I. Die wichtigsten Genehmigungspflichten in der Zuständigkeit der Rechtspfleger

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Arbeitskreis Ehrenamtliche Betreuungen, 28.01.2014 Thema: Genehmigungspflichten Referent: O. Kiel, Richter am Amtsgericht Wiesbaden Zwar wurde für dieses Skript gewissenhaft recherchiert, doch können die Angaben nur ohne jegliche Gewähr und Haftung für die Richtigkeit gemacht werden. Die Ausführungen dienen der allgemeinen Information und können eine Beratung durch einen Rechtsanwalt oder das Betreuungsgericht nicht entbehrlich machen. I. Die wichtigsten Genehmigungspflichten in der Zuständigkeit der Rechtspfleger - Ausstattung/Gewährung einer Ausstattung -> 1908 BGB - Darlehen/ Aufnahme eines Darlehens -> 1822 Nr. 10 BGB - Erbschaftsauschlagung, Erbteilungsvertrag -> 1822 Nr. 2 BGB - Geldanlagen (Abhebungen, Anlagen ) -> 1809-1813 BGB - Grundschuld (Bestellung, Inhaltsänderung) -> 1821 I Nr. 1 BGB - Grundstücksgeschäfte -> 1821 BGB - Kredit (Aufnahme) -> 1822 Nr. 8 BGB - Kündigung der Mietwohnung -> 1907 BGB - Löschungsbewilligung -> 1821 Nr. 1 BGB - Pflichtteil (Verzicht) -> 1822 Nr. 2 BGB - Vergleich (wenn Wert über 3000 und nicht -> 1822 Nr. 12 BGB gerichtlich protokolliert) A. Wohnungskündigung 1907 BGB schützt die (Miet-) Wohnung des Betreuten als räumlichen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse. Sie soll möglichst lange erhalten bleiben. 1. Kündigung einer vom Betreuten angemieteten Wohnung Einschlägig ist 1907 Abs. 1 BGB immer dann, wenn der Betreute Wohnraum (Haus; Wohnung; Zimmer auch im Seniorenheim) gemietet hat und dieser Mietvertrag vom Betreuer gekündigt werden soll. Entsprechendes gilt für Aufhebungsverträge. Solange der Betreute geschäftsfähig ist, kann er die Kündigung in eigener Person auch selbst aussprechen. Dann ist zu deren Wirksamkeit auch keine Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich. Entscheidend dafür, ob die Genehmigung erteilt wird, ist das Wohl und Interesse des Betreuten. Neben finanziellen Aspekten sind vor allem die persönlichen Interessen des O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 1

Betroffenen am Erhalt seiner Wohnung, also der vertrauten Umgebung, Bekanntenkreis und Mobiliar. Daneben spielen die Rückkehrprognose und die Fähigkeit, den Haushalt (ggfs. mit ambulanten Hilfen) noch selbst zu führen, eine wichtige Rolle. 2. Beendigung von Wohnraummiete aufgrund anderer Umstände Wird Wohnraummiete aufgrund anderer Umstände beendet oder zeichnet sich dies ab (z.b. Vermieterkündigung, Räumungsklage des Vermieters, Entstehen von Mietrückständen), hat ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten oder ähnlich dies dem Betreuungsgericht gem. 1907 Abs. 2 S. 1 BGB unverzüglich mitzuteilen. 3. Verfahren Für den Antrag eines Betreuers sind die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten oder Vermögensangelegenheiten und Aufenthaltsbestimmung erforderlich. Zur Vermeidung von Rückfragen sollte der Antrag folgende Informationen enthalten: a) Genaue Bezeichnung des zu kündigenden Wohnraums b) Genaue Bezeichnung des künftigen dauerhaften Lebensmittelpunktes c) Warum eine Versorgung zu Hause (finanziell oder aus sonstigen Gründen) nicht mehr möglich ist. d) Ggfs. ärztliches Zeugnis, das zur Möglichkeit der eigenständigen Lebensweise des Betroffenen Stellung nimmt e) Wer die Kosten des neuen Lebensmittelpunktes trägt. f) Wo genau sich d. Betroffene befindet (Heim, Haus, Etage, Zimmer) g) Ob und inwiefern Anhörungsfähigkeit besteht h) Über wen Anhörungstermine vermittelt werden können (mit Tel.nr. und Anschrift) i) Wie dringlich die Kündigung ansteht Für die Entscheidung sind die Rechtspfleger funktionell zuständig. Vorgeschrieben ist die persönliche Anhörung des Betreuten. In Betracht kommt auch die Bestellung eines Verfahrenspflegers, die Einholung einer ärztlichen Stellungnahme oder die Beteiligung weiterer Personen. Die Genehmigung selbst muss vor dem Ausspruch der Kündigung rechtskräftig erteilt sein. Eine ohne rechtskräftige Genehmigung des Betreuungsgerichts ausgesprochene Kündigung ist nichtig. B. Anlage von Barvermögen, Abhebungen Die für die Behandlung von Vermögen eines Mündels geltenden Vorschriften ( 1806 ff BGB) sind gemäß 1908i Abs. 1 BGB auch für Betreute anzuwenden. Das zur Bestreitung von Ausgaben erforderliche Geld darf der Betreuer bereit halten, 1806 Hs. 2 BGB. Dieses Geld muss er nicht anlegen. O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 2

1. Geldanlagen (Abhebungen, Anlagen ) - Anträge auf Geldanlagen sind so konkret wie möglich zu stellen. So ist genau anzugeben: a.) Welcher Betrag b.) für welche Anlageform c.) bei welcher Laufzeit und Verzinsung d.) bei welcher Bank geplant ist. Wichtig: Informationsmaterial von Banken ist beizulegen. - Bei Abhebeermächtigungen bitte genau angeben: a.) Welcher Betrag, b.) von welchem Konto (Kreditinstitut, Kontonr.) c.) aus welchem Grund benötigt wird. - Bei Kontoauflösungen bitte mitteilen: a.) Welches Konto b.) aus welchem Grund aufgelöst werden muss und c.) auf welches Konto das freiwerdende Guthaben transferiert werden soll. Sollte ein neues Konto eröffnet werden, ist ein Antrag auf die neue Geldanlage (s.o.) gleich mit einzureichen. - Beachte: Bei der Beantragung betreuungsgerichtlicher Genehmigungen sind zeitliche Verzögerungen durch die gesetzlich verschärfte Anhörungspflicht und die neu hinzugekommene Rechtsmittelfrist nach Erteilung der Genehmigung mit einzuplanen, bevor die Genehmigung wirksam werden kann. Daher: Rechtzeitig den Antrag stellen! - Des Weiteren gibt es Unterschiede im Rahmen der Genehmigungen bei Geldangelegenheiten: Unterscheide 1810, 1811 BGB 1812,1821,1822 BGB Wirksamkeit: Mit Bekanntgabe Wirksamkeit: Mit Rechtskraft z.b. Neuanlage von Festgeldern, Sparbriefen u.ä. z.b. Abhebungen, Kontoauflösung O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 3

-2-2. genehmigungsfreie Geschäfte: a.) Verfügungen (Abhebungen oder Eröffnung) über das Girokonto, auch wenn das Guthaben mehr als 3.000 beträgt, sind nicht mehr genehmigungspflichtig. ( 1813 Nr. 3 BGB) Weiterhin genehmigungspflichtig bleibt jedoch die Auflösung des Girokontos, nach 1812 BGB b.) Kündigungen von Versicherungen, wenn der Rückkaufswert geringer ist als 3000,-. ( 1813 Nr. 2 BGB) c.) Abhebungen von Sparkonten (Tagesgeld o.ä.), wenn das Guthaben, welches sich drauf befindet, geringer ist als 3000. ( 1813 Nr. 2 BGB) d.) Abschluss von Heim-, Miet-, Pachtverträgen oder sonstigen Verträgen, durch die d. Betroffene zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, bedürfen nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn das Vertragsverhältnis nicht länger als 4 Jahre andauert. Bestehen also die gesetzlichen Kündigungsfristen, kann der Vertrag jederzeit gekündigt werden und eine Genehmigung ist nicht erforderlich. e.) Anfechtung der Ausschlagung einer Erbschaft, da diese die Wirkungen der Annahme haben und Erbschaftsannahmen keiner Genehmigung bedürfen. Allgemein gilt, dass Betreute (ohne Einwilligungsvorbehalt), die selbst noch geschäftsfähig sind, Rechtshandlungen eigenständig vornehmen können und dafür eine Genehmigung natürlich nicht erforderlich ist. Genehmigungspflichtig sind nur die Rechtshandlungen, der bestellten Betreuer. 3. Allgemein bedeutet das Inkrafttreten des FamFG für das Betreuungsverfahren: - Selbst nicht geschäftsfähige betreute Personen gelten als verfahrensfähig und sind daher öfter als bisher selbst zu vielen anstehenden Entscheidungen anzuhören bzw. erhalten neben dem Betreuer selbst die ergangenen Entscheidungen per Post, auch wenn sie selbst vielleicht gar nicht mehr in der Lage sind, sie zur Kenntnis zu nehmen. Verfahrenstechnisch bedeutet dies einen längeren Vorlauf als bisher. - Für betreute Personen, die nicht anhörungsfähig sind, weil sie nicht in der Lage sind, sich zu äußern oder für die eine persönliche Anhörung eine Gefährdung ihrer Gesundheit bedeuten würde, muss grundsätzlich das Betreuungsgericht stattdessen einen Verfahrenspfleger bestellen. Der Verfahrenspfleger hat nur für den Zweck der Anhörung die Stellung des Betreuten wahrzunehmen. Verfahrenstechnisch bedeutet dies auch hier wieder eine zeitliche Verzögerung, die mit einzuplanen ist. O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 4

II. Genehmigungspflichten in Richterzuständigkeit A. Einwilligung in ärztliche Behandlungen 1. Grundlagen Jeder ärztliche Eingriff ist rechtstechnisch eine Körperverletzung ( 223 StGB) und daher nur dann gerechtfertigt, wenn eine (ausdrückliche oder mutmaßliche) Einwilligung des Patienten vorliegt. Die Einwilligung kann solange und soweit der Patient einwilligungsfähig ist nur vom Patienten selbst erklärt werden. Entscheidend ist dabei die Einwilligungsfähigkeit des Patienten bezogen auf die konkrete Maßnahme. Ist der Patient einwilligungsunfähig, kann nur ein Stellvertreter (also ein Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis als gesetzlicher Vertreter oder ein entsprechend Bevollmächtigter als rechtsgeschäftlicher Vertreter) in ärztliche Behandlungen einwilligen oder die Einwilligung verweigern. 2. Einwilligungsfähigkeit Die Fähigkeit des Betroffenen zur Einwilligung in eine bestimmte ärztliche Maßnahme ist nicht (!) gleichzusetzen mit der Geschäftsfähigkeit. Einwilligungsfähig ist, wer nach einer entsprechenden Aufklärung Art, Bedeutung und Tragweite sowie Risiken einer ärztlichen Maßnahme zu erfassen und seinen Willen hiernach zu bestimmen vermag. Es kommt also nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern auf eine natürliche Einsichtsund Steuerungsfähigkeit an. Entscheidend für die Anforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit des Patienten ist vor allem die konkret geplante ärztliche Maßnahme, die es zu entscheiden gilt. Je schwieriger und risikoreicher die geplante Maßnahme ist, desto höher sind die Anforderungen an die geistige Leistungsfähigkeit des Patienten. So mag ein leicht beeinträchtigter Patient noch einwilligungsfähig sein in die medikamentöse Behandlung einer Erkältung, nicht aber in die Chemo- und Strahlentherapie eines Krebsleidens. 3. Genehmigungsbedürftigkeit risikoreicher o. schwerer Behandlungen Ist der Patient nicht einwilligungsfähig und handelt es sich um eine besonders gefährliche ärztliche Maßnahme, ist die Einwilligung des Stellvertreters grundsätzlich nur mit einer entsprechenden Genehmigung des Betreuungsgerichts wirksam ( 1904 Abs. 1 BGB). Als besonders gefährlich gilt eine ärztliche Maßnahme, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. ( 1904 Abs. 1 S. 1 BGB). Es geht also um ernsthafte und konkrete Gefahren, nicht bloße Befürchtungen. Wenig wahrscheinliche, jedoch nicht auszuschließende Risiken werden nicht erfasst. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Todes oder des Gesundheitsschadens sein muss, damit Genehmigungspflicht besteht, ist schwer festzustellen. Eine (umstrittene!) Entscheidung des LG Berlin (FamRZ 1993, 597) geht ab einem Risiko von 8-10% von Genehmigungsbedürftigkeit aus, einzelne Kommentatoren ziehen diese Grenze erst bei 20%. O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 5

Eine Ausnahme gilt in den Eilfällen, in denen durch den mit der Einschaltung des Betreuungsgerichts verbundenen zeitlichen Aufschub eine Gefahr für den Betroffenen entsteht. Keine Genehmigung ist gem. 1904 Abs. 4 BGB erforderlich, wenn zwischen behandelndem Arzt und Betreuer (oder Bevollmächtigten) Einvernehmen darüber besteht, dass die Einwilligung dem nach 1901a BGB festgestellten Willen des Betreuten entspricht. Die Ermittlung des Patientenwillens erfolgt anhand o einer Patientenverfügung ( 1901a Abs. 1 BGB), sofern diese auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, oder o als mutmaßlicher Patientenwille durch Berücksichtigung früherer mündlicher oder schriftlicher Äußerungen, ethischer oder religiöser Überzeugungen und sonstiger persönlicher Wertvorstellungen des Betroffenen ( 1901a Abs. 2 BGB). Hierzu sind grundsätzlich auch sonstige Angehörige und Vertrauenspersonen zu hören ( 1901b Abs. 2 BGB). 4. Nichteinwilligung in ärztliche Maßnahmen Auch die Nichteinwilligung in ärztliche Maßnahmen oder der Widerruf bereits erteilter Einwilligungen bedürfen grundsätzlich der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Eine Maßnahme ist medizinisch angezeigt, wenn sie vom medizinischen Standpunkt aus indiziert, sinnvoll und möglich ist. Auch hier gilt jedoch, dass gem. 1904 Abs. 4 BGB keine Genehmigung erforderlich ist, wenn zwischen behandelndem Arzt und Betreuer (oder Bevollmächtigten) Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach 1901a BGB festgestellten Willen des Betreuten entsprechen. 5. Genehmigungsverfahren - Antrag des Betreuers mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge oder des Bevollmächtigten mit der ausdrücklich in der Vollmacht erwähnten Aufgabe zu Entscheidungen nach 1904 BGB - Darstellung des Sachverhalts und der Mitteilung, dass zwischen Arzt und Betreuer/ Bevollmächtigten kein Konsens besteht. - Bestellung eines Verfahrenspflegers - Ggfs. Beteiligung weiterer Personen - Einholung eines (psychiatrischen) Sachverständigengutachtens zur Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen - Einholung eines (fachärztlichen) Sachverständigengutachtens zur Erforderlichkeit der beantragten Behandlung sowie deren Risiken - Persönliche Anhörung O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 6

Bei Maßnahmen i.s.v. 1904 BGB dürfen nur Betreuer oder Bevollmächtigte mit der ausdrücklich in der Vollmacht enthaltenen Befugnis hierzu entscheiden ( 1904 Abs. 5 BGB). 6. Zwangsbehandlungen, 1906 Abs. 3 BGB Seit 2013 ist unter engen Voraussetzungen auch die Durchführung medizinischer Maßnahmen gegen den natürlichen Willen der/des Betroffenen (sogen. Zwangsbehandlungen) möglich: Betreuer bestellt (oder Vorsorgevollmacht mit dem spez. Aufgabenkreis) Krankheitsbedingte Unfähigkeit, die Erforderlichkeit der ärztlichen Maßnahme zu erkennen Erfolgloser Versuch, den Betreuten von der Erforderlichkeit zu überzeugen Ärztliche Maßnahme zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens erforderlich Keine andere zumutbare Maßnahme Nutzen der Maßnahme überwiegt die Beeinträchtigungen deutlich. O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 7

In der Regel muss das Gericht einen externen (klinikfremden) Sachverständigen und einen Verfahrenspfleger bestellen und eine persönliche Anhörung durchführen. B. Unterbringungsähnliche Maßnahmen ( 1906 Abs. 4 BG) Unterbringungsähnliche Maßnahmen im Sinne von 1906 Abs. 4 BGB liegen immer dann vor, wenn einem Menschen in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung über einen längeren Zeitraum hinweg die Freiheit entzogen wird, ohne dass er untergebracht ist. 1. Unterbringungsähnliche Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen Rechtsgrundlage: 1906 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 BGB - Psychische Krankheit oder geistige oder seelische Behinderung - Hierdurch fehlende Fähigkeit zur freien Willensbildung Ist der Betroffene trotz Vorliegen der Erkrankung oder Behinderung zur freien Willensbildung in der Lage, dürfen gegen seinen Willen keine unterbringungsähnlichen Maßnahmen angewandt werden. Wer die eigene Erkrankung oder Behinderung und die daraus erwachsende Gefahr erkennt und auch dementsprechend handeln kann, darf sich auch bewusst für die Gefährdung entscheiden. - Freiheitsentziehung trotz Fortbewegungsfähigkeit Nur wer sich überhaupt noch willensgesteuert fortbewegen kann, dem kann die verfassungsmäßig garantierte Fortbewegungsfreiheit entzogen werden. Sie fehlt bei Personen, - die sich gar nicht mehr (Fortbewegungsunfähigkeit) fortbewegen können oder - die sich nur noch unwillkürlich oder impulsgesteuert (reflexartig) bewegen können. Bei ihnen können bei entsprechender Notwendigkeit unterbringungsähnliche Maßnahmen auch ohne Genehmigung angewandt werden. Streitig ist (auch am Betreuungsgericht Wiesbaden), was unter Fortbewegungsunfähigkeit zu verstehen ist. Eine Meinung sieht Fortbewegungsunfähigkeit als gegeben an, wenn der Betroffene sich nicht mehr gehend oder stehend zielgerichtet bewegen kann. Eine andere, strengere Meinung hält auch ein willentliches Drehen im Bett noch für eine geschützte Fortbewegung. Für den Rechtsverkehr entsteht hier nur eine geringe Unsicherheit: Im Zweifelsfall beim zuständigen Betreuungsrichter einen Genehmigungsantrag stellen. Dann bekommt der Betreuer eine verlässliche Entscheidung. - über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig Regelmäßig sind Maßnahmen, die stets zur gleichen Zeit (z.b. nachts) oder aus gleichem Anlass (z.b. nächtliches Umherirren) erfolgen. Als längerer Zeitraum gilt alles, was etwas länger als lediglich ganz kurzfristige Maßnahmen für zwei Tage (entsprechend 128 StPO) andauert (also ab drei Tagen). O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 8

- in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung Es gilt ein weiter Anstaltsbegriff, der vom Element der Fremdbetreuung geprägt ist. Hierzu gehören auf jeden Fall Krankenhäuser jeglicher Art, Seniorenwohnheime, Hospize etc. Hierzu gehört auch ein Einschließen zu Hause, wenn die Betreuung im Wesentlichen nicht durch Familienangehörige, sondern durch Dritte wie ambulante Dienste erfolgt. - Ernste und konkrete Lebensgefahr oder Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden beim Betroffenen, die durch die Erkrankung oder Behinderung begründet ist 2. Unterbringungsähnliche Maßnahmen zur Ermöglichung einer Behandlung Rechtsgrundlage: 1906 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 BGB Abweichende Voraussetzungen: - Notwendige ärztliche Maßnahme - Durch die Erkrankung oder Behinderung begründete Unfähigkeit zur Einsicht in die Erforderlichkeit der Maßnahme oder Unfähigkeit zum einsichtsgemäßen Handeln - Ohne Freiheitsentzug drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung - Fehlende Fähigkeit zur freien Willensbildung 3. Erforderlichkeit Stets ist der betreuungsrechtliche Erforderlichkeitsgrundsatz zu beachten, insbesondere: - Ist die Maßnahme erforderlich, oder gibt es auch andere, mildere Mittel? - Ist die geplante ärztliche Maßnahme notwendig? - Für welche Dauer ist die Maßnahme notwendig? Ab welchem Zeitpunkt kann der Betroffene ohne weitere konkrete Gefährdung entlassen werden? Vor allem sind die drohenden Gesundheitsschäden gegen die Dauer und Schwere des Eingriffs in die Freiheitsrechte des Betroffenen und die Erfolgsaussichten gegeneinander abzuwägen. 4. Beispiele - Fesselungen (Handfesseln, Fußfesseln, Bauchgurte) jedweder Art - Anbringung von Bettgittern oder Stecktischen (Therapietischen) - den Fortbewegungsdrang reduzierende Medikamente etc. - Wegnehmen notwendiger Gegenstände, z.b. Gehhilfen, Brillen - Trickverschlüsse O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 9

Signalarmbänder sind nach Auffassung des Betreuungsgerichts Wiesbaden nicht genehmigungsbedürftig, solange der Betroffene dann vom Pflegepersonal lediglich zum Bleiben überredet und nicht etwa mit Gewalt festgehalten wird. Sie verstoßen nach hiesiger Ansicht auch nicht gegen die Menschenwürde. 5. Antrag Aus der Formulierung des Gesetzes ergibt sich, dass die Grundentscheidung über die freiheitsentziehende Maßnahme durch den Betreuer oder den entsprechend Bevollmächtigten getroffen wird ( 1906 Abs. 1 BGB), zu ihrer Wirksamkeit aber der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf ( 1906 Abs. 2 S. 1 BGB). Den erforderlichen Antrag auf Genehmigung der Unterbringung können nur stellen: - Betreuer oder vorläufige Betreuer mit den Aufgabenkreisen o alle Angelegenheiten oder o allgemeine Personensorge oder o Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen oder o Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge. - Bevollmächtigte mit dem ausdrücklich im Vollmachtstext erwähnten ( 1906 Abs. 5 S. 1 BGB!) Aufgabenkreis Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen. Antragsinhalt: - Name des Betroffenen und gerichtliches Aktenzeichen - Name und Kontaktdaten (Telefonnummer!) des Betreuers oder Bevollmächtigten - Aktueller Aufenthaltsort des Betroffenen - Genehmigungsantrag mit möglichst genauer Bezeichnung der Maßnahme - Inhaltliche Begründung der beantragten Maßnahme (Warum wird diese Maßnahme benötigt? Welche milderen Mittel wurden geprüft? Warum wurden sie verworfen?) - Mitteilung der den Betroffenen aktuell behandelnden Psychiater, Neurologen und/oder Hausärzte mit vollständiger Adresse und Fachrichtung - Unterschrift des Betreuers oder Bevollmächtigten 6. Gerichtliches Genehmigungsverfahren ( 312 ff. FamFG) - Zuständig ist grundsätzlich das Gericht, bei dem die Betreuung geführt wird, 313 FamFG - Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses, 321 FamFG - Anhörung eines Verfahrenspflegers, 317 FamFG - Gegebenenfalls Anhörung weiterer Beteiligter O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 10

- Persönliche Anhörung des Betroffenen, 319 FamFG - Beschlussfassung durch das Gericht für längstens ein Jahr, ausnahmsweise auch für zwei Jahre. Liegen bei Ablauf des Unterbringungsbeschlusses die Voraussetzungen immer noch vor, kann auf (rechtzeitigen!) Antrag des Betreuers oder Bevollmächtigten eine Verlängerung erfolgen, 329 FamFG. 7. Eilfälle Wenn mit dem Abwarten der gerichtlichen Genehmigung Gefahr verbunden ist, kann der Betreuer oder Bevollmächtigte ausnahmsweise auch ohne gerichtliche Genehmigung die Anwendung der unterbringungsähnlichen Maßnahmen anordnen, 1906 Abs. 2 S. 2 BGB. Die gerichtliche Genehmigung ist dann unverzüglich zu beantragen. 8. Beendigung Die Unterbringungsmaßnahme ist vom Betreuer oder Bevollmächtigten zu beenden, sobald ihre Voraussetzungen weggefallen sind ( 1906 Abs. 3 BGB). Dies ist dem Betreuungsgericht mitzuteilen. 9. Unterbringung Soll die/der Betroffene in einer beschützenden (geschlossenen) Abteilung einer psychiatrischen Klinik oder eines Seniorenheims eingewiesen werden, ist unter den oben genannten Voraussetzungen eine Genehmigung des Betreuungsgerichts möglich und erforderlich. O. Kiel, Vortrag AK Ehrenamtliche Betreuung vom 28.01.2014 S. 11