Rede von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer zum 61. Österreichischen Städtetag am 25. Mai 2011 in St. Pölten

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Transkript:

1 Rede von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer zum 61. Österreichischen Städtetag am 25. Mai 2011 in St. Pölten Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, auch heuer wieder am Österreichischen Städtetag teilnehmen zu können. Denn diese Veranstaltung bietet immer eine gute Gelegenheit mit neuen, aber auch mit bereits länger im Amt befindlichen Kommunalpolitikern, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen und Informationen über Leistungen und Sorgen unserer Städte zu erhalten. Das ist umso wichtiger, als sich die Städte in einem ständigen dynamischen Wandel befinden. Seit 1887, einer Zeit der stürmischen Industrialisierung, wurden Interessen der Städte auf Städtetagen abgesprochen und 1915 entstand daraus der Österreichische Städtebund.

2 Eine Organisation, die sich auch in der Zweiten Republik außerordentlich bewährt hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ebenso unleugbar wie erfreulich, dass die Städte in Österreich in aller Regel gut verwaltet sind. Diese gute Entwicklung der österreichischen Städte ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Bewältigung weiterer Herausforderungen, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf die Städte und Gemeinden zukommen werden: Ich denke zum Beispiel an den zu erwartenden weiteren Zuzug in die urbanen Regionen. Mit 65 Prozent der Bevölkerung in städtischen Regionen liegt Österreich noch unter dem EU- Schnitt von 70 Prozent. Wobei der Trend weiter anhält und auf

3 europäischer Ebene in 20 Jahren etwa drei Viertel der Bevölkerung in den Ballungsräumen leben werden. Dieser Zuwachs der Bevölkerung in den Städten geht mit einer Abwanderung aus den ländlichen Räumen parallel. Stadt und Land sollen aber nicht als Gegensätze, sondern als wertvolle Ergänzungen zueinander gesehen werden. Daher müssen Probleme, die sich durch den Zuzug in die Ballungsräume ergeben, durch Kooperation und gegenseitige Rücksichtnahme gelöst werden. Wanderungen gibt es aber nicht nur zwischen Land und Stadt, also im nationalen Rahmen, sondern auch über nationale Grenzen hinweg. Migration, ist im Hinblick auf die Dimension dieses Phänomens eine weitere Herausforderung, die in hohem Maß auch die kommunale Ebene betrifft.

4 In diesem Zusammenhang möchte ich klar aussprechen, dass ich die Art und Weise wie das Thema Migration von mancher Seite als Munition für parteipolitische Auseinandersetzungen benützt wird, für unakzeptabel und besorgniserregend halte. Menschenwürde, Menschenrechte und Humanität sind Werte, die nicht an der Grenze eines Landes oder einer Region ihre Gültigkeit verlieren. Nationale und andere Emotionen gegen Menschen in Stellung zu bringen, die eine andere Sprache sprechen oder eine andere Religion haben, heißt nicht nur, wichtige Grundsätze der Menschlichkeit und der Menschenrechtsdeklaration zu ignorieren, sondern fügt letzten Endes auch der eigenen Bevölkerung Schaden zu. Im Übrigen wird in wenigen Tagen, nämlich am 1. Juni, das neue Fremdenrechtsänderungsgesetz in Kraft treten, das unter anderem Regelungen betreffend eine Rot-Weiß-Rot-Card enthält, wodurch die Zuwanderung verstärkt unter

5 Bedachtnahme auf Bedürfnisse des Arbeitsmarktes geregelt werden soll. Und das ist gut so. Nach einem guten Arbeitsgespräch mit der neuen Frau Innenministerin von gestern habe ich auch die Hoffnung, dass die Rechtslage auf diesem Gebiet nunmehr für einige Zeit stabil und berechenbar bleiben könnte. Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die Vertretung der Städte gegenüber europäischen Institutionen ist eine wichtige Aufgabe des Städtebundes. Und noch etwas: Wann immer ich Hauptstädte anderer Länder besuche wie z.b. vor wenigen Tagen Moskau, oder vor wenigen Wochen Laibach oder Berlin, bekomme ich Komplimente über Österreichs Städte.

6 Wien zum Beispiel hat in den letzten Jahrzehnten seine architektonische Substanz nicht nur erhalten, sondern deutlich verbessert, seine Stellung als Ort internationaler Begegnungen ausgebaut, viele Kulturdenkmäler auf Hochglanz gebracht, seinen Status als Wirtschaftsstandort gefestigt, neue Projekte verwirklicht und damit insgesamt seine Attraktivität und die Lebensqualität wesentlich erhöht. Graz wurde zu einer der Kulturhauptstädte Europas, hat stark in Forschung und Kultur sowie in Wissenschaft und Lehre investiert und hat große Anziehungskraft auf die Regionen südlich und südöstlich der Steiermark. Linz hat sich als attraktive und angesehene Universitätsstadt etabliert, hat kulturelle, aber auch technologische Highlights geschaffen und seine einseitige Ausrichtung auf die klassischen Industrieanlagen in Richtung moderner Technologien ergänzt und korrigiert.

7 St. Pölten, die Gastgeberstadt dieses Städtetages, ist 1986 zur Landeshauptstadt aufgestiegen und zeichnet sich durch eine Reihe attraktiver Neubauten, durch die gewissenhafte Förderung von Sozialreinrichtungen und durch Lebensqualität aus. Als Wirtschaftsstandort, Verkehrsknotenpunkt und Schulund Fachhochschulstadt nimmt St. Pölten eine gute Entwicklung. Meine Damen und Herren, Ähnliches könnte man über alle Landeshauptstädte und auch viele weitere Städte Österreichs sagen. Das ist das Ergebnis harter Arbeit, sachkundiger Kommunalpolitik und gesunden Menschenverstandes. In diesem Sinne gratuliere ich Ihnen zu ihrer Arbeit im abgelaufenen Jahr und wünsche Ihnen für den weiteren Verlauf des 61. Österreichischen Städtetag den besten Erfolg.