Gottesdienst vom 3.3. in der Peterskirche zu Mt 16, Pfr. Dr. theol. Luzius Müller, reformiertes Pfarramt beider Basel an der Universität

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Transkript:

Gottesdienst vom 3.3. in der Peterskirche zu Mt 16, 13-20 Pfr. Dr. theol. Luzius Müller, reformiertes Pfarramt beider Basel an der Universität Mt 16 13Als Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn? 14Sie antworteten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen der Propheten. 15Er fragt sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? 16Da antwortete Simon Petrus: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! 17Da entgegnete ihm Jesus: Selig bist du, Simon Barjona, denn nicht Fleisch und Blut hat dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. 18Und ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Tore des Totenreichs werden sie nicht überwältigen. 19Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben, und was du auf Erden bindest, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden löst, wird auch im Himmel gelöst sein. 20Dann befahl er den Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Messias sei. Predigt Wer den Petersdom in Rom besucht, sieht die mannshohen, goldenen Lettern im Sockelfries der Rotunde: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, (...) 19Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Diese Inschrift natürlich in Latein ist ein Auszug aus unserem Predigttext. ich werde in meiner Predigt nicht über den Petersdom, nicht über den Papst und seinen Rücktritt und auch nicht über das Papsttums und seine bewegte Geschichte sprechen, obwohl das zweifellos interessante Themen wären. Ich werde über unseren Predigttext sprechen und erwähne die Inschrift im Petersdom, um deutlich zu machen, dass wir es hier mit einem Text zu tun haben, der eine immense geschichtliche Wirkung entfaltet hat. Ich rede aber nicht über das Papsttum, weil unser Text per se keineswegs die Bildung des Papsttums im römischen Sinne vorsah. Dies behaupte nicht nur ich als protestantischer Theologe. Dies erklären heute auch fast alle namhaften katholischen Exegeten. Lassen wir also Rom Rom sein und machen uns an die Lektüre unseres Textes. Er ist prima vista leicht verständlich. Auf den zweiten Blick erweist er sich jedoch als reichlich komplex. Es finden sich in ihm allerlei Namen, Beinamen, Titel und Bezeichnungen. Ich möchte im ersten Teil meiner Predigt diesen nachgehen. Für wen halten die Leute den Menschensohn? fragt Jesus zu Beginn des Textes seine Jünger. Und wir Fragen: Wovon spricht der Jesus unseres Textes, wenn er vom Menschensohn spricht? Klärung bringt Vers 15, in dem sich Jesus erneut an die Jünger wendet und fragt: Ihr aber, für wen haltet Ihr mich? Jesus verwendet den Begriff Menschensohn, wenn er von sich selbst spricht.

Der Begriff Menschensohn ist nicht selbsterklärend. Er ist vorerst gewissermassen eine Verschleierung. Indem dieser Begriff Menschensohn etwas verschleiert, weckt er zugleich Interesse: Was steckt hinter dem Schleier? Warum wird hier etwas verschleiert? Der Begriff Menschensohn taucht auch an bestimmten Stellen im AT auf. Auch dort geht es um Verschleierung und Enthüllung. Jesus gibt keine Erklärungen, sondern er fragt: Für wen halten die Leute den Menschensohn? Für wen halten die Leute mich? Wie der Begriff Menschensohn, so ist auch Jesu Auftreten nicht einfach selbsterklärend. Manche Menschen sagen: Jesus war ein guter Mensch und hat gute Ideen gehabt. Wenn es aber nur das wäre, bräuchten wir heute nicht mehr über ihn zu sprechen. Andere haben zu jener Zeit in etwa dasselbe gesagt und getan. Die Reden und Taten Jesu an sich sind nicht der Grund, weshalb wir 2000 Jahre später noch von ihm sprechen. Das Auftreten Jesu, sein Reden und Handeln muss in einem grösseren Zusammenhang verstanden werden. Um recht zu verstehen, wer dieser Jesus ist, benötigt man Vorwissen. Man muss die religiöse Tradition kennen. Die Leute wie sie in unserem Text genannt werden verstehen diesen Jesus als Johannes den Täufer, Elia, Jeremia oder ein anderen Prophet. Sie bringen diesen Jesu zwar in Zusammenhang mit der religiösen Tradition. Aber sie schaffen offenbar die falschen Verbindungen. Die Leute hätten Jesu Reden und Handeln nicht richtig zu deuten gewusst. Und so fragt Jesus die Jünger: Ihr aber, für wen haltet ihr mich. Nun tritt Petrus auf und gibt an Stelle der Jünger Antwort. Er spricht das sogenannte Petrusbekenntnis: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! Der Begriff Messias ist ein Begriff der jüdischen Tradition. Er wird im Griechischen mit Christus wiedergegeben. Messias bzw. Christus heisst übersetzt der Gesalbte. Messias oder Christus ist ursprünglich also ein Titel, nicht etwa ein Eigenname. Für die Leserinnen und Hörer der Antike verbanden sich mit diesem Titel Messias oder Christus allerlei Geschichten, Texte und Vorstellungen. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Als ein Messias oder eben Christus galt ein von Gott erwählter, bevollmächtigter Mensch, der eine besondere Aufgabe für das Volk Israel hatte; zumeist eine Rettung oder Befreiung. Die Salbung ist der Ritus einer Bevollmächtigung. Zu denken wäre beispielsweise an die Salbung eines König oder auch eines Hohepriester. Es gibt im AT verschiedene Figuren, die als Messias bezeichnet werden. Mit dem Zusatz Sohn des lebendigen Gottes verhält es sich ähnlich. Es ist auch ein Ehrentitel. Sohn Gottes bezeichnet keine biologischen Verwandtschaftsverhältnisse, sondern Machtverhältnisse. Verschiedene antike Herrscher, u.a. Pharaonen und römische Kaiser nannten sich Sohn Gottes. Petrus sagt in seinem Bekenntnis: Du bist der von unserem Gott zu unserer Befreiung Erwählte, Bevollmächtigte; ein neuer Herrscher zur Erlösung seines Volkes. Es war zur Zeit der römischen Herrschaft gewagt eine neuen Herrscher auszurufen, eine Erlöser gar.

Jesus antwortet: Selig bist du, Simon Barjona, denn nicht Fleisch und Blut hat dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Wenn Jesus sagt mein Vater im Himmel hat dir dies offenbart, so nimmt er das Bekenntnis des Petrus Du bist der Sohn des lebendigen Gottes selbst auf, knüpft daran an und bestätigt es damit. Simon bekennt sich zu Jesus: Du bist der Messias. Und Jesus bekennt sich zu Simon: Du bist der Petrus. Petrus wird hier Simon Barjona genannt. Der Name Barjona ist ziemlich rätselhaft. Vielleicht bedeutet er einfach Sohn des Johannes. Klar ist, dass der eigentliche Name von Petrus, nicht Petrus, sondern Simon lautet: Selig bist du, Simon. Wir müssen wissen, dass niemand zur Zeit Jesu Petrus hiess. Petrus ist ein Beiname. Er bedeutet Kieselstein oder auch Edelstein. Der Beiname Petrus, den Jesus hier dem Simon gibt, will anzeigen: Du, Simon, bist widerstandsfähig wie ein Stein, oder vielleicht auch kostbar wie ein Edelstein. Der Beiname Petrus ist zur Zeit der Abfassung des Evangeliums offenbar schon zum geläufigen Namen für Simon geworden. Die Fortführung lautet: und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen. Petrus heisst Stein, Kieselstein. Fels heisst Petra. Dies ist ein klangliches Wortspiel, das wir im Deutschen schlecht nachbilden können. Entscheidend ist, dass es sich hier um zwei verschiedene Worte handelt. Der Fels, auf den Jesus seine Kirche gründen will, ist also nicht zwingend mit Simon Petrus zu identifizieren, sondern vermutlich eher mit dem Bekenntnis des Petrus. Auf das Bekenntnis: Du bist der Christus wird die Kirche Jesu gebaut. Frei paraphrasiert könnte Jesu Antwort also lauten: Du, Simon, bist ein Stein; ein Stein des Felsen, auf den ich meine Kirche oder einfach: meine Gemeinschaft gründe. Das Zentrum meiner Gemeinschaft, der Fels auf dem alles steht, und von dem auch Du, Petrus, bist, ist das Bekenntnis, dass Jesus der Messias, der Christus ist. In der Folge heisst es: Dieses Bekenntnis wird mächtig und stark sein, wie die Tore des Totenreichs, sprich: wie der Tod selbst. Möglicherweise klingt hier schon an, was folgen wird: Jesu Passion, sein Leiden und Sterben und seine Auferstehen. Im Weiteren erhält Petrus besondere Ehrenämter. Er erhält die Schlüssel des Himmelreiches; selbstverständlich nur sinnbildlich. Der Schlüssel wird in der Kunst zum Attribut des Petrus. Daher die volkstümliche Vorstellung: Petrus stehe am Himmelstor. Es heisst im Text aber: Was Du auf Erden bindest, wird auch im Himmel gebunden sein. Petrus erhält einen Dienst auf Erden, nicht im Himmel. Bei diesem Binden und Lösen geht es vermutlich um die Auslegung religiöser Texte. Die Rabbinen sind traditionell jene, welche die Tora, die Weisungen des ATs, auslegen, gewisse Dinge binden sprich verbieten und andere lösen. Es existierte im Judentum die Vorstellung, dass sich auch der Himmel nach den Auslegungen der Rabbinen richte. Petrus wird also eine theologische Lehrfunktion zugedacht, wie einem Rabbi. Jesus, der Jude, verwendet lauter Vorstellungen der jüdischen Tradition. Interessant ist nun die Frage, ob diese Lehrfunktion ausschliesslich Petrus gegeben wird, oder ob Petrus stellvertretend für alle Jünger steht? Es gibt starke Hinweise, dass Zweiteres

gemeint ist. Es wird hier also nicht ausschliesslich Petrus in die Verantwortung genommen. Alle, die sein Bekenntnis tragen, erhalten diese Schlüsselgewalt, die Macht zu binden und zu lösen. In die Situation unserer protestantischen Kirchen übertragen heisst das: Vielleicht ist es sinnvoll, dass im Gottesdienst nicht alle hier oben auf der Kanzel stehen. Aber an sich sind alle zum theologischen Nachdenken, zum Binden und Lösen aufgefordert. Wir Pfarrerinnen und Pfarrer hier oben haben von ihnen die Aufgabe und die Ressourcen bekommen, um uns intensiv mit der religiösen Tradition zu beschäftigen und hier dann hoffentlich klug darüber zu sprechen. Aber wir haben von ihnen nicht die Autorität bekommen, ihnen etwas vorzuschreiben. Das mögen sie selbst tun. Wer das Bekenntnis habe, habe auch die Schlüssel. Unser Abschnitt endet mit dem sogenannten Schweigegebot: Sagt es nicht weiter, dass ich der Christus bin. Was zuvor enthüllt wurde, soll nun vor den anderen wieder verschleiert werden. Als Leserinnen und Hörer jedoch werden wir gleichsam zu Eingeweihten. Zwischenspiel das Bekenntnis, dass Jesus der Messias sei, ist nur im Kontext des Judentums und auf der Basis des ATs verständlich. Wenn wir diese Traditionen studieren, gewinnen wir ein klareres Bild davon, was Menschen damals meinten, wenn sie sagten: Jesus ist der Christus. Können wir als Menschen des 21. Jh. uns dieses antike Bekenntnis zu Eigen machen? Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, was diese Bekenntnis Jesus ist der Christus für uns heute bedeuten könnte? Der jüdische Religionsphilosoph Franz Rosenzweig verfasste zu Beginn des 20. Jhs. eine Schrift mit dem Titel Stern der Erlösung. Diese Schrift versuchte zwischen den jüdischen Messias-Hoffnungen und den christlichen Christus-Hoffnungen zu vermitteln. Ich kann hier nicht über den komplexen Inhalt dieser Schrift sprechen; sie ist sehr anspruchsvoll zu lesen. Es geht mir hier nur um ihren Titel: Stern der Erlösung. Ich meine, dieser Titel könne uns helfen. Es geht in diesem Bekenntnis Jesus von Nazareth ist der Messias um den Glauben, die Hoffnung, das Vertrauen, dass ein Stern aufgegangen ist, der Erlösung bedeutet. Davon sprechen die Evangelien, die Briefe und die Schriften des ATs: Von eben dieser getrosten Zuversicht, von dieser hoffnungsvollen Offenheit für das Kommende. Petrus sagt in seinem Bekenntnis voller Begeisterung: Der Stern der Erlösung ist aufgegangen. Es steckt in diesen Worten des Petrus unendlich viel Hoffnung. Petrus ist in diesem Moment durchdrungen von Zuversicht. Es ist ein Bekenntnis, das Petrus gleichsam für einen Augenblick verwandelt, als sei in ihm selbst ein Stern aufgegangen. Er sieht diesen Jesus von Nazareth und sieht in ihm den Stern der Erlösung. Daher wollte ich heute nicht vom Papst sprechen. Er ist für die meisten von uns nicht eben ein Stern der Erlösung. Obwohl die katholische Tradition natürlich auch auf eben diesen Stern der Erlösung weist.

manchmal bin ich sehr nüchtern gestimmt und denke, das Wort Erlösung ist viel zu pathetisch: Erlösung wovon, wozu? Die Rede von der Erlösung wird mir dann angesichts der alltäglichen Aufgaben zum süsslich-religiösen Geschwätz. Wir bauchen Nüchternheit und Pragmatik in unserem Leben, in unserer Welt. Und manchmal spüre ich, dass dieses Wort Stern der Erlösung etwas in mir auszulösen vermag. Das Wort Erlösung löst etwas in mir; es löst etwas, das zurückgehalten wurde. Das Wort vom Stern der Erlösung wirkt dann tatsächlich wie ein Schlüssel, der etwas in mir aufschliesst, befreit, der ein Himmelreich aufzuschliessen scheint. Und diese Lösung hat Folgen. Sie verändert mich. Ich beginne mich selbst anders zu sehen. Ich beginne die Menschen um mich, die Welt anders zu sehen. Ich beginne, anders zu handeln und anders zu leben. Mit Vers 21 von Kapitel 16 des Mt-Evangeliums beginnt, was wir die Leidensgeschichte Jesu, seine Passion nennen. Können sie verstehen, dass dieser Jesus von Nazareth, dieser Stern der Erlösung, nicht einfach als ein Sieger durch die Welt zieht. Dass sich ihm Widerstände ergeben, Konflikte aufbrechen, dass sich Menschen enttäuscht von ihm abwenden. Es geht bei diesem Jesus nicht nur um einen guten Menschen, der gute Ideen hat. Es geht um den Stern der Erlösung. Erlösung ist ein gewagtes Wort. Dinge werden verändert. Dieser Stern hat einen schweren Weg zu gehen, einen Leidensweg. Sie nehmen ihn fest, sperren ihn ein, bereiten ihm ein gewaltsames Ende am Kreuz. Sie lassen ihn im Tod versinken. Weg damit. Schluss mit dem Geschwätz von Erlösung. Aber die Geschichte von Jesus ist nicht zu Ende zu bringen: Am dritten Tage sei der Stern der Erlösung neu erstanden. Und 2000 Jahre später erzählen wir seine Geschichte noch immer. Amen.