Россия 2011 - Petrosawodsk, die Russen und ich - Ich gehe im Sommer einen Monat nach Russland. Dieser Ausspruch zauberte den meisten meiner Freunde ein überdimensionales Fragezeichen ins Gesicht. Russland?! Was willst du denn in Russland?! Da schneit es doch immer! Selbstverständlich in Russland gibt es nur Schnee, Wodka und Schnee. So oder so ähnlich tauchte die Vorstellung von diesem riesigen Land in den Köpfen meiner Bekannten auf und ließ sie nicht mehr los. Natürlich ist das jetzt etwas übertrieben, aber niemand konnte oder wollte sich recht von derartigen Vorurteilen losreißen eine Sache der Bequemlichkeit und des Unwissens. Ich ließ mich nicht beirren und gab bereitwillig einem jeden die Auskunft: Ich fahre in den Sommerferien 2011 für vier Wochen nach Petrosawodsk. Zu erklären wie ich auf diese manchen aberwitzig erscheinende Idee gekommen bin, ist relativ schwierig, da die Vernunft eher eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Vor einigen Jahren setzte sich das Ziel in mir fest, Russisch zu lernen. Und wie ich nun einmal bin, fing ich dann an, mir selbst Russisch beizubringen. Allein das sei schon eine Unmöglichkeit, meinten viele, aber ich sage dazu nur: Nichts ist unmöglich. Mein Sprachentalent, mein Ehrgeiz und mein halbwegs fotografisches Gedächtnis verhalfen mir zu großen Erfolgen. Die einzige russische Stimme, die ich regelmäßig hörte, war meine eigene, doch als meine Gastschwester Natascha in Deutschland ankam, ließ das Erstaunen sie nicht los. Du sprichst ja beinahe akzentfrei! Wie auch immer das gekommen war aber anscheinend sprach ich manche Sätze mit solcher russischen Inbrunst, dass sie wie aus dem Munde eines waschechten Russen klangen. So viel dazu. Das bringt uns aber nicht dahingehend weiter, warum ich mich denn nun beim DRA beworben habe. Dazu eignet sich vielleicht eine Stelle aus meinem Motivationsschreiben. Besser beschreiben vermag ich es sowieso kaum und das ist ja auch nicht das Thema dieses Reiseberichts. Gesagt, getan. Wie genau ich auf Russland gekommen bin, kann ich gar nicht sagen. Es ist wie eine innere Verbundenheit, wenngleich ich keine Verwandten oder dergleichen in Russland habe. Es ist als ob mein Herz zu mir spricht und mir sagt, dass ich dorthin gehöre, obwohl ich genau genommen relativ wenig über das Land weiß. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als wenigstens einmal in meinem Leben nach Russland zu kommen.
Nachdem Natascha einen Monat bei mir und meiner Familie in Berlin verbracht hatte, flogen wir beide gemeinsam nach St. Petersburg. Der Anfang meiner Russlandreise war gemacht am 2. Juli 2011 verließ ich Berlin, und es ging auf und davon in die Ferne nach Russland. Endlich. Wir flogen abends ab und kamen ungefähr um ein Uhr nachts am Flughafen in St. Petersburg an. Ferne Verwandte Nataschas holten uns ab, nachdem wir irgendwann um zwei Uhr unsere Koffer bekommen hatten. Natascha und ich haben uns gegenseitig folgendes versprochen: In Deutschland nur Deutsch, in Russland nur Russisch. Es war ziemlich ungewohnt, aber erstaunlicherweise verstand ich nahezu alles nur das Sprechen wollte mir aus unerfindlichen Gründen nicht so gut wie in der Heimsituation gelingen. Das tat der Stimmung aber in dem einen Monat keinen Abbruch, auch mit minimalen Kenntnissen empfängt man euch mit einer nie gekannten Gastfreundschaft und solcher Freude, dass man kaum mehr weg mag. Am 3.7.11 hielten wir uns bei ihrer Tante auf. Das Wetter war bombastisch und besonders eins: heiß. Diese Hitze sollte auch während meines gesamten Aufenthalts nicht vergehen. Während meine Eltern in Berlin beinahe absoffen aufgrund des vielen Regens, sehnte ich mich manchmal nach etwas Kühle und weniger Sonne. 31 im Schatten waren Standard. Zum Glück verschaffte uns der See bei Petrosawodsk die nötige Frische, um nicht umzukommen. Nächstes Mal fahre ich im Winter Von St. Petersburg selbst sah ich herzlich wenig, da wir bereits am Abend mit dem Zug weiter fuhren. Den Tag über schliefen wir lange (für Natascha nicht lang genug) und aßen leckeres Gebäck von der Oma. ;)
Zug fahren ist etwas ganz besonderes. Jeder sollte mindestens einmal mit russischen Zügen unterwegs gewesen sein. Eine Erfahrung ist es wert. Mehr verrate ich nicht. Bei der Fahrt fiel mir etwas ins Auge: Es wurde nicht dunkel. Weiße Nächte! Das hatte ich ganz vergessen/verdrängt! Einen Monat lang konnte ich das genießen, was für die Bewohner Petrosawodsk bereits zur Lästigkeit geworden war. Mit Jalousien konnte ich allerdings in Nataschas Zimmer hervorragend schlafen. :) Am 4.7.11 kamen wir im verregneten Petrosawodsk an, der Regen sollte aber der letzte in langer Zeit gewesen sein Nataschas Vater Oleg fuhr uns in ihre Wohnung. Da wir erst/schon um 7:00 früh angekommen waren, legte zumindest ich mich schlafen. Russische Zugfahrten sind lang. Keine Angst, ich handele nicht jeden Tag ab. Eigentlich sollte ich ein Praktikum im Museum haben, doch aufgrund beiderseitigen Missverständnissen und der russischen Gelassenheit kam es doch dazu, dass ich mit Natascha meine und ihre letzten Sommerferien urlaubsartig verbrachte. Spaziergänge am Ufer des Sees waren besonders angenehm. Auch wenn man sich scheinbar besonders hier leicht einen Sonnenbrand einfing. So braun wie in diesem Sommer war ich übrigens noch nie.
Ein wenig vermisste ich meine Heimat. Insbesondere meine drei Katzen. Zum Glück aber hatte Nataschas Familie einen herzallerliebsten Kater. Sjomon. Oder wie auch immer sein Name verdeutscht geschrieben wird. Im Hintergrund steht übrigens mein Begrüßungsschild für Natascha, das ich ihr geschenkt habe, damit sie sich immer an uns erinnert. Außen Pfui, innen Hui. Keine Angst, wenn ihr so etwas erblickt. Die Wohnungen sind völlig in Ordnung und die Menschen noch viel mehr.
Eine kulturelle Fahrt gab es allerdings auch. Wir fuhren per Boot nach Kizhi und übernachteten im Dorf eine russische Erfahrung vom Feinsten. Auch wenn die Kirche gerade renoviert wurde, sie war beeindruckend. Punkt und aus. Dass Menschen vor Jahrhunderten zu so etwas fähig waren, versetzt einen zwangs - läufig in einen ehrfürchtigen Zustand. Die Sicht vom Boot aus. Ich hätte übrigens nie gedacht, welche Ausmaße der See hat In Russland ist halt alles etwas weiter und größer Die Mutter eines russischen Mädchens, das bald nach Deutschland wollte, arbeitete im Museum und daher hatten wir eindeutig Besichtigungsvorteil. Sie führte uns bereits am Abend des 10.7.11 im Dorf umher und zeigte uns die schönsten Stellen.
Solche Holzkirchen gab es einige und allesamt sind sie einfach nur sehenswert. Obwohl uns Mückenscharen die Sicht vernebelten, war unser Spaziergang ein wundervolles Erlebnis, das man am besten durch viele Fotos vermittelt.
Ich fühlte mich, wie in der Zeit zurückversetzt rückblickend ist das Ganze sogar noch schöner als im Juli 2011. Höchstwahrscheinlich weil mich hier keine Insekten oder Hitzewellen verfolgen. :) Наташа
Am 11.7.11 bekamen wir eine kostenlose Führung. Auf den Bildern sieht man zwar eindeutig, wie das Wetter uns (besonders meiner Wenigkeit) zu Schaffen machte, doch erfahren haben wir viel Wissenswertes. In der Kirche war Kopftuch Pflicht. Natascha, dahinter ich, rechts unsere Führerin Julia.
Wie das mit dem Weben funktionierte wussten wir nun auch obwohl selbst Natascha es nicht verstand, haha. War aber schön anzusehen, auch wenn es im Haus stickiger nicht sein konnte. Mein Blick wundervoll... Beachtenswert außerdem die Touristengruppe. Besonders Japaner fluten den Kontinent regelmäßig im Juni und August. Ich habe daher keine gesehen Es gäbe so vieles zu berichten, so vieles zu erzählen. Wie die Russen Auto fahren beispielsweise. Allerdings würde das alles zu weit führen. Wer interessante Anekdoten hören will, schreibt mir, Henrike Vogel, am besten. (gulsary@gmx.net) Meine Schilderungen sind schier endlos. 9 Seiten hier trotzdem ausreichend. Ich habe neue Freunde, eine russische Familie gefunden, meine Sprache verbessert und mich in meiner Offenheit und Toleranz bestätigt gefunden. Mein Sommer 2011 - Unvergesslich!