhaltung Prof. Dürrwaechter-Platz 2 85586 Poing Projektbetreuung Dr. Wilfried Hartmann Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) Bartningstraße 49 64289 Darmstadt 2008 Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL) Bartningstraße 49 64289 Darmstadt Telefon (06151) 7001-0 Fax (06151) 7001-123 E-Mail: ktbl@ktbl.de www.ktbl.de Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Texten und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung des KTBL urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Herausgegeben mit Förderung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Bonn Redaktion Dr. Wilfried Hartmann KTBL Titelfoto Dr. Wilfried Hartmann KTBL Vertrieb KTBL Darmstadt Druck Druckerei Lokay Reinheim Printed in Germany ISBN 978-3-939371-70-0 Vorwort Etwa 60 % der Milchviehbetriebe wirtschaften mit weniger als 30 Milchkühen. Dabei werden die Kühe meist in Anbindehaltung gehalten. Viele Betriebsinhaber stehen vor der Entscheidung, den Betrieb nachhaltig weiter zu entwickeln oder ihn kurz- oder mittelfristig auslaufen zu lassen. Die vorliegende Schrift bietet Anregungen und Planungshilfen für die Weiterentwicklung kleiner Milchviehherden. Sie zeigt darüber hinaus hilfreiche Ansatzpunkte zur Er - arbeitung von Strategien zur kurz-, mittel- und langfristigen Verbesserung der Haltungsbedingungen für die Tiere, aber auch der arbeitswirtschaftlichen Situation. Dabei spielt der Übergang zur Laufstallhaltung eine zentrale Rolle. Verschiedene Untersuchungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass diese Haltungsform durch Um- und Neubaumaßnahmen auch bei kleinen Bestandsgrößen mit vertretbarem Aufwand realisierbar ist. Die anhaltende Nachfrage nach der KTBL-Schrift aus dem Jahr 2005 hat uns veranlasst, eine überarbeitete Auflage zu erstellen. In diesem Zuge haben die Autoren Ausführungen zur Einbindung von Laufhöfen sowie eine Kontrollliste zur Sicherstellung des Kuhkomforts im Liegeboxenlaufstall ergänzt. Mit der Überarbeitung des Kapitels Baukosten werden nun auch der Einfluss unterschiedlicher Bauformen auf die Kosten und die mittel- und langfristige Weiterentwicklung berücksichtigt. Für die Überarbeitung der vorliegenden Schrift danken wir den Autoren Frau Dr. Angela Reichel und Herrn Hermann Wandel sowie für ihre Mitwirkung Herrn Prof. Dr. Thomas Jungbluth vom Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim und Herrn Jochen Simon vom Institut für Landtechnik und Tierhaltung der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Danken möchten wir den Landwirten sowie Frau Dr. Margret Keck und Herrn Dr. Michael Zähner vom ART Tänikon für die Bereitstellung der Unterlagen zu den Um- und Neubaulösungen aus der Praxis. Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.v. (KTBL) Dr. Heinrich de Baey-Ernsten Hauptgeschäftsführer

Inhalt 1 Einleitung... 7 2 Anforderungen an die Haltung von Milchkühen und deren Nachzucht.... 8 2.1 Arbeitsbedingungen... 8 2.2 Bedürfnisse der Tiere... 8 2.3 Anforderungen an ökologisch bewirtschaftete Milchviehställe... 10 3 Haltungsverfahren....11 3.1 Die Ausgangssituation der Anbindestall...11 3.2 Fressliegeboxenstall... 13 3.3 Tieflaufstall... 14 3.4 Tretmiststall... 14 3.5 Liegeboxenlaufstall... 15 3.6 Kontrollliste zum Kuhkomfort im Liegeboxenlaufstall... 19 3.7 Laufhof... 20 4 Melken....21 4.1 Anforderungen an das Melken... 21 4.2 Melkstandformen... 22 4.3 Milchhygiene... 24 4.4 Milchkühlung... 25 5 Fütterung und Wasserversorgung...................... 26 5.1 Fressplatzgestaltung... 26 5.2 Futtervorlage und -lagerung... 27 5.3 Wasserversorgung... 28 6 Einstreu und Entmistung.... 29 6.1 Einstreu... 29 6.2 Entmistung... 30 6.2.1 Flüssigentmistung... 30 6.2.2 Mechanische Entmistung... 31 6.3 Lagerung von Festmist/Flüssigmist... 32

Einleitung 7 Kälber- und Jungviehbereich... 33 7.1 Grundsätzliche Anforderungen... 33 7.2 Fütterung... 33 7.3 Haltung... 34 7.3.1 Einzelhaltung... 34 7.3.2 Gruppenhaltung... 35 7.4 Planungshinweise... 37 8 Grundrisse beispielhafter Umbau- und Neubaulösungen.... 38 Betrieb 1: Umbau Anbindestall und Anbau Liegeboxenlaufstall mit 47 Milchkühen... 40 Betrieb 2: Umbau Anbindestall und Neubau Liegehalle mit 26 Milchkühen... 44 Betrieb 3: Neubau Liegehalle mit Liegeboxen mit 26 Milchkühen... 48 Betrieb 4: Umbau Altgebäude und Neubau Liegeboxenlaufstall mit 30 Milchkühen... 52 Betrieb 5: Liegehalle mit Liegeboxen und Laufhof mit 26 Milchkühen... 56 Betrieb 6: Anbau Liegehalle mit Liegeboxen mit 30 Milchkühen... 58 Betrieb 7: Liegehalle und Fressplatz mit integriertem Laufhof mit 45 Milchkühen... 62 Betrieb 8: Liegehalle und Fressplatz mit integriertem Laufhof mit 17 Milchkühen... 66 9 Kosten.... 69 9.1 Grundsätzliches... 69 9.2 Einfluss der Bauweise auf die Baukosten...71 10 Checkliste zur Überprüfung der Ist-Situation und zur Ableitung von Maßnahmen.... 72 11 Zusammenfassung.... 73 12 Literatur.... 75 Weitere Informationen... 77 Anhang: Checkliste.... 78 KTBL-Veröffentlichungen... 87 1 Einleitung Zwei Drittel des Kuhbestandes in Deutschland steht heute noch in Anbindehaltung, die vor allem in Süddeutschland Standard ist. Um wirtschaftliche Nachteile wie Einkommenseinbußen zu vermeiden und auch als kleiner Milchviehbetrieb konkurrenzfähig zu bleiben, bedarf es einzelbetrieblicher Anpassungsstrategien. Dazu kann z. B. die Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweisen gehören. In jedem Fall ist der Wechsel von der Anbindehaltung zum Laufstall durch Um- und Neubaumaßnahmen auch bei kleinen Bestandsgrößen mit vertretbarem Kapitaleinsatz möglich. Im Laufstallbetrieb ist der Deckungsbeitrag pro Kuh erheblich höher als im Anbindestall. Hierbei fallen vor allem der geringere Arbeitszeitbedarf, bessere Arbeitsbedingungen, geringere Abgangsraten und der wesentlich niedrigere Besamungsindex im Laufstall ins Gewicht. Platzmangel oder aktuelle Tierschutzauflagen sind weitere ausschlaggebende Gründe für den Umbau vom Anbinde- zum Laufstall. Wird ein Umbau geplant, ist es wichtig, arbeits- und betriebswirtschaftliche Konsequenzen möglichst genau abzuschätzen. Durch Mitnutzen vorhandener Bausubstanz und den Mut zu einfachen, statt baulich aufwändigen und damit teuren Lösungen bleiben die Investitionen im Rahmen. Für Neu- und Anbauten eignen sich Außenklima- oder Offenfrontställe mit kostengünstigen Gebäudehüllen ohne Wärmedämmung. Bei sinkenden Milcherlösen gewinnen neben niedrigen Erzeugungskosten pro kg Milch gute Erlöse für Nebenprodukte (Kalb, Altkuh, Zuchtvieh) wieder zunehmend an Bedeutung. Durch intensive individuelle Tierbetreuung, durch Vorbeugemaßnahmen wie regelmäßige Klauenpflege und nicht zuletzt durch frühzeitiges Erkennen von Krankheiten oder Schäden in der Herde können hohe Lebensleistungen beim Milchvieh erreicht werden. Deshalb sollten bei der Modernisierung alle Möglichkeiten, die der Kuhkomfort für eine tiergerechte Haltung bietet, ausgeschöpft werden. Die folgenden Ausführungen und Beispiele behandeln die Milchviehhaltung in kleineren Beständen, für die der Leitsatz Soviel Stall und Technik wie nötig, aber soviel Komfort wie möglich besonders wichtig ist. Ziel dabei ist, Landwirten Planungsempfehlungen und Hinweise zur Verbesserung der baulichen, haltungstechnischen und arbeitswirtschaftlichen Situation zu geben, um zumindest über einen mittelfristigen Zeitraum die Weiterführung des Betriebszweigs Milchviehhaltung zu ermöglichen. Die Planung muss sich dabei an den langfristigen Perspektiven des Betriebes ausrichten. Zu berücksichtigen ist z. B., ob mittel- oder langfristig eine Hofnachfolge in Aussicht steht, die auf eine Weiterentwicklung des Betriebes abzielt, oder ob es sich um eine Übergangssituation bis zur endgültigen Aufgabe der Landwirtschaft oder des Betriebszweiges in Folge des Übertritts in den Ruhestand handelt. KTBL-Schrift 429 7

A. Reichel, H. Wandel Fütterung und Wasserversorgung hindert. Dieses Rührwerk wird über eine Zeitschaltuhr regelmäßig in Gang gesetzt, wodurch auch das Aufrahmen der Milch unterbleibt. 5 Fütterung und Wasserversorgung 5.1 Fressplatzgestaltung Für hochleistende Milchkühe ist die ungestörte Futteraufnahme von großer Bedeutung; daher soll jedes Tier über einen Fressplatz verfügen. Der Einzelfressplatz wird mit 70 bis 80 cm bzw. für Hochtragende besser mit 85 bis 90 cm Breite vorgesehen. Kommen Futterverteil- oder Futtermischwagen, Ladewagen oder Blockschneider beim Füttern zum Einsatz, sollte der Futtertisch ca. 5 m breit und befahrbar sein. In kleinen Laufställen oder Altgebäuden sind häufig Stichfuttertische anzutreffen. Von außen zu beschickende Futtertische oder Futtertröge mit Überdachung kennzeichnen den Offenfrontstall, frei stehende Futtertische im Laufhof den Laufstall mit getrennten Funktionsbereichen. Im Tiefstreustall in Form einer Einflächenbucht verschmutzen eingestreute Fressplätze sehr stark und bedingen eine Höhenanpassung der Futterkrippe an die steigende Mistmatratze. Daher sind Zweiflächenbuchten mit planbefestigten oder perforierten Fressplätzen zweckmäßiger. Die Ausführung und Bemessung der Futterkrippe muss im Stall den fehlenden Weideschritt ausgleichen. Dazu wird die Krippensohle im Anbindestall 10 bis 15 cm, im Laufstall 15 bis 20 cm höher gelegt als die Stand- oder Lauffläche. Die bequeme Reichweite der Tiere auf dem Futtertisch ist vom Niveau der Krippensohle abhängig und reicht beim Anbindestall 50 bis 60 cm und beim Laufstall 70 bis 80 cm auf den Futtertisch (Abb. 15). Im Anbindestall soll mit dem niedrigeren Krippensohlenniveau auch ein niedrigeres Futtertischniveau verbunden sein, damit die Kuh beim Abb. 15: Abmessungen am Futtertisch in Laufställen. In einem Liegeboxenlaufstall ist die Krippenrückwand 50 cm hoch. Das Niveau des Futtertisches sollte etwa 15 bis 20 cm über dem Fressgang liegen, damit die Kühe bequem das Futter aufnehmen können (nach Eichhorn 1999) Aufstehen nicht behindert wird. Am Fressplatz ist eine 12 bis 18 cm breite massive Krippenwand vorteilhaft. Eine Aufkantung von 30 bis 35 cm über dem Futtertisch verhindert Futterverluste beim Vorlegen und trägt das Fressgitter und die Dachstützen. Ein Antritt in Form einer kleinen Stufe am Fressplatz, der die Dachstützen aufnehmen und dem Dungschieber eine Seitenführung vorbei an den Stützen geben soll, ist nicht tiergerecht, da die auf dem Antritt stehende Kuh beim Fressen eine unnatürliche Haltung einnehmen muss. Diese Haltung belastet die Vorderbeine, insbesondere die Innenklauen, unnötig (Wandel 2003). Als Alternative zum Antritt kann man bei planbefestigten Laufgängen eine erhöhte Standfläche anlegen, auf der die Kuh mit ganzer Länge bequem stehen kann. Der Vorteil ist, dass die Kühe am Fressgitter nicht durch den laufenden Dungschieber gestört oder beunruhigt werden (Boege 2003). Futterkrippen, -tröge und -schalen bestehen aus hygienischen Gründen vor allem aus glasiertem Steinzeug, Duroton oder aus Edelstahl. Sie sind gegen mechanische und chemische Beanspruchung beständig, leicht zu reinigen und bleiben glatt. In Liegeboxenlaufställen wird gewöhnlich auf vertiefte Futterkrippen verzichtet, weil sie für die Vorratsfütterung zu wenig fassen. Um den Fressplatz zu unterteilen und Futterverluste zu vermeiden, kommen als Absperrung Fressgitter, Nackenrohre und Palisaden zum Einsatz. Bei einheitlicher Futterversorgung genügen Palisadenfressgitter oder Schräggitter aus Holz oder Rohren. Für behornte Kühe gibt es spezielle Fangfressgitter. Geneigte Fressgitter (ca. 20 ) berücksichtigen das Überstehen der Buggelenke über die Vorderklauen und vergrößern gleichzeitig die Reichweite auf dem Futtertisch. Bei 37 bis 40 Neigung werden die am Fressgitter wirksamen Kräfte nicht auf die druckempfindlichen Buggelenke, sondern auf die gut bemuskelten Oberarmbeine geleitet. Selbstfangfressgitter vermeiden Verdrängungen und gewährleisten eine ungestörte Futteraufnahme. Selbstfangfressgitter haben außerdem die Aufgabe, die Kühe zeitweise zu fixieren, z. B. für 30 min nach dem Melken, solange eine Infektionsgefahr über den offenen Strichkanal besteht. In vielen Betrieben in der Schweiz werden einfache Nackenriegel als Abtrennung zum Futtertisch eingesetzt. Nachrückbare Fressgitter kommen für kleine Milchviehherden aus Kostengründen nicht in Frage. 5.2 Futtervorlage und -lagerung Für Milchvieh sind Gras- und Maissilage, in Hartkäsereigebieten Heu die wichtigsten Futterkonserven. Für die tiergerechte Futteraufnahme müssen Kühe ständig ungehinderten Zugang zum Futter haben. Zwischen eingestreuten und einstreulosen Aufstallungen besteht hinsichtlich der Mechanisierung der Grundfuttervorlage kein Unterschied. In beiden Fällen eignen sich alle verfügbaren technischen Lösungen. Da in Liegeboxenlaufställen überwiegend durchfahrbare Futtertische verwendet werden und die Futterkonservierung vor allem durch Silieren in Flachsilos erfolgt, können unabhängig von der Futterart und der Bestands 826 KTBL-Schrift 429 KTBL-Schrift 429 279

Einstreu und Entmistung A. Reichel, H. Wandel größe mobile Techniken eingesetzt werden. Für kleinere Betriebe reichen einfache Futterverteilwagen, aber auch teilmechanisierte Verfahren wie Silokamm und Blockschneider aus. Das Kraftfutter kann im Laufstall leistungsbezogen und zeitlich verteilt mit Tieridentifikation an Abrufstationen verabreicht werden, wobei eine Station bis zu 25 Kühe versorgen kann. RechAbb. 16: Ein Futterangebot im Laufhof begünstigt die Ruhe im nergesteuerte Abrufautomaten für KraftStall (Foto: Wandel) futter werden auch bei kleinen bis mittleren Betrieben sowohl aus arbeitswirtschaftlichen, als auch aus ernährungsphysiologischen Gründen und nicht zuletzt um Kraftfutter zu sparen eingesetzt. Durch Stationen mit seitlichem Ausgang wird ein störungsfreier Stationswechsel begünstigt. In offenen Ställen kann die Kraftfutterstation oder auch eine Futterraufe im Laufhof stehen (Abb. 16). Dieser Standort begünstigt bei engen Ställen die Ruhe im Stall. Die Futterstationen müssen gegen Niederschläge, Kraftfutterstationen gegen Vögel geschützt sein. Die Lagerung von Silage erfolgt üblicherweise luftdicht unter Folie in Fahrsilos, auf Silierplatten oder in Großballen. Zum Schutz von Wasser und Boden müssen die Lagerstätten wasserdicht und säurebeständig sein. Eventuell anfallender Sickersaft und Niederschläge am Lager werden in eine Grube oder einen Güllebehälter eingeleitet. Im Gegensatz zu aufwändigen Hochsilos erlauben die kostengünstigen Flachsilos das tägliche Vorlegen einer Mischung aus allen Schichten des Futterstapels. Das Trinken kann langsamer verlaufen, da sich jeweils nur zwei Tiere ein Tränkebecken teilen. Im Liegeboxenlaufstall sind die Tränken an Stellen angeordnet, die vom Fressplatz aus gut erreichbar sind, etwa in breiten Durchgängen, jedoch nicht unmittelbar am Futtertisch. Im Anbindestall ist für jeweils zwei Standplätze ein Tränkebecken in einer Höhe von 50 bis 60 cm an den Pfosten über der Krippe angebracht. Ställe mit Außenklima erfordern Abb. 17: Kippbare Trogtränken sind gut sauber zu halten und erfrostsichere Tränken, z. B. beheizte Trän- möglichen eine tiergerechte hygienische Wasseraufnahme (Fokebecken oder wärmegedämmte Ball- to: Hackeschmidt) und Klappentränken. Die Zuleitungen sind frostsicher zu verlegen. Andernfalls hilft ein Zirkulationssystem mit Zusatzheizung oberirdische Leitungen frostsicher zu halten. Tränken sollten zur Kontrolle gut einsehbar und leicht zu reinigen sein. Durch eine günstige Anordnung im Stall sowie Abweis- und Schutzvorrichtungen lassen sich Verschmutzungen durch Kot in Grenzen halten. Weil die meisten Verschmutzungen durch unvermeidbare Futterreste bedingt sind, sind kippbare Tränken besonders geeignet, da diese leicht zu reinigen sind (Abb. 17). 6 Einstreu und Entmistung 5.3 Wasserversorgung Der Wasserbedarf einer Hochleistungskuh beträgt 60 bis 180 Liter pro Tier und Tag. Selbsttränken mit Wasservorrat kommen der arteigenen Wasseraufnahme der Kuh besonders entgegen, wenn die Trogoberkante eine Höhe von 60 bis 80 cm nicht überschreitet. Der Wasserbedarf ist hauptsächlich von der Aufnahme der Trockenmasse abhängig. Rinder benötigen als Saugtrinker eine relativ geringe Wassertiefe, jedoch eine relativ große Wasserfläche (600 cm²). Die Trinkdauer pro Vorgang ist verhältnismäßig kurz, die Trinkgeschwindigkeit dagegen sehr hoch (bis zu 25 l/min). Um die Wasserversorgung sicherzustellen, ist eine ausreichende Anzahl Tränken (mindestens zwei pro Herde) mit genügendem Wassernachlauf bzw. -vorrat erforderlich (Tränketröge, Tränkewannen). Eine Vorratstränke kann ca. 25 Kühe versorgen. Bei Sammeltränken ist ein ständiger Wasservorrat vorhanden, dessen Niveau durch einen Schwimmer konstant gehalten wird. Zungentränken sind für die Anbindehaltung besser geeignet, da die kleinere Oberfläche weniger Schmutz aufnimmt. 28 10 KTBL-Schrift 429 6.1 Einstreu Die Mechanisierung des Einstreuvorgangs hängt auch bei kleinen Milchviehställen von der Transport- und Lagerform der Einstreu, z. B. loses Stroh, Hochdruckballen, Rundballen oder Quaderballen, ab. Einstreugeräte treten bei kleineren Betrieben gegenüber der Handarbeit in den Hintergrund. Sowohl in Zweiraumställen als auch in Liegeboxenlaufställen wird häufig mit Hilfe von Großballen eingestreut, die in der Nähe der einzustreuenden Flächen deponiert und nach Bedarf aufgelöst werden. Das Verteilen der Einstreu von Hand ist mit einer relativ geringen Staubbelastung für Mensch und Tier verbunden. Korb, Schubkarre, Gabel oder Handschaufel sind dabei häufig verwendete Geräte. Geräte zum Auflösen und Verteilen von Einstreu erleichtern zwar die Arbeit, führen aber häufig zu hohen Staubbelastungen. Je nach Haltungsverfahren variiert der Einstreubedarf erheblich (Tab. 8). KTBL-Schrift 429 29 11