Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.

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Transkript:

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Die Positionen der deutschen Versicherer 2012

VoRWort Sehr geehrte Damen und Herren, Berlin, im April 2012 Arzneien, die dem Kranken helfen, können für einen Gesunden schädlich sein. Dies gilt für die Medizin, in zunehmendem Maße aber leider auch für die Bewältigung der Finanzkrise. Die Versicherungswirtschaft hat die Finanzkrise dank ihrer konservativen und langfristigen Kapitalanlagestrategie und ihres ausgeklügelten Risikomanagements gut überstanden, wird nun aber durch die Medizin für Banken und überschuldete Staaten vor große Herausforderungen gestellt. Das künstliche Niedrigzinsniveau und die Liquiditätsschwemme dürfen deshalb nicht zum Dauerzustand werden (Kapitel 1). Gleichzeitig bietet die anstehende Reform des Versicherungsaufsichtsgesetzes Gelegenheit, die Risikotragfähigkeit der Lebensversicherer zu stärken (Kapitel 2). In dieses schwierige Kapitalmarktumfeld hinein soll Anfang nächsten Jahres das neue europäische Aufsichtsrecht Solvency II in Kraft gesetzt werden (Kapitel 3). Die neuen Regeln werden nicht nur Versicherer und Aufseher vor gewaltige Aufgaben stellen. Auch Versicherungskunden und die Wirtschaft werden die Auswirkungen zu spüren bekommen. Denn Solvency II entscheidet indirekt auch darüber, welche Versicherungsprodukte künftig zu welchem Preis angeboten werden können und wo die Versicherer in Zukunft ihre mehr als 1,2 Billionen Euro Kapitalanlagen investieren werden. Noch immer sind nicht alle Fragen des neuen Regelwerkes abschließend geklärt. Die Mitglieder des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft e.v. unterziehen die neuen Regeln zurzeit einem Praxistest. Ergebnisse werden im Sommer vorliegen. Neben der inhaltlichen Reform des Aufsichtsrechts steht in Deutschland zugleich eine institutionelle Reform der Finanzaufsicht auf der Tagesordnung (Kapitel 4). Die eigenständige Säule der Versicherungsaufsicht bei der BaFin hat sich bewährt. Es ist daher gut, dass der Regierungsentwurf zur Aufsichtsreform hier keine Neuorganisation vorsieht. In höchstem Maße bedenklich ist die Entwicklung bei den Berichtspflichten. Diese werden durch Solvency II bereits über die Schmerzgrenze hinaus ausgeweitet. Eine zusätzliche Multiplikation der Berichtspflichten durch neue Meldewege zur EZB und/oder zur Bundesbank ist deshalb ganz entschieden abzulehnen. Der Regierungsdialog Rente soll in diesem Jahr noch in konkreten Gesetzen münden. Die deutsche Versicherungswirtschaft ist ein verlässlicher Partner in der Altersvorsorge. Jeden Tag zahlen die Lebensversicherer über 230 Millionen Euro an ihre Kunden aus. Mit ihrer Expertise hat die deutsche Versicherungswirtschaft eigene Reformoptionen für eine Weiterentwicklung des deutschen Alterssicherungssystems erarbeitet (Kapitel 5). Selbiges gilt in der Gesundheitspolitik, wo nicht zuletzt eine Reform der Pflegeversicherung aussteht (Kapitel 9). Im Bereich des Verbraucherschutzes (Kapitel 6) ist die deutsche Versicherungswirtschaft bereits durch eine Vielzahl freiwilliger Initiativen voran gegangen. Weitere Schritte sind geplant. Die deutsche Versicherungswirtschaft ergänzt damit den bestehenden gesetzlichen Rahmen, um ihre Vorreiterrolle innerhalb der Finanzbranchen beim Verbraucherschutz zu bewahren und auszubauen. Der Klimawandel (Kapitel 10) bleibt, auch wenn er derzeit nicht mehr im medialen Fokus steht, eines der drängendsten Probleme unserer Zeit. Weltweit, aber auch in Deutschland, häufen sich Wetterextreme; die Schäden steigen. Die deutsche Versicherungswirtschaft unterstützt alle Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels und bietet gleichzeitig Schutz vor den Folgen von Stürmen, Hochwasser, Starkregen und anderen Wetterereignissen. Mit einer Reihe von Bundesländern führt sie Kampagnen durch, um das Bewusstsein in der Bevölkerung für die Notwendigkeit der Absicherung vor diesen sogenannten Elementargefahren zu erhöhen. Unsere Positionen zu diesen, wie zu weiteren wichtigen Themen, finden Sie auf den folgenden Seiten. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre. Rolf-Peter Hoenen (Präsident) Dr. Frank von Fürstenwerth (Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung) GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012 3

4 GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012

THEMEN Folgen der Eurokrise für die 6 Altersversorgung abschwächen Risikotragfähigkeit der Lebensversicherer erhöhen 8 Solvency II sachgerecht ausgestalten 10 Versicherungsaufsicht stärken 12 Altersvorsorge zukunftsfest gestalten 14 Verbraucher wirksam schützen, 16 aber Überregulierung vermeiden Mit Steuerrecht das wachstum stärken 18 Kriterien der Risikodifferenzierung erhalten 20 Gesundheitssystem generationengerecht 22 ausgestalten Folgen des Klimawandels bewältigen 24 Verändertem Risikoumfeld vorausschauend begegnen 26 Regeln für Verkehr und Mobilität weiterentwickeln 28 GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012 5

Folgen der Eurokrise für die Altersversorgung abschwächen Zinsniveau nicht dauerhaft künstlich niedrig halten Die europäische Finanzkrise hat sich zu einer Währungs- und Staatsschuldenkrise ausgeweitet, die das Vertrauen der Investoren in die Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte tiefgreifend gestört hat. Die Bürger sind über die Dimensionen der Krise verunsichert und spüren deren wirtschaftliche Folgen. Im Bemühen, die Finanzmärkte zu stabilisieren und Krisen künftig früher erkennen und vermeiden zu können, reagiert die Politik mit einer Ausweitung der Liquidität und einer Vielzahl regulatorischer Maßnahmen. Rendite 10-jähriger Bundesanleihen in Prozent 5 4 3 2 1 Quelle: Bloomberg Mehr als vier Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise lassen sich Ursachen in Deutschland: und Folgen unterdessen klarer in Erstversicherung Anhaltend den Blick stabile nehmen. Beitragsentwicklung Diese Einsichten und Erfahrungen sollten bei der Schaffung einer neuen deutschen und Beiträge in Mrd. Euro +7,1 % europäischen +6,6 % Finanzmarktarchitektur berücksichtigt 2008 2009 2010 80 +1,2 % werden: 60 40 20 0 1.1. 2003 1.1. 2004 1.1. 2005 1.1. 2006 1.1. 2007 1.1. 2008 1.1. 2009 1.1. 2010 1.1. 2011 1.1. 2012 +0,2 % +0,2 % +0,7 % Versicherer sind wichtige Akteure auf den internationalen Finanzmärkten; mit einem Kapitalanlagebestand von über 1,2 Billionen Euro zählen sie zu den +3,0 % +3,8 % +5,8 % größten institutionellen Anlegern in Deutschland. Lebensversicheruntalanlagepolitik i. e. S. versicherung der Unternehmen Unfallversicherung haben sich in Das Versicherungsaufsichtsrecht private Kranken- Schaden- und und die Kapi- der aktuellen Krise bewährt: Versicherer Quelle: haben GDV eine stabilisierende Rolle in der Finanzmarktkrise übernommen. Versicherer sind als langfristig orientierte Kapitalanleger zuallererst an der Investition in beständige, nachhaltig wertschöpfende Anlagen interessiert, um ihre mit dem Geschäftsmodell unmittelbar verknüpften Verbindlichkeiten jederzeit erfüllen zu können. Versicherer und ihre Kunden sind allerdings Betroffene, denn die zunehmende Volatilität an den Renten- und Aktienmärkten, vor allem aber das künstlich niedrige Zinsniveau belasten eine langfristig rentierliche Anlage. Die bisherigen Maßnahmen zur Stärkung des Bankensektors haben zur Folge, dass die Zinsen künstlich niedrig gehalten werden. Renditen von Bundesanleihen bewegen sich nahe historischer Tiefststände. Versicherer sind traditionell stark in Rentenpapiere investiert und damit in besonderer Weise von der Entwicklung an den Zinsmärkten abhängig. Die Sanierung des Bankensektors erfolgt zu Lasten der Versicherer und ihrer Kunden. Gerade vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung kapitalgedeckter Systeme im Zuge des demografischen Wandels gilt es, die Folgen der Zins- und Liquiditätspolitik für die Absicherung der Bürger im Alter zu mildern. Die zur Stabilisierung des Bankensektors bereitgestellte Liquidität hat ein Umfeld niedriger Zinsen geschaffen, das die langfristigen Garantien der Lebensversicherer 2008 belastet und bei den Kunden 2009 zu sinkender Verzinsung ihrer Altersversorgung führt. 2010 Diese Entwicklung umzukehren, ist die eigentliche politische Herausforderung: Die Damit meisten das tödlichen Zinsniveau Unfälle passie der langfristigen festverzinslichen auf Landstraßen Kapitalanlagen und Staatsanleihen wieder steigt, müssen sich Regierungen und Notenbanken von einer Politik des billigen Zahl der Getöteten insgesamt (Jahr 2009) = 4160 Geldes verabschieden! Landstraßen 58 % Die in den vergangenen Jahren von den Zentralbanken aufgebaute Liquidität muss wieder abgebaut, die Staatshaushalte müssen konsolidiert und die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Euro-Länder muss angegangen werden. Nur unter den Bedingungen der Stabilität, der Sicherheit und einer verlässlichen Rendite der Finanzmärkte können Versicherer ihre volkswirtschaftliche und sozialpolitische Aufgabe als Que Finanzdienstleister erfüllen: Risiken zu übernehmen und Vorsorge zu leisten. 6 GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012

Unsere Positionen Niedrigzinspolitik beenden Es bedarf einer klaren Exit-Strategie aus der aktuellen Zins- und Liquiditätspolitik. Eine Fortführung der aktuellen Hilfs- und Rettungsmaßnahmen auf unbestimmte Zeit würde dazu führen, dass Banken und überschuldete Staaten sich an dieses Doping gewöhnen und notwendige Anpassungsmaßnahmen unterlassen. Zudem treten die negativen Effekte dieser Strategie inzwischen immer stärker zu Tage. Diese betreffen nicht nur, aber auch die Altersvorsorge. Das künstlich niedrig gehaltene Zinsniveau drückt die Renditen der Altersversorgung. Die Situation des Bankensektors und einiger überschuldeter Staaten lässt ein plötzliches Ende der Hilfs- und Rettungsmaßnahmen zwar nicht zu. Nötig ist jetzt jedoch, dass ein klarer Fahrplan für das Auslaufen der Maßnahmen erarbeitet und kommuniziert wird. Risikotragfähigkeit der Lebensversicherung stärken Die künstlich herbeigeführte Niedrigzinssituation belastet die Lebensversicherer und ihre Kunden. Zugleich treten in dieser Situation negative Effekte falscher Regulierung deutlich ans Licht, etwa bei der Behandlung von Bewertungsreserven. Die Risikotragfähigkeit der Lebensversicherer muss gestärkt werden (im Einzelnen siehe nachfolgendes Kapitel). Haushalte konsolidieren, Staatsverschuldung abbauen Die Skepsis der Marktteilnehmer hinsichtlich der Restrukturierungspotentiale und Refinanzierungsmöglichkeiten einiger Euroländer ist ungebrochen: Renten- und Aktienmärkte weisen eine unverändert hohe Volatilität aus. Die Ergebnisse der EU-Gipfel des Jahres 2011 Schuldenbremse, Europäischer Stabilitätsmechanismus scheinen bisher ihre beruhigende Wirkung auf die Finanzmärkte verfehlt zu haben. Umso wichtiger ist es, dass die von den EU-Staaten ergriffenen Maßnahmen zur Konsolidierung der Staatshaushalte weitergeführt und mit einer Wachstumsperspektive verknüpft werden. Zudem muss die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder durch strukturelle Reformen verbessert werden. Gläubigerbeteiligung verantwortungsbewusst regeln Deutsche Versicherer investieren über die Neu- oder Wiederanlagen jedes Jahr weit über 100 Mrd. Euro am Kapitalmarkt. Für die Beurteilung des mit einer Kapitalanlage verbundenen Risikos ist entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Investition die geltenden Rahmenbedingungen klar und verlässlich definiert sind. Etwaige Änderungen bei den Regeln, z. B. für die Beteiligung von Gläubigern an der Restrukturierung von Schulden eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union, müssen rechtzeitig kommuniziert werden. Dabei sind Übergangsregelungen festzulegen und ein Bestandsschutz für Altanlagen zu gewähren. Im Fall eines etwaigen Ausfalls eines europäischen Schuldnerstaates darf es zudem nicht zu einer Bevorrechtigung der Forderungen bestimmter öffentlicher Finanzinstitutionen wie z. B. des Europäischen Stabilisierungsmechanismus oder der Europäischen Zentralbank im Vergleich zu denjenigen der privaten Investoren kommen. Andernfalls würden für private institutionelle Investoren die Ausfallwahrscheinlichkeiten deutlich steigen. In der Folge würde es für Staaten zu einer Verschlechterung der Refinanzierungsbedingungen kommen. Vertrauen in den Euro stärken Nach aktuellen Umfragen haben immer weniger Bürger das Gefühl, langfristig verlässlich planen und sparen zu können. Dieses Gefühl stimuliert den kurzfristigen Konsum und führt zu einem Abwarten und Aufschieben nicht nur bei langfristiger Vorsorge. Die Politik des billigen Geldes zerstört damit auch die Grundlagen für eine aktive Gesellschaft, die Risiken wagt und Verantwortung für sich und andere übernimmt. Richtung geben, Vertrauen und Sicherheit vermitteln, Zukunftserwartungen wecken: das ist nun die Aufgabe der Politik. GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012 7

RisikotrAGFähigkeit der Lebensversicherer erhöhen Angesichts der anhaltenden, künstlich niedrig gehaltenen Zinsen im Euro-Raum ist es notwendig, die Risikotragfähigkeit der Lebensversicherer zu erhöhen. Das Ziel muss eine präventive Stärkung der Unternehmen sein, damit die Lebensversicherer auch bei einer lang andauernden Finanzkrise weiterhin aus eigener Kraft stabil bleiben können. Die Versicherungswirtschaft hat eine Reihe von Vorschlägen vorgelegt, wie eine solche Stärkung der Risikotragfähigkeit bewerkstelligt Zahl der Beschwerden könnte. beim Im Kern geht es Ombudsmann darum, trotz dass Krise die stabil Unternehmen mehr Flexibilität und Rechtssicherheit bekommen, um das Auf und Ab an den Kapitalmärkten im Sinne ihres langfristigen Geschäftsmodells besser ausgleichen zu können. Lebensversicherer präventiv stärken Bedeutung der freien RfB: Verstetigung der Überschussbeteiligung 8000 6000 4000 2000 0-2000 -4000-6000 -8000 1999 2000 2001 Die aufgrund der Solvency II Reform ohnehin anstehende Novelle in Mio. des Versicherungsaufsichtsgesetzes./. Entnahme RfB (VAG) bietet die Gelegenheit für entsprechende Anpassungen des Aufsichtsrechts. 2006 2002 2003 2004 Immer mehr Wohngebäude sind gegen Elementargefahren versichert 5 Anzahl in Mio. 4 8 GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012 3 2005 Saldo Zuführung./. Entnahme RfB in Mio. Euro Laufende Gesamtverzinsung in % Saldo Zuführung 2 2006 2007 2008 2009 2007 Die Vorschläge der Versicherungswirtschaft berücksichtigen die Erfahrungen aus der Finanzkrise. Sie korrigieren falsche Regelungen aus der Vergangenheit, deren negative Effekte in der aktuellen Finanzkrise deutlich zu Tage treten. Zum Beispiel führt eine undifferenzierte Regelung zur Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven dazu, dass die Versicherer in der Niedrigzinsphase systematisch Reserven abbauen müssen. Sie müssen Finanztitel aus ihrem Bestand verkaufen, obwohl eine Wiederanlage nur zu einem viel niedrigeren Zinssatz der sogar unter dem Garantiezins liegen kann möglich ist. Dies betrifft gerade die höher verzinsten Wertpapiere, die Versicherer aufgrund ihres langfristigen Geschäftsmodells noch aus der Vergangenheit in ihrem Bestand haben und mit deren Hilfe sie die aktuelle Niedrigzinsphase überbrücken. Eine Niedrigzinsphase führt zu hohen Bewertungsreserven auf diese höher verzinsten Wertpapiere, die bei 8 % Kündigung des Vertrages 6 % ausgeschüttet werden 2008 2009 Durch Entnahme aus den RfB-Mitteln werden starke Schwankungen der Gesamtverzinsung verhindert 2010 müssen. Die Risikotragfähigkeit und die Stabilität der Unternehmen werden belastet, was die langfristige Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen gefährden kann. Andere Vorschläge betreffen die Behandlung der Quelle: GDV Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB). Dies Laufende sind Rückstellungen des Versicherers zur Bedienung Gesamtverzinsung von Ansprüchen in % der Versicherten, ohne dass Zeitpunkt, Höhe und individueller Empfänger der Auszahlung bereits feststehen. Die RfB dient den Unternehmen als Puffer, mit dem sie auch bei schwankenden Ergebnissen eine konstante Überschussbeteiligung gewährleisten können. Versicherungsdichte in % 20 15 4 % 2 % 0 30 8 7

Unsere Positionen Beteiligung an Bewertungsreserven neu regeln Die Beteiligung vorzeitig kündigender Kunden an den Bewertungsreserven sollte nicht länger zu Lasten der Sicherstellung der langfristigen Garantiezusagen erfolgen. Im VAG sollte deshalb sichergestellt werden, dass Bewertungsreserven auf Zinstitel nur dann ausgeschüttet werden müssen, wenn sie den Sicherungsbedarf aus den Versicherungsverträgen mit Zinsgarantie übersteigen. Versicherten als auch zwischen Unternehmen und Versicherten bleibt unbestimmt. Es ist also eine alleinige Entscheidung der BaFin, ob und in welchem Umfang die nicht festgelegten RfB als Risikopuffer eingesetzt werden können. Dies führt zu einer starken Rechtsunsicherheit. Anstelle der Vorabgenehmigung sollten daher konkrete Festlegungen getroffen werden, wann die Mittel aus der nicht festgelegten RfB zur Sicherstellung der Garantien entnommen werden können und wie die Aufteilung der Verluste zwischen Versicherten und Unternehmen erfolgt. Ausgleichsfunktion der Rückstellung für Beitragsrückerstattung sicherstellen Die Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (RfB) sichern die gegebenen Garantien und verstetigen die Überschussbeteiligung für die Kunden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Mittel der RfB zum Ausgleich über die Zeit und zwischen Teilbeständen verwendet werden können. Dies ist in Deutschland aktuell nur eingeschränkt der Fall, da nach Einführung des europäischen Versicherungs-Binnenmarktes die Verträge in einen Alt- und einen Neubestand getrennt wurden. Da die 1994 vorhandenen RfB ausschließlich dem Altbestand zugeordnet wurden, hat das durch Zinseszinseffekte verstärkt zur überproportionalen Entwicklung der RfB des Altbestandes geführt. Die jüngeren Verträge werden von der Pufferfunktion dieser Mittel abgeschnitten. Um die Risikotragfähigkeit der Lebensversicherer zu stärken, sollte eine dem Gesamtbestand zugeordnete kollektive RfB eingeführt werden. Dies schafft für die RfB aller Teilbestände die Möglichkeit, Mittel an die kollektive RfB abzugeben bzw. von ihr zu erhalten. Nutzung der nicht festgelegten Rückstellung für Beitragsrückerstattung zur Verlustabdeckung rechtssicher regeln In seiner Funktion als Risikopuffer kann ein Teil der RfB in Ausnahmefällen (bei drohendem Notstand ) mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde zur Verlustabdeckung herangezogen werden. Der Begriff drohender Notstand ist im Gesetz nicht näher definiert. Auch die Verteilung der Verluste sowohl innerhalb der Eigenmittelfähigkeit der nicht festgelegten RfB uneingeschränkt anerkennen Die nicht festgelegten RfB werden unter Solvency II als aufsichtsrechtliche Eigenmittel höchster Qualität (sog. tier1-eigenmittel) anerkannt. Im Regierungsentwurf zur VAG-Novelle ist dagegen vorgesehen, dass die nicht festgelegten RfB zwar grundsätzlich den Eigenmitteln höchster Qualität zugeordnet werden, die Aufsichtsbehörde jedoch festlegen kann, welcher Teil der RfB eigenmittelfähig ist. Eine solche separate Festlegung des eigenmittelfähigen Anteils durch die Aufsichtsbehörde entspricht nicht den Vorgaben der Rahmenrichtlinie und stellt die Eigenmittelfähigkeit der nicht festgelegten RfB in Frage. Eine Nicht- oder nur beschränkte Anerkennung dieser Mittel würde die Risikotragfähigkeit der deutschen Lebensversicherer nachhaltig mindern. Keine Änderung der Mindestzuführungsverordnung bei Riester-Verträgen Eine Änderung der Mindestzuführungsverordnung bei der Riester-Rente, die statt einer Beteiligung der Versicherten an den Risikoüberschüssen von bisher 75 % eine Beteiligung von 90 % vorsieht, würde die Risikotragfähigkeit der Versicherungsunternehmen entscheidend beeinträchtigen, ohne die Rendite für die Versicherten nennenswert zu verbessern. Für eine mögliche, minimale Leistungsverbesserung für die Versicherungsnehmer in der Zukunft sollte in der aktuellen Niedrigzinsphase die Solvabilität der Unternehmen nicht ernsthaft geschwächt werden. GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012 9

Solvency II sachgerecht ausgestalten Die neuen Regeln müssen auch für kleine Versicherer funktionieren Ein Versicherungsunternehmen muss auch dann stabil sein, wenn große Schadensereignisse auftreten, wenn viele kleine Schäden zusammenkommen oder wenn etwa die Börsen auf Talfahrt gehen. Damit die Versicherungskunden darauf vertrauen können, dass ihre Altersvorsorge und ihr Versicherungsschutz auch in solchen Fällen sicher ist, betreiben die Versicherer seit je her ein ausgeklügeltes Risikomanagement. Übersicht über den Zeitplan von Solvency II 2012 2013 Q1 Q2 Q3 Q4 EBENE 1: Omnibus II- Richtlinie EBENE 2: Durchführungsbestimmungen EBENE 3: Technische Durchführungsstandards & Leitlinien VAG-Novelle QIS6 Anwendung mit Übergangskonzept 2014 bis 2016 Quelle: GDV Die gesetzlichen Regeln für dieses Risikomanagement werden mit Solvency II von einem rein quantitativen auf ein qualitatives Risikomanagement umgestellt und somit auf eine ganz neue Grundlage gestellt. Künftig sollen sich die aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderungen an die Unternehmen konsequent an den tatsächlich eingegangenen Risiken orientieren. Das heißt zum Beispiel, dass ein Lebensversicherer, der seinen Kunden hohe Zinsversprechen gibt und eine risikoreichere Kapitalanlage betreibt, mehr Eigenkapital vorhalten muss als ein anderer Lebensversicherer, der eine geringere Verzinsung bietet und in sicherere Anlagen investiert. Darüber hinaus sollen die Anforderungen an das qualitative Risikomanagement und die Berichterstattung der Versicherer modernisiert werden. Solvency II ist keine Reaktion auf die Finanzkrise, sondern ein seit dem Jahr 2000 geplantes Projekt. Eine entsprechende EU-Richtlinie ist bereits verabschiedet und wird Ende 2012 in Kraft treten. Derzeit werden immer noch Konkretisierungen diskutiert, sowie Änderungen an der Richtlinie selbst beraten. Der verbleibende Zeitplan wird hierdurch immer enger, das anvisierte Übergangskonzept immer wichtiger. Bei den politischen Beratungen konnten im vergangenen Jahr deutliche Fortschritte erzielt werden. Für deutsche Altersvorsorgesparer erfreulich ist, dass die Europäische Kommission inzwischen eine Ausgestaltung der Zinsstrukturkurve zugesagt hat, die es den Versicherern auch in Zukunft ermöglicht, langfristige Leistungszusagen für das Alter zu geben. Solvency II ist ein sehr komplexes Regelwerk. Damit es dennoch auch für kleine und mittlere Versicherungsunternehmen anwendbar ist und diese nicht überfordert, sieht die Solvency II Richtlinie ein Proportionalitätsprinzip vor. Versicherer mit einem weniger komplexen Geschäftsmodell sollen demnach weniger und weniger komplexe Regulierungsvorgaben beachten müssen. In den konkreten Umsetzungsvorschlägen findet sich dieses Prinzip jedoch kaum wieder. Das Proportionalitätsprinzip muss dringend mit Leben gefüllt werden, wenn eine Überforderung kleiner und mittlerer Unternehmen vermieden werden soll. Um herauszufinden, wie sich die neuen Regelungen auf die Versicherer Laufzeit in der Praxis (Jahre ) auswirken, haben die europäischen Versicherungsaufseher Testläufe gemacht (Quantitative Impact Studies, QIS). Aufgrund der zahlreichen Änderungen, die seit dem letzten Test vorgenommen wurden, hat die deutsche Versicherungswirtschaft beschlossen, einen zusätzlichen, freiwilligen Test (QIS 6 GDV/PKV ) für den deutschen 80 Markt durchzuführen. Mitte 2012 werden die 60 Ergebnisse vorliegen, die dann für die Abschlussjustierung des 40 Regelwerks genutzt werden können. 20 0 10 GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012

Unsere Positionen Adäquate Zinsstrukturkurve modellieren Langfristigkeit ist ein zentrales Merkmal des Geschäftsmodells der Versicherer. Für die Versicherer ist es deshalb entscheidend, welche Annahmen man über die Zinsentwicklung in der Zukunft zugrunde legt (Zinsstrukturkurve) und wie dabei kurzfristige Schwankungen an den Finanzmärkten geglättet werden können (Antizyklische Prämie, Matchingprämie). Bei der Zinsstrukturkurve sorgt ein früher Einstieg in die Extrapolation für die nötige Stabilität, die für das Abgeben langfristiger Garantien unverzichtbar ist. Ein Einstieg in die Extrapolation im Jahr 20, wie er sich in den Verhandlungen zwischen Europäischem Parlament und EU-Kommission abzeichnet, ist richtig und muss verbindlich festgeschrieben werden. Die sogenannte Antizyklische Prämie hilft, kurzfristige Marktverzerrungen bei der Bewertung der Kapitalanlagen abzupuffern. Ohne eine Antizyklische Prämie würden sich Versicherer bei Marktturbulenzen wie einer Finanzkrise gezwungenermaßen pro-zyklisch verhalten (sie müssten ihre Anlagen abstoßen, ehe die Kurse weiter fallen), wodurch sie die Krise verstärken würden. Mit der Antizyklischen Prämie können sie ihre Kapitalanlagen gemäß ihres langfristigen Geschäftsmodells durch die Krise hindurch halten. Die Feststellung, ob eine die Antizyklische Prämie auslösende Marktverzerrung vorliegt, sollte nicht im Ermessen der Aufsicht liegen, sondern an objektive, berechenbare Kriterien gebunden werden. Die sogenannte Matching Prämie trägt dem Umstand Rechnung, dass langfristigen Zinsanlagen ebenso langfristige Verpflichtungen gegenüberstehen. Durch dieses matchen wird das Kursänderungsrisiko eliminiert. Die Matching Prämie honoriert dies, unabhängig davon, ob Marktturbulenzen vorliegen. Bei der Ausgestaltung der Prämie muss darauf geachtet werden, dass das deutsche Modell der Lebensversicherung insbesondere mit Blick auf die Überschussbeteiligung angemessen abgebildet wird. Keine überbordenden Berichtsanforderungen Die künftigen Berichtspflichten drohen im Volumen weit über das bisherige nationale Meldewesen hinauszugehen. Neben einer Vielzahl an Detailinformationen sieht das neue Berichtssystem auch eine höhere Frequenz und kürzere Fristen für die Einreichung der Berichte vor. Fraglich ist, ob die Aufsicht eine derartige Datenflut überhaupt verarbeiten kann. Es sollten nur Daten erhoben werden, die wirklich für Aufsichtszwecke notwendig sind. Zudem muss auch im Berichtswesen das Proportionalitätsprinzip, insbesondere bei der Quartalsberichterstattung, zur Anwendung kommen. Neue, zusätzliche Berichtswege, etwa zur EZB oder zur Bundesbank, sind zu vermeiden. Proportionalitätsprinzip mit Leben füllen Solvency II darf nicht den Nebeneffekt haben, dass kleine und mittlere Versicherer aus dem Markt gedrängt werden. Dringend notwendig ist deshalb ein schlüssiges Konzept zur Umsetzung des Proportionalitätsprinzips. Das Proportionalitätsprinzip muss konkretisiert und in allen drei Säulen von Solvency II durchdekliniert werden. Beispielsweise sollten Risiken, die zu vernachlässigen oder gar Null sind, nicht aufwendig berechnet werden müssen. Zudem sollten konservative Abschätzungen stets möglich sein. Ausreichendes Übergangskonzept sicherstellen Versicherer, aber auch Aufseher, brauchen Zeit, um sich auf das neue Regelwerk vorzubereiten. Folgerichtig ist ein Übergangskonzept vorgesehen, das ein Phase-in in Solvency II ermöglicht. Sollte es zu weiteren Verzögerungen im politischen Prozess kommen, darf dies nicht folgenlos für das Übergangskonzept bleiben. Insbesondere bei den Berichtspflichten ist eine Vorbereitungszeit nicht unter 18 Monaten ab Finalisierung der einzelnen Vorschriften erforderlich. Besonderheiten von Versicherungsgruppen anerkennen Versicherungsgruppen werden bislang unter Solvency II nicht als eine ökonomische Einheit betrachtet. Faktisch sind sie dies jedoch. Entsprechend sollten Eigenmittel als zwischen den Mitgliedern einer Gruppe transferierbar betrachtet und Diversifikationseffekte innerhalb einer Gruppe anerkannt werden. GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012 11

Versicherungsaufsicht stärken Vorrangiges Ziel der Versicherungsaufsicht ist es sicherzustellen, dass die Versicherer ihre Leistungsversprechen gegenüber den Kunden tatsächlich dauerhaft erfüllen können. Verbraucher profitieren demnach von einer wirksamen Aufsicht. Aber auch die Versicherungswirtschaft selbst ist an einer starken Aufsicht interessiert. Denn Keine zusätzlichen Berichtswege zur Bundesbank einführen diese stellt sicher, dass alle Unternehmen im Wettbewerb gleiche Ausgangsbedingungen haben und kein Unternehmen sich durch eine Nicht-Einhaltung von Vorschriften einen (kurzfristigen) Vorteil verschaffen kann. Hinzu kommt, dass die Versicherungswirtschaft auf das Vertrauen in die Branche insgesamt angewiesen ist und eine effektive Aufsicht dieses Vertrauen stärkt. Neben der inhaltlichen Reform des Aufsichtsrechts (Solvency II, VAG-Novelle) erfährt die Versicherungsaufsicht zurzeit auch eine organisatorische Neuordnung. Optimale Ausgestaltung eines einheitlichen Meldeweges BaFin Aggregierte Daten EIOPA Aggregierte Daten Einzeldaten Unternehmen Bundesbank Aggregierte Daten EZB Aggregierte Daten Ausschuss Finanzstabilität ESRB Quelle: GDV In der EU wurde im vergangenen Jahr die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) geschaffen. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft wäre es ratsam, dass die junge Behörde sich zunächst auf ihre Kern-Zuständigkeiten konzentriert und dort Fachkompetenz und Ansehen erwirbt. Von ihrer Grundstruktur her ist die europäische Finanzaufsicht mit den Behörden für Banken-, Wertpapier-, und Versicherungsaufsicht sowie dem übergreifenden Systemrisikorat (ERSB) überzeugend aufgestellt. In Deutschland plant die Bundesregierung eine Reform der nationalen Finanzaufsicht. Die Versicherungsaufsicht hat sich - auch in der Finanzkrise bewährt. Wichtigstes Ziel der deutschen Versicherungswirtschaft bei der Aufsichtsreform ist es deshalb, dass eine Reform der Bankenaufsicht nicht zu Lasten der Funktionsfähigkeit, der Qualität oder des Standings der Versicherungsaufsicht erfolgt. Angesichts der auch internationalen Bedeutung des Versicherungsstandortes Deutschland muss eine eigenständige Versicherungsaufsicht erhalten bleiben. Die deutsche Versicherungswirtschaft unterstützt die Forderung der G20-Staaten nach einem Ausbau der makroprudentiellen Aufsicht über die Finanzmärkte und einer verschärften Beaufsichtigung von systemrelevanten Finanzinstituten. Die Vorschläge des Financial Stability Boards (FSB) zur Regulierung von systemrelevanten Banken gehen in die richtige Richtung. Dagegen dauern die Überlegungen über eine mögliche Systemrelevanz von Versicherungen noch an. Die deutsche Versicherungswirtschaft hat von Anfang an argumentiert, dass vom Kerngeschäft der Versicherer keine Gefahr für das Finanzsystem insgesamt ausgeht, unabhängig von der Größe eines Versicherungsunternehmens. Zu diesem Ergebnis kam nun auch die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden (IAIS) in einer Studie im Februar diesen Jahres. Jenseits der Frage einer möglichen Systemrelevanz bemüht sich die IAIS, auf die zunehmende Globalisierung des Versicherungssektors zu reagieren und ein Common Framework for the Laufzeit Supervision (Jahre ) of Internationally Active Insurance Groups (ComFrame) zu entwickeln. Ziel ist eine Rahmenvereinbarung, die eine enge Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörden 80 bei der Beaufsichtigung von international aktiven Versicherungsgruppen fördert und Regulierungslücken 60 schließt. 40 20 0 12 GDV Die Positionen der deutschen Versicherer 2012