II. Anspannung des einkommenslosen Elternteiles

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Transkript:

Titel Leistung von Kindesunterhalt aus eigenen Unterhaltseinnahmen der Eltern? Autor O. Univ.-Prof. Dr. Michael Schwimann, Salzburg Fundstelle NZ 1998, 289 Langtext I. Das Problem Geht ein einkommensloser Elternteil (Hausfrau oder Hausmann) wegen Haushaltsführung und Kinderbetreuung keiner Erwerbstätigkeit nach, so fragt es sich, wie sich dies nach 140 ABGB auf seine Geldunterhaltspflicht gegenüber seinen (von ihm nichtbetreuten) übrigen Kindern (insb seinen vorehelichen und seinen Kindern aus einer Vorehe) auswirkt. Die Frage ist unter zwei Gesichtspunkten akut: Einerseits ist es nicht so, daß der einkommenslose Elternteil von jeder Kindesunterhaltsleistung entbunden ist; vielmehr leistet er gegenüber seinen von ihm betreuten Kindern gem 140 Abs 2 ABGB Unterhalt durch die Betreuung. Seine übrigen (vor- oder andersehelichen) Kinder werden aber regelmäßig vom anderen Elternteil betreut, der damit ebenfalls nach 140 Abs 2 ABGB grundsätzlich seine Unterhaltspflicht erfüllt, sodaß kein Elternteil für den Geldunterhalt dieser Kinder zur Verfügung steht. Kann der einkommenslose Elternteil doch zum Geldunterhalt für seine von ihm nichtbetreuten Kinder herangezogen werden; und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Einigkeit besteht darüber, daß wegen des Gebotes der Gleichbehandlung aller Kinder derselben Eltern die nichtbetreuten Kinder gegenüber der Unterhaltsleistung durch Betreuung unterhaltsrechtlich nicht benachteiligt werden dürfen, weshalb die Geldunterhaltspflicht gegenüber den nichtbetreuten Kindern auch während der Einkommenslosigkeit des Elternteiles wegen Haushaltsführung und Betreuung anderer Kinder grundsätzlich aufrechtbleibt (FN 1). Daher stellt sich die Frage, ob dem einkommenslosen und kinderbetreuenden Haushaltsführer für die Geldalimentation seiner von ihm nichtbetreuten Kinder im Sinne des "Anspannungsgrundsatzes" (FN 2) eine Erwerbstätigkeit zugemutet (und danach seine Geldunterhaltspflicht bemessen) werden soll oder ob allenfalls auch seine eigenen Unterhaltseinnahmen aus dem Unterhaltsanspruch gegen seinen aktuellen oder früheren Ehepartner dafür herangezogen werden dürfen. Es liegt in der Sachnatur, daß diese Fragen seit geraumer Zeit in Lehre und Rechtsprechung heftigst und teilweise kontrovers diskutiert werden. Im folgenden soll versucht werden, das chaotische Diskussionsfeld etwas analytisch aufzuarbeiten, die verschiedenen Ansichten abzuwägen und vielleicht sogar eine konsensfähige Lösung vorzuschlagen. II. Anspannung des einkommenslosen Elternteiles Der OGH lehnt in ständiger Rechtsprechung eine "mittelbare" Unterhaltspflicht des Ehepartners für die vor- oder andersehelichen Kinder des anderen (nicht verdienenden) Ehegatten in dem Sinne ab, daß eine Deckung des Kindesunterhaltes aus den eigenen Unterhaltseinnahmen (oder -ansprüchen) des nicht verdienenden Elternteiles ausscheidet; Unterhaltsansprüche sind danach für die Bemessungsgrundlage weder Einkommen noch Vermögen (FN 3). Wenn neuerdings einige OGH-Entscheidungen plötzlich so tun wollen, als ob

die Ablehnung einer "mittelbaren" Unterhaltspflicht lediglich bedeute, daß wegen Kindesunterhaltspflichten des Partners der Ehegattenunterhalt nicht erhöht werden darf (FN 4), so ist dies deshalb nicht glaubwürdig, weil eine solche Regel in der bisherigen Rechtsprechung des OGH gar nicht zur Debatte stand; vielmehr ging es in den einschlägigen Entscheidungen ausnahmslos um die Frage der Einbeziehung von Unterhaltseinnahmen des nicht verdienenden Elternteiles in die Bemessungsgrundlage für seine Kindesunterhaltsverpflichtung. Folgerichtig kommt für die herrschende Praxis nur eine Anspannung des nicht verdienenden Elternteiles in Betracht (FN 5), freilich mit deutlicher Geschlechterdifferenzierung. Nicht verdienenden Müttern wird jene (Teilzeit-)Beschäftigung zugemutet und damit ihrer Geldunterhaltspflicht zugrunde gelegt, die sie neben Haushaltsführung und allfälliger Kinderbetreuung noch leisten könnten (FN 6), wobei selbst eine Betreuung von Kleinkindern unter 3 Jahren die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit nicht ausschließt, wenn das nichtbetreute vor- oder anderseheliche Kind sonst in Not geraten würde (FN 7). Der andere Teil der Rechtsprechung will in den Karenzurlaubsfällen des Vaters sein gesamtes bisheriges Einkommen aus der Ganztagsbeschäftigung der Unterhaltsbemessung zugrunde legen, außer die Inanspruchnahme der Karenz seitens des Vaters sei durch besondere Gründe gerechtfertigt (FN 8); einen Hausmann mit zwei betreuten Kindern wollte der OGH zuletzt ohne weitere Rechtfertigungsprüfung (offenbar strafweise) auf jenes rein fiktive Einkommen anspannen, das der Vater ohne Haushaltsführung und Kinderbetreuung erzielen könnte, mit dem Hinweis, es sei seine Sache, wie er das für die Unterhaltsleistung benötigte Geld verdient (FN 9). Das offensichtliche Mißtrauen des OGH gegenüber Karenz oder Hausmannfunktion des Vaters steht in offenem Widerspruch zur Haltung der Rechtsprechung in den Fällen der Arbeitslosigkeit und des Beschäftigungswechsels, wo die Rechtfertigung der Arbeitsplatzaufgabe nicht geprüft wird (FN 10); eine solche Prüfung ist auch deshalb abzulehnen, weil Karenz oder Hausmannstätigkeit des Mannes mit Kinderbetreuung in aller Regel durch die Entlastung des Partners gerechtfertigt sind. III. Geldunterhaltseinnahmen bzw -ansprüche als Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteiles? 1. In jüngerer Zeit sind zwei OGH-Senate im Einklang mit einigen Autoren (FN 11) von der herrschenden Praxis abgewichen und dazu übergegangen, Geldunterhaltsansprüche des nichtverdienenden Elternteils in die Bemessungsgrundlage des Kindesunterhaltes mit der begriffsjuristischen Begründung einzubeziehen, Geldunterhaltseinnahmen erfüllten alle Einkommenskriterien (FN 12) (= frei verfügbare Einnahmen) (FN 13). In diese Richtung wagte sich zunächst der 6. Senat mit der Auffassung, bei Naturalunterhaltsanspruch des nicht verdienenden Elternteiles habe dieser bei Unzumutbarkeit einer Erwerbsbeschäftigung hilfsweise das gesamte (!) Taschengeld, aus Anspannungsgründen aber mindestens 5 Prozent seines Gesamtunterhaltsanspruches, in bar an das geldunterhaltsberechtigte Kind abzuliefern (FN 14). Den letzten Schritt setzte der 5. Senat, der entschied, daß unabhängig von sonstigen Anspannungsmöglichkeiten der gesamte Geldunterhaltsbezug der Mutter (von ihrem geschiedenen Mann) in die Bemessungsgrundlage für den Kindesunterhalt einzubeziehen sei (FN 15). Die Absurdität dieser Situation muß man sich vorstellen: Der das Kind betreuende geschiedene Vater zahlt der Mutter das Geld, aus dem sie ihrerseits dann den Geldunterhalt für das Kind bestreitet! Nichts zeigt

deutlicher, daß hier in der Tat eine mittelbare Unterhaltspflicht stipuliert wird, von der sich der OGH so beharrlich distanzieren möchte. Dieses Ergebnis ist freilich nur die Konsequenz der vordergründigen Gleichstellung der Geldunterhaltseinnahmen mit sonstigem (unterhaltsrelevantem) "Einkommen", die sowohl die Wesensunterschiede übersieht, als auch die Auswirkungen einer solchen Gleichstellung außer acht läßt. Gesetzlich titulierte Unterhaltseinnahmen sind nämlich nicht bloß durch eine einfache, die weitere Unterhaltsverwendung ausschließende Zweckwidmung (Befriedigung nur der Bedürfnisse des Unterhaltsempfängers, nicht auch der seiner Unterhaltsgläubiger) (FN 16) gekennzeichnet, sondern in höchst qualifizierter Weise von ihrer Zweckwidmung abhängig, weil diese zugleich Anspruchsvoraussetzung ist. Insofern sind gesetzlich begründete Unterhaltseinnahmen durchaus jenen Einkünften vergleichbar, die deshalb aus der Unterhaltsbemessungsgrundlage ausscheiden, weil sie dem Ausgleich eines tatsächlichen Aufwandes dienen (FN 17). Auch in den Auswirkungen wäre die Einbeziehung von Unterhaltseinnahmen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage verhängnisvoll. Einmal gäbe es, nach dem formalen Einkommensbegriff (frei verfügbare geldwerte Leistungen) (FN 18) und nach dem Gleichbehandlungsgebot - entgegen der Rechtsprechung - keinen überzeugenden Grund, Naturalunterhaltsempfänge auszuschließen. Zudem müßten aus dieser Sicht auch Unterhaltsempfänge voll und ohne Subsidiaritätsreihung der Anspannungspflicht unterliegen, sodaß bei ausreichend hohen Unterhaltsansprüchen jede sonstige Erwerbspflicht entfiele, was das gesamte Anspannungsgefüge durcheinanderbringen würde; würde nämlich Unterhalt per definitionem anspannungstaugliches Einkommen darstellen, bestünde kein Grund, ihn mit Subsidiaritätsrang auf Notfälle zu verbannen. Schließlich ist ein weiterer Gleichbehandlungsaspekt zu bedenken; bei einer Reihe von Unterhaltspflichten, die aus einem einzigen Erwerbseinkommen gespeist werden müßten (zb der Generaldirektor alimentiert seinen studierenden Sohn, dieser hat daraus seine ebenfalls studierende Frau und diese daraus wieder ihre voreheliche Tochter zu erhalten), käme nur der letztgereihte Unterhaltsberechtigte in den Genuß angemessener Bedürfnisbefriedigung, während alle übrigen sich allenfalls mit dem nicht exequierbaren Existenzminimum zufrieden geben müßten; dies bliebe unbestreitbar ein zumindest äußerst unbefriedigendes Ergebnis. 2. Die literarischen Befürworter der geschilderten Entscheidungen haben zwar das begriffsjuristische Glatteis des OGH gemieden, ihre Begründung vermag gleichviel schon wegen ihrer Ausgangsbasis nicht zu überzeugen. Zur Debatte steht allein die Leistungsfähigkeit (isd "Kräfte" des 140 Abs 1 ABGB) des einkommenslosen und nicht weiter anspannbaren Elternteiles, der lediglich über eigene Unterhaltseinnahmen bzw -ansprüche verfügt. Die genannten Autoren behaupten nun, solche Elternteile müßten aus ihren eigenen Unterhaltseinnahmen ihren (nicht von ihnen betreuten) Kindern deshalb Unterhalt zahlen, weil "die Tatsache vorehelicher Unterhaltspflichten zu jenen Lebensverhältnissen" gehöre, die - wie sich aus 140 Abs 2 S 2 ABGB ergebe - "auch für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen" (FN 19) oder gar für " 94 Abs 1 ABGB" (FN 20) "von Bedeutung" seien. An dieser Argumentation, die aus durchaus divergenten Schlüssen plötzlich das gleiche Ergebnis aus dem Hut zieht, ist eigentlich alles schief. So erklären Leitzenberger und Schmidt (FN 21), die Kindesunterhaltspflichten des erwerbslosen Elternteiles seien nach 140 ABGB "auch für die Leistungsfähigkeit von Bedeutung"; das ist unlogisch, weil die Unterhaltspflicht die Leistungsfähigkeit

voraussetzt und nicht umgekehrt, meint aber vermutlich, daß bei Vorhandensein weiterer Kinder auch Unterhaltseinnahmen des Elternteiles seine Leistungsfähigkeit begründen, was freilich mit den "Lebensverhältnissen" des 140 Abs 1 ABGB nichts zu tun hat. Für Pichler (FN 22), der sich zwar ausdrücklich auf Leitzenberger beruft, gehören hingegen "voreheliche Unterhaltspflichten eines Ehegatten sehr wohl zu den Lebensverhältnissen isd 94 Abs 1 ABGB"(!), weshalb es ihm "selbstverständlich erscheint", daß der von weiteren Unterhaltspflichten unbelastete Ehepartner des kinderreichen Elternteiles "mehr für die Deckung der gemeinsamen Bedürfnisse" (wessen?) "aufwenden muß als der andere, vorbelastete, Ehegatte" (was immer das bedeuten soll). Obwohl Pichler also von etwas ganz anderem spricht, kommt er zu dem Ergebnis, daß "auch der offenbar großzügig zu bemessende Unterhalt der Mutter vom Ehegatten... Bemessungsgrundlage für das achtjährige Kind" sei. Hauptsache, am Ende sind sich alle einig, daß auch der nicht erwerbsfähige und nicht weiter anspannbare Elternteil "seinen Lebensverhältnissen angemessen zur Deckung der Bedürfnisse" des nicht von ihm betreuten Kindes "beizutragen hat" (FN 23), obwohl es in 140 Abs 1 ABGB umgekehrt steht, nämlich, daß der Elternteil nur "nach seinen Kräften" zur "Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes" beizutragen hat. Das Gesetz selbst beruft also die "Lebensverhältnisse" der Eltern bzw Gatten sowohl in 140 Abs 1 als auch in 94 Abs 1 ABGB nur zur Bestimmung der angemessenen Unterhaltshöhe und nicht zu jener der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners. Am allerwenigsten läßt sich die Leistungsfähigkeit mit den "Lebensverhältnissen" in 140 Abs 2 S 2 ABGB (der betreuende Elternteil hat danach noch Geld zuzuschießen, "soweit der andere Elternteil... mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre") in Verbindung bringen, weil diese Regel gerade nicht auf die Leistungsfähigkeit (die sie voraussetzt!) abstellt, sondern nur eine nach den Lebensverhältnissen ausgewogene Lastenverteilung herbeiführen will. Die über die anderen Autoren hinausgehende Andeutung Pichlers, der durch vor- oder anderseheliche Kinder unterhaltsbelastete Ehepartner hätte deswegen auf Grund der "Beistandspflicht"(!) des anderen sogar einen Anspruch auf erhöhten Ehegattenunterhalt (FN 24), braucht wegen der einhelligen Ablehnung eines solchen Gedankens in Lehre und Praxis (FN 25) nicht eigens widerlegt zu werden. IV. Unterhaltspflicht aus Unterhaltseinnahmen in Mißbrauchsfällen Auf der anderen Seite ist unbestreitbar, daß sich die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des potentiellen Unterhaltsschuldners nach den Umständen des Einzelfalles (einschließlich der konkreten "Lebensverhältnisse") richten, wozu gewiß auch das Vorhandensein unversorgter Kinder gehört. Nur reicht dieser Umstand allein mit Sicherheit für die Begründung der Meinung des neueren Schrifttums nicht aus. Wenn man nämlich über die übliche Anspannung hinaus auch die Unterhaltseinnahmen oder -ansprüche des Unterhaltsschuldners in die Bemessungsgrundlage einbeziehen wollte, dürfte dies erstens nicht ohne Berücksichtigung weiterer Umstände (wie Höhe der Unterhaltseinnahmen; Gründe für den Ausschluß üblicher Anspannung, wie beispielsweise Krankheit oder Behinderung; Höhe des Eigenbedarfs des Unterhaltsschuldners uä) und zweitens nicht allein zugunsten des Kindesunterhalts erfolgen, sondern müßte zugunsten aller gleichrangigen Unterhaltsgläubiger gelten. Daher ist eine außerordentliche Anspannung auf Unterhaltseinnahmen oder -ansprüche des Unterhaltspflichtigen zur Alimentierung sonst unversorgter voroder andersehelicher Kinder als generelles Prinzip abzulehnen. Erwägenswert bliebe lediglich, den Gedanken als Ausnahme analog

1295 Abs 2 ABGB auf Mißbrauchsfälle einzuschränken, nämlich insbesondere auf jene Fälle, in denen der einkommenslose und wegen Kleinkinderbetreuung oder mangels verwertbarer Arbeitskraft nicht anspannbare Elternteil keine gerechtfertigten Sonderbedürfnisse, aber Unterhaltseinnahmen bzw -ansprüche in Luxushöhe hat; das scheint in Wahrheit auch den Verfechtern der oben kritisierten neueren Ansicht vorzuschweben, weil sie bei der Anwendung ihrer Thesen regelmäßig auf eine überdurchschnittliche Alimentationsversorgung des unterhaltspflichtigen Elternteiles abstellen (FN 26). Im Regelfall aber bleibt es bei der schon bisher praktizierten Unterhaltsbemessung nach einer neben Haushaltsführung und Kinderbetreuung tatsächlich zumutbaren Teilzeit- oder Nebenbeschäftigung (FN 27). Fehlen die genannten Anspannungsvoraussetzungen, so kann der Unterhalt nur nach dem tatsächlichen Einkommen (etwa Karenzurlaubsgeld) bemessen werden. Fußnoten 1) Ständige Rechtsprechung, OGH in ÖA 1992, 21; EF 65.242; RZ 1992, 69/24; JBl 1993, 243; NZ 1994, 132; ÖA 1994, 192; ÖA 1995, 99; ZfRV 1996, 80; ÖA 1997, 93; ÖA 1998, 18 U 197; Lackner, ÖA 1996, 175; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 563. 2) Dazu statt vieler Schwimann, Unterhaltsrecht (1996) 53 ff mwn. 3) Statt vieler OGH EF 42.734, 44.652; JBl 1987, 715; SZ 65/54; JBl 1993, 243; ÖA 1993, 18 U 68; ÖA 1995, 96, 99; ZfRV 1996, 80; mit gleichem Ergebnis ÖA 1997, 93; ebenso Gitschthaler, ÖJZ 1996, 558; Lackner, ÖA 1996, 175. 4) OGH ÖA 1998, 18 U 197, 21 U 200; ebenso Lackner, ÖA 1996, 175. 5) Dafür auch Pichler, ÖA 1987, 93; Schlemmer - Schwimann in Schwimann, ABGB-Praxiskommentar I (1990) 140 RZ 58; Gitschthaler, ÖJZ 1996, 558, 563; Lackner, ÖA 1996, 175; Schwimann in Schwimann, ABGB-Praxiskommentar I, 2. Auflage, (1997) 140 Rz 68. 6) OGH EF 65.248, 65.252; NZ 1994, 132; ZfRV 1996, 80; ÖA 1997, 93; ÖA 1998, 18 U 197; ebenso Gitschthaler, ÖJZ 1996, 563; desgleichen OGH JBl 1993, 243, jedoch nur alternativ zur Abzweigung eines Beitrages von den Unterhaltseinnahmen. 7) OGH ÖA 1997, 93. 8) OGH ÖA 1992, 21; ÖA 1994, 192; abweichend OGH RZ 1992, 69/24, wo vom fiktiven Vollzeiteinkommen die fiktive Unterhaltsleistung für die Ehefrau des karenzierten Vaters abgezogen wurde. Kritisch zu dieser Ungleichbehandlung von Müttern und Vätern auch Gitschthaler, ÖJZ 1996, 563; Pichler, ÖA 1997, 112. 9) OGH ÖA 1995, 99. 10) Ständige Praxis des OGH, EF 62.043; ÖA 1991, 142; ÖA 1992, 114 U 55, 147 U 63; ÖA 1994, 66 U 87; ÖA 1995, 60 U 112, 88 U 115; EvBl 1997/103; anders OGH ÖA 1996, 62 U 141, und EF 77.086. 11) Leitzenberger, ÖA 1984, 83; Schmidt, RZ 1987, 158; Pichler, ÖA 1987, 92; Lackner, ÖA 1996, 175. 12) OGH EvBl 1997/10; ÖA 1998, 18 U 197 und 21 U 200. 13) Einzelheiten bei Schwimann, Unterhaltsrecht 38 mit allen weiteren Nachweisen.

14) OGH EvBl 1997/10 (bei "gehobenen" Unterhaltseinnahmen der Mutter); ÖA 1998, 18 U 197; mit gleichem Ergebnis schon früher der 7. Senat in ÖA 1984, 102 (allerdings nur bei tatsächlichem Bezug eines "reichlich bemessenen Taschengeldes"). 15) OGH ÖA 1998, 21 U 200; ähnlich schon früher der 7. Senat in ZfRV 1993, 255 (bei "überdurchschnittlich guten Alimentationszahlungen"). 16) So auch in der Rechtsprechung OGH EF 71.642; ÖA 1993, 18 U 68; EvBl 1997/10. 17) Einzelheiten bei Schwimann, Unterhaltsrecht 38-47. 18) Siehe FN 13. 19) So der Auktor dieser Lehrmeinung, nämlich Leitzenberger, ÖA 1984, 83; ihm folgend Schmidt, RZ 1987, 158. Mit gleichem Ergebnis letztlich auch Pichler, ÖA 1987, 93, und Lackner, ÖA 1996, 175. 20) Pichler, ÖA 1987, 93. 21) Leitzenberger aao; Schmidt aao. 22) Pichler aao. 23) Lackner, ÖA 1996, 175. 24) Pichler, ÖA 1997, 111. 25) Siehe insbesondere OGH ÖA 1998, 18 U 197 und 21 U 200; ebenso Lackner, ÖA 1996, 175. 26) Vgl zb Pichler, ÖA 1987, 93 (bei "großzügig zu bemessendem Unterhalt der Mutter"); in gleichem Sinne Leitzenberger, ÖA 1984, 84; Lackner, ÖA 1996, 176. Aus der Rspr OGH ÖA 1984, 102 (bei "reichlich bemessenem Taschengeld"); ZfRV 1993, 255 (bei "überdurchschnittlich guten Alimentationszahlungen" an den Elternteil); EvBl 1997/10 (bei "gehobenen" Unterhaltseinnahmen der Mutter). 27) So auch Gitschthaler, ÖJZ 1996, 563.