ebm info.at ärzteinformationszentrum EbM Ärzteinformationszentrum www.ebm info.at Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie Donau-Universität Krems Antwortdokument zur Anfrage Gibt es Evidenz dafür, dass PatientInnen, die ihre gerinnungshemmende Therapie trotz einer Katarakt-Operation fortsetzen, mehr Komplikationen erleiden als PatientInnen, die ihre gerinnungshemmende Therapie perioperativ unterbrechen? erstellt 3/ 2014 www.ebm info.at/k atarak t -OP-gerinnungs hemm ende-therapie
QUICK INFO PIKO Frage Gibt es Evidenz dafür, dass PatientInnen, die ihre gerinnungshemmende Therapie trotz einer Katarakt-Operation fortsetzen, mehr Komplikationen erleiden als PatientInnen, die ihre gerinnungshemmende Therapie perioperativ unterbrechen? Ergebnisse Die Studien zu dieser Fragestellung weisen schwere methodische Mängel auf. Eine Aussage darüber, ob das Fortführen einer gerinnungshemmenden Therapie bei Katarakt-Operationen vermehrt zu perioperativen Komplikationen führt, ist nicht möglich. Methoden Um relevante Studien zu finden, wurde in folgenden Datenbanken recherchiert: Cochrane Library, Embase, PubMed, Clinical Evidence, UpToDate. Wir verwendeten Suchbegriffe, die sich vom MeSH (Medical Subject Headings) System der National Library of Congress bzw. von den EMTREE Terms von EMBASE ableiteten. Zusätzlich wurde mittels Freitext gesucht. Dies ist kein systematischer Review, sondern eine Zusammenfassung der besten Evidenz, die in den obengenannten Datenbanken zu diesem Thema durch Literatursuche gewonnen werden konnte. Resultate Im Rahmen unserer Literatursuche fanden sich eine systematische Übersichtsarbeit (1), eine randomisierte kontrollierte Studie (2), zwei prospektive (3, 4) und zwei retrospektive kontrollierte Beobachtungsstudien (5, 6), die untersuchten, ob eine gerinnungshemmende Therapie bei Kataraktoperationen zu perioperativen Komplikationen führt. Die Ergebnisse und Schlußfolgerungen der einzelnen Publikationen waren unterschiedlich: Die 2 prospektiven kontrollierten Beobachtungsstudien (3, 4) zeigten keine Unterschiede für das Risiko perioperativer Komplikationen zwischen PatientInnen mit antikoagulativer Therapie oder Aspirin und PatientInnen ohne gerinnungshemmende Therapie. Die systematische Übersichtsarbeit (1) und 2 weitere retrospektive kontrollierte Beobachtungsstudien (5, 6) stellten ein höheres Risiko für perioperative Blutungen bei PatientInnen mit antikoagulativer Therapie fest, die jedoch als klinisch nicht relevant (1) eingestuft K a t a r a k t O P / G e r i n n u n g s h e m m e n d e T h e r a p i e 1 7
wurden, beziehungsweise als Blutungen, die das Sehen nicht beeinträchtigten (5, 6). Ein RCT mit geringer PatientInnenzahl (n=61) stellte keine statistisch signifikanten Unterschiede im perioperativen Blutungsrisiko für PatientInnen mit und ohne Aspirin fest.(2) Eine kritische Beurteilung der beschriebenen Studien und der systematischen Übersichtsarbeit zu dieser Fragestellung zeigt schwere methodische Mängel. Aufgrund fehlender Details bleibt unklar, ob wesentliche prognostische Faktoren wie beispielsweise thrombembolisches oder Blutungs-Risiko zwischen den jeweiligen Vergleichsgruppen ähnlich verteilt sind. In allen Publikationen, die das Risiko perioperativer Komplikationen bei PatientInnen mit oraler Antikoagulation untersuchten, fehlt die Angabe von International Normalized Ratio (INR)-Werten, sowohl präoperativ als auch im weiteren Verlauf. (1, 3-6) Die größte kontrollierte Beobachtungsstudie wertete retrospektiv Daten über perioperative Komplikationen von insgesamt 48 862 PatientInnen aus. Die TeilnehmerInnen, die sich einer Katarakt- Operation unterzogen, erhielten entweder eine antithrombotische Therapie mit Clopidogrel, Warfarin oder Aspirin, oder keine gerinnungshemmende Therapie. (5) Auch nach Anfrage bei den Autoren war keine Information darüber erhältlich, ob eine präoperative Pause der gerinnungshemmenden Substanzen verordnet wurde. In dieser Studie wurde beispielsweise im Rahmen der örtlichen Betäubung mit einer Nadel oder Kanüle bei PatientInnen mit gerinnungshemmender Therapie statistisch signifikant häufiger eine subkonjunktivale Blutung festgestellt als in jener Gruppe ohne gerinnungshemmende Therapie: Warfarin 3.7% (56 von 1.525; p<0.0001%), Clopidogrel 4.4% (23 von 524; p<0.0001), Aspirin + Warfarin 6.6% (5 von 76; p=0.0041) im Vergleich zu 1.7% (357 von 21.001) bei PatientInnen ohne gerinnungshemmende Therapie. Für andere Substanzen bzw. Kombinationen (Aspirin, Aspirin + Clopidogrel oder Dipyridamol) waren die Patientenzahlen zu gering für eine aussagekräftige Statistik. Auch für das Auftreten von retro- oder peribulbären Blutungen ist aufgrund der geringen dokumentierten Fallzahlen (0,04%: 12 von 32.656 PatientInnen) keine Aussage darüber möglich, ob statistisch signifikante Unterschiede zwischen PatientInnen mit oder ohne gerinnungshemmende Therapie bestehen. Die zweitgrößte kontrollierte Beobachtungsstudie wertete prospektiv gesammelte Daten von 19.283 Katarakt-Operationen aus. Diese dokumentierte keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Häufigkeit von intra- und postoperativen okulären Blutungen, tiefen Beinvenenthrombosen und Schlaganfällen zwischen PatientInnen, die unter Warfarin- oder Aspirineinnahme standen, im Vergleich zu PatientInnen, die ihre Therapie perioperativ unterbrachen.(3) Aufgrund der geringen Fallzahlen ist dieses Ergebnis mit Vorsicht zu interpretieren. Beispielsweise wurden für 734 Katarakt- Operationen bei PatientInnen mit oraler Antikoagulation (sowohl PatientInnen, die eine orale Antikoagulation perioperativ fortsetzten, als auch PatientInnen, die die Therapie unterbrachen) eine Inzidenzrate von 0 Fällen pro 1000 Operationen für okuläre Blutungen (Hyphäma, Glaskörperblutung, retrobulbäre Blutung) festgestellt. Bei PatientInnen ohne gerinnungshemmende Therapie traten im Vergleich dazu 10 Fälle pro 1000 Operationen bei insgesamt 18.215 Katarakt-Operationen auf. Unklar bleibt aufgrund fehlender Angaben, ob bei PatientInnen mit Unterbrechung der antikoagulativen Therapie eine Überbrückung der Therapie mit niedermolekularem Heparin stattfand. K a t a r a k t O P / g e r i n n u n g s h e m m e n d e T h e r a p i e 2 7
Stärke der Evidenz Die Stärke der Evidenz ist unzureichend, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob PatientInnen, die ihre gerinnungshemmende Therapie trotz einer Katarakt Operation fortsetzen, mehr Komplikationen erleiden als PatientInnen, die ihre gerinnungshemmende Therapie perioperativ unterbrechen. Hoch Moderat Niedrig Insuffizient Die Stärke der Evidenz ist hoch. Es ist unwahrscheinlich, dass neue Studien die Einschätzung des Behandlungseffektes/der Intervention verändern werden. Die Stärke der Evidenz ist moderat. Neue Studien werden möglicherweise aber einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Behandlungseffektes/der Intervention haben. Die Stärke der Evidenz ist niedrig. Neue Studien werden mit Sicherheit einen wichtigen Einfluss auf die Einschätzung des Behandlungseffektes / der Intervention haben. Die Evidenz ist unzureichend oder fehlend, um die Wirksamkeit und Sicherheit der Behandlung/der Intervention einschätzen zu können. Suchstrategien PUBMED 13.02.2014 #1 Search ophthalmic surgery (14084) #3 Search antithrombotic therapy (8994) #5 Search antithrombotic drugs (2423) #6 Search antithrombotic treatment (9555) #9 Search "Fibrinolytic Agents"[Mesh] (22560) #13 Search vitamin k antagonists (3207) K a t a r a k t O P / g e r i n n u n g s h e m m e n d e T h e r a p i e 3 7
#16 Search warfarin (20323) #19 Search "Warfarin"[Mesh] (13865) #20 Search antiplatelet therapy (12134) #23 Search "Aspirin"[Mesh] (37073) #24 Search clopidogrel (8783) #26 Search rivaroxaban (1197) #27 Search low molecular weight heparins (13701) #29 Search "Heparin, Low-Molecular-Weight"[Mesh (9538) #55 Search "Coumarins"[Mesh] (38849) #57 Search "Ophthalmologic Surgical Procedures"[Mesh] (83391) #59 Search "Thienopyridines"[Mesh] (7227) #60 Search (#3 OR #5 OR #6) (9957) #61 Search (#1 OR #57) (90413) #62 Search (#9 OR #13 OR #16 OR #19 OR #20 OR #23 OR #24 OR #26 OR #27 OR #29 OR #55 OR #59 OR #60) (126936) #63 Search (#62 AND #61) (384) #64 Search (#62 AND #61) Filters: Humans (352) #71 Search eye hemorrhage Filters: Humans (10052) #72 Search thromboembolism Filters: Humans (47392) #73 Search (#71 OR #72) Filters: Humans (57384) #74 Search (#64 AND #73) Filters: Humans (145) #101 Search (#62 AND #61) Filters: Systematic Reviews; Humans (9) #102 Search (#62 AND #61) Filters: Systematic Reviews; Meta-Analysis; Humans (9) #103 Search (#62 AND #61) Filters: Meta-Analysis; Humans (1) #104 Search (#62 AND #61) Filters: Randomized Controlled Trial; Humans (47) #105 Search (#62 AND #61) Filters: Randomized Controlled Trial; Comparative Study; Humans (88) K a t a r a k t O P / g e r i n n u n g s h e m m e n d e T h e r a p i e 4 7
#108 Search ("Randomized Controlled Trial"[Publication Type] OR "Randomized Controlled Trials"[MeSH] OR "Single-Blind Method"[MeSH] OR "Double-Blind Method"[MeSH] OR "Random Allocation"[MeSH]) (443164) #109 Search (("review literature as topic"[mesh] AND "systematic"[tiab]) OR ("review"[publication Type] AND "systematic"[tiab]) OR ("systematic review"[all Fields])) (63403) #110 Search ("meta-analysis"[publication Type] OR "meta-analysis as topic"[mesh Terms] OR "meta-analysis"[all Fields]) (71047) #111 Search (#108 OR #109 OR # 110) (666206) #112 Search (#64 AND #111) (54) COCHRANE 05.12.2013 #1 anticoagulation:ti,ab,kw (Word variations have been searched) (1753) #2 antithrombotic therapy:ti,ab,kw (Word variations have been searched) (538) #3 ophthalmic surgery:ti,ab,kw (Word variations have been searched) (847) #4 MeSH descriptor: [Platelet Aggregation Inhibitors] explode all trees (2780) #5 MeSH descriptor: [Eye Hemorrhage] explode all trees (158) #6 MeSH descriptor: [Heparin, Low-Molecular-Weight] explode all trees (1654) #7 MeSH descriptor: [Coumarins] explode all trees (1569) #8 ( #1 or #2 or #4 or #6 or #7) (7072) #9 (#3 or #5) (1000) #10 (#8 and #9) (7) #11 aspirin:ti,ab,kw (Word variations have been searched) (7283) #12 warfarin:ti,ab,kw (Word variations have been searched) (1875) #13 clopidrogel:ti,ab,kw (Word variations have been searched) (3) #14 (#8 OR #11 OR #12 OR #13) (12992) #15 (#14 and #9) (18) K a t a r a k t O P / g e r i n n u n g s h e m m e n d e T h e r a p i e 5 7
Referenzen 1. Jamula E, Anderson J, Douketis JD. Safety of continuing warfarin therapy during cataract surgery: a systematic review and meta-analysis. Thromb Res. 2009 Jul;124(3):292-9. PubMed PMID: 19233450. Epub 2009/02/24. eng. 2. Assia EI, Raskin T, Kaiserman I, Rotenstreich Y, Segev F. Effect of aspirin intake on bleeding during cataract surgery. J Cataract Refract Surg. 1998 Sep;24(9):1243-6. PubMed PMID: 9768401. Epub 1998/10/13. eng. 3. Katz J, Feldman MA, Bass EB, Lubomski LH, Tielsch JM, Petty BG, et al. Risks and benefits of anticoagulant and antiplatelet medication use before cataract surgery. Ophthalmology. 2003 Sep;110(9):1784-8. PubMed PMID: 13129878. Epub 2003/09/18. eng. 4. Jonas JB, Pakdaman B, Sauder G. Cataract surgery under systemic anticoagulant therapy with coumarin. Eur J Ophthalmol. 2006 Jan-Feb;16(1):30-2. Epub 2006/02/24. eng. 5. Benzimra JD, Johnston RL, Jaycock P, Galloway PH, Lambert G, Chung AKK, et al. The Cataract National Dataset electronic multicentre audit of 55 567 operations: Antiplatelet and anticoagulant medications. Eye. 2009;23(1):10-6. 6. Lumme P, Laatikainen LT. Risk factors for intraoperative and early postoperative complications in extracapsular cataract surgery. European Journal of Ophthalmology. 1994;4(3):151-8 K a t a r a k t O P / g e r i n n u n g s h e m m e n d e T h e r a p i e 6 7
Partner Das EbM Ärzteinformationszentrum wird durch eine Kooperation des niederösterreichischen Gesundheits- und Sozialfonds www.noegus.at und der Donau-Universität Krems www.donau-uni.ac.at/ebm ermöglicht. Disclaimer Dieses Dokument wurde vom EbM Ärzteinformationszentrum des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems - basierend auf der Anfrage eines praktizierenden Arztes / einer praktizierenden Ärztin - verfasst. Das Dokument spiegelt die Evidenzlage zu einem medizinischen Thema zum Zeitpunkt der Literatursuche wider. Das EbM Ärzteinformationszentrum übernimmt keine Verantwortung für individuelle PatientInnentherapien. PARTNER K a t a r a k t O P / g e r i n n u n g s h e m m e n d e T h e r a p i e 7 7