MENSCHENRECHTSKOMPASS SALZBURG. Thema. Flucht und Asyl.

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Transkript:

MENSCHENRECHTSKOMPASS SALZBURG Thema Flucht und Asyl Flucht und Asyl www.menschenrechte-salzburg.at/kompass Ein Projekt der Plattform für Menschenrechte Salzburg ermöglicht durch den Runden Tisch Menschenrechte der Stadt Salzburg

11 Flucht und Asyl Die Unbeliebtheit der Flüchtlinge hat wenig mit ihrem Verhalten und viel mit dem zweideutigen legalen Status zu tun, unter dem sie, aber nicht nur sie leiden. Sie kommen aus dem Niemandsland. Hannah Arendt (1906-1975) Wer ist ein Flüchtling? Nach internationalem Recht ist ein Flüchtling eine Person, die ihr Heimatland verlassen hat, weil sie aufgrund von ethnischer Herkunft, Religion oder Nationalität, aufgrund von politischer Meinung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird. Als rechtliche Grundlage dient dabei die Genfer Flüchtlingskonvention. Diese wurde 1951 von der Generalversammlung der UNO verabschiedet und auch von Österreich ratifiziert. Nach der UN-Menschenrechtskonvention hat jeder Anspruch darauf, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen (Artikel 14). Wer in Österreich Asyl beantragt, muss glaubhaft machen, dass Verfolgung vorliegt oder Verfolgung befürchtet werden muss. Oft werden Menschen verfolgt, weil sie eine andere politische Meinung oder Religion haben oder zu einer geächteten sozialen Gruppe gehören - wie in manchen Ländern zum Beispiel Homosexuelle oder geschiedene Frauen. Das Recht auf Asyl gilt nicht im Falle einer Strafverfolgung wegen einer kriminellen Handlung. 144 Die Dublin-Verordnung Stellt ein Flüchtling seinen ersten Asylantrag in Österreich, so ist Österreich für ihn oder sie zuständig. Das heißt, er oder sie muss hier bleiben, auch wenn Geschwister z.b. in London sind und Österreich überhaupt nicht das Zielland ist. Sollte die betreffende Person trotzdem nach Großbritannien weiterreisen und dort einen zweiten Asylantrag stellen, so wird sie nach Österreich zurückgeschickt. Der Grund dafür liegt in der so genannten Dublin-Verordnung. Demnach ist das Verfahren grundsätzlich in dem Land durchzuführen, in dem ein Asylsuchender nachweislich EU-Boden betreten hat. Schlepper versuchen aber, die Wege der Flüchtenden zu verschleiern. Deshalb ist es manchmal schwer nachzuweisen, wo jemand in die EU eingereist ist. Ist die Einreise nach Österreich über einen sogenannten sicheren Dritt-Staat erfolgt, so muss in diesem Asyl beantragt werden. Als sichere Dritt-Staaten gelten alle Länder der EU sowie Norwegen und die Schweiz. Durch die Dublin-Verordnungen soll verhindert werden, dass Flüchtlinge in mehreren 144 http://graz.amnesty.at/aktionklartext/recht-auf-asyl/menschenrechtsschutz/, abgerufen am 23. 7. 2013

Staaten um Asyl ansuchen. Kritisiert wird dieses Instrument der europäischen Asylpolitik, weil es häufig zu einer äußerst restriktiven Haltung gegenüber Flüchtlingen führt. Außerdem sind die Asylsuchenden in den sogenannten sicheren Dritt-Staaten keineswegs sicher, ein faires Asylverfahren zu bekommen. Die Staaten an den EU-Außengrenzen kontrollieren diese Grenzen besonders streng, weil sie sonst für alle nachfolgenden Asylverfahren und die damit verbundenen Kosten zuständig wären. In der Kritik steht in diesem Zusammenhang die Agentur zum Schutz der europäischen Außengrenzen Frontex. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl werfen ihr eine geradezu militärische Vorgehensweise gegen Flüchtlinge auf hoher See vor. Mögliche Ausgänge des Asylverfahrens Bevor ein Asylverfahren beginnen kann, wird überprüft, ob Österreich zuständig ist. Erst wenn das der Fall ist, beginnt das inhaltliche Asylverfahren beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das im Idealfall wenige Monate, manchmal aber auch einige Jahre dauern kann. Die Überprüfung der Angaben ist oftmals schwierig. Nicht nur weil Behörden in den Herkunftsländern mitunter nicht kooperativ sind, sondern auch aus politischen Gründen: Wie vertrauenswürdig erscheint beispielsweise die Auskunft einer russischen Vertretung, wonach ein Regimekritiker in seiner Heimat keinerlei Verfolgung zu fürchten habe? Viele Menschen hatten in ihrem Herkunftsland oder auf der Flucht traumatische Erlebnisse und können ihre Geschichte nur schlecht ausdrücken. Manche misstrauen offiziellen Stellen grundsätzlich. Häufig fehlen Papiere, die Angaben belegen. Die meisten Asylanträge in Österreich stellten zuletzt Menschen aus Afghanistan, aus Pakistan und der Russischen Föderation, hier vor allem aus Tschetschenien. Während des Asylverfahrens erhalten Asylsuchende eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung. Damit sind sie vorerst legal in Österreich. 145 Das Asylverfahren sieht in der Regel zwei Instanzen vor, der zweite negative Bescheid ist also gleichbedeutend mit der Aufforderung das Land zu verlassen. Seit einer Gesetzesreform kann der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) nicht mehr eingeschaltet werden. Der VwGH hatte zuvor noch in 20 Prozent der Fälle einer Beschwerde stattgegeben. Jetzt besteht nur noch die Möglichkeit einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof hob allerdings nur 0,35 Prozent der Bescheide aufgrund von Beschwerden auf. Das Gericht, das genau prüft, wurde beseitigt, analysiert der Menschenrechtsanwalt Herbert Pochieser. 146 Wird im Laufe des Verfahrens festgestellt, dass einer Person Verfolgung droht, wird sie zum offiziell anerkannten Flüchtling und ist ÖsterreicherInnen rechtlich weitgehend gleich gestellt. Sie kann bereits nach vier Jahren die Einbürgerung beantragen und sich in Österreich eine Existenz aufbauen. 145 http://www.unhcr.at/unhcr/in-oesterreich/fluechtlingsland-oesterreich/wertvolles-gut-reisepass.html 146 http://www.asyl-in-not.org/uploads/orf221010.at.pdf, abgerufen am 1. 10. 2013

Liegt keine unmittelbare Verfolgung vor, im Herkunftsland droht aber etwa aufgrund eines Bürgerkrieges unmenschliche Behandlung oder gar Folter, so kann subsidiärer Schutz in Österreich gewährt werden. Subsidiärer Schutz gilt meistens befristet auf ein oder zwei Jahre. Wird der Asylantrag abgelehnt und droht im Herkunftsland keine Gefahr, so müssen die abgelehnten Asylsuchenden Österreich verlassen. Geschieht dies nicht freiwillig, können sie abgeschoben werden. 147 Asyl versus Migration. Im Gegensatz zu Flüchtlingen verlassen MigrantInnen ihr Herkunftsland nicht aufgrund von Verfolgung. In der öffentlichen Debatte werden die Themen Asyl und Migration aber oft vermischt. MigrantInnen kommen, um ihr Leben zu verbessern, um zu arbeiten oder aus familiären Gründen. In Salzburg stammen die größten Gruppen von Zuwanderern aktuell aus Kroatien, aus Deutschland sowie aus der Türkei. In Bezug auf diese MigrantInnen können Länder weitgehend frei entscheiden, wie viele sie aufnehmen wollen. Deshalb werden für den Aufenthalt von MigrantInnen sogenannte Quoten festgelegt. Flüchtlinge hingegen müssen aufgenommen werden. Der Anspruch auf ein faires Asylverfahren ist ein Menschenrecht. Vier Vorurteile zu Asylsuchenden in Österreich Asylsuchende sind illegal. Kommt jemand ohne Reisedokumente nach Österreich, so bedeutet dies nicht automatisch, dass die Person böse oder kriminell ist. Für Menschen auf der Flucht ist die illegale Aus- und Einreise häufig die einzige Möglichkeit, überhaupt in ein anderes Land zu kommen. Sie sind daher fast immer auf Schlepper angewiesen. Dafür bezahlen sie viel Geld und nicht wenige mit ihrem Leben. Allein im Mittelmeer sterben jährlich hunderte Menschen auf seeuntüchtigen Booten. Trotzdem ist die Verzweiflung vieler Menschen so groß, dass sie gefährliche Fluchtrouten in Kauf nehmen. Österreich wird von Flüchtlingen überschwemmt. In Österreich gab es Anfang 2013 insgesamt rund 22.400 offene Asylverfahren. In diesen Fällen haben die Behörden also noch nicht entschieden. In den fünf Jahren davor haben jährlich zwischen 11.000 und 17.500 Menschen um Asyl angesucht. Nur jeder fünfte Antrag wird positiv beschieden. Die Anträge sind in den letzten Jahren wieder gestiegen, im Vergleich zu den Jahrzehnten davor sind es für österreichische Verhältnisse aber immer noch wenig. So wurden in den Jahren des 147 http://www.unhcr.at/unhcr/in-oesterreich/fluechtlingsland-oesterreich/wer-bekommt-asyl.html, abgerufen am 23. 7. 2013

Bosnien-Krieges 90.000 Vertriebene in Österreich aufgenommen. Nach Angaben des UNHCR-Büros in Österreich beträgt der Anteil der Asylsuchenden in Österreich 0,27 Prozent. Flüchtlinge leben in Saus und Braus. Für die Zeit ihres Verfahrens bekommen Asylsuchende die so genannte Grundversorgung. Eine Person, die selbständig wohnt, erhält monatlich maximal 320 Euro für alle Ausgaben wie Miete, Heizung, Strom und Essen. Eine fünfköpfige Familie also Mutter, Vater und drei minderjährige Kinder bekommt insgesamt 910 Euro monatlich. Zum Vergleich: Eine fünfköpfige österreichische Familie, die Leistungen aus der Mindestsicherung bezieht, hat zumindest 2.200 Euro zur Verfügung. Zumeist sind Flüchtlinge in organisierten Quartieren in einfachen Mehrbettzimmern untergebracht. Wenn auch für Essen gesorgt ist, dann bekommen sie pro Monat 40 Euro bar ausbezahlt. Die Kinder werden vorausgeschickt. Keine Mutter, kein Vater schickt ein Kind gerne weg aber trotz der vielen Gefahren auf der Flucht ist dies oft die einzige Möglichkeit, sie überhaupt zu retten. Wie schon bei den Kindertransporten im Zweiten Weltkrieg versuchen viele Eltern, wenn schon nicht sich selbst, dann zumindest ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Kinder bekommen nicht leichter Asyl, aber es gibt so genannte kinderspezifische Asylgründe wie z.b. Zwangsheirat bei Mädchen oder eine drohende Zwangsrekrutierung zum Kindersoldaten bei Buben. Nur wenn Kinder vor ihrem 18. Geburtstag Asyl bekommen, können sie theoretisch ihre Eltern und minderjährigen Geschwister nach Österreich holen. In den letzten Jahren gab es aber nur für eine Handvoll Familien ein Wiedersehen. 148 In welchem Land werden die meisten Asylanträge stellt? Frankreich war zuletzt das EU-Land, das die meisten Asylanträge verzeichnete (52.000), gefolgt von Deutschland, Italien und Schweden. Österreich lag in absoluten Zahlen gesehen an sechster Stelle. Setzt man die Zahl der Asylanträge in Bezug zur Bevölkerungszahl, so liegt Österreich an fünfter Stelle. Und die EU ist keineswegs die Region mit den meisten Flüchtlingen. 149 Vier von fünf Flüchtlingen weltweit leben aktuell in Entwicklungsländern. Es sind die ärmsten Länder in Afrika und Asien, die die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Allein in einem einzigen Flüchtlingslager in Kenia (Dadaab) leben mehr als 400.000 Menschen. Insgesamt gibt es weltweit über 40 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene. In der EU stellten 2012 rund 300.000 Menschen einen Asylantrag. 150 Gibt es ein Bleiberecht? Von einem Bleiberecht im wörtlichen Sinn ist Österreich weit entfernt. Tausende Asylsuchende müssen oft jahrelang auf eine Entscheidung ihres Antrages warten. In dieser Zeit knüpfen sie Kontakte und schließen Freundschaften, die Kinder besuchen längst die 148 UNHCR-Büro in Österreich (2013): Flüchtling? Asylant? Asylsuchender? Migrant? 149 http://www.integrationsfonds.at/zahlen_und_fakten/statistisches_jahrbuch_2012/zu_und_abwanderung/asyl, abgerufen am 24. 7. 2013 150 http://www.unhcr.at/unhcr/in-oesterreich/fluechtlingsland-oesterreich/wie-viele-asylsuchende.html?l=, abgerufen am 23. 7. 2013

Schule oder spielen im örtlichen Fußball-Verein. Doch eine unzumutbar lange Verfahrensdauer gibt ihnen vom Gesetz her nicht das Recht in Österreich zu bleiben. Seit der Verfassungsgerichtshof 2008 ein rechtsstaatliches Bleiberecht eingemahnt hat, hat sich aber einiges getan. So können die Behörden unter bestimmten Umständen eine Niederlassung aus humanitären Gründen gewähren selbst wenn der Asylgerichtshof den Antrag zuvor negativ entschieden hat. In der Praxis geschieht das aber äußerst selten. Menschenrechts-ExpertInnen vertreten die Auffassung, dass es sich beim Bleiberecht nicht um einen Gnadenakt handeln sollte, sondern vielmehr um einen Rechtsanspruch. Die wichtigste Bestimmung dabei ist Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie garantiert ein Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Da sich die Ausweisung von Fremden nachteilig auf die privaten und familiären Beziehungen auswirkt, müssten die Behörden diesen Artikel bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, betont Philip Czech vom Österreichischen Institut für Menschenrechte in Salzburg. 151 Durchgesetzt hat sich diese Ansicht noch nicht. Im Gegenteil: Hat der Asylgerichtshof in zweiter Instanz eine negative Entscheidung getroffen, so müssen die Betroffenen jederzeit mit der Abschiebung rechnen. Auch wenn der Antrag auf Niederlassung aus humanitären Gründen noch läuft. Protest gegen Abschiebungen wirkt Zivilcourage zahlt sich aus. Das zeigt eine Untersuchung der Politikwissenschaftlerin Sieglinde Rosenberger von der Uni Wien mit dem Titel Mapping Protest. Rosenberger trug dafür alle Protestaktionen in Österreich gegen Abschiebungen in den letzten sieben Jahren auf einer Landkarte ein. Überraschendes Ergebnis: Die Hälfte der Aktionen war erfolgreich, und es wurde nicht abgeschoben. Bei 29 Prozent der Fälle war der Ausgang noch unklar, 21 Prozent der geplanten Abschiebungen wurden durchgeführt. Eine entscheidende Rolle für die Proteste spielten das Vorhandensein einer sozialen Beziehung und der persönliche Kontakt zu den AsylwerberInnen über Sportvereine, Kirchen, Schulen oder die Nachbarschaft. Wie die Untersuchung zeigte, wehrt sich vor allem die ländliche Bevölkerung erfolgreich gegen Abschiebungen, weil dort die sozialen Beziehungen oft stärker sind als in der Stadt. Betreuung von Flüchtlingen in Salzburg Rund 1.200 AsylwerberInnen sind in Salzburg im Schnitt untergebracht, in privaten Quartieren (55 Prozent) ebenso wie in organisierten Unterkünften (45 Prozent). 152 Solche Flüchtlingsheime gibt es etwa in Mittersill, Taxenbach, Hallein, Puch, Neumarkt sowie in der Stadt Salzburg. Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Bund, wonach Flüchtlinge entsprechend der Bevölkerungszahlen auf die Bundesländer verteilt werden, müsste 151 Czech, Philip: Bleiberecht und Artikel 8 EMRK. In: Salzburger Menschenrechtsbericht 2011, S 25ff 152 http://medienservicestelle.at/migration_bewegt/2012/01/05/asyl-daten-und-zahlen-zur-grundversorgung/

Salzburg weit mehr Flüchtlinge aufnehmen. Politik und Behörden haben es aber verabsäumt, für entsprechende Quartiere zu sorgen und somit die festgelegte Quote zu erfüllen. Wenn andererseits ohne Information der lokalen Politik in einer kleinen Gemeinde im Lungau ein leer stehendes Hotel in ein Flüchtlingsquartier umfunktioniert wird, sind Skepsis und Widerstand der Bevölkerung programmiert. 153 Viel Kritik gibt es zudem am Zustand einiger Unterkünfte. Die Festlegung von Qualitätsstandards oder regelmäßige Kontrollen gab es in den letzten Jahren nicht, obwohl die Plattform für Menschenrechte seit mehreren Jahren solche Qualitätsstandards einfordert und Kriterien dafür vorgeschlagen hat. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden im SOS Clearinghouse in der Stadt Salzburg sowie in Wohngemeinschaften des Vereins Menschenleben betreut. Bis zu 50 Jugendliche und junge Erwachsene erhalten die notwendige Grundversorgung, psychologische Hilfe und juristischen Beistand. Neben den vorgeschriebenen Deutschkursen gibt es auch künstlerische Angebote wie Malerei oder Musik und natürlich Sport. Eine der größten Herausforderungen für die Flüchtlinge ist ein sinnvoller Umgang mit ihrer Zeit, solange es keine Entscheidung ihres Asylantrages gibt und sie zum Warten verurteilt sind. Arbeiten verboten Obwohl die meisten AsylwerberInnen sofort Arbeit annehmen und viele Unternehmen sie einstellen würden, dürfen sie nur sehr eingeschränkt arbeiten. Nur jeder Zehnte ist zeitweise beschäftigt. Gemeindepolitiker, Arbeitsmarkt-Experten und hohe Beamte kritisieren geltende Gesetze. Trotz der fixen Zusage eines Hoteliers durfte und darf beispielsweise ein kurdischer Familienvater aus St. Gilgen nicht regulär als Portier arbeiten. Er soll deshalb nach acht Jahren in Österreich abgeschoben werden. Die Begründung für die Ablehnung klingt nicht nur für die betroffene Familie absurd: Es erfolgte seit 2004 keine Integration in den Arbeitsmarkt steht auf dem amtlichen Zettel. Dabei verbietet der sogenannte Bartenstein- Erlass den AsylwerberInnen jede reguläre Arbeit. Nur Saisonnier-Arbeit ist längstens sechs Monate pro Jahr erlaubt - und auch da werden BewerberInnen aus dem EU- Ausland und Österreicher vorgezogen. Es gibt kaum legale Arbeitsmöglichkeiten im Land Salzburg, kritisiert Siegfried Steinlechner vom Arbeitsmarkt-Service gegenüber dem ORF: 2012 konnten wir für 123 Asylwerber solche Jobs vermitteln und positive Bewilligungen erteilen. 154 Erlaubt ist AsylwerberInnen laut Gesetz immerhin eine gemeinnützige Tätigkeit. In der Praxis fehlt es aber oft an den entsprechenden Angeboten. Das Integrationsbüro der Stadt Salzburg hat deshalb ein Projekt gestartet, das geringfügige Jobs in fünf Abteilungen des Magistrates anbietet. Said (22) aus Afghanistan griff sofort zu, und verstärkte das Team im Seniorenwohnheim in Itzling. Aus seiner Heimat Afghanistan musste er flüchten. Wäre ich geblieben, hätten sie mich getötet genau wie meinen Vater, sagt Said. In Salzburg lernt er Deutsch und besucht die Volkshochschule. Etwas Sinnvolles zu tun, ist für ihn eine große Bereicherung. Und immerhin verdient er so 134 Euro im Monat. Viele andere 153 http://salzburg.orf.at/news/stories/2563863/, 19. 12. 2012 154 http://salzburg.orf.at/news/stories/2567229/, 15. 1. 2013

AsylwerberInnen möchten auch arbeiten dürfen wie Said. Auf der Warteliste für die Jobs im Magistrat stehen durchwegs mehr als 50 Namen. 155 GesprächsparnterInnen zum Thema Flucht und Asyl in Salzburg: Gerlinde Hörl Abdullahi Osman Fatma Özdemir-Bagata Ursula Liebing Caritas, Grundversorgung für AsylwerberInnen www.caritas-salzburg.at/hilfe-einrichtungen/fluchtasyl mailto:gerlinde.hoerl@caritas-salzburg.at Talk Together www.talktogether.org mailto:warsame1@gmx.at Runder Tisch Menschenrechte http://rundertisch-menschenrechte.at/ mailto:f.oezdemir@kanzlei-oezdemir.at Plattform für Menschenrechte Salzburg www.menschenrechte-salzburg.at mailto: ursula.liebing@menschenrechte-salzburg.at 155 Salzburger Nachrichten, 17. 7. 2013