Zusammengestellt von Dr. Gerhard Schneider (Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.v.)

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Transkript:

Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2013 12. April 2013; S. 1 Gymnasiumstr. 32 Zusammengestellt von Dr. Gerhard Schneider (Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.v.) In der Friedensstr. 32 der heutigen Gymnasiumstraße wohnte bis 1938 das Ehepaar Max und Hermine Strauss. Im Adressbuch der Stadt Heilbronn 1938/39 ist dann als Wohnort die Wilhelmstr. 26 verzeichnet. MAX STRAUSS JG. 1874 TOT 17.6.1944 HERMINE STRAUSS GEB. ROTHSCHILD JG. 1886 ERMORDET 1944 AUSCHWITZ Das Haus Wilhelmstraße 26 gehörte Gertrud Oppenheimer; nach Hans Franke wurde es von der Stadt Heilbronn käuflich übernommen. Auch Gertrud Oppenheimer wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, sie verstarb in Izbica. Es ist damit anzunehmen, dass der Wohnortwechsel des Ehepaares Strauss nicht freiwillig erfolgte und die letzte frei gewählte Wohnung damit tatsächlich in der Friedensstraße der heutigen Gymnasiumstraße 32 war. Max Strauss, von Beruf Kaufmann, war seit den 1920er Jahren Gesellschafter der Zigarrenfabrik Gustav Adler; sie wurde nach dem Tod Gustav Adlers 1935 aufgelöst. Max Strauss verwaltete danach im Pachtverhältnis den Adlerkeller, eine frühere Brauereigaststätte im Besitz der Familie Würzburger. Das Lokal hatte ca. 250 Plätze und befand sich an der Ecke Klara- und Wollhausstraße. Hier war auch von 1936 an die Schule für jüdische Kinder eingerichtet, die öffentliche Schulen nicht mehr besuchen durften. Hier befand sich zudem das Gemeindehaus für die immer kleiner werdende israelitische Gemeinde. Im Jahr 1938 wurde diese Einrichtung geschlossen. Am 9. November 1938 in der sog. Kristallnacht wurde das Gebäude von einer Nazibande verwüstet und größere Mengen an Einrichtungsgegenständen, auch Geschirr und Gläser, blindwütig zerschlagen. Max und Hermine Strauss gingen nach dem Novemberpogrom vorübergehend nach Ulm; später kamen sie zurück nach Heilbronn und lebten in der Badstraße 10 (einer Sammelunterkunft für Juden). Am 23. März 1942 wurden beide nach Haigerloch umgesiedelt und von dort aus am 22. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Max Strauss verstarb in Theresienstadt am 17. Juni 1944. Hermine Strauss wurde am 16. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und verstarb dort. Das Todesdatum ist unbekannt. Das Ehepaar Strauss hatte zwei Kinder, den Sohn Erich, geb. 1912, und die Tochter Hilde Sophie, geb. 1919. Beide wanderten aus, Erich Strauss nach Argentinien, Hilde-Sophie Strauss nach England. Über ihr Schicksal konnte nichts in Erfahrung gebracht werden.

Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2013 12. April 2013; S. 2 Oststr. 42 Zusammengestellt von Paulin Albrecht und Ellen Schück (Mönchsee-Gymnasium Heilbronn) Zwischen 1933 und 1945 wurden in Deutschland Millionen Juden verfolgt, deportiert und umgebracht. Darunter war auch die in Heilbronn in der Moltkestraße lebende Hedwig Eisig. Hedwig Eisig, geborene Strauss, wurde am 19. Januar 1879 in Heilbronn geboren, ihre Eltern hatten sich schon vor längerer Zeit hier niedergelassen. HEDWIG EISIG GEB. STRAUSS JG. 1879 DEPORTIERT 1941 RIGA Sie war die Tochter von Max und Karoline Strauss, geborene Gerst. Ihre Eltern starben beide jung und sie hatte keine Geschwister. Hedwig heiratete den Kaufmann Wilhelm Eisig, einen Sohn von Carl und Regine Eisig, geborene Landauer. Wilhelm hatte eine Schwester, ihr Name war Anna Wolf. Hedwig Eisig war von Beruf Hausfrau. Das Ehepaar Eisig hatte keine Kinder. Sie lebten in einer Mietwohnung in der Schillerstraße 90 und besaßen ein Haus in der Kaiserstraße 6, in welchem Wilhelm Eisig bis zu seinem Tod im Alter von 48 Jahren am 8. Mai 1927 ein Geschäft für Damenkonfektion betrieb. Nach dem Tod ihres Mannes zog Hedwig Eisig in die Moltkestraße 20 um, wo sie ab 1929 im Adressbuch aufgeführt ist. Das Geschäft ihres Mannes in der Kaiserstraße 6 wurde an Adolf Oppenheimer vermietet, der dort ab 1931 mit seiner Frau Thekla Spiers Schuhwarenhaus betrieb. Nach dem Tod Adolf Oppenheimers im Jahr 1932 wurde das Geschäft zunächst seiner Frau weitergeführt. Am 1. April 1933 gehörte es zu den Läden, die durch die NSDAP boykottiert wurden einer der Schritte, um die Juden aus dem Wirtschaftsleben in Deutschland zu drängen. Thekla Oppenheimer gab ihr Geschäft schon 1934 auf; sie wurde am 26. November 1941 nach dem Osten deportiert und in Riga ermordet. Das Schuhwarenhaus Spiers wurde von Fritz Wacker übernommen und firmierte dann als Schuhhaus Wacker Salamander ; das Haus war aber nach wie vor im Besitz von Hedwig Eisig. Sie musste es 1938/39 an die Stadt Heilbronn verkaufen, die es an Bürgermeister Hugo Kölle vermietete. 1936 zog Hedwig Eisig aus der Moltkestraße in das von Damenschneider Karl Laut erbaute Haus in der Oststraße 42. Zwei Monate vor ihrer Deportation musste sie am 30. September 1941 in die Klettstraße 5 ziehen dieser Umzug erfolgte nicht mehr aus freiem Willen. Am 26. November 1941 wurde Hedwig Eisig nach dem Osten deportiert und in Riga im Alter von 62 Jahren ermordet.

Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2013 12. April 2013; S. 3 Schillerstr. 18 Zusammengestellt von Tom Löffler und Enoch Tabak (Robert-Mayer-Gymnasium Heilbronn). ARON KERN JG. 1863 TOT 22.9.1942 FRIEDERIKE KERN GEB. REIS JG. 1871 TOT 20.5.1943 DR. HUGO KERN JG. 1896 FLUCHT 1939 PALÄSTINA ÜBERLEBT An dieser Stelle soll an Aron Kern und seine Frau Friederike, geborene Reis, sowie an ihren Sohn Dr. Hugo Kern gedacht werden, der bis zu seiner Flucht in Heilbronn lebte. Friederike Kern wurde am 25. Februar 1872 in Schwäbisch Hall geboren, lebte aber später mit ihrem am 23. Oktober 1863 geborenen Mann Aron zunächst in dessen Geburtsort Wollenberg. Hier wurde am 24. Februar 1896 auch der Sohn Hugo geboren, der auch eine Schwester, Schoschana hatte. Drei Jahre später, 1899, zog die Familie nach Heilbronn. Hier ging Aron Kern als Selbstständiger seinem Beruf als Kaufmann nach. Die Familie unterhielt das Betten- und Aussteuergeschäft Kern-Reiss am Kiliansplatz 1. Dies sowie Dr. Hugo Kerns Tätigkeit als Rechtsanwalt und als Vorsitzender des ADAC Heilbronn zeigen, dass die Kerns ein fester Bestandteil der Heilbronner Gesellschaft waren. Darüber hinaus diente Aron Kern Deutschland als Leutnant im Krieg von 1914 und verdiente sich das bayrische Militärkreuz im Nachhinein ein weiterer Ausdruck trauriger Ironie und perverser Doppelmoral des Nationalsozialismus. Die Nationalsozialisten zwangen das Ehepaar Kern, am 1. Februar 1939 von der Schillerstraße 18 ins jüdische Altersheim in Sontheim zu ziehen. Damit begann eine Odyssee. Sie verlief über die Frankfurter Straße 46 in Heilbronn und endete zunächst im Mai 1941 im Haus Picard in Sontheim, einem sogenannten Judenhaus. Etwa ein Jahr später, am 20. August 1942, wurden sowohl Aron als auch Friederike Kern nach Theresienstadt deportiert. Während Aron Kern schon einen Monat später, am 22. September 1942, einen Tag und einen Monat vor Erreichen seines 79. Lebensjahres verstarb, lebte Friederike Kern im Angesicht des Grauens noch mehr als ein halbes Jahr und verstarb am 20. Mai 1943 mit 72 Jahren. Das Haus Schillerstraße 18 musste die Familie Kern für 36.000 Reichsmark als nationalsozialistische Zwangsmaßnahme verkaufen. Es ist damit ihr letzter freiwillig gewählter Wohnort und der Ort der Erinnerung durch die Stolpersteine. Dr. Hugo Kerns Weg war ein anderer: Vermutlich im Zuge der Novemberpogrome 1938 verbrachte er laut eigener Aussage 17 Tage im KZ Dachau und wanderte anschließend im Januar 1939 aus. Damit überlebte er Nazi-Deutschland. Neben seinen Eltern verlor er auch seine Schwester, die zuvor in Nürnberg lebte, in Theresienstadt. Dr. Hugo Kern verbrachte seinen Lebensabend in Israel. Diese nur kurz umrissenen Lebensläufe sind ein Beispiel für die unglaubliche Willkür, die hoffentlich niemals mehr walten darf. Die damit gepflegte Kultur des Erinnerns soll dazu beitragen, unser Bewusstsein zu schärfen und uns vor solchen Abgründen zu bewahren.

Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2013 12. April 2013; S. 4 Sichererstraße 9 Zusammengestellt von Schülern der Klasse BFZ 2 der Johann-Jakob-Widmann Schule Heilbronn ALBERT HAHN JG. 1880 DEPORTIERT 1941 RIGA ARTUR NATHAN HAHN JG. 1913 UNFREIWILLIG VERZOGEN 1939 GUT WINKEL HACHSCHARA-LAGER DEPORTIERT 1943 AUSCHWITZ HANS JAKOB HAHN JG. 1923 FLUCHT 1939 LUXEMBURG INTERNIERT DRANCY DEPORTIERT AUSCHWITZ MINA HAHN GEB. SELIGMANN JG. 1889 DEPORTIERT 1941 RIGA Hier wohnten Albert und Mina Hahn, geb. Seligmann, mit ihren Söhnen Artur Nathan und Hans Jakob. Albert Hahn wurde 1880 in Berwangen geboren und betrieb eine Handelsagentur für Manufakturwaren. Seine Frau Mina, geboren 1889 in Eberbach, war Hausfrau. Nach dem Zwangsverkauf des Hauses in der Sichererstraße erfolgte der erzwungene Umzug in ein sog. Judenhaus in der Frankfurter Straße 46. Von dort wurden Albert und Mina Hahn am 26. November 1941 nach dem Osten verschickt, also deportiert. Beide wurden am 1. Dezember 1942 in Riga ermordet. Ihr älterer Sohn Artur wurde 1913 oder 1914 geboren hier sind sich die Quellen nicht einig und war zum Zeitpunkt der Machtergreifung ein junger Mann von ungefähr 20 Jahren. Am 27. September 1939 wurde er nach Gut Winkel bei Spreenhagen, ein Hachschara-Lager, verschickt. Hachschara heißt übersetzt Tauglichmachung ; diese Lager dienten der organisierten Vorbereitung auf ein Leben in Palästina, dem heutigen Israel. Das Ziel der sog. Chaluzbewegung war eine kollektive Besiedelung Palästinas durch junge Juden, um dort gemeinsam zu arbeiten und zu leben; erste Gruppen dieser Bewegung bildeten sich zur Zeit des Ersten Weltkriegs in Amerika und Russland. Mit dem Jahr 1933, dem Jahr der Machtergreifung, kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Mitglieder der Chaluzbewegung auf 15.000 Mitglieder im Jahr 1934; denn es gab für jüdische Jugendliche nach dem Schulabschluss kaum noch eine Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen. Daher waren die jüdischen Lehrgüter und -werkstätten oft die einzige Möglichkeit dazu. Zunehmend stießen auch jüdische Jugendliche, die vorher keiner jüdischen Jugendorganisation angehört hatten und aus assimilierten Elternhäusern stammten, zur Chaluzbewegung. Ab 1941 wurden die Einrichtungen der Hachschara durch die Nationalsozialisten in Zwangs-Arbeitslager für jüdische Jugendliche umgewandelt oder ganz aufgelöst. Von dort wurden die jungen Menschen in die Vernichtungslager deportiert, so auch Artur Nathan Hahn, der 1943 deportiert und vermutlich in Auschwitz ermordet wurde. Sein jüngerer Bruder Hans Jakob wurde am 18. Mai 1923 geboren und ging als 14-Jähriger vielleicht als Lehrling nach Weinheim, kehrte aber 1939 nach Heilbronn zurück. Am 29. März 1939 floh er vor den Nationalsozialisten nach Luxemburg, konnte ihnen aber wie seine ganze Familie nicht entkommen. Über das Sammel- und Durchgangslager Drancy bei Paris wurde er nach Auschwitz deportiert. Von Drancy aus wurden ca. 65.000 hauptsächlich französische Juden mit der Eisenbahn in die deutschen Vernichtungslager überwiegend im heutigen Polen transportiert, sehr viele nach Auschwitz-Birkenau. Etwa 63.000 davon wurden in den Lagern ermordet oder starben zuvor an den katastrophalen Umständen des Transports und der Unterbringung. Auch Hans Jakob Hahn starb in Auschwitz, vermutlich wurde er ermordet. Sein Todesdatum ist unbekannt, 1952 wurde er für tot erklärt auf den 8. Mai 1945.

Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2013 12. April 2013; S. 5 Böckingen, Teichstr. 8 Zusammengestellt von Anita Sopaj (Elly-Heuss-Knapp-Gymnasium Heilbronn) Emil Bauer wurde am 1. November 1901 geboren und war wohnhaft in Heilbronn-Böckingen, Teichstraße 8. Er arbeitete als Prokurist bei der Firma Müller (Öl-Müller) und war verheiratet mit Frida Bauer, die als Stickerin arbeitete. Emil Bauer gehörte den Zeugen Jehovas an, oder wie man sie früher nannte, den Ernsten Bibelforschern. Ab dem 6. Oktober 1937 war er in Haft und im Jahre 1938 musste Emil Bauer, zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt und aufgrund der Verweigerung einer militärärztlichen Untersuchung vorbestraft, vor das Sondergericht in Heilbronn. EMIL BAUER JG. 1901 ZEUGE JEHOVAS WEHRDIENST VERWEIGERT FLUGBLATTAKTION 1937 VERHAFTET VERURTEILT 1938 1939 SACHSENHAUSEN TOT 23.5.1940 Dort wurde ihm zur Last gelegt, Geld für seine Glaubensgenossen gesammelt zu haben (ca. 300 Mark) und Schriftmaterial der Zeugen Jehovas verbreitet zu haben. Außerdem habe er in Magdeburg die Produktion dieser Broschüren unterstützt. Daraufhin wurde er zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Emil Bauer kam nach dem Ende der Gefängnisstrafe am 2. November 1939 nach Oranienburg, in das KZ Sachsenhausen. Seine Häftlingsnummer war 3379. Er arbeitete dort im Steinbruch und starb am 23. Mai 1940. Der Hintergrund seiner Verfolgung unter dem NS-Regime war seine Glaubenszugehörigkeit die Zeugen Jehovas. Für ihren Glauben nahmen die Ernsten Bibelforscher (Zeugen Jehovas) schwere Leiden auf sich, viele sogar den Tod. Im Jahre 1933 gab es ca. 25.000 Zeugen Jehovas in Deutschland, die grausamen Verfolgungen ausgesetzt waren. Etwa 12.700 inhaftierte man in Gefängnissen oder in Konzentrationslagern. Dort starben sie aufgrund von Misshandlung, Hunger, Kälte, Krankheit oder auch brutaler Ermordung. Grundlegend für diese schlimmen Taten war die Verweigerung des Wehrdienstes und des Hitlergrußes, begründet mit ihrem Glauben. Böckingen, Klingenberger Str. 74 Patenschaft Familie Ehrmann / Annette Geisler / Stadtarchiv Heilbronn Ludwig Essinger kam am 9. Januar 1881 in Heilbronn zur Welt. Sein Vater Isidor führte hier seit 1874 ein Aussteuer- und Wäschegeschäft. Ludwig besuchte ab 1889 das Karlsgymnasium und legte zehn Jahre später (1899) die Reifeprüfung ab. Das sog. Einjährigen Freiwilligenjahr absolvierte er beim 4. württembergischen Infanterie-Regiment 122. UND PRAKTIZIERTE DR. LUDWIG ESSINGER JG. 1881 GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET FLUCHT IN DEN TOD 5.4.1942 Ab dem Sommersemester 1902 studierte Ludwig Essinger Medizin an der königlich bayrischen Ludwig- Maximilians-Universität in München; im Mai 1905 promovierte er mit dem Thema Über die Wirkung photodynamischer fluorescierender Stoffe auf Fadenpilze. Zwei zusätzliche Semester in Zahnmedizin, ebenfalls in München, schlossen sich an.

Projekt Stolpersteine in Heilbronn 2013 12. April 2013; S. 6 Mitte 1908 ließ sich Ludwig Essinger als approbierter Arzt in Böckingen nieder. Er wohnte offensichtlich von Anbeginn in der Frankenbacher Straße 21 (heute Klingenberger Straße 74). Das Haus gehörte Emil Mogler, der seine Metzgerei und Weinwirtschaft im Erdgeschoss hatte. Während des Ersten Weltkriegs war Ludwig Essinger von Kriegsbeginn an als Stabsarzt mit nur wenigen Unterbrechungen im Einsatz; er wurde mit dem EK 2 und dem Bayrischen König Ludwigkreuz ausgezeichnet. Ludwig Essinger, der auch Patienten aus und in Klingenberg versorgte, war als Arzt und Geburtshelfer sehr beliebt. Er galt als tüchtig, gütig, direkt und volksnah. Zudem war er sozial eingestellt und erließ manch armen Patienten das Honorar. Er blieb ledig, spätestens seit 1920 lebte seine verwitwete Mutter Berta mit in seinem Haushalt, den eine Haushälterin versorgte. Mehr als 30 Jahre lang war das (die nichtjüdische ) Friederike Burkhardt, die auch als Arzthelferin fungierte und die wohl bis ins Jahr 1942 bei Ludwig Essinger blieb. Bereits am 22. April 1933 verloren die jüdischen Ärzte ihre Zulassung als Kassenarzt. Da viele seiner Kranken Kassenpatienten waren, war das für Ludwig Essinger ein schwerer Verlust. Am 30. September 1938 wurde den jüdischen Ärzten grundsätzlich die Approbation (Zulassung) entzogen, sie mussten sich Krankenbehandler nennen und durften nur noch jüdische Patienten behandeln. Ludwig Essinger verlor damit seine berufliche Existenzgrundlage (zumindest in Böckingen). Wenige Wochen später, in der Nacht des 11. November 1938 (einen Tag nach der Reichspogromnacht) überfiel ein Trupp junger Leute zweimal seine Wohnung in der Klingenberger Straße. Vielleicht deshalb zog Ludwig Essinger kurz darauf am 15. Dezember 1938 nach Heilbronn in die Roßkampffstraße 21, vermutlich um die Praxis von Dr. Willi Flegenheimer zu übernehmen (der im Oktober 1937 ausgewandert war). Am 30. April 1939 wurde das Gesetz über die Mietverhältnisse von Juden erlassen und Ludwig Essinger musste in die Bergstraße 2 in ein sogenanntes Judenhaus ziehen. Er musste erleben, wie die Familie Kirchhausen, mit denen er hier eine Wohnung teilte, am 1. Dezember 1941 deportiert wurde. Er selbst wurde nach dem 3. Oktober 1941 (nach dem Erlass der Verordnung über die Beschäftigung von Juden ) zum Straßenkehren zwangsverpflichtet. Es wird berichtet, wie der 60-jährige ehemals hoch angesehene Arzt abgemagert in Heilbronn die Straßen fegte. Am 7. Januar 1942 musste Ludwig Essinger nach Sontheim in die Lauffener Straße 12 umziehen. Das ehemalige Haus von Dr. Julius Picard diente seit November 1940 als Ersatz für das Landesasyl Wilhelmsruhe und fungierte als Sammelstelle für die geplanten Deportationen. Ludwig Essinger sollte ebenfalls abgeschoben und dessen gesamtes Vermögen zu Gunsten des Deutschen Reichs eingezogen werden (so heißt es in einem Schreiben des Finanzamts Heilbronn in der Nachlass-Sache Essinger vom 10. Juni 1942). Angesichts seiner aussichtslosen Lage nahm sich Dr. Ludwig Essinger am 5. April 1942 das Leben; er wurde auf dem jüdischen Friedhof in Sontheim in einem nicht gekennzeichneten Grab beigesetzt. 1991 wurde in Böckingen eine Straße nach ihm benannt.