SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Sehr brillant, angenehm in die Ohren Mozarts Klavierkonzerte (3) Von Christian Schruff Sendung: Mittwoch, 14. September 2016 9.05 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2
2 Musikstunde mit Christian Schruff Sehr brillant, angenehm in die Ohren Mozarts Klavierkonzerte (3) SWR 2, 12. September 16. September 2016, 9h05 10h00 Mit Christian Schruff. Sehr brillant, angenehm in die Ohren Mozarts Klavierkonzerte Folge 3 mit den ersten Wiener Konzerten. Willkommen dazu! Titelmusik Die Titelzeile dieser fünf SWR2 Musikstunden über Mozarts Klavierkonzerte ist ein Mozart-Zitat. Seinem Vater Leopold beschrieb Mozart aus Wien sein erstes Klavierkonzert-Projekt dort. Drei neue Konzerte hatte er auf einmal in Angriff genommen. Er brauchte neue Musik für die neue Umgebung. Nach seinem Umzug von Salzburg nach Wien hatte Mozart sich noch mit Salzburger Konzerten dem Wiener Publikum vorgestellt. Jetzt, zum Jahreswechsel 1782-83 wollte er für das Wiener Publikum schreiben dort waren leichte und virtuose Klavierkonzerte von Kozeluch gerade angesagt. Und Mozart plante ganz modernes Marketing: Notenausgaben zum Kauf und Bühnenauftritte gekoppelt - und ganz auf den Geschmack der Wiener zugeschnitten: die Concerten sind eben das Mittelding zwischen, zu schwer und zu leicht sind sehr Brillant angenehm in die ohren Natürlich ohne in das leere zu fallen hie und da können auch kenner allein satisfaction erhalten doch so daß die nichtkenner damit zufrieden sein müssen, ohne zu wissen warum. Musik 1 CD Track 3 6:08 Klavierkonzert Nr. 12 A-Dur KV 414 3. Rondo. Allegretto Kristian Bezuidenhout, Hammerflügel Freiburger Barockorchester Gottfried von der Golz HARMONIA MUNDI, HMC902218, EAN3149020221822, LC07095
3 Eine ganz neue Aufnahme ist das vom jungen Süd-Afrikaner Bezuidenhout. Der hatte als Teenager Mozart auf dem Steinway spielen müssen. Und den Klang dieses modernen Flügels fand er schon damals unpassend für Mozart. Bezuidenhout fühlte sich wie in einer Zwangsjacke. Dann kam die Neueinspielung der Mozart-Konzert mit Malcolm Bilson und den English Baroque Soloists unter John Eliot Gardiner heraus. Und von da an wusste Kristian Bezuidenhout: auch er will Mozart nur noch auf dem Hammerflügel spielen. Eine von Bilsons epochemachenden Aufnahmen wird übrigens am Ende der heutigen Sendung auch noch zu hören sein... Drei Konzerte A-Dur, F-Dur, C-Dur sind der Anfang der 17 Wiener Klavierkonzerte von Mozart. Er wollte sich als Klavierkomponist und Klaviervirtuose etablieren. Denn das versprach Einkünfte. Mozart wagte es ja, als freier Musiker, ganz ohne Anstellung in Wien zu überleben. Darum wollte er die wachsende Klavierbegeisterung der Wiener nutzen. Er schrieb Sonaten, die die Klavierspieler kaufen konnten. Er unterrichtete. Und dem großen Konzert-Publikum präsentierte er seine erstaunlichen Fähigkeiten am Klavier. Er trat in Konzerten diverser Veranstalter auf und riskierte bald auch, auf eigene Faust Akademien zu veranstalten. So hießen Konzerte damals. Mozart hatte im August 1782 geheiratet, musste nun also auch seine Frau Constanze unterhalten. Er hatte einen ersten Opernerfolg im Burgtheater: Die Entführung aus dem Serail. Nun also drei Klavierkonzerte. Mozart bot sie zur Subskription an: Käufer konnten die noch gar nicht fertigen Konzerte vorbestellen und bekamen dann eine handschriftliche Notenkopie. Die Solopartien durften also nicht zu schwer sein und auch Klavierspieler ohne eigenes Orchester sollten sie spielen können. Darum hat Mozart die drei ersten Wiener Konzerte so komponiert, dass man sie auch als Kammermusik zu Hause spielen kann a quatro mit einem Streichquartett als Begleitung. Die Bläserpartien 2 Oboen, 2 Hörner sorgen nur für Klangfarbe und Harmonien. Das eigentliche Geschehen spielt sich in den Streichern ab. Die Bläser kann man also weglassen. Der Cembalo- und Hammerflügel-Experte Siegbert Rampe hat genau das getan als er die drei ersten Wiener Konzerte vor gut 20 Jahren eingespielt hat. Das F-Dur- Konzert Nr. 11 es entstand übrigens nach dem gerade gehörten A-Dur-Konzert Nr. 12! hat Rampe auf dem Cembalo eingespielt. Hier der 3. Satz: Tempo di Minuetto.
4 Musik 2 CD Track 6 4:52 Klavierkonzert Nr. 11 F-Dur KV 413 3. Tempo di Minuetto Siegbert Rampe, Cembalo Sinfonietta Köln Cornelius Frowein INTERCORD, 5 44068 2, EAN 72435440682, LC01109 Vergleicht man die Machart der ersten drei Wiener Konzerte mit dem letzten Solo-Konzert aus Salzburg, dem Jeunnehomme -Konzert, oder auch mit dem Konzert für 2 Klaviere in Es-Dur, dann erscheinen sie wie ein Rückschritt. Die Bläser spielen im Jeunnehomme -Konzert eine viel eigenständigere Rolle im Orchester. Der Solopart komponiert für die Virtuosin Jenamy war schwerer als bei diesen drei Konzerten. Ganz klar hat Mozart hier auch Dilettanten als Käufer der Noten im Blick gehabt. Und er hat für die beiden Sorten des Publikums geschrieben für Kenner und für Liebhaber. Genau das hatte er Leopold als Ziel beschrieben: Die Musikkenner befriedigen in ihrem hohen Anspruch, dabei aber zugleich den anderen Hörern Genuss verschaffen, die eben nicht verstehen, warum ihnen die Musik gefällt. Diese ersten Konzerte sind nun allerdings alles andere als ein Rückschritt gegenüber den Salzburger Konzerten. Denn Mozart hatte in Wien eine Entdeckung gemacht, die seinen Stil grundlegend verändern sollte. Durch den Baron Gottfried van Swieten lernte er die alten Barockmeister Händel und Bach kennen. Van Swieten war Botschafter in Preußen gewesen und hatte dort am Hof den Bach-Sohn Carl Philipp Emanuel kennen gelernt und durch den die Musik vom alten Bach, von Johann Sebastian. Van Swieten kehrte mit einer großen Notensammlung nach Wien zurück. Sein Freund Joseph Haydn und eben auch Mozart studierten bei ihm die polyphone Musik von Bach. Sie studierten den Kontrapunkt. Mozart hat Bachfugen für Streichquartett gesetzt und lernte auf diese Weise, wie man für vier gleichberechtigte Stimmen komponieren kann. Bei Haydn haben sich diese Studien damals in den Russischen Quartetten niedergeschlagen, die er auf eine ganz neue Art komponiert hatte. Mozarts Antwort darauf waren seine sechs Streichquartette, die er Haydn widmete. Ebenfalls auf die neue Art komponiert mit vier gleichberechtigten Stimmen. In genau dieser Zeit entstanden auch die ersten Wiener Klavierkonzerte. Und in
5 denen ist der neue Stil zu erkennen. Die Streicherstimmen sind eigenständiger. Sie führen einen Dialog untereinander. Das genau macht den Wiener klassischen Stil aus. Der Name Bach taucht noch auf andere Weise auf in Verbindung mit dem A- Dur-Konzert KV 414. Das Thema, mit dem der 2. Satz beginnt, ähnelt dem Thema im langsamen Satz einer Opernouvertüre von Johann Christian Bach. Der war gerade gestorben. Hatte Mozart ihm hier ein tönendes Denkmal gesetzt? Hier zunächst Bach: Musik 3 CD Track 27 ausblenden ab 1:47 Johann Christian Bach La calamita de cuori Ouvertüre 2. Andante grazioso The Hanover Band Anthony Halstead CPO, 999 129-2, EAN 76120391292, LC08492 Mozarts Thema im langsamen Satz des A-Dur-Konzerts Nr. 12 ähnelt diesem Bach- Thema sehr. Mozart kannte Bach, war mit ihm befreundet und hat wesentliche Impulse von ihm bekommen, besonders für Klavierkonzerte. Es scheint also schlüssig, dass er in einem Klavierkonzert ein Tombeau de Bach errichtet haben könnte. Wenn da nicht ein deutlich älteres Klavierstück von Mozart wäre, ein Menuett für Nannerl, in dem genau das Thema auch schon einmal erscheint. Musik 4 CD Track 17 //00:49 1:39// 00:50 "Notenbuch für Nannerl" Menuett-Trio KV 315a(4) (KV 2, KV 6) Bernard Brauchli, Tafelklavier STRADIVARIUS, STR33547, EAN8011570335470, LC07523 Johann Christian Bach hätte also zuerst Mozart zitiert, Mozart dann wiederum Johann Christian Bach. Das ist dann doch etwas zu schön um wahr zu sein. Hier nun der langsame Satz aus dem A-Dur-Konzert mit dem Anklang an Bach, der aber nur ein zufällige Ähnlichkeit ist. Ich habe für Sie jetzt eine 50 Jahre alte
6 Aufnahme. Solist ist der englische Komponist Benjamin Britten. Der war auch ein famoser Pianist. In dieser Aufnahme leitet er das Aldeburgh Festival Orchestra. Musik 5 CD Track 2 9:06 Klavierkonzert Nr. 12 A-Dur KV 414 2. Andante Benjamin Britten, Klavier & Leitung Aldeburgh Festival Orchestra DECCA, 458 869-2, EAN 02894588692, LC00171 SWR2 Sie hören die Musikstunde Ein Mittelding zwischen schwer und leicht sollte die Trilogie der ersten drei Wiener Klavierkonzerte werden. Schwer genug, damit Mozart selbst als Virtuose mit ihnen Ruhm ernten konnte; leicht genug, dass auch gute Laien diese Musik ohne Frust spielen könnten. Denn Mozart wollte Einnahmen aus dem Verkauf der Noten. Doch die Subskription lief nicht so recht an. Mozart beklagte in einem Brief, dass er nun schon zum 3:t male im Wiener Diarium eine Anzeige schalten müsse. Einer Darlehensgeberin schickte er im Februar 1783 einen Bittbrief, um ein Darlehen zu verlängern. Ich kann jetzt nicht zahlen, nicht einmal die Halfte! hätte ich mir vorstellen können, daß es mit der Suscription meiner Concerten so langsam hergehen würde, so hätte ich das Geld auf längere Zeit genommen. Mozart plante neu, ließ die drei Konzerte nun nicht mehr in Manuskriptform vertreiben, sondern drucken. Der Pariser Verleger Sieber ging nicht auf den Vorschlag ein. Doch nach zwei Jahren erschienen sie endlich beim Wiener Verlag Artaria. Das Titelblatt spricht noch immer von Konzerten für Cembalo oder Fortepiano. Und diese Ausgabe wurde ein Erfolg. Artaria in Wien verkaufte in 16 Jahren 500 Exemplare, in ganz Europa waren es noch deutlich mehr, denn Verleger in London, Paris und Amsterdam brachten Nachdrucke heraus. Und Mozart spielte seine neuen Konzerte auch öffentlich. Das F-Dur-Konzert KV 413 hat er vermutlich am 11. Januar 1783 uraufgeführt auf der Mehlgrube. Die Mehlgrube war ein Restaurant, dessen Ballsaal Mozart für Konzerte genutzt hat. Dort und im Trattnerhof spielte Mozart in den nächsten Jahren enorm viele Konzerte. Die meisten Virtuosen der Zeit spielten einmal pro Jahr in Wien, Mozart ist allein 1784 rund 20 Mal in eigenen Veranstaltungen aufgetreten. Daneben war er noch häufig zu Gast in den Salons des Wiener Adels.
7 Nur einmal im Jahr konnte Mozart eine Akademie in einem der beiden Hoftheater machen. Am 23. März 1783 gab es eine solche Akademie im Burgtheater. Dabei war Kaiser Joseph II. anwesend. Mozart spielte das dritte seiner neuen Konzerte C-Dur KV 415. Der Klaviersatz ist hier schon deutlich voller, die linke Hand hat mehr zu tun als in den früheren Konzerten. Und die festliche Besetzung mit Trompeten und Pauken gibt diesem Konzert ein besonderes Pathos. Mozart hat sie nachträglich hinzugefügt, wohl weil der Kaiser sich die Ehre gab. Im ersten Satz ist auch die neue Kompositionsart in den Streichern zu hören: kontrapunktisch, mit Imitationen und gleichberechtigt geführten Stimmen. Hören Sie den jungen Berliner Pianisten Martin Helmchen. Bei der Aufnahme war er 25 Jahre alt; Mozart war gerade 27, als er das Konzert komponiert hat... Musik 6 CD Track 4 10:43 Klavierkonzert Nr. 13 C-Dur KV 415 1. Allegro Martin Helmchen, Klavier Niederländisches Kammerorchester Gordan Nikolić PENTATONE, PTC 5186 305, EAN 82794903056, LC12686 In die Gruppe der frühen Wiener Konzerte gehört auch das Es-Dur-Konzert KV 449. Es ist das erste Werk, das Mozart in sein Verzeichnüss aller meiner Werke eingetragen hat. Auch dieses Konzert ist zurückhaltend im technischen Anspruch. Mozart hat es einer Schülerin gewidmet, Barbara Ployer. Er selbst spielte die Uraufführung in Wien am 17. März 1784, Ployers Aufführung folgte eine Woche später. Mozart schickte Kopien davon nach Salzburg mit dem Hinweis, das man auch dieses Konzert a quatro spielen könne also ohne Bläser.
8 Hier eine Salzburger Aufnahme des langsamen Satzes mit Geza Anda als Solist. Musik 7 CD 2 / Track 8 (6:38) Klavierkonzert Nr. 14 Es-Dur KV 449 2. Andantino Geza Anda, Klavier & Leitung Camerata Academica des Salzburger Mozarteums DG, 469 510-2, EAN 02894695102, LC00173 AD: 4/1966 Dieses Es-Dur-Konzert ist das erste im Jahr 1784. Fünf weitere werden folgen in diesem Jahr, so viele wie nie! 1784 wird das Klavierkonzert zur wichtigsten Gattung in Mozarts Wirken. Aber daneben hat er natürlich auch Kammermusik komponiert, Sonaten und Sinfonien. Die Oper wird erst 2 Jahre später wieder eine Rolle spielen mit dem Figaro und dann abfärben auf die Klavierkonzerte. Zum Schluss dieser SWR2 Musikstunde das Jagdfinale aus dem B-Dur-Konzert KV 450. Mozart vollendete es nur einen Monat nach dem gerade gehörten Es-Dur- Konzert. Der Mozart-Biograph Bernhard Paumgartner schrieb über das Jahr 1784: Noch tintenfeucht lagen die Stimmen neuer Werke auf den Pulten der Musiker in Akademien und Privathäusern. [...] Über allem schwebte ein feiner Duft der subtilen, fröhlichen Wiener Gesellschaft. Musik 8 CD 4 / Track 6 (7:47) Puffer! Auf Ende fahren. Klavierkonzert Nr. 15 B-Dur KV 450 3. Allegro Malcolm Bilson, Hammerflügel The English Baroque Soloists Sir John Eliot Gardiner ARCHIV PRODUKTION, 431 211-2, LC00113
9 Sehr brillant, angenehm in die Ohren. Mozarts Klavierkonzerte. Das war Teil 3 der SWR 2 Musikstunde mit Christian Schruff. Morgen weitere Wiener Klavierkonzerte, unter anderem eines der beiden Moll- Konzerte. Bis dahin Ihnen einen schönen Tag.