Aufsätze Der Rechtsanwalt beim Schiedsmann Rechtsanwalt Arnold Heim, Saarbrücken (Fortsetzung aus Heft 6/1986) Nach überwiegend vertretener Auffassung liegt ein gewichtiges Hindernis für die verstärkte Heranziehung des Schiedsmannes in zivilrechtlichen Angelegenheiten aber darin, dass, anders als in Strafsachen, der Antragsgegner dem Sühnetermin ohne Folgen fern bleiben kann. Das am 1.1.1984 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung der Schiedsmannsordnung von Nordrhein-Westfalen brachte als Kernstück die Erscheinenspflicht auch im bürgerlich-rechtlichen Sühneverfahren. Es wurden Ordnungsgelder und Kostentragungspflichten für säumige Parteien eingeführt. Man nahm an, damit die Gerichte entlasten zu können und erhoffte sich eine Verbesserung der Situation5. Auch der seinerzeitige Justizminister des Saarlandes erklärte in einer Begrüßungsansprache, deren Text auszugsweise in der Schiedsmannszeitung veröffentlicht ist, man wolle die Nordrhein-Westfälischen Erfahrungen abwarten und dann handeln. Mittlerweile sind in Nordrhein-Westfalen seit Inkrafttreten der Novelle Monate vergangen. Meines Erachtens wäre es jetzt an der Zeit, einen Erfahrungsbericht zu veröffentlichen. Zurzeit kann man unterscheiden zwischen dem obligatorischen und dem nicht obligatorischen Schiedsmannsverfahren. Wegen der in 380 StPO abschließend aufgezählten Delikte ist die Erhebung der Klage erst zulässig, nachdem ein Sühneversuch bei einer Vergleichsbehörde erfolglos geblieben ist. Bei den oben bereits genannten Bundesländern ist Vergleichsbehörde der Schiedsmann. In dieser Eigenschaft ist er Organ der Rechtspflege. Neben diesem obligatorischen Schiedsmannsverfahren steht es jedermann frei, auch wegen sonstiger Rechtsangelegenheiten den Schiedsmann aufzusuchen. Die jeweiligen Schiedsmannsordnungen und die dazu gehörigen Verwaltungsvorschriften enthalten dazu nähere Bestimmungen. Insbesondere werden dort Begriffe wie bürgerliche Streitigkeiten, vermögensrechtliche Ansprüche etc. definiert, z. B. VV. zu 12 SSchO. Außerdem enthalten diese Verwaltungsvorschriften einen Katalog der Sachen, die der Schiedsmann nicht bearbeiten darf. Das Tätigkeitsfeld des Schiedsmanns nach derzeit geltendem Recht ist also klar umrissen. Die derzeitige Regelung scheint aber bei weitem nicht auszureichen. Nur so lässt sich erklären, dass außerhalb des obligatorischen Verfahrens Schiedsmänner kaum in Anspruch genommen werden. Deshalb wird die verbreitete Liebe zum Schiedsmann auch als Stück Nostalgie bezeichnet, das wir uns leisten können, weil Schiedsmänner wenig kosten und niemandem wehtun. Das Schiedsmannswesen Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/5
kümmert dahin. Auch wenn Schiedsmänner dort, wo sie die seltene Gelegenheit haben, tätig zu werden, unbestritten sehr erfolgreich arbeiten'. Nach der Entschließung der Vertreterversammlung vom 19. 10.1984 in Dreieich zum künftigen Tätigkeitsfeld des Schiedsmanns ist das Amt des Schiedsmanns insbesondere auf dem Gebiet des Zivilrechts, aber auch im Bereich der Strafsachen weiter zu entwickeln. Der geschäftsführende Bundesvorstand wurde daher ermächtigt, dem Bundesgesetzgeber im einzelnen folgendes vorzuschlagen: Die Einführung eines obligatorischen Güteverfahrens im Zivilrecht durch entsprechende Änderung der ZPO oder des Einführungsgesetzbuchs zum bürgerlichen Gesetzbuch für bestimmte Gebiete des Nachbarrechts. Dabei müsste das Gerichtskostengesetz und die BRAGO so geändert werden, dass Parteien und Rechtsanwälte finanziell nicht schlechter gestellt werden, wenn das Schiedsmannsverfahren gewählt wird. Die Einführung einer Verweisungsvorschrift in der StPO für Delikte mit geringer Schuld, unbedeutenden Tatfolgen und mangelndem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung. Im Interesse der Rechtseinheit sollte das obligatorische Güteverfahren im Zivilrecht bundeseinheitlich eingesetzt werden (was aus verfassungsrechtlichen Gründen m. E. nicht anders geht, vgl. Art. 72 Abs.2 GG).8 Ein solches Obligat dürfte der einzige Weg sein, der tatsächlich zu einer Entlastung der Zivilgerichtsbarkeit führt. Auch wenn z.zt. jedem freisteht, ohnehin aus einem solchen Anlass das Schiedsmannsverfahren zu wählen, beweist die Praxis, dass es anscheinend ohne Verpflichtung nicht geht. Die Stellung des Rechtsanwalts im Verfahren beim Schiedsmann Nach 18 I der SSchO kann der Rechtsanwalt seinen Mandanten im Schiedsmannsverfahren nicht vertreten. Nach 19 II ist er jedoch als Beistand der Partei grundsätzlich zuzulassen. Im obligatorischen Verfahren dürfte es keinen Ansatzpunkt für Diskussionen dazu geben, ob der Rechtsanwalt beim Schiedsmann zuzulassen ist, weil der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 I GG jedermann in einem gegen ihn gerichteten Verfahren die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gestattet und m. E. garantiert. Fraglich ist, ob die Hinzuziehung des Rechtsanwalts im Schiedsmannsverfahren angebracht ist. Einige Schiedsmänner erklärten gegenüber dem Verfasser, sie würden das Verfahren sofort abbrechen, wenn ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird, weil Vergleichsverhandlungen dann kaum mehr durchführbar wären. Meines Erachtens ist diese Aussage nicht haltbar, weil auch eine große Anzahl der Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/5
gerichtlichen Verfahren, in denen Rechtsanwälte beteiligt sind, durch Vergleich beigelegt werden. Es wird die Auffassung vertreten, dass Schiedsmänner zur Schlichtung nur zuständig sein sollten, wenn die Angelegenheit noch nicht durch die Einschaltung von Rechtsanwälten zu sehr juridifiziert worden sind.9 Durch die Einschaltung von Rechtsanwälten soll oft die Möglichkeit einer unjuristischen Verständigung bereits erheblich eingeschränkt sein und die Fronten verhärtet werden1''. Gerade die Praxis an den Gerichten beweist m. E., dass die Einschaltung von Rechtsanwälten eine vergleichsweise Beilegung eines Rechtsstreits keineswegs erschwert. Für das obligatorische Schiedsmannsverfahren nach 380 StPO gebietet Art.103 GG, dass dem Beschuldigten die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gestattet wird. Für nichtobligatorische Verfahren sollte man m. E. den Schiedsmann nach dem Sinn des Wortes als Schlichtungsstelle sehen. Oft stellt sich in Verfahren, bei denen beiderseits Rechtsanwälte beteiligt sind, heraus, dass beide Parteien eine vergleichsweise Regelung finden, es aber nur an einer Stelle fehlt, die die Parteien bis zum Abschluss des Vergleichs leitet. Ein Vergleich liegt nach der gesetzlichen Definition des 779 BGB vor, wenn ein gegenseitiges Nachgeben zu verzeichnen ist. Oft wissen Parteien von Anfang an, wo sie hinwollen. Sie wollen nur rechtlich beraten sein und konsultieren deshalb einen Anwalt. Dann zeichnet sich ab, dass eine Möglichkeit gefunden werden kann. Jede Partei und jeder Anwalt hat aber leicht ein ungutes Gefühl, wenn der eigene Standpunkt ohne fremdes Mitwirken aufgegeben wird. An dieser Stelle sollte m. E. immer noch der Schiedsmann die richtige Person sein, die den Parteien hilft. Der Schiedsmann ist Vergleichsbehörde und er sollte jedenfalls für all die Verfahren kompetent sein, bei denen sich Vergleichsbereitschaft abzeichnet. Hierbei ist insbesondere an die eingangs erwähnten auf Dauer angelegten Sozialbeziehungen zu denken. Dabei sollte jeder Rechtsanwalt auch darauf achten, dass das Schiedsmannsverfahren für seine Partei unter Umständen kostengünstiger und zeitsparender ist. Man denke nur an Fälle, in denen sich Parteien dem Grunde nach einig sind, aber über geringfügige Punkte streiten und außerdem für alle Fälle einen vollstreckbaren Titel wollen. So z. B. wenn es um Unterhaltsansprüche geht, die von der Tätigkeit der Schiedsmänner nicht ausgeschlossen sind, VV. zu 12 SSchO Abs. 3 II. Wenn man seinen Titel gerichtlich er-langen will, wird man monatelang darauf warten müssen. Will man als Titel eine notarielle Urkunde, kostet dies mit Sicherheit mehr, als die Höchstgebühr von 60, DM lt. 43 1 SSchO. Auch wenn der Rechtsanwalt beim Schiedsmann nur als Beistand und nicht als Vertreter zugelassen ist, sollte er m. E. den Weg dorthin einschlagen. Die Honorierung des Rechtsanwalts im Schiedsmannsverfahren Wie eingangs erwähnt vertreten Schiedsmänner die Auffassung, Rechtsanwälte wür- Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/5
den den Schiedsmann umgehen, weil sie im Sühneverfahren schlechter honoriert werden, als bei Gericht. Im obligatorischen Sühneverfahren nach 380 StPO scheidet eine derartige Überlegung aus. Der Rechtsanwalt kann den Schiedsmann nicht umgehen, weil das Strafverfahren erst durchgeführt wird, wenn die Versöhnung erfolglos versucht worden ist und der Verletzte eine Bescheinigung darüber vorlegt. Der Rechtsanwalt steht sich also nicht schlechter, wenn er den Schiedsmann anruft. Er kommt am Schiedsmann überhaupt nicht vorbei und verdient eine zusätzliche Gebühr! Da aber die Honorarfrage die überwiegende Zeit der Diskussion in Anspruch nahm, werden die Honoraransprüche des Rechtsanwalts im Schiedsmannsverfahren dargestellt. a) Im Sühneverfahren nach 380 StPO Für die Tätigkeit des Beistands oder Vertreters in einem Sühneversuch nach 380 StPO erhält der Rechtsanwalt eine Gebühr von 15, DM bis 180, DM und für die Mitwirkung bei einer Einigung der Beteiligten eine weitere Gebühr von 15, DM bis 180, DM, 94 Abs. 5 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO). Hier ist es in der Tat für den Rechtsanwalt wirtschaftlich negativ, wenn es beim Schiedsmann zu einer Einigung der Beteiligten kommt. Dann erhält der Rechtsanwalt nur eine Einigungsgebühr von 15, DM bis 180, DM. Dies dürfte aber einen Rechtsanwalt wohl kaum abschrecken. Wenn ein Rechtsanwalt seiner Stellung als Organ der Rechtspflege gerecht werden will, muss er stets darum bemüht sein, die Angelegenheit einvernehmlich zu lösen. Nur wenn die Fronten zwischen den Parteien so verhärtet sind, dass eine Einigung nicht möglich ist, sollen die Gerichte mit Streitigkeiten befasst werden. Hier haben wir es nicht mit einem spezifischen Problem des Schiedsmannsverfahrens zu tun. In allen Verfahren ist es so, dass der Rechtsanwalt bei außergerichtlicher Einigung zwar für diese Einigung eine besondere Gebühr bekommt sei es die Vergleichsgebühr nach 23 BRAGO, sei es z. B. die Aussöhnungsgebühr zwischen Eheleuten nach 36 BRAGO der Rechtsanwalt verliert aber in diesen Fällen die Gebühren, die z. B. bei der Führung eines Rechtsstreits bei Gericht anfallen würden. Hier ist wieder aufzuzeichnen, was der Rechtsanwalt verdienen würde, wenn es nicht zur Einigung zwischen den Parteien käme. (Wird fortgesetzt) 5 Vgl. Marx Schiedsmannszeitung 4/1984 Seite 58 6 Vgl. Kleinknecht, Kommentar zur StPO 380 Anmerkung 1 7 Vgl. Röhl Schiedsmannszeitung 5/1981, 65ff. 8 Der Text der Entschließung ist hier gekürzt. Ausführlich vgl. Schiedsmannszeitung Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/5
3/1985, 33. 9 Vgl. Seetzen, ZRP 1982, 99 10 Vgl. Röhl Schiedsmannszeitung 5/1981, 65 und 101 Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/5