Die Gründung eines Betriebsrates in einen Betrieb wo noch kein Betriebsrat besteht. 1. Der Betriebsrat Der II. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes befasst sich mit dem sogenannten Organisationsrecht und enthält jene Bestimmungen, die Voraussetzung für die Errichtung unterschiedlicher Belegschaftsorgane, die Wahlvorgänge, die Geschäftsführung der Organe sowie deren Funktionsdauer, die Befugnisse der Belegschaft und der Rechtstellung der Mitglieder von Belegschaftsorganen regeln. Welche Belegschaftsorgane zu errichten sind, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Neben der Anzahl der im Betrieb beschäftigten ArbeitnehmerInnen ist auch das Verhältnis zwischen Angestellten, ArbeiterInnen und Jugendlichen, die Existenz mehrerer Betriebe, mehrerer Unternehmen oder eines Konzerns sowie die Art der Unternehmung ausschlaggebend. 1 Das Schwergewicht der betrieblichen Mitbestimmung durch die Belegschaftsvertretung liegt aber zweifellos beim Betriebsrat. Der Betriebsrat ist die gesetzliche Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen eines Betriebes, sprich eine gesetzliche Interessenvertretung auf betrieblicher Ebene. Dem stehen verhältnismäßig stark ausgebaute überbetriebliche Interessenvertretungen, wie die Kammern für ArbeiterInnen und Angestellte als gesetzliche sowie der Österreichische Gewerkschaftsbund als freiwillige Interessenvertretung, unterstützend gegenüber. 2 1.1. Rechtliche Voraussetzung zur Gründung eines Betriebsrats Um einen Betriebsrat zu gründen, bedarf es mehrerer Voraussetzungen. Als zentrales Erfordernis für die Bildung eines Betriebsrats (sowie sämtlicher Organe der Belegschaft) ist das Vorliegen eines Betriebes im Sinne des 34 ArbVG beziehungsweise das Bestehen einer gemäß 35 ArbVG gleichgestellten Arbeitsstätte nötig. Ein Betriebsrat kann außerdem nur errichtet werden, wenn mindestens fünf stimmberechtige ArbeitnehmerInnen dauernd beschäftigt sind, wobei 1 Vgl Löschnigg, Arbeitsrecht 11 688. 2 Vgl Schrank/Mazal, Arbeitsrecht 4 (2008) 79f.
HeimarbeiterInnen und Familienangehörige des Betriebsinhabers oder der Betriebsinhaberin ( 40 Abs 1 ArbVG) nicht zur Belegschaft zählen. Maßgebend für den ArbeitnehmerInnenbegriff des 36 ArbVG ist das Vorliegen eines faktischen Beschäftigungsverhältnisses und die Eingliederung in den Betrieb in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Betriebsinhaber oder Betriebsinhaberin. Als stimmberechtigt sind alle ArbeitnehmerInnen ohne Unterschied der Staatsbürgerschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und nicht nach der NRWO vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, gemäß 49 Abs 1 ArbVG definiert. Die Mindestzahl von Beschäftigten bezieht sich nicht auf einzelne ArbeitnehmerInnen sondern auf die Zahl fünf, so ist dauernd erreicht, wenn zumindest während eines Großteils des Jahres fünf ArbeitnehmerInnen beschäftigt sind. Die Dauer der einzelnen Beschäftigungsverhältnisse ist ebenso wenig von Bedeutung wie das Ausmaß der regelmäßig geleisteten Arbeitszeit. 3 1.2. Aufgaben und Befugnisse des Betriebsrats Im Gesetz wird die Interessenvertretungsaufgabe der Belegschaftsorgane sehr allgemein und umfassend umschrieben. Grundsätzlich haben die Belegschaftsorgane die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der ArbeitnehmerInnen wahrzunehmen und zu fördern. 4 Der Kernbereich der diversen Mitwirkungsrechte der Belegschaft werden im 3. Hauptstück des II. Teils des Arbeitsverfassungsgesetzes in den 89-114 als Befugnisse der Arbeitnehmerschaft geregelt. Es wird in den gesetzlichen Bestimmungen des 3. Hauptstückes meist von Betriebsrat als im Einzelfall zur Ausübung von Rechten berufenes Organ gesprochen, doch muss hier auf die Regeln der Kompetenzabgrenzung zwischen den Belegschaftsorganen in den 113f ArbVG zurückgegriffen werden, um festzustellen, welches Belegschaftsorgan zuständig ist. 5 Kompetenzübertragungen an das an sich nicht zuständige Belegschaftsorgan werden in 114 ArbVG geregelt und ermöglichen unter anderem, dass der Betriebsrat und der Betriebsausschuss dem Zentralbetriebsrat mit dessen 3 Vgl Kallab in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht Band 2 2 (2011) 40 ArbVG Rz 15ff. 4 Vgl Jabornegg/Resch, Arbeitsrecht 5 (2014) 310f. 5 Vgl Kallab in Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar 2 89 ArbVG Rz 2.
Zustimmung die Ausübung ihrer Befugnisse für einzelne Fälle oder für bestimmte Aufgaben übertragen kann. 6 Eine grobe Einteilung der Aufgaben und Befugnisse lässt sich in vier Bereiche vornehmen: die allgemeinen Befugnisse ( 89 bis 93 ArbVG), die Mitwirkung in sozialen Angelegenheiten ( 94 bis 97 ArbVG), die Mitwirkung in personellen Angelegenheiten ( 98 bis 107 ArbVG) und die Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ( 108 bis 112 ArbVG). 2. Die Betriebsratswahl Grundsätzlich wird bei Bestehen eines Betriebsrates die Betriebs- oder Gruppenversammlung vom zuständigen Betriebsrat einberufen. In der Betriebsversammlung wird der Wahlvorstand gewählt. Das Wahlverfahren beginnt mit der Wahl des Wahlvorstandes. Diesem obliegt die Vorbereitung und Durchführung der Betriebsratswahl. Ohne Wahl eines Wahlvorstandes ist eine Betriebsratswahl nicht möglich. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die eigentliche Betriebsratswahl überhaupt stattfindet. Der Wahlvorstand setzt sich aus drei Mitgliedern zusammen. Neben diesen bestehen noch drei Ersatzmitglieder, die zugleich mit den Mitgliedern gewählt werden und für den Fall der Verhinderung oder des Erlöschens der Funktion eines Mitgliedes automatisch an dessen Stelle zu treten haben.7 2.1. Einberufung der Betriebsversammlung mangels Betriebsrats Einberufung 45. (1) Die Betriebs(Gruppen)versammlung ist vom Betriebsrat, die Betriebshauptversammlung vom Betriebsausschuß einzuberufen. (2) Besteht kein Betriebsrat (Betriebsausschuß) oder ist er vorübergehend funktionsunfähig, so sind zur Einberufung berechtigt: 1. Der an Lebensjahren älteste Arbeitnehmer oder mindestens so viele Arbeitnehmer, als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind; 2. in Betrieben, in denen dauernd mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind, eine zuständige freiwillige Berufsvereinigung oder die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer, wenn die nach Z 1 zur Einberufung Berechtigten trotz Aufforderung die Einberufung innerhalb von zwei Wochen nicht vornehmen. (3) Die Einberufung der Betriebs(Gruppen-, Betriebshaupt)versammlung hat unter gleichzeitiger Bekanntgabe der Tagesordnung zu erfolgen. 6 Vgl Reissner/Neumayr in Reissner/Neumayr (Hrsg), Zeller Handbuch Betriebsvereinbarungen (2014) Rz 0.14. 7 Vgl Jabornegg/Naderhirn/Trost Die Betriebsratswahl 6 (2014), 88f
Besteht kein funktionsfähiger Betriebsrat beziehungsweise ist kein Betriebsrat installiert dann sind die einzelnen ArbeitnehmerInnen und bei Vorliegenden speziellen Voraussetzungen die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen berechtigt die Belegschaftsversammlung einzuberufen. Funktionsunfähig ist ein Betriebsrat, wenn er keine Beschlüsse mehr fassen kann. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn die Zahl der handlungsfähigen Mitglieder des Betriebsrats unter die Hälfte der Mandatszahl sinkt, die bei der letzten Betriebsratswahl entsprechen der Beschäftigungszahl vorgesehen waren ( 50 ArbVG). Die Funktionsunfähigkeit kann auch vorübergehend sein. 8 2.1.1. Einberufung der Betriebsversammlung durch die ArbeitnehmerInnen: Subsidiär zur Einberufung berechtigt ist in erster Linie der oder die an Lebensjahren älteste ArbeitnehmerIn. Entscheidend ist damit ausschließlich das Lebensalter und nicht die Betriebszugehörigkeit. Wenn 45 ArbVG von ArbeitnehmerInnen spricht, dann ist hierbei wie generell im Organisationsrecht vom ArbeitneherInnen-Begriff des 36 ArbVG auszugehen. Ist zum Beispiel ein leitender Angestellter der älteste Arbeitnehmer des Betriebs, dann steht ihm das Recht zur Einberufung der Belegschaftsversammlung nicht zu. Einberufungsberechtigt ist ausschließlich der oder die älteste ArbeitnehmerIn. Macht er vom Einberufungsrecht nicht Gebrauch, geht dieses Recht nicht auf den oder die Zweitälteste/n usw über. Als Stichtag für die Beurteilung, wer der oder die älteste ArbeitnehemIn ist, wird der Tag der Einberufung der Belegschaftsversammlung heranzuziehen sein. Dieser Umstand kann vor allem bei Neueinstellungen kurz vor der beabsichtigten Einberufung der Belegschaftsversammlung von Relevanz sein. Das Einberufungsrecht wechselt aber sehr wohl auf den Zweitältesten über, wenn der oder die älteste ArbeitnehmerIn (zum Beispiel durch Krankheit) verhindert ist. In gleicher Weise wird der Fall zu beurteilen sein, dass ein/e ArbeitnehmerIn karenziert ist und sein Einberufungsrecht nicht wahrnimmt. 9 Weiters sind für die Einberufung der Betriebsversammlung so viele ArbeitnehmerInnen, als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, zur Einberufung berechtigt. Im Falle von zum Beispiel 201 ArbeitnehmerInnen wären das 6 ArbeitnehmerInnen. Häufiger Fall einer Einberufung durch den oder die älteste/n 8 Vgl Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht Band 2 5 (2015) 45 Rz 10. 9 Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG 45 Rz 9ff.
ArbeitnehmerIn oder die künftigen Betriebsratsmitgliederzahl entsprechende Zahl an ArbeithemerInnen ist die Anberaumung einer Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes ( 54 Abs 1 ArbVG), also die Initiierung einer Betriebsratswahl. Weil das persönliche und namentliche Exponieren Repressalien seitens des Betriebsinhabers nach sich ziehen kann, bedienen sich die einberufenden ArbeitnehmerInnen mitunter des Modus der verdeckten Einberufung : Die nach 2 Abs 2 BRGO vorgeschriebene Unterfertigung des Einberufungsschriftstückes erfolgt sehr wohl, nämlich auf dem Original, dass aber nur bei der Interessenvertretungsorganisation deponiert wird und im Fall der Bestreitung der Rechtmäßigkeit der Versammlung oder der Einberufung dem Gericht als Urkunde vorgelegt wird. Im Betrieb selbst erfolgt der Aushang oder das Rundschreiben ohne Namensnennung. Auch die Notwendigkeit der Benennung einer Person zwecks Entgegennahme von Anträgen, subsidiär ist das der Erstunterfertigte, wie durch 2 Abs 2 BRGO gefordert, wird erfüllt, wenn auf der Einberufungsurkunde vermerkt wird, dass die hier nicht aufscheinende empfangsberechtigte Person über die Interessenvertretung kontaktiert werden kann. 10 2.1.2. Einberufung der Betriebsversammlung durch die Interessensvertretungen: Für den Fall, dass die an erster Stelle subsidiär Einberufungsberechtigten (älteste/r ArbeitnehmerIn, ArbeitnehmerInnen-Gruppen) die Einberufung nicht durchführen, sind unter der Voraussetzung, dass die Belegschaftsstärke des Betriebs dauernd mindestens 20 ArbeitnehmerInnen beträgt, an zweiter Stelle einberufungsberechtigt: eine zuständige freiwillige kollv-fähige Berufsvereinigung oder die gesetzliche Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen. 11 Das Einberufungsrecht der überbetrieblichen Interessenvertretungen kommt nur dann in Betracht, wenn von den ArbeitnehmerInnen des Betriebes keine Initiative ergriffen wird, um selbst die Belegschaftsversammlung einzuberufen. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Errichtung von Organen der ArbeitnehmerInnenschaft auch in jenen Betrieben zu ermöglichen, in denen Sanktionen des Arbeitgebers befürchtet werden und daher seitens der ArbeitnehmerInnen jegliche Initiative unterlassen wird. Ehe das Einberufungsrecht auf überbetriebliche Interessensvertretungen übergeht, 10 Vgl Schneller in Gahleitner/Mosler, ArbVG 2 5, 45 Rz 14ff. 11 Löschnigg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG 45 Rz 17.
haben diese allerdings zu versuchen, die Einberufung durch Beschäftigte des Betriebes zu ermöglichen. Es muss mittels schriftlicher oder elektronischer Mitteilung oder Aushang im Betrieb eine Aufforderung an die ArbeitnehmerInnenschaft gerichtet werden, das Einberufungsrecht selbst wahrzunehmen. Bleibt diese Aufforderung mindestens 2 Wochen lang erfolglos, geht das Einberufungsrecht auf die überbetriebliche Interessenvertretung über. Sollte es dann doch noch zu einer Einberufung durch die Beschäftigten kommen, gilt der Grundsatz der zeitlichen Priorität, also die zuerst kundgemachte Einberufung. Da die Einberufung der Betriebsversammlung zu den Befugnissen der Interessensvertretungen gehört, steht ihnen gemäß 39 Abs 4 ArbVG in diesen Fällen auch das Recht zu, den Betrieb zu betreten. Häufiger Anwendungsfall ist die Vorbereitung der Betriebsratswahl. Hat die Interessensvertretung die primär einberufungsberechtigten Beschäftigten nicht aufgefordert, selbst tätig zu werden, oder wurde die Zwei-Wochen-Frist nicht abgewartet, stellt dies einen Verfahrensmangel bei der darauffolgenden Betriebsratswahl dar, wenn dieser Mangel geeignet war, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Trotz eines derartigen Verfahrensmangels bei der Einberufung der Belegschaftsversammlung stehen die in dieser Versammlung gewählten Mitglieder des Wahlvorstandes unter dem besonderen Kündigungsschutzes der 120 ff ArbVG. 12 12 Vgl Schneller in Gahleitner/Mosler, ArbVG 2 5, 45 Rz 17ff.