Thilo Weinert Presse und Information Landesbank Baden-Württemberg Am Hauptbahnhof 2 70173 Stuttgart Telefon (07 11) 1 27-64 02 Telefax (07 11) 1 27-62 80 Thilo.Weinert@LBBW.de www.lbbw.de 54/02 LBBW-Studie: deutsche Biotechfirmen mit höchsten Wachstumsraten in Europa Zu dieser Einschätzung kommt die neueste Untersuchung der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die jetzt anlässlich einer Investorentagung der Frankfurter LBBW- Repräsentanz vorgestellt wurde. Autor der Studie ist der 41- jährige LBBW-Analyst, Diplom-Biologe und Universitätsdozent Dr. Hanns Frohnmeyer. Nach seinen Erkenntnissen steht der Branche allerdings auch ein grundlegender Umbruch ins Haus. LBBW beschäftigt sich intensiv mit Biotechnologie Die Branche ist im süddeutschen Raum sehr präsent also dort, wo auch unser Haus einen Tätigkeitsschwerpunkt hat, erklärt Michael Wasserhaas, Leiter der Frankfurter LBBW- Repräsentanz, das besondere Engagement seines Hauses. Die Landesbank Baden-Württemberg, die über zwei Biotech- Analysten verfügt, hat unter anderem den Freiburger Kunsthaut-Pionier BioTissue als Leadmandat an die Börse gebracht. Die Risikokapital-Tochtergesellschaft der Landesbank, die Süd Venture Capital (SüdVC), verfügt derzeit über sechs Biotech-Engagements und verzeichnete darüber hinaus mit GPC Biotech einen Börsengang aus dem eigenen Beteiligungsportfolio. PIBi t h d
Seite 2 In zwölf Monaten Umsatz und Mitarbeiter verdoppelt Die deutsche Biotechnologiebranche erreichte im vergangenen Jahr schätzungsweise einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro, rechnet LBBW-Experte Hanns Frohnmeyer vor (2000: 0,78 Milliarden Euro). Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der Beschäftigten auf etwa 20.000 ebenfalls fast verdoppelt. Europaweit erreichte das Umsatzwachstum der Branche lediglich allerdings immer noch beachtliche 38 Prozent, der Personalzuwachs blieb mit sechs Prozent jedoch eher bescheiden. Führend in der europäischen Biotechnologie war im Jahr 2000 Großbritannien, wo 128 Wirkstoffe in klinischen Prüfungen untersucht wurden (das entspricht 46 Prozent aller europäischer Zulassungsverfahren), während es in Deutschland in diesem Zeitraum nur sechs Substanzen waren. Weltweit arbeiteten 2001 bereits 25 Biotech- Unternehmen profitabel, dies gelang im Jahr davor nur 20 Unternehmen. Zukunftsbranche Biotech: Firmenzahl verfünffacht Die Novellierung des Gentechnik-Gesetzes und die staatliche Einrichtung von Biotech-Regionen hat in Deutschland den aktuellen Branchenboom auf den Weg gebracht, konstatiert Frohnmeyer, zwischen 1996 und 2001 hat sich die Zahl der hiesigen Biotech-Unternehmen verfünffacht. Regionale Schwerpunkte in Deutschland sind das Rhein-Main- Neckar-Gebiet mit derzeit 70 Unternehmen, der Großraum München (76) und Berlin-Brandenburg (92 Firmen).
Seite 3 Allein am Neuen Markt waren im März dieses Jahres 17 Unternehmen gelistet, acht von ihnen im Nemax50. Die Gewichtung der Biotech-Branche in diesem Börsenindex liegt damit derzeit bei 23 Prozent. Sie sollte jedoch mit der für Juni bevor stehenden Umstellung auf Streubesitz auf über 28 Prozent klettern, sagt der LBBW-Analyst voraus. Ein Füllhorn voller Wert- und Wachstumstreiber Die demographische Entwicklung sichere der Biotechnologie einen natürlichen Nachfragezuwachs. In den USA, Japan und Europa steigt das durchschnittliche Bevölkerungsalter ständig an. Unter Berücksichtigung der dadurch bedingten Zunahme chronischer, altersbedingter Krankheiten steigt der Medikamentenkonsum dieser wohlhabenden Gesellschaften sogar exponentiell, erläutert Frohnmeyer die Entwicklung. Im Vergleich zu den etablierten Pharmariesen können die Biotech-Unternehmen auf diesem Markt aber flexibler agieren und Nischenpositionen besetzen, ohne in direkte Konkurrenz mit der Pharmaindustrie zu treten. Dies wiederum helfe, die Zahl der therapierbaren Krankheiten zu erhöhen. Bereits heute sei die Produktpipeline der Biotechfirmen mit hunderten neuer Medikamentenkandidaten gefüllt. Moderne biotechnologische Methoden ermöglichten es, ein besseres Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil der Kandidaten zu erstellen und dadurch die Zahl der Fehlschläge zu reduzieren. Problem: Hohe Kosten und langwierige Verfahren Die Dauer der Produktentwicklung verringert sich durch den Einsatz der Biotechnologie dagegen kaum, da die erhöhte Effizienz durch strengere regulatorische Prüfungen der
Seite 4 zuständigen Behörden fast ausgeglichen wird. Da Pharma- Unternehmen nur vergleichsweise wenige Produkte in der Pipeline haben, zeigen sie verstärktes Interesse an viel versprechenden Produktkandidaten von Biotech- Unternehmen und sind bereit, für deren Vermarktung immer höhere Preise zu bezahlen. Trotz des Biotech-Booms müsse Investoren folglich klar sein: Der Weg der Identifikation eines potenziellen Wirkstoffs bis zum einsatzfähigen Medikament kann einen Zeitraum von zwölf bis 15 Jahren dauern und während dessen Kosten von mehr als 500 Millionen Euro verursachen. Ein langer Atem gepaart mit Risikobereitschaft ist die Voraussetzung für ein Engagement, sagt der Biotech-Experte der Landesbank Baden-Württemberg. Dennoch genieße die Biotechnologie den Status eines Schrittmachers: Die dauerhaft hohen Wachstumsraten, die fortlaufend neuen Medikamententypen und das Image einer sauberen Branche gepaart mit den flachen Hierarchien in meist kleinen Unternehmen, die über hoch motivierte und sehr belastbare Mitarbeiter verfügen: das macht die Branche so interessant für Investoren, erkennt Frohnmeyer. Voraussetzung für eine nachhaltige höhere Bewertung dieses Segments nach der im vergangenen Jahr erfolgten allgemeinen Konsolidierung an der Börse - sei allerdings die Glaubwürdigkeit der Unternehmen. Diese dürfe nicht wie in den USA im letzten Jahr geschehen - durch wenig transparente oder manipulierte Vorgänge gefährdet werden. Antwort auf kommende Entwicklungen: Mergermania? Die Vorreiterrolle der USA in der Biotechnologie ist unumstritten. Dort befinden sich derzeit die meisten Medikamente in der letzten Phase der klinischen
Seite 5 Entwicklung. Zwölf der 16 in den Staaten 2001 neu zugelassenen Wirkstoffe wurden von Biotechfirmen entwickelt, weiß der LBBW-Experte. Dieses sehr fortgeschrittene Branchenstadium erlaubt es, Rückschlüsse auf kommende Entwicklungen in Europa zu ziehen. So seien in den USA bereits seit 1995 intensive Fusions- und Übernahmeaktivitäten festzustellen, die im vergangenen Jahr in drei Großzusammenschlüssen gipfelten (darunter die Fusion der Krebs- und Immunkrankheiten-Spezialisten Amgen und Immunex). Diese Entwicklung habe dazu geführt, dass die Zahl der Biotech-Unternehmen trotz ständiger erfolgreicher Neugründungen stagniere. Die Vorteile dieser Mergers&Acquisitions-(M&A-)Aktivitäten sind vielfältig, und die Zahl der M&As könnte auch in Zukunft in Deutschland und Europa zunehmen, glaubt der LBBW- Analyst: Viele Firmen richten sich verstärkt auf Produkte und das Erreichen der Profitzone aus. Das von Märkten und Anlegern geforderte rasche Umsatzwachstum und der zügige Aufbau eines Produktportfolios lasse sich aber in größeren Einheiten besser darstellen. Bei reiferen Biotech- Unternehmen verliert das Wachstum meist an Dynamik, was durch Übernahme erfolgreicher, kleinerer Firmen kompensiert werden kann. Damit wird auch das Problem der Firmen gelöst, die exklusive Ideen oder Produkte in der Pipeline haben, deren Finanzreserven aber nicht ausreichen, und diese Projekte zu realisieren.