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7. Sonntag n Trinitatis 03.08.2014 10.00 Gottesdienst mit Abendmahl Predigtreihe Märchen Der eiserne Heinrich Das gepanzerte Herz Pastor Volker Dieterich-Domröse Es war einmal.. Liebe Gemeinde, so oder so ähnlich beginnen fast alle Märchen. In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, da lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die jüngste war so schön, dass die Sonne selber, die doch so vieles gesehen hat, sich verwunderte, so oft sie ihr ins Gesicht schien. Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald, und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen; wenn nun der Tag sehr heiß war, so ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens, und wenn sie Langeweile hatte, so nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder; und das war ihr liebstes Spielwerk. Ja, so beginnt das Märchen in er Fassung, wie sie die Brüder Grimm aufgeschrieben haben. Und ich erzähle das gesamte Märchen jetzt in 15 Sekunden: Einer Prinzessin fällt ihre goldene Kugel beim Spiel in den Brunnen, und ein Frosch erbietet sich, ihr zu helfen. Sie muss ihm dafür versprechen, seine Spielkameradin zu werden und Tisch und Bett mit ihm zu teilen. Als sie die Kugel zurück hat, läuft sie davon. Doch der Frosch folgt ihr und auf Drängen ihres Vaters bekennt sie sich widerwillig zu ihrem Versprechen. Als jedoch der Frosch einfordert, dass sie ihn mit in ihr Bett nehmen solle, ist ihre Abscheu so groß, dass sie das Tier an die Wand wirft. Im gleichen Augenblick verwandelt sich der Frosch in einen Prinzen. Er führt die Königstochter als seine Gemahlin in einer Kutsche in sein Königreich. Während der Fahrt springen Heinrich, dem treuen Diener des jungen Königs, aus Freude über die Erlösung seines Herrn mit lautem Krachen die drei eisernen Bande entzwei, die er, - der Eiserne Heinrich - sich hatte um sein Herz legen lassen, als sein Herr in einen Frosch verwandelt worden war. Ich habe das Märchen früher oft vorgelesen bekommen von meiner Großtante und meiner Oma. Aber ich hätte das gar nicht mehr gewusst, dass da der Heinrich drin vorkommt. Von den vielen Aspekten des Froschkönigs werde ich mich jetzt nur mit diesem Teil, mit dem eisernen Heinrich beschäftigen. Im Märchen heißt es: Als er (der Frosch) aber (von der Wand) herab fiel, war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit schönen freundlichen Augen. Dann schliefen sie ein, und am anderen Morgen, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen heran gefahren mit acht weißen Pferden bespannt, die hatten weiße Straußfedern auf dem Kopf, und gingen in goldenen Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue Heinrich. Der treue Heinrich hatte sich so betrübt, als sein Herr war in einen Frosch verwandelt worden, dass er drei eiserne Bande hatte um sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge. Der 1

Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen; Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf und war voller Freude über die Erlösung. Und als sie ein Stück Weges gefahren waren, hörte der Königssohn, dass es hinter ihm krachte, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief:»heinrich, der Wagen bricht.nein, Herr, der Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen, als ihr in dem Brunnen saßt, als ihr eine Fretsche (Frosch) wast (wart).«doch einmal und noch einmal krachte es auf dem Wege, und der Königssohn meinte immer, der Wagen bräche, und es waren doch nur die Bande, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr erlöst und glücklich war. Der Diener Heinrich hatte ein gepanzertes Herz. Diesen Panzer hatte sich Heinrich selber anlegen lassen. Drei eiserne Ringe. Die sollten wohl das Herz schützen. Sie haben es auch geschützt, aber sie haben es eben auch abgedrückt und eng gemacht. Es heißt: Er (hatte) drei eiserne Bande um sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge. Die Panzerung des Herzens entsteht, wenn ein Mensch vor seinen Gefühlen Angst hat, wenn er sich fürchtet, dass seine Gefühle ihn überwältigen werden. Solche Menschen sind also nicht gefühllos. Sie haben nur Angst vor ihren Gefühlen und schützen sich deshalb vor ihnen. Sie panzern ihr Herz und machen es hart. Eine Seelsorgerin besucht einen Mann im Krankenhaus nach einer Bypass-OP. Beide sprechen über die Krankheit von Herrn D. Er erzählt, dass er vor einem Jahr schon einmal hier in der Klinik war. Die Bypässe haben sich schnell wieder zugesetzt, und so musste er wieder operiert werden. Herr D. ist 63 Jahre alt. Er sagt: Das war eine harte Zeit. Wissen Sie, ich hab meinen Sohn verloren. Er war in Afrika und hat sich dort eine Hepatitis B geholt. Und hier - ich weiß nicht, ob sie da gepfuscht haben, jedenfalls bekam er eine Zirrhose. Er hat keinen Tropfen Alkohol getrunken. Die Ärzte haben nichts gesagt, aber ich habe gesehen, dass er immer weniger wurde. Und eines Tage habe ich dann den Arzt gefragt. Herr D. schaut die Seelsorgerin aufmerksam-abwartend an) Die Pastorin sagt: Sie wollten den Tatsachen ins Auge sehen? Herr D. antwortet: Genau. Da muss man hart sein. Ich habe ihn gefragt, wie lange mein Sohn noch zu leben hat. Wenn es hoch kommt, zwei Monate hat er gesagt. Ich bin nach Hause, und zwei Tage später hatte ich den Herzinfarkt. Herr D. hat es nicht ertragen, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Der Anspruch, den er an sich selbst stellte da muss man hart sein hat ihn überfordert. Solange Herr D nach außen hart wie ein Fels erscheint, werden andere Menschen ihm entsprechend begegnen. Wenn er von seinem unmenschlich hohen Anspruch an sich selbst Abschied nehmen kann, wird er von anderen das bekommen, was er eigentlich braucht: Trost und Hilfe. Viele Menschen, die an der koronaren Herzkrankheit leiden, vergleichen ihr Herz mit einer Maschine, die man reparieren muss. Die Reparatur allein, etwa durch eine Bypass-Operation kann aber nicht das grundsätzliche Problem lösen, das häufig hinter der Krankheit steht. Manche Patienten nennen es die Panzerung meines Herzens. Dieser Panzer bestimmt das Leben der betroffenen Menschen. Er betrifft ihren Umgang mit sich selbst ebenso wie ihr Verhältnis zu Angehörigen, Freunden 2

und Kollegen. Durch den Panzer werden die eignen Gefühle abgewehrt, so dass die Betroffenen ihre Erfahrungen nicht verarbeiten können. Sie spüren nicht mehr, was sie fühlen, bis eines Tages ihr Herz die Last der unbewältigten Gefühle nicht mehr tragen kann. Der Herzinfarkt ist dann die oft tödliche Konsequenz eines Lebens, in dem Emotionen keinen Platz haben, weil sie im Herzen verschlossen bleiben. Leider wird die Frage nach den spirituellen Gründen der Krankheit in der Beratung der Betroffenen meistens außer Acht gelassen. Die biblische Tradition kennt das Motiv vom gepanzerten Herzen auch. Das Herz ist viel mehr als eine Muskelpumpe. Es ist zugleich ein Organ und ein wichtiges Symbol für den Menschen als Ganzheit. Für seine Grundeinstellung. Diese biblische Sicht ist in unsere Sprache ein gewandert, wenn wir sagen, dass das Herz eng und weit sein kann. Es kann erglühen, pochen, hämmern, stocken, brechen und zerspringen. Es kann verschenkt werden, unergründlich und offen sein. Man kann sein Herz auf der Zunge tragen. Sich ein Herz fassen, ein Stein kann einem vom Herzen fallen. Das Herz kann trotzig und verzagt sein, (hier haben wir wieder die Zweiheit von hartem Trotz und weicher Angst). Das Herz kann steinern und fleischern, kalt und heiß. Menschen, die ein weites und weiches Herz haben, sind nach biblischer Auffassung kluge Menschen. Sie hören auf Gottes Wort, das zu ihrem Herzen spricht. Ein steinernes Herz dagegen hat ein Mensch, dessen Verhältnis zu Gott und damit zu sich selbst gestört ist. Dabei weiß die Bibel, wie schwer es für Menschen mit einem harten Herzen ist, wieder ein fleischernes, weiches Herz zu bekommen. Das ist eine Erfahrung, die Herzpatienten bestätigen können. Märchen und die biblischen Glaubensgeschichten sagen manchmal die gleiche Weisheit aus. Manchmal ergänzen sie sich und manchmal wiedersprechen sie sich auch. Die Weisheit vom gepanzerten Herzen in dem Märchen vom Froschkönig und vom eiserenen Heinrich und die biblische Botschaft ergänzen sich hier im Thema. Aber im Märchen wird die Lösung nicht gesagt. Sie bleibt im Märchen offen. Weisheit heißt hier nicht Tue dies und Tue das. Nur eine Andeutung gibt es: Sie liegt darin, dass der treue Diener Heinrich sich mit dem Prinzen, seinem Herrn mitfreuen kann, und ihm bei dieser Mitfreude die Panzerung seines Herzens zerspringt. So wird er frei davon. Die Lösung, von der der christliche Glaube weiß, heißt in der Bibel: Alles Gott überlassen - aus Gott leben. In den Psalmen wendet sich der Beter darum an Gott und bittet ihn: Weite die Verengungen meines Herzens (Psalm 25,17), denn es ist allein Gott, der ein fleischernes Herz schenken kann, wenn Menschen ihr Herz verhärtet haben. Menschen mit einem gepanzerten Herzen brauchen einen neuen Lebensstil. Gesunde Ernährung, Nichtrauchen und einen anderen Umgang mit Stress. Langfristig kann das zu einem Stillstand und sogar zum Rückgang der Arteriosklerose führen. Die Verhärtung des Herzens, die Sklerosis kann abgebaut werden, wenn die Betroffenen sich öffnen für ihre Mitmenschen und für sich selbst. Will man es auf den Punkt bringen, könnte man sagen: Herzkranke Menschen müssen lernen, liebevoll zu leben. 3

Nur ich kann das nicht machen. Ich kann nicht befehlen: Bleib mal locker Herz und werde fest und ruhig! - und schon geschieht es. Das klappt nicht. Im Gegenteil. Je mehr ich mich anstrenge, je mehr ich versuche, Ruhe herzustellen, desto weniger scheint es mir zu gelingen. So etwas gibt es nur als Geschenk. Deshalb verspricht der Prophet Hesekiel (36,26-28) als Botschaft von Gott, dass er uns ein neues ein erneuertes - Herz schenken will. Gott spricht: 26 Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. 27 Ich will meinen Geist in euch geben und will solche Leute aus euch machen, die in meinen Geboten wandeln und meine Rechte halten und danach tun. 28 Und ihr sollt wohnen im Lande, das ich euren Vätern gegeben habe, und sollt mein Volk sein und ich will euer Gott sein. Das ist zunächst einmal eine schreckliche Diagnose, die Gott den Menschen da ausstellen muss: Steinerne Herzen! Versteinerte Herzen! Oder eben gepanzerte Herzen. Und das ganze Volk ist davon befallen, nicht nur die im eigentlichen Sinne Herzkranken. Herzkrankheit ist anscheinend eine Volkskrankheit, und die nimmt je nach Zeit und Umständen, ganz eigene Formen an. Zur Zeit der Brüder Grimm, in der Romantik, werden Märchen geschrieben und gesammelt, di in der biblischen Tradition stehen und diese auf ihre aktuelle Situation hin deuten. In den Märchen der Romantik, die sich mit dem Thema des versteinerten oder verhärteten oder gepanzerten Herzen beschäftigen, geht es um die krankmachenden Auswirkungen der entstehenden Industriegesellschaft auf die Menschen. Das kalte Herz heißt ein bekanntes Märchen von Wilhelm Hauf. Und das kristallisierte Herz wird zum Symbol für die Folgen der Industrialisierung und des Kapitalismus. Das Herz der Menschen wird von der Gier nach Geld und Gold und nicht von Gott und der Liebe beherrscht. Die Faszination durch Geld, künstliche Maschinen und Metalle lässt das Herz deren leblose Formen annehmen. Das einst lebendige Herz wird gefühllos wie Geld, kalt wie Metall und hart wie ein Kristall. Uns fallen sicherlich sehr schnell Beispiele ein, wenn wir an gepanzerte und harte Herzen denken: Da leben Menschen miteinander, nebeneinander, doch ihre Herzen sind längst versteinert. Sprachlosigkeit macht sich breit. Man kann einfach nicht mehr miteinander reden. Nur noch über Belanglosigkeiten. Oder im Büro, ja sogar in einer Gemeinde da herrscht statt Vertrauen die Kultur des Misstrauens. Da redet man nicht mehr gut miteinander, sondern schlecht übereinander. Steinerne Herzen... Steinern sind auch viele Herzen, wenn es darum geht, Flüchtlingen zu helfen, die an die Türen unseres europäischen Hauses klopfen. Steinerne Herzen... die Bibel erzählt davon, wie Gott immer wieder versucht hat, die steinernen Herzen der Menschen zu erweichen, zu erwärmen, sie zu berühren und zu bewegen. Oder auch: sie aufzurütteln, die Herzen vielleicht auch mit drastischen Mitteln einer Schocktherapie dazu zu bringen, wieder im richtigen Rhythmus zu schlagen. Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Das ist das Versprechen eines Geschenks. Auch von Betroffenen der Arteriosklerose wird man erleben, dass es sinnlos ist, von ihnen eine Änderung ihrer Verschlossenheit zu fordern. Ihr Problem liegt ja gerade darin, dass sie sich einem tödlichen Perfektionismus und Leistungsgedanken unter- 4

worfen haben. Selbst die Änderung des Lebensstils kann zum Programm, zum Gesetz, zur Leistung gemacht werden. Solche Menschen brauchen es, dass sie ihr Herz weiten lassen. Von anderen Menschen nicht nur Katheder Angehörigen, Ärzten, Seelsorgern. Freunden. Aber dass das gelingt, darum kann man eigentlich nur beten: dass man ihnen das rechte Wort sagen kann. Das höchste und Beste ist das Gebet eines herzkranken Menschen um ein weites und festes Herz. Damit wäre der Teufelskreis wohl endgültig durchbrochen. Dann springen die eisernen Ringe wie bei Heinrich. Einmal und noch einmal krachte es auf dem Wege, und der Königssohn meinte immer, der Wagen bräche, und es waren doch nur die Bande, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr erlöst und glücklich war. 5