FTC Medienservice. In der Ruhe liegt die Rendite. Editorial. Juli 2006. Hintergrundwissen für Journalisten & Finanzprofis

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Transkript:

Hintergrundwissen für Journalisten & Finanzprofis Editorial In der Ruhe liegt die Rendite Juli 2006 Wer überdurchschnittlich häufig handelt, verliert überdurchschnittlich viel Geld. Der Grund dafür ist nicht so sehr in der Unterschätzung von Transaktionsspesen und Steuerbelastungen zu suchen, sondern liegt vielmehr in der Überschätzung der eigenen Urteilskraft. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes zum Thema Überkonfidenz. Haben Sie Angst, Ihr Urlaub könnte Sie zu einem armen Mann machen und zwar nicht deshalb, weil die Reise so teuer wäre, sondern, weil Ihre Aktienwerte im Depot während Ihrer Abwesenheit dahinschmelzen könnten? Dann gebe ich Ihnen einen gut gemeinten Rat: Verkaufen Sie alles und gönnen Sie sich ein paar Tage Ruhe. Und falls Ihre Befürchtung tatsächlichwahr werden sollte, können Sie sich über den Gewinn freuen schließlich könnten Sie Ihr gesamtes Depot jetzt viel billiger wieder auffüllen. Wenn Sie dagegen zu jenen gehören, die selbst im Urlaub die Finger nicht vom Börsenhandel lassen, weil man ja die eine, die einmalige Gelegenheit zu schnellem Reichtum versäumen könnte, gebe ich Ihnen einen dringenden Rat: Lassen Sie die Finger vom Wertpapierhandel. Sie werden Ihr Geld mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren. Eduard Pomeranz FTC-CEO Kennen Sie diese Karikatur eines klischeehaften Börsespekulanten, der sich niemals weiter als einen Meter von seinen 5 Telefonen wegbewegt? Der aus entspannter Lage im Whirlpool (selbstverständlich flankiert von zwei Playmates des Monats) sofort in hektische Aktivität verfällt, als ihn sein Makler anruft? Und der in Folge lautstark eine wilde Serie von Kauf- und Verkaufsorders in sein Handy diktiert? Es mag solche Typen tatsächlich geben, ob Sie sich einen Whirlpool und anspruchsvolle Gespielinnen leisten können, ist allerdings höchst fragwürdig. Denn jüngste Forschungen belegen, was die meisten Profis wissen: Hyperaktivität schadet dem Profit. Wenn Sie also Probleme haben, Ihr Wertpapierdepot auch nur zeitweilig sich selbst zu überlassen, sind Sie entweder professioneller Händler oder hochgradig gefährdet, in die Verlustfalle zu laufen. Profit-Killer Overconfidence Eine der robustesten Erkenntnisse auf dem Feld der Psychologie der Entscheidungen ist die Tendenz des Menschen zur Überkonfidenz, meint Richard Thaler, einer der profiliertesten Exponenten des jungen Forschungszweigs der Behavioral Finances. Überkonfidenz (engl.: Overconfi-

Hilfe, ich bin der Größte: Männer neigen messbar stärker zu Überkonfidenz als Frauen ganz besonders bei maskulin besetzten Themen wie Autofahren, Sport oder dem Finanzmarkt. dence ist ein vielschichtiger Begriff und wird als Synonym für übergroßer Optimismus aber auch Selbstüberschätzung verwendet. In der psychologischen Forschung meint man mit Überkonfidenz einen Komplex aus teilrationalem Verhalten, der dazu führt, dass etwa Wahrscheinlichkeiten falsch eingeschätzt oder die eigenen Fähigkeiten überschätzt werden. Zu viele gute Autofahrer Bereits seit den 1960er Jahren wird in der psychologischen Forschung durch zahlreiche Studien immer wieder belegt, dass wir dazu neigen, unsere eigenen Fähigkeiten und unser Urteilsvermögen systematisch zu überschätzen. 80 bis 90 % der Autofahrer (je nach Studie) sind etwa davon überzeugt, besser fahren zu können, als der Durchschnitt. Es ist eine einfache mathematische Tatsache, dass sich wohl viele von ihnen irren müssen. Selbstüberschätzung ist beiliebe kein Privileg der Autofahrer. Bei Versuchsanordnungen, in denen es darum geht, das Eintreffen bestimmter Ereignisse in einer bestimmten Bandbreite (dem Konfidenzintervall) zu schätzen, liegen die tatsächlich erreichten Treffer im Durchschnitt signifikant außerhalb der vorgegebenen Wahrscheinlichkeit. Ein solcher Versuch könnte zum Beispiel so aussehen: Eine Gruppe junger Mediziner bekommt Informationen über die Symptome eines fiktiven Patienten und soll nun mit einer Sicherheit von 90 % angeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Patient an einer Lungenentzündung leidet. Bei verlangten 98% Sicherheit liegt die tatsächliche Trefferquote gewöhnlich nur zwischen 80 und 85 %. Ist, wie oben eine 90 %ige Sicherheit über das Eintreffen eines bestimmten Ereignisses verlangt, sinkt die Trefferquote noch deutlicher auf 40-60 %. In Finanzentscheidungen besonders verwundbar Die Forscher fanden aber heraus, dass bestimmte Entscheidungs-Umgebungen erheblichen Einfluss auf den konkreten Grad der Überkonfidenz haben. Geringe Anfälligkeit zeigten etwa Meteorologen oder Bridge-Spieler (natürlich nur im Hinblick auf Wettervorhersagen, bzw. Spielentscheidungen). Auf besonders hohe Fehlerquoten bei Konfidenztests kommen Experimente, wenn die folgenden Faktoren zusammentreffen: Es werden Prognosen über schwierige (komplexe) Fragestellungen verlangt. Beim Gegenstand der Prognose handelt es sich zudem um eine Materie, die grundsätzlich schwer vorherzusagen ist. Und es gibt kein unmittelbares und eindeutiges Feedback auf die Prognose. Fällt Ihnen in Bezug auf Finanzmärkte etwas auf? Richtig: Wer mit Wertpapieren handelt, muss geradezu das idealtypische Opfer für Überkonfidenz sein. Schließlich ist es eine komplexe Aufgabe, künftige Kurs- Richtung einschätzen zu müssen. Es ist zudem nicht nur schwierig, sondern unmöglich, präzise Voraussagen über künftige Kursentwicklungen zu treffen. Und es gibt nie ein eindeutiges und schnelles Feedback auf eine Entscheidung. Dass es sich dabei um einen wohlbegründeten Verdacht handelt, bestätigten zahlreiche experimentelle Studien im Verlauf der 1990er Jahre. Dabei fand man etwa heraus, dass der Grad der Überkonfidenz mit dem Expertenstatus deutlich steigt. Das bedeutet: Profis sind noch schlechter kalibriert als Amateure. Männer sind wesentlich stärker von sich überzeugt als Frauen und bei Wiederholungen der selben Fragestellung steigt die Überkonfidenz bei jenen deutlich an, die zuvor erfolgreich waren. Exzessives Trading ist fatal für Profite Den statistischen Beweis dafür, dass Überkonfidenz auch tatsächlich den Anlageerfolg beeinträchtigt, lieferten die beiden Universitätsprofessoren für Finanzwissenschaften, Brad M. Barber und Terrance Odean, schließlich in mehreren Arbeiten seit 1998. Am Beginn stand ihre These, dass Anleger um so öfter Trades eingehen, je stärker sie ihre Fähigkeiten auf dem Markt überschätzen und dass sie dadurch Ihre Profite schmälern werden. Mit einfachen Worten: Selbstüberschätzung führt zu exzessivem Trading-Verhalten und direkt in den Verlust. Zur Überprüfung dieser Annahme dienten anonymisierte Trading-Protokolle von 78.000 Privatanlegern mit der Aufzeichnung von rund 3 Millionen Einzeltrades aus den Jahren 1991-1996, zur Verfügung gestellt durch einen US-Discountbroker. Was sich sehr schnell bewahrheitete, war die Juli 2006 2

Exzessives Trading ist oft dass Ergebnis anfänglicher Gewinnstrecken. Wer nicht gut aufpasst, landet am Ende dennoch im Wasser. Grundannahme, dass die Ergebnisse jener Anleger, die überdurchschnittlich viele Transaktionen durchführten, signifikant unterdurchschnittlich ausfielen. In Zahlen ausgedrückt: Die 20 % der Anleger mit den meisten Trades schichteten im Durchschnitt jeden Monat mehr als ein Fünftel ihres Aktien-Portfolios um und erzielten eine durchschnittliche Jahresperformance von 11,4 % (ja, die Jahre 1991 bis 1996 waren wirklich gut für Aktien). Die 20 % der Anleger mit den wenigsten Trades wechselten dagegen lächerliche 0,2 % ihrer Aktien im Monatsdurchschnitt, machten aber 18,5 % Performance pro Jahr. Um zu ermessen, was dieser Unterschied bedeutet, braucht man sich nur vorzustellen, man würde 10.000 Euro für 10 Jahre investieren. Bei 11,4 % Jahresrendite hätte man am Ende 26.424 Euro. Bei 18,5 % Rendite wären es 46.075 Euro. Wohin das signifikant schlechtere Abschneiden der Viel-Trader in einem Zeitfenster wie 2001 bis 2003 geführt hätte, kann man sich gut vorstellen vermutlich in den Totalverlust. Männer sind die schlechteren Trader Barber und Odean hatten mit dieser Analyse zwar bewiesen, dass häufigeres Handeln zu schlechteren Ergebnissen führt, aber noch nicht, dass die Wurzel des Übels tatsächlich in der Tendenz zur Selbstüberschätzung zu finden ist. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wählten sie einen Umweg: Zumal es in der psychologischen Forschung als erwiesene Tatsache gilt, dass Männer ungleich stärker zur Selbstüberschätzung neigen als Frauen, teilten sie die Trading-Protokolle nach dem Geschlecht auf. Die Annahme war klar: Männer würden, weil ihr Hang zur Selbstüberschätzung stärker ist, öfter traden und das schlechtere Finanzergebnis erzielen. Und auch diese Annahme bestätigte sich: Die Männer hatten um 45 % mehr Transaktionen in ihren Records als die Frauen und ihre Durchschnitts-Performance lag rund 1 % unter jener der Frauen. Was für den Nicht-Statistiker wie ein eher schwacher Beweis klingt, ist, so die beiden Forscher, hochgradig signifikant und robust. Weshalb die Theorie, dass zu viel Aktivität an der Börse den Finanzen schadet, bereits als stark abgestützt gelten darf. Forschungsziel Day-Trading In den Boom-Jahren der Börsen während der späten 1990er wurde das sogenannte Day-Trading in manchen Ländern geradezu zum Volkssport. Bei dieser ausgesprochen stressgeladenen Form des Aktienhandels werden im Extremfall ganze Depots mehrmals pro Tag umgewälzt. In dieser Gruppe sollte sich also die Theorie, dass zu häufiges Handeln die Gewinne schmälert, geradezu idealtypisch messen lassen. Das Problem dabei: Lange gab es für eine wirklich breite empirische Untersuchung des Day-Trading Phänomens keine brauchbaren Daten. Wieder war es das Forscherduo Barber/Odean, das Licht ins Dunkel bringen konnte. Mit Hilfe zweier taiwanesischer Forscher-Kollegen (Lee/Liu) an der Universität von Taipeh gelang es ihnen, an einen kompletten Datensatz aller Transaktionen an der Taiwan Stock Exchange (TSE) der Jahre 1995 bis 1999 zu kommen. Was sie bei der Analyse dieser gewaltigen, von der TSE zur Verfügung gestellten Informationsbasis herausfanden, veröffentlichten die vier Wissenschaftler in der Studie Do Individual Day Traders Make Money? (2004). 130.000 Day-Trader im Visier In sechsmonatiger Arbeit filterten Barber und seine Kollegen über 130.000 Einzelpersonen heraus, die während eines halben Jahres zumindest 1,5 Millionen Taiwan-Dollar (ca. 3.000 Euro) in Day-Trades investiert hatten. Rund 9.000 Personen mit einem halbjährlichen Day-Trading Umsatz von 90 Millionen Taiwan-Dollar (1,8 Mio. Euro) und mehr, wurden als Heavy-Traders klassifiziert. Insgesamt machten die individuell (also nicht durch Investmentfonds, Banken oder Firmen) getätigten Intraday-Transaktionen an der Börse von Taiwan beachtliche 20 % aller Umsätze während des betrachteten Zeitraums aus. Die Kernpunkte der Analyse: Wer in der Anfangsphase seiner Day-Trading Karriere überdurchschnittliche Gewinne erzielt, erhöht in der Regel seine Aktivität handelt also öfter und setzt mehr Kapital ein. Dieses Verhalten deckt sich mit früheren Studien zum Overconfidence Bias und lässt Juli 2006 3

Der Selbsttest: Sind Sie overconfident? Wer permanent am Info-Tropf hängt, ist prädestiniert für die illusion of knowledge eine Form der Überkonfidenz, die viele Experten befällt. darauf schließen, dass auch Day- Trader dazu neigen, ihre Fähigkeiten systematisch zu überschätzen. Verlierer dagegen reduzieren ihre Handelsaktivitäten in einem ähnlich starken Maß. Das Verhalten der Day-Trader ähnelt stark jenem von Lotterieteilnehmern, wobei für die Lotterie gilt: Vielen Verlierer stehen einige hohe Gewinner gegenüber. Denn nur 18 % der gelegentlichen Day-Trader und 19 % der Heavy- Trader können in einer typischen 6-Monats-Periode nach Spesen und Steuern Profite erzielen. Der durchschnittliche Monatsverlust eines Heavy-Traders machte gar satte 7.338 koreanische Dollar aus das entspricht in etwa einem fünffachen Durchschnittslohn. Die Studienautoren vermuten, dass sich selbst jene Trader, die Bruttoprofite erzielen, der Transaktionskosten kaum bewusst sind und zudem dazu neigen, die Gewinnmöglichkeiten systematisch zu überschätzen. Zuviel Information schadet Wer ständig am Info-Tropf aus Finanzpresse und Internet-Kursticker hängt, gehört ebenfalls zur Risikogruppe in Sachen Überkonfidenz: Man sollte glauben, dass mehr Information zu besseren Einschätzungen und zu größerem Vertrauen in die Einschätzung führen sollte. Wissenschaftlich bestätigt ist letzteres. Während ersteres sich genau umgekehrt verhält: Die besten Einschätzungen werden häufig bereits mit relativ geringen Informationsmengen gemacht. Unsere menschliche Tendenz zur Überschätzung der eigenen Fähigkeiten tritt auch bei Experten auf und wir in der Literatur auch als illusion of knowledge bezeichnet. Das Duo Magnusson/ Ekehammer wies bereits 1972 nach, dass auf der einen Seite das Vertrauen in die eigene Einschätzung mit zunehmender Informationsmenge ansteigt. Auch die Qualität der Einschätzungen steigt zunächst. Ist allerdings ein Grad an Informiertheit erreicht, nimmt die Genauigkeit der Einschätzung wieder ab. Salopp gesagt: Menschen, die sich für besonders qualifizierte Experten halten, sind oft einfach nur überkonfident. Diese illusion of knowledge als Auslöser für übersteigertes Selbstvertrauen ist bei ärztlichen Diagnosen besonders gut dokumentiert, betrifft aber letztlich alle Experten in Disziplinen ohne absolute Gewissheiten (Psychologen, Astrologen und eben Finanzanalysten und deren Taschenausgaben namens Börsenprofis ). So können Sie anhand eines einfachen Experimentes für sich selbst überprüfen, wie gut Ihre Fähigkeit zur Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten sind: Schätzen Sie den Indexstand des ATX (oder eines beliebigen anderen Finanzwertes, mit dem Sie glauben, sich besser auszukennen) am Ende des Folgetages. Anschließend machen Sie eine Prognose über den MAXIMALEN Indexstand mit 99%-iger Sicherheit (Sie sind also fast absolut sicher, dass der Index nicht über dieser geschätzten Marke liegen wird). Schließlich geben Sie den MINI- MALEN Indexstand an wieder mit einer subjektiven Sicherheit von 99%, dass der ATX über diesem Wert liegen wird. Ihre subjektive Wahrscheinlichkeit, dass der Indexstand nach einer Woche höher oder niedriger ist als Ihre jeweiligen Grenzwerte, liegt demnach bei 2 % und Sie haben ein 98 %iges, subjektives Konfidenzintervall festgelegt. Wenn Sie diesen Test über mehrere Wochen jeden Tag durchführen, haben Sie eine gute Einschätzung über Ihren persönlichen Grad an Überkonfidenz: Es gibt jeweils drei Möglichkeiten: Der ATX kann in einer Woche höher als das von Ihnen geschätzte Maximum liegen (Sie waren also zu pessimistisch). Der ATX kann unter Ihr geschätztes Minimum fallen (Sie waren zu optimistisch). Der ATX kann sich innerhalb des Konfidenzintervalls befinden (Sie lagen richtig, oder waren, wie die Experten es nennen, richtig kalibriert ). Ein guter Prognostiker liegt in ca. 98% aller Fälle richtig und in 2% falsch. Gehören Sie dazu? Falls ja, sollten Sie den Test in regelmäßigen Abständen wiederholen, um zu überprüfen, ob Sie sich nicht bereits die Überkonfidenz des Experten eingefangen haben. Juli 2006 4

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