RECHNUNGSLEGUNG UND REVISION AUS SICHT MITTELGROSSER VEREINE Vorschriften des neuen Rechts

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Transkript:

BEATRICE MEYER RECHNUNGSLEGUNG UND REVISION AUS SICHT MITTELGROSSER VEREINE Vorschriften des neuen Rechts Die per 1. Januar 2013 in Kraft getretenen überarbeiteten Bestimmungen zur Buchführung und Rechnungslegung (Art. 957 ff. OR) werden meist aus dem Blickwinkel von Aktiengesellschaften oder Stiftungen thematisiert. Der Umstellungs bedarf bei Vereinen ist aber häufig viel beträchtlicher als bei Aktiengesellschaften oder Stiftungen, da die Vereine bisher wenn überhaupt nur die rudimentären alten kaufmännischen Buchführungsvorschriften einhalten mussten. 1. EINLEITUNG Obschon das seit 2008 geltende Revisionsgesetz nur grosse Vereine zur Revision verpflichtet, wird bei der Mehrheit der Vereine in der Schweiz durch die öffentliche Hand oder die Vereinsstatuten eine Revision festgeschrieben. Diese Revisionen sind aus der Sicht des Zivilgesetzbuchs (ZGB) freiwillig. Welche Revisionsart unter welchen Voraussetzungen bei einer freiwilligen Vereinsrevision eingesetzt werden kann, wird im Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (2014), Band Eingeschränkte Revision (HWP Eingeschränkte Revision) [1] geklärt; der Band ist im Frühling 2014 erschienen. Mittelgrosse Vereine sehen sich folglich mit neuen Herausforderungen bezüglich Rechnungslegung und Revision konfrontiert. Die wesentlichen Änderungen und Klarstellungen werden nachfolgend dargestellt. Nicht behandelt werden die Fragestellungen, die sich einem mittelgrossen Verein, der Swiss GAAP FER anwendet, bei der Umstellung auf die neuen Buchführungs- und Rechnungslegungsnormen stellen, da diese Aspekte in verschiedenen Artikeln bereits abgehandelt wurden, vgl. Teitler-Feinberg, Zöbeli [2] und Annen, Teitler-Feinberg [3]. 2. AUSGANGSLAGE In der Schweiz gibt es schätzungsweise 80 000 Vereine [4], wovon rund 7000 bis 10 000 [5] karitativ tätig sind. Die öffentliche Hand finanziert die karitativ tätigen Vereine teilweise und verknüpft die finanzielle Unterstützung meist BEATRICE MEYER, LIC. OEC., DIPL. WIRT SCHAFTSPRÜFERIN, DOZENTIN, ZÜRCHER HOCHSCHULE FÜR ANGEWANDTE WISSENSCHAFTEN, WINTERTHUR/ZH, MEYB@ZHAW.CH mit der Einhaltung von Vorgaben in Bezug auf die Rechnungslegung und die Revision. Im Fokus dieses Artikels stehen die Vereine, die sich in das Handelsregister eintragen lassen müssen. Eingetragen im Handelsregister sind per 1. Januar 2014 nur 7608 Vereine [6]. Gemäss unserer Erfahrung tragen sich viele Vereine nicht ein, obwohl sie ein kaufmännisches Gewerbe führen und daher eintragungspflichtig wären. Die meisten karitativen Vereine dürften mittelgross sein, von den mitgliederorientierten fallen einige in diese Kategorie. Die nachfolgend beschriebenen Sachverhalte betreffen somit Zehntausende von mittelgrossen Vereinen. Gemäss der diesem Artikel zugrunde gelegten Definition unterliegt ein mittelgrosser Verein der Eintragungspflicht in das Handelsregister, da er ein kaufmännisches Gewerbe führt. Die Abgrenzung zum grossen Verein erfolgt mittels der in Art. 69 b ZGB vorgesehenen Schwellenwerte (Bilanzsumme CHF 10 Mio., Ertrag CHF 20 Mio., 50 Vollzeitstellen); der mittelgrosse Verein überschreitet diese Werte nicht. Die revidierten Bestimmungen zur kaufmännischen Buchführung und Rechnungslegung sind am 1. Januar 2013 in Kraft getreten. Nach Ablauf einer Übergangsfrist müssen Buchführung und Rechnungslegung von mittelgrossen Vereinen im Jahr 2015 den neuen Bestimmungen genügen. Insbesondere die mittelgrossen Vereine sind von diesen Änderungen tangiert, denn die früheren Bestimmungen des 32. Titels des Obligationenrechts (OR) waren rudimentär gefasst. Die wichtigsten Änderungen werden nachfolgend erläutert. Da der Begriff des kaufmännischen Gewerbs viel Interpretationsspielraum zulässt, wird einleitend darauf eingegangen. 3. KAUFMÄNNISCHES GEWERBE Durch den überarbeiteten 32. Titel des OR unterliegt ein im Handelsregister eintragungspflichtiger Verein bezüglich Buchführung und Rechnungslegung heute deutlich höheren Anforderungen. Zuvor war der Unterschied zwischen Anwendung von Art. 957 ff. OR und einer reinen Milchbüchleinrechnung gering. In diesem Zusammenhang erlangt die Frage der Eintragungspflicht ein höheres Gewicht. 4 2015 DER SCHWEIZER TREUHÄNDER 235

RECHNUNGSLEGUNG UND REVISION AUS SICHT MITTELGROSSER VEREINE Es ist in der Praxis allerdings schwierig festzulegen, wann ein Verein ein kaufmännisches Gewerbe betreibt, da der Begriff im Gesetz nicht näher bestimmt wird [7]. Indizien, dass ein kaufmännisches Gewerbe vorliegt, sind gemäss mit verschiedenen Rechnungslegungsexperten geführten Interviews [8] die Intensität der Aussenbeziehungen, der Grad der Arbeitsteilung, Umsatz und Anzahl Angestellte. Vogt [9] nennt ähnliche Kriterien, es sind der Grad der Arbeitsteilung, die Zahl der Angestellten und Kunden, Umsatz und Kapitalintensität. «Von besonderem Interesse ist, dass nun auch ein mittelgrosser Verein eine wesentliche Nettoauflösung von stillen Willkürreserven im Anhang offenzulegen hat.» 4. BUCHFÜHRUNG UND RECHNUNGSLEGUNG Mit den überarbeiteten Art. 957 ff. OR hat der Gesetzgeber eine ganzheitliche Grundlage zur Buchführung und Rechnungslegung geschaffen, die rechtsformübergreifende Gültigkeit hat [10]. Das neue Rechnungslegungsrecht ist in fünf Abschnitte geteilt, wobei mittelgrosse Vereine in der Regel nur die ersten zwei Abschnitte anzuwenden haben. Im ersten Abschnitt werden die Allgemeinen Bestimmungen behandelt, im zweiten die Jahresrechnung. Der erste Abschnitt behandelt die Allgemeinen Bestimmungen, die für mittelgrosse Vereine verbindlich sind. Die Allgemeinen Bestimmungen enthalten die Grundsätze ordnungsgemässer Buchführung (Art. 957 a Ziff. 2 OR) und Rechnungslegung (Art. 958 c OR). Diese Grundsätze sind weitgehend identisch mit denjenigen gemäss den ausser Kraft gesetzten aktienrechtlichen Vorschriften. Mittelgrosse Vereine müssen die Grundsätze ordnungsgemässer Buchführung und Rechnungslegung neu anwenden. Die Anwendung dürfte aufgrund der weitgehenden Analogie mit dem bisherigen Aktienrecht jedoch unproblematisch sein. Nebst den Grundsätzen ordnungsmässiger Buchführung und Rechnungslegung ist die Rechnungslegung auf der Grundlage der Unternehmensfortführung (Art. 958 a OR) und Abgrenzungen (Art. 958 b OR) vorzunehmen. Beide Regelungen sind für den mittelgrossen Verein neu. So ist zum einen jeweils zu überprüfen, ob der Verein auf absehbare Zeit (12 Monate) fortgeführt werden kann. Und zum anderen sind Aufwände und Erträge in zeitlicher und sachlicher Hinsicht abzugrenzen, wenn der Umsatz über CHF 100 000 liegt. Zudem sehen die kaufmännischen Buchführungsvorschriften neu vor, dass die Vorjahreszahlen (Art. 958 d Ziff. 2 OR) anzugeben sind und dass die Jahresrechnung innert sechs Monaten dem zuständigen Organ (Art. 958 Ziff. 3 OR) im vorliegenden Falle der Vereinsversammlung vorzulegen sind. Die zweite Änderung ist in zweierlei Hinsicht bedeutsam. So hat einerseits der Vereinsvorstand bei der Jahresplanung die fristgerechte Durchführung der Vereinsversammlung zu berücksichtigen. Anderseits ist es nun auch denkbar, dass ein eingeschränkter Revisionsbericht eines Vereins einen Hinweis enthält. Falls die Vereinsversammlung nicht innerhalb sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahrs einberufen wurde, ist die Vereinsversammlung auf diesen Gesetzesverstoss aufmerksam zu machen. Der zweite Abschnitt trägt den Titel Jahresrechnung. Darin enthalten sind die meisten Änderungen aus Sicht eines mittelgrossen Vereins. Die ersetzten kaufmännischen Vorschriften kannten nur wenige Bestimmungen zur Jahresrechnung. Im Vergleich zu den ersetzten aktienrechtlichen Vorschriften ist die Rechnungslegung nun deutlich umfassender geregelt. So werden in Art. 959 OR Begriffe wie z. B. Aktiven und Verbindlichkeiten jetzt klar definiert und mit dem beobachtbaren Marktpreisen (Art. 960 b OR) eine neue Bewertungsoption eingeführt. Die Vergegenwärtigung der üblichen Bilanzpositionen [11] eines mittelgrossen Vereins lässt den Schluss zu, dass sich hier in der Umsetzung der neuen Vorschriften kaum Probleme ergeben dürften. Dabei ist davon auszugehen, dass in der Vielzahl der Fälle weiterhin eine Bewertung zu Anschaffungswerten unter Abzug der notwendigen Abschreibungen und Wertberichtigungen erfolgen wird. Die ebenfalls im zweiten Abschnitt geregelten Mindestgliederungsvorschriften von Bilanz und Erfolgsrechnung sind neu durch einen mittelgrossen Verein einzuhalten. Die Mindestgliederungsvorschriften richten sich auch in den geltenden kaufmännischen Buchführungsvorschriften an gewinnorientierten Gesellschaften aus. Die Buchführung hat mit Blick auf die Art und Grösse zweckmässig zu erfolgen (Art. 957 a Abs. 2 Ziff. 4 OR). Daraus lässt sich ableiten, dass vereinsspezifische Änderungen zulässig sind [12]. So können beispielsweise anstelle der gemäss im OR aufgeführten Bezeichnungen der Eigenkapitalpositionen auch vereinstypische Bezeichnungen verwendet werden. Neu ist für einen mittelgrossen Verein zudem die Pflicht dazu gekommen, einen Anhang zu erstellen. Die hierfür vorgesehenen Mindestangaben sind im zweiten Abschnitt in Art. 959 c OR aufgeführt. Die Funktion des Anhangs ist die Ergänzung und Erläuterung der Jahresrechnung (Art. 959 c Abs. 1 OR). Auszuweisen sind nur die zutreffenden Positionen [13]. Im Zuge einer möglichst transparenten Rechnungslegung wäre die Aufführung aller ausweispflichtigen Tatsachen, versehen mit einer allfälligen Angabe «Nicht vorhanden», empfehlenswert, da für den Leser des Jahresabschlusses eines mittelgrossen Vereins der gesetzlich geregelte Anhang ein Novum ist. Von besonderem Interesse ist, dass nun auch ein mittelgrosser Verein eine wesentliche Nettoauflösung von stillen Willkürreserven im Anhang offenzulegen hat (Art. 959 c Abs. 1 Ziff. 3 OR). Somit ist im Zuge der Umstellung auf die neuen Vorschriften zu prüfen, ob im konkreten Fall stille Willkürreserven vorhanden sind und falls ja, wie hoch der Vorjahresbestand und der Bestand des laufenden Geschäftsjahrs sind, damit die Veränderung berechnet und daraus Rückschluss auf eine allfällige Nettoauflösung gezogen wer 236 DER SCHWEIZER TREUHÄNDER 2015 4

RECHNUNGSLEGUNG UND REVISION AUS SICHT MITTELGROSSER VEREINE RECHNUNGSWESEN den kann. Aufgrund unserer Erfahrung nutzen auch mittelgrosse Vereine häufig das Instrument der stillen Willkürreserven, um den Gewinnausweis zu steuern. Die Optimierung der Steuern und die Vorsicht sind bei steuerpflichtigen Vereinen wie bei Aktiengesellschaften hierfür mögliche Motive. Karitative Vereine hingegen sind meist von der Steuerpflicht befreit. Eine schwarze Null wird unserer Einschätzung nach dennoch häufig angestrebt, weil davon ausgegangen wird, dass ein hoher Reingewinn Spender abschrecken könnte. Die Rechnungslegung für grössere Unternehmen wird im dritten Abschnitt geregelt und ist von mittelgrossen Vereinen nur dann anzuwenden, wenn dies auch von einer Minderheit (20% der Vereinsmitglieder) verlangt wird (Art. 961 d Abs. 2 OR). Wird ein mittelgrosser Verein zum ausführlicheren Abschluss für grosse Unternehmen verpflichtet, so sind zusätzliche Angaben im Anhang zu machen, eine Geldflussrechnung zu erstellen und ein Lagebericht zu verfassen (Art. 961 OR). Im vierten Abschnitt wird der gesetzliche Abschluss nach anerkanntem Standard geregelt. Ein solcher ist von mittelgrossen Vereinen ebenfalls nur dann zu erstellen, wenn dies von einer Minderheit (wieder 20% der Vereinsmitglieder) verlangt wird (Art. 962 Abs. 2 OR). In der Verordnung über die anerkannten Standards der Rechnungslegung werden die entsprechenden Anforderungen vom Bundesrat vorgegeben. Ein mittelgrosser Verein wird sich aller Voraussicht nach für Swiss GAAP FER 21 als anerkannten Standard entscheiden, da von den aufgeführten Normen nur dieser Standard die Besonderheiten der Rechnungslegung von Nonprofit-Organisationen (NPO) berücksichtigt. Der fünfte Abschnitt regelt die Konzernrechnung. Aufgrund der Tatsache, dass die kaufmännische Buchführung und Rechnungslegung seit 1. Januar 2013 rechtsformunabhängig geregelt ist, ist das Thema Konzernrechnung nun auch für den mittelgrossen Verein relevant. Die Möglichkeit der Delegation an eine Konzerngesellschaft wird in diesem Artikel nicht thematisiert. In der NPO-Praxis kommt es selten vor, dass ein mittelgrosser Verein eine Kapitalgesellschaft über Stimmenmehrheit beherrscht. Viel häufiger ist es der Fall, dass ein mittelgrosser Verein einen beherrschenden Einfluss auf andere rechnungslegungspflichtige Vereine oder Stiftungen ausübt. Die Einflussnahme erfolgt meist über eine Personalunion, zum Beispiel ist der Vorstand eines Fördervereines identisch mit dem Stiftungsrat der geförderten operativen Institution. Eine Pflicht zur Erstellung einer konsolidierten Rechnung besteht gemäss Art. 963 Abs. 2 OR, wenn ein mittelgrosser Verein ein rechnungslegungspflichtiges Unternehmen kon 4 2015 DER SCHWEIZER TREUHÄNDER 237

RECHNUNGSLEGUNG UND REVISION AUS SICHT MITTELGROSSER VEREINE trolliert. Die Kontrolle kann über das Halten der Stimmenmehrheit oder über einen beherrschenden Einfluss gegeben sein. Die Frage stellt sich, ob gemäss Gesetz auch kontrollierte Vereine und Stiftungen im Sinne der Konsolidierungspflicht als Unternehmen gelten. Dazu wurden Experten befragt [14]. Eine Mehrheit vertritt die Ansicht, dass auch in diesem Falle ein mittelgrosser Verein kontrolliert andere Vereine oder Stiftungen eine Konsolidierungspflicht gemäss OR vorliegt. Die Frage der Konsolidierung im dritten Sektor wird nicht weiter erörtert, da die meisten NPO-Konzerne von der Konsolidierung befreit sein dürften, da die Schwellenwerte gemäss Art. 963 a Abs. 1 Ziff. 1 OR (Bilanzsumme CHF 20 Mio., Umsatzerlös CHF 40 Mio., 250 Vollzeitstellen) nicht überschritten werden. 5. ABSCHLUSSPRÜFUNG Art. 69 b Abs. 4 ZGB sieht grundsätzlich keine Revisionspflicht für mittelgrosse Vereine vor. Einzige Ausnahme bildet Art. 69 b Abs. 2 ZGB, gemäss welchem Mitglieder mit persönlicher Haftung oder Nachschusspflicht eine eingeschränkte Revision verlangen können. Vom ZGB her gesehen, sind mittelgrosse Vereine in der Gestaltung der Revision frei. Das HWP Eingeschränkte Revision enthält verschiedene für den mittelgrossen Verein bedeutsame Ausführungen, die nachfolgend besprochen werden. Zwei Gestaltungsformen sind gemäss HWP Eingeschränkte Revision [15] für eine freiwillige Revision denkbar. Die erste regelt die Revision im Rahmen eines Auftragsverhältnisses, die zweite durch die freiwillige Einsetzung einer aktienrechtlichen Revisionsstelle mit Organstellung. Eine aktienrechtliche Revisionsstelle kann bei einem Verein nur durch eine entsprechende Statutenbestimmung oder durch einen Beschluss der Vereinsversammlung eingesetzt werden. Unserer Erfahrung nach werden mittelgrosse, karitativ tätige Vereine häufig im Rahmen einer eingeschränkten Revision geprüft. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass die öffentliche Hand bei subventionierten Vereinen eine Revision verlangt [16] und die eingeschränkte Revision als Revisionsart vorgibt. Sobald ein Verein eingeschränkt geprüft wird, ist darauf zu achten, dass wie beschrieben eine entsprechende Statutenbestimmung oder ein Beschluss der Vereinsversammlung vorliegt und dass alle aktienrechtlichen Regelungen betreffend die Revision berücksichtigt werden [17]. Die Berücksichtigung der aktienrechtlichen Regelungen kann im Rahmen einer Überschuldung eines Vereins einige Fragen aufwerfen, doch die Behandlung dieser Frage würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen. Auch bei nicht subventionierten Vereinen wird in der Praxis mehrheitlich eine Revision durchgeführt. Festgeschrieben ist dies häufig in den Vereinsstatuten oder in einem Vereinsversammlungsbeschluss. Eine solche, gesetzlich gesehen freiwillige Revision kann als eingeschränkte Revision oder als Review nach PS 910 durchgeführt werden. Wie beschrieben, hat der Abschussprüfer im ersten Falle eine Organstellung im Sinne des Aktienrechts, im zweiten Fall ist er Beauftragter. Welche dieser beiden Möglichkeiten die bessere ist, sei dahingestellt, es kommt immer auf den Einzelfall an [18]. So kann man die eingeschränkte Revision als passende Art erachten, weil die Prüftiefe einer Review mit einzelnen Detailprüfungen kombiniert wird. Dies dürfte in der Regel jedoch auch mit höheren Kosten verbunden sein. Hingegen sticht die Review nach PS 910 vor allem durch internationale Kompatibilität hervor. Für den in der Schweiz tätigen Verein dürfte die Internationalität in der Regel jedoch kein Argument sein. Die Revisionsstelle kann auch im Rahmen einer freiwilligen Revision im Handelsregister eingetragen werden. Vor 238 DER SCHWEIZER TREUHÄNDER 2015 4

RECHNUNGSLEGUNG UND REVISION AUS SICHT MITTELGROSSER VEREINE RECHNUNGSWESEN aussetzung ist jedoch, dass diese mindestens eine Abschlussprüfung durchführt, die die gesetzlichen Anforderungen an eine eingeschränkte Revision erfüllt. Andernfalls besteht keine Revisionsstelle im Rechtssinne [19]. 6. FAZIT Die seit 1. Januar 2013 mit zweijähriger Übergangsfrist in Kraft gesetzten revidierten Bestimmungen zur kaufmännischen Buchführung und Rechnungslegung beinhalten insbesondere für mittelgrosse Vereine zahlreiche neue Regelungen. So ist im Vergleich zu kleinen und grossen Vereinen oder zu anderen Rechtsformen wie Aktiengesellschaften der Anpassungsbedarf für den mittelgrossen Verein deutlich höher und verlangt einen grösseren Effort, um die Anforderungen des neuen Rechts zu erfüllen. Ein Augenmerk ist unserer Ansicht nach insbesondere auf die Ausgestal tung des Anhangs (u. a. Thematik Nettoauflösung stiller Willkürreserven) und die fristgerechte Durchführung der Vereinsversammlung zu legen. Vom ZGB her gesehen, sind mittelgrosse Vereine in der Gestaltung der Revision frei. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass in den meisten Fällen freiwillig eine Revision durchgeführt wird, sei es, weil der Subventionsgeber oder die Statuten eine solche vorschreiben oder die Vereinsversammlung einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Das HWP Eingeschränkte Revision enthält verschiedene, für den mittelgrossen Verein bedeutsame Ausführungen wie die Gestaltungsformen einer freiwilligen Revision (Organstellung im Sinne des Aktienrechts oder Auftragsverhältnis) sowie die durch eine freiwillig durchgeführte eingeschränkte Revision zu erfüllenden Anforderungen. Die Review nach PS 910 kann zudem eine valable Option sein. Anmerkungen: 1) Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (2014), Band Eingeschränkte Revision, Zürich, Treuhand-Kammer (zit. HWP Eingeschränkte Revision). 2) Teitler-Feinberg E., Zöbeli D., Droht den Nonprofit-Organisationen ein dualer Abschluss? Kompatibilität von Swiss GAAP FER 21 und Kern-FER mit dem revidierten Rechnungslegungsrecht, Der Schweizer Treuhänder, ST 2014/1 2, S. 18 24. 3) Annen M., Teitler-Feinberg E., Neue Rechnungslegung nach OR und Swiss GAAP FER Wie weit gehen die Synergien? Der Schweizer Treuhänder, ST 2014/4, S. 311 319. 4) Helmig B., Lichtsteiner H., Gmür M. (2010: 157), Der dritte Sektor der Schweiz: Länderstudie im Rahmen zum Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project (CNP), Bern, Haupt. 5) Meyer B., Bergmann A., Passardi M., Zöbeli D. (2010: 10), Rechnungslegung sozialer Nonprofit-Organisationen Grundlagen, Untersuchungsergebnisse, Empfehlungen, Zürich, Schulthess. 6) http://www. zefix.ch/shab (19. 11. 14) 7) Zöbeli D., Exer A., Baumann A. (2010: 15), Rechnungswesen, Revision und Steuern für Vereine, Zürich, Orell Füssli. 8) Frischknecht J. (2014: 15 ff.), Rechnungslegungs- und Revisionsgesetz eine Betrachtung aus Vereinssicht, Winterthur, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Bachelorarbeit. 9) http://www.rwi. uzh.ch/elt-lst-vogt/gesellschaftsrecht [1]/kaufmun ternehmen /de/html/definition_learningobject [2]. html (19. 11. 14). 10) Zöbeli D., Zihler F. (2012: 11), Nonprofit-Organisationen und das zukünftige Rechnungslegungsrecht. Rechnungswesen & Controlling, 2012 (2), S. 11 12. 11) Flüssige Mittel, Forderungen, Mobilien, Immobilien (vor allem bei karitativen Vereinen), Verbindlichkeiten, kumulierte Reinerfolge Vorjahre, aufgrund der Abgrenzungspflicht vermehrt transitorische Aktiven und Passiven, zudem zweckgebundene und freie Fonds (vor allem bei karitativen Vereinen). 12) Teitler- Feinberg E., Zöbeli D., Droht den Nonprofit-Organisationen ein dualer Abschluss? Kompatibilität von Swiss GAAP FER 21 und Kern-FER mit dem revidierten Rechnungslegungsrecht, Der Schweizer Treuhänder, ST 2014/1 2, S. 18 24. 13) Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (2014: 279), Band Buchführung und Rechnungslegung, Zürich, Treuhand-Kammer. 14) Frischknecht J. (2014: 15 ff.), Rechnungslegungs- und Revisionsgesetz eine Betrachtung aus Vereinssicht. Winterthur: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Bachelorarbeit. 15) Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (2014: 33), Band Eingeschränkte Revision, Zürich, Treuhand-Kammer. 16) Benz E. (2004), Rechnungsrevision im Verein vom hohen Nutzen einer oft wenig geliebten Aufgabe, http:// www.vitaminb.ch/static/files/arbeitshilfen/rech nungsrevision.pdf. 17) Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (2014: 33), Band Eingeschränkte Revision, Zürich, Treuhand-Kammer. 18) Annen M., Vergleich eingeschränkte Revision zu Review nach PS 910 Welches Instrument eignet sich für die Schweizer Prüfungslandschaft?, Der Schweizer Treuhänder, ST 2013/12, S. 910 915. 19) Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung (2014: 33), Band Eingeschränkte Revision, Zürich, Treuhand- Kammer. 4 2015 DER SCHWEIZER TREUHÄNDER 239