18 Wenn Schultern und Nacken Stress machen formationsfluss ist dann besser und ungehinderter. Warum die Schulter so anfällig ist Das Schultergelenk ist das beweglichs - te Kugelgelenk in unserem Körper wir können unsere Arme in alle Richtungen bewegen. Der Preis für diese große Beweglichkeit ist eine relativ hohe mechanische Belastung und eine gewisse Instabilität des Gelenks. Außerdem hängen die Arme mit ihrem Gewicht und dem, was wir schleppen wie schwere Einkaufstaschen an den Schultern. Und da die Schulter über das Schulterblatt mit der Halswirbelsäule verbunden ist, zerrt dieses Gewicht an unserer empfindlichen Halswirbelsäule. Der Schulterbereich ist aber vor allem deshalb für Verschleiß und Verletzungen anfällig, weil es das einzige Gelenk ist, das nicht von Knochen, sondern nur von Weichteilen wie Bändern, Sehnen und Muskeln gehalten wird. Außerdem befinden sich in der Umgebung Schleimbeutel, die sich bei Fehl- oder Überbelastung schmerzhaft entzünden können. Die Stressmuskeln kennenlernen Die Muskeln, die unsere Schulterblätter umgeben, spielen eine entscheidende Rolle bei Nacken- und Schulterproblemen. Und vermutlich geht es Ihnen wie vielen Menschen, dass Ihre Schulterblätter bisher jenseits Ihrer Wahrnehmung lagen, schließlich sind sie ja auch auf dem Rücken. Mit einfachen Vorstellungsübungen, die Sie in Programm 2 (Seite 42) kennenlernen, lässt sich die Fehlposition korrigieren und die Wahrnehmung erleichtern. Das Schulterblatt ist ein flacher, dreieckiger Knochen. Es verbindet über Muskeln den Oberarmkopf mit dem Rumpf, dazu kommen wir gleich. Seine Form ähnelt einem spitzwinkligen Dreieck, dessen kürzere Seite oben liegt. Der innere Rand verläuft senkrecht, parallel zur Wirbelsäule, der obere Rand waagerecht. Das Schulterblatt liegt dem Brustkorb auf. Es»schwimmt«dort sozusagen in Muskeln, denn es wird nur über die ver- Õ Õ In dieser Abbildung sind die wichtigsten rückwärtigen Stressmuskeln eingezeichnet.
Von innerer und äußerer Anspannung 19 Tiefe Nackenmuskeln Atlas 11. Hirnnerv Schulterblatt Trapezmuskel Schulterblattheber Rautenmuskel Muskeln der Rotatorenmanschette
20 Wenn Schultern und Nacken Stress machen schiedenen an ihm ansetzenden Muskeln an seinem Platz gehalten. (Eine knöcherne Verbindung gibt es nicht.)»frei schwimmend«gleitet es auf den Rippen. Aufgrund der vielen Verspannungen kann es oft aber nicht mehr frei schwimmen, sondern steckt eher in Packeis fest. Das Schulterblatt hängt aber auch an Muskelzügen, die an der Halswirbelsäule und am Hinterhaupt ansetzen. Daher wirken sich Fehlhaltungen und Muskelverspannungen im Nacken und in der Halswirbelsäule auch immer auf den Schulterbereich aus und umgekehrt. Verklebungen in dieser Region können die Beweglichkeit und Funktion der Schulter erheblich stören. Probleme zwischen Schulterblatt und Brustkorb kommen häufig vor, werden aber oft nicht genügend erkannt. Schulterblattheber Dieser Muskel verbindet die Halswirbelsäule mit dem Schulterblatt und hat vor allem die Aufgabe, das Schulterblatt aufwärtszuziehen. Der Schulterblattheber von dem Sie vermutlich noch nie etwas gehört haben ist einer der Stressmuskeln. Er ist infolge unguter Haltungsgewohnheiten meistens verkürzt und verspannt (Schultern dauernd hochgezogen; vorgebeugte Haltung). Weil dies gegen die Schwerkraft geschieht, wird dieser Muskel oft überfordert und schmerzt. Wir müssen wieder lernen, ihn zu dehnen und von Überspannungen zu befreien. Überfordert wird er auch durch stundenlanges Arbeiten mit vorgebeugtem Kopf. Er wird dann zum»kopfhalter«, verkürzt und verspannt. Außerdem kann er die obersten Halswirbel, auch den Atlas, auf dem der Kopf sitzt, in eine Fehlstellung ziehen. Deshalb ist eine der wichtigen täglichen Übungen: aufrechte Kopfhaltung, langer Nacken. Rautenmuskel Die beiden Rautenmuskeln stellen eine muskuläre Verbindung zwischen Wirbelsäule und Schulterblatt dar. Sie fixieren und stabilisieren das Schulterblatt am Rumpf und ziehen es bei Anspannung in Richtung Wirbelsäule und ihrem Muskelfaserverlauf gemäß schräg nach oben, außerdem an die Rippen heran. Diese Muskeln sind durch unsere alltägliche vorgebeugte Körperhaltung meistens abgeschwächt. Sie müssen gekräftigt werden. Eine starke Schwä-
Von innerer und äußerer Anspannung 21 chung dieses Muskels zeigt sich im Abstehen des inneren Schulterblattrandes vom Brustkorb (»Flügelchen«). Trapezmuskel Er gilt als einer der wichtigsten Rückenmuskeln, denn er fixiert das Schulterblatt am Rumpf und trägt dadurch zu einer stabilen Haltung bei. Zusammen mit dem breiten Rückenmuskel verbindet er Rücken und Arme. Trapezförmig spannt er sich zwischen Schultern und Wirbelsäule. Er ist ein wichtiger Haltungsmuskel und stabilisiert die Wirbelsäule im Hals- und Brustwirbelbereich und unterstützt die tiefen Rückenmuskeln. Der obere Trapezmuskel unterstützt die tiefen Nackenmuskeln und stabilisiert die Kopfhaltung. Der mittlere und untere Muskelteil stabilisiert die Schulter beim Tragen von schweren Lasten. Und er trägt dazu bei, dass wir den Arm über die Horizontale hinaus heben können. Indem das Schulterblatt gedreht wird, kann der Arm über die Horizontale hinweg angehoben werden, ohne dass dabei die Schulter hochgezogen wird! Zumindest theoretisch praktisch sieht das aufgrund der Verspannungen oft anders aus, da wandert die Schulter mit hoch. Wichtige Muskeln auf der Vorderseite Auf der Körpervorderseite sind es vor allem die Brustmuskeln, die»stress machen«, also Muskeln die sich bei Stress gern verkrampfen und verkürzen. Große und kleine Brustmuskeln Der große Brustmuskel bewegt den Oberarm; er zieht ihn nach innen und vorn; ebenso den Schultergürtel. Seine Gegenspieler sind Rautenmuskel und Trapezmuskel, die Sie gerade schon kennengelernt haben. Der große Brustmuskel ist meistens verkürzt und muss gedehnt werden. Der kleine Brustmuskel zieht die Schulter nach schräg vorn unten und verursacht viele Schulterprobleme, weil er durch vorgebeugte Dauerfehlhaltungen meistens verkürzt ist. Dann zieht er das Schultergelenk dauernd in eine Fehlstellung nach vorn unten. Die Muskeln, die das Schulterblatt nach außen ziehen und es stabilisieren, müssen gegen diesen Zug kräftig ankämpfen. Das bedeutet viel Arbeit für sie. Das erklärt, warum es so wichtig ist, bei Nacken- und Schulterproblemen die Brustmuskeln zu dehnen. In Programm 6 (Seite 94) finden
22 Wenn Schultern und Nacken Stress machen Sie entsprechende Dehn- und Lockerungsübungen. Kopfwender Der Kopfwender ist ein weiterer Muskel, den kaum einer kennt (außer natürlich Physiotherapeuten), obwohl er ein wirklich böser Bube ist. Häufig ist er verspannt und beherbergt sogenannte Triggerpunkte (Schmerzpunkte im Muskel), die falsche Informationen an das Gehirn senden können. Das kann zu Schwindel und Kopfschmerzen führen. Natürlich kann der Kopfwender eigentlich nichts für unsere Fehlhaltung und die daraus resultierenden Verspannungen. Aber weil er so ein Sensibelchen ist, gehört er auf jeden Fall zu den Stressmuskeln und bedarf der Dehnung und Lockerung. In Programm 5 (Seite 76) zeige ich Ihnen Übungen, mit denen Sie ihn erfühlen, massieren und entspannen können. Der Kopfwender verläuft schräg über den Hals und kann den Kopf drehen oder zur Seite neigen. Die Nackenmuskeln und die beiden Kopfwender sorgen dafür, dass der Kopf auf der Wirbelsäule fein ausbalanciert wird. Er wird, wie der Trapezmuskel, vom elften Hirnnerv versorgt, der in körperlichen und seelischen Stresssituationen schnell aktiv wird. In Stresssituationen gibt das Gehirn über diesen Nerv dem Kopfwender sowie dem oberen Trapezmuskel den Befehl, sich anzuspannen. Faszien: sensibles Netzwerk Bei der Verkettung von äußerer und innerer Anspannung spielen unsere Faszien eine nicht zu unterschätzende Rolle. Früher sprach man von Bindegewebe und hat es sich als relativ lebloses»material«vorgestellt. Heute weiß man, dass es sich dabei um ein höchst lebendiges und vermutlich unser größtes und rezeptorreichstes Sinnesorgan handelt.»faszien«heißt so viel wie»band«zu den Faszien gehören alle kollagenen (eiweißhaltigen) faserigen Bin- Õ Õ Auch einige Muskeln der Körpervorderseite können schuld an Nackenschmerzen sein.