Beitrag aus der Festschrift 2005 50 Jahre Landesanstalt für Pflanzenschutz Stuttgart 50 Jahre integrierter Pflanzenschutz Baden-Württemberg 1955 LANDESANSTALT FÜR PFLANZENSCHUTZ
2 MAIER; GÜNTER MAIER; GÜNTER Das Sachgebiet Pflanzenschutzwarndienst stellt sich vor Introduction of the section forecasting service for plant protection Das Sachgebiet Warndienst der Landesanstalt für Pflanzenschutz (LfP) unterstützt die regionalen und übergebietlichen staatlichen Pflanzenproduktionsberater in Baden-Württemberg bei deren aktuellen Warnhinweisen. Dabei liegen die Schwerpunkte der Arbeit im Bereich des Aufbaus und der Instandhaltung der Wetterstationen, der Verarbeitung und Bereitstellung von Wetterdaten sowie der Betreuung der Prognoseprogramme. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zur Förderung des integrierten Pflanzenschutzes in Baden Württemberg geleistet. Rückblick Mit verstärktem Umweltbewusstsein und zunehmenden Kenntnissen der biologischen Vorgänge etablierte sich in den 80er Jahren der integrierte Pflanzenschutz in der Obstbaupraxis in Baden Württemberg mit dem Ziel der Vermeidung und Optimierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. Eine wesentliche Grundvoraussetzung zur Erreichung dieses Ziels ist die Möglichkeit zur Prognose der Entwicklung der Schadorganismen. Deshalb wurde schon früh an mathematischen Modellen gearbeitet, um diesbezüglich Vorhersagen berechnen zu können. In jedem Fall sind die örtlichen Wetterbedingungen der bei weitem wichtigste Einflussfaktor auf die Entwicklung. Die präzise Kenntnis des Kleinklimas ist infolgedessen eine sehr wichtige Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Prognoseprogrammen im integrierten Pflanzenschutz. Da zu diesem Zeitpunkt nur sehr großräumig Wetterdaten vom Deutschen Wetterdienst verfügbar waren (für Umgebungen von Konstanz, Freiburg, Stuttgart, Mannheim, Ulm und Öhringen), war es eines der vorrangigen Ziele, eigene Wetterdaten für den Pflanzenschutz direkt aus den Anbaugebieten zu erhalten. Dies resultierte in der Entwicklung von speziellen Erfassungsgeräten und Sensoren zur Bestimmung der Wetterfaktoren im Pflanzenschutz. Zuerst existierten ausschließlich rein mechanische Geräte, welche die Wetterparameter auf einem Papierdiagramm aufzeichneten. Die Auswertung musste anschließend manuell erfolgen. Im weiteren Verlauf der Entwicklung wurden Antrieb und Auswertung durch elektromechanische und elektronische Komponenten verbessert. Erst durch den Einsatz der Digitaltechnik war es möglich, die Daten im Gerät zu speichern und die Auswertelogik im Gerät den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen. Einen weiteren wichtigen Schritt in der Verbesserung der Schaderregerprognose konnte Anfang der 90er Jahre durch den Einsatz des Personal Computers erreicht werden. Erstmalig bestand jetzt die Möglichkeit, die Daten auf den PC zu übertragen und dort die Berechnungsalgorithmen der Prognose zu optimieren. Mit der Fernabfrage der Wetterstationen war ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Pflanzenschutzwarndienstes erreicht. Fortan konnten die Wetterdaten eines größeren Gebiets zentral erfasst und ausgewertet werden.
Das Sachgebiet Pflanzenschutzwarndienst stellt sich vor 3 Der Pflanzenschutzwarndienst der LfP Stuttgart Dieser Zeitpunkt war im Grunde die Geburtsstunde des Warndienstes der LfP Stuttgart in seiner heutigen Form. Mit der zunehmenden Spezialisierung der Aufgabengebiete wurden diese bei der LfP gebündelt. Insbesondere der Aufbau und die Instandhaltung der Wetterstationen, die zentrale Fernabfrage, die Bereitstellung der Daten und die Betreuung der Computerprogramme wurden jetzt von der LfP Stuttgart zentral für ganz Baden- Württemberg ausgeführt. Wetterstationen für den Pflanzenschutz 20x Ackerbau 43x Obstbau 12x DWD-Daten 1 Automatische Fernabfrage der Wetterdaten ( 3x täglich ) Wetterdatenbank der Landesanstalt für Pflanzenschutz (LfP 2 ) Heilbronn Temperatur Luftfeuchte Niederschlag Blattfeuchte 28.03.2005 13,5 79 0,0 24,0 09:00 h Biberach Temperatur Luftfeuchte Niederschlag Blattfeuchte 28.03.2005 14,0 82 0,0 20,0 09:00 h 28.03.2005 10:00 h 13,5 96 0,2 95,0 28.03.2005 11:00 h 14,2 98 0,4 100,0 28.03.2005 12:00 h 15,3 92 0,0 95,0 28.03.2005 13:00 h 17,2 88 0,0 72,0 Infoservice der LfP 2 Stuttgart Prognoseprogramme Berechnung Infektionswahrscheinlichkeit Pflanzenproduktionsberater Ackerbau Obstbau Sonderkulturen Telefon Internet Anrufbeantworter Fax persönlich Tel: 01805 197-197-XX Beratung der Landwirte 1 DWD = Deutscher Wetterdien 2 LfP = Landesanstalt für Pflanzenschutz 3 RPen = Regierungspräsidien Abb. 1: Organisationsstruktur des amtlichen Pflanzenschutzwarndienstes in Baden-Württemberg Die Grundlagen des heutigen PC-basierten Warndienstes wurden in den 90er Jahren manifestiert und kontinuierlich erweitert. Die aktuelle Organistationsstruktur und die Aufgaben im Warndienst der LfP sind in Abbildung 1 schematisch dargestellt.
4 MAIER; GÜNTER Wetterstationen für den Pflanzenschutz Im Frühjahr 2005 werden von der LfP Stuttgart 43 Schorfwarngeräte und 20 Ackerbauwetterstationen betrieben (Abb. 2). Der Deutsche Wetterdienst liefert gegenwärtig die Daten von 12 Wetterstationen. Grundsätzlich werden Stundendaten erfasst und verarbeitet. Die Schorfwarngeräte sind heute ausnahmslos vom Typ HP100 (Abb. 3) der Firma Lufft. Dieses ältere jedoch sehr zuverlässige Schorfwarngerät ist in der Regel direkt in der Obstanlage in 2 m Höhe montiert und verfügt über folgende Sensoren: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Niederschlag, Blattfeuchte und Hell/Dunkel. Die Messwerte werden bei diesem Gerätetyp alle 12 Min. analog in einer Messbox (Abb. 4) in der Obstanlage erfasst und Abb. 2: Wetterstationen für den Pflanzenschutzschutz an das Basisgerät analog übermittelt. Zentrales Element der Messung ist hierbei der Blattnässesensor, der direkt im Blattwerk des Apfelbaumes montiert wird und sowohl Niedeschläge als auch Tau sehr feinfühlig aufzeichnet. Das Messprinzip basiert auf der elektrischen Widerstandsmessung eines Papierblättchens. Abb. 3: Schorfwarngerät Lufft HP100 HP100-Schorfwarngeräte stehen ausnahmslos bei Landwirten und können von den Landwirten auch direkt zur Anzeige der Schorfinfektionsgefahr verwendet werden. Die Fernabfrage der Geräte erfolgt über das Telefonnetz. Abb. 4: Messbox zu Schorfwarngerät HP100
Das Sachgebiet Pflanzenschutzwarndienst stellt sich vor 5 Auch im Bereich der Ackerbauwetterstationen wurde in der Vergangenheit eng mit dem Wetterstationshersteller Lufft in Fellbach zusammengearbeitet. Hier kommt überwiegend das Modell Opus II (15 Stück, Abb. 5) zum Einsatz. Dieses Modell verfügt über 8 Sensoren und erfasst zusätzlich zu den oben genannten Parametern die Windgeschwindigkeit, die Solarstrahlung, die Lufttemperatur in 20 cm Höhe und die Bodentemperatur in 5 cm Tiefe. Die Aufzeichnung der Messwerte erfolgt in 10-Minutenintervallen. Die Abfrage der Messergebnisse erfolgt hier ausschließlich über das Telefonnetz. Die lokale Auswertung der Wetterdaten ist nicht mehr vorgesehen. Datenabruf und Verarbeitung der Wetterdaten Die Daten dieser Wetterstationen werden dreimal täglich über Telefonmodems abgerufen, zu Stundendaten aggregiert und in den Computersystemen der LfP (Abb. 6) in einer Datenbank gespeichert. Dort werden die Daten regelmäßig manuell auf Plausibilität und Vollständigkeit geprüft. Für einige Wetterstationen hat sich dabei ein Datenarchiv der letzten 11 Jahre angesammelt. Abb. 5: Ackerbau-Wetterstation OPUS II Unmittelbar nach dem Abruf der Daten werden diese den Pflanzenproduktionsberatern bereitgestellt. Dazu hat die LfP im Laufe der vergangenen Jahre im Intranet der Landesverwaltung ein Serviceangebot aufgebaut. Grundsätzlich kann dieses Angebot in drei Kategorien eingeteilt werden: Abb. 6: EDV Technik der LfP bestehend aus Abruf-PCs, Datenbank- und Webserver - Angebote zum Herunterladen von formatierten Wetterdaten zur Verwendung im jeweiligen Prognoseprogramm. - Wetterdaten in tabellarischer oder grafischer Form zum Download und zur visuellen Auswertung. - Auswertungen der Wetterdaten wie zum Beispiel Temperatursummen und Aufstellungen der Blattnassdauer.
6 MAIER; GÜNTER Prognoseprogramme eine wichtige Grundlage des integrierten Pflanzenschutzes Bei weitem der wichtigste Verwendungszweck der Wetterdaten ist die Nutzung in den gängigen Prognoseprogrammen. Die EDV-technische Betreuung dieser Prognoseprogramme gehört ebenfalls zum Aufgabengebiet des Sachgebiets Warndienst. Entsprechend der ökonomischen Bedeutung der Erreger von Feuerbrand und Schorf haben Programme für diese Schadorganismen auch die größte Relevanz. Bei der Feuerbrandprognose kommt das Programm der LfP (Moltmann, Monger) zum Einsatz. Bei der Schorfprognose werden die Programme von Welte und Trapman (RIMpro) verwendet. Weitere Prognosemodelle, wie zum Beispiel die Apfelschalenwicklerprognose im Bodenseeraum, haben im Obstbau eine geringere Bedeutung. Im Ackerbau sind zur Zeit vorwiegend die Modelle der Firma proplant und der ZEPP [1]/ISIP [2] im Einsatz. Im Jahr 2005 wird erstmals die neue Version des proplant- Prognoseprogramms expert.classic in der Praxis eingesetzt. Die Modelle der ZEPP sind im Programmpaket Paso integriert. Dieses Programm enthält eine Vielzahl von Prognosemodellen mit Schwerpunkten im Kartoffel- und Getreideanbau. Die aktuelle Version umfasst über 20 verschiedene Modelle. Die bewährtesten Prognosealgorithmen aus Paso wurden in den vergangenen 3 Jahren in der Internetplattform von ISIP einem größeren Praktikerkreis zugänglich gemacht. Der telefonische Auskunftgeber Eine weitere Aufgabe des Sachgebiets ist die Unterstützung der Pflanzenproduktionsberater bei der Veröffentlichung der Beratungsempfehlung über ein telefonisches Auskunftsystem. Dieses System hat die herkömmlichen Anrufbeantworter der regionalen und überregionalen Berater im Jahre 2000 abgelöst und ist durch eine zentrale Servicerufnummer im Nummernkreis 01805-197-197-XX erreichbar. Vorteil des neuen Systems ist die zentrale Verwaltung dieses Auskunftdienstes und eine zentrale Erstellung von Anrufe in % 60 50 40 30 20 10 0 2001 2002 2003 2004 Jahr 150000 Anrufe/Jahr 125000 100000 75000 50000 25000 Abb. 7: Abrufstatistik elektronischer Auskunftgeber 0 Obstbau Weinbau Ackerbau sonstige Abrufstatistiken der Nutzung. Im Durchschnitt der vergangenen Jahre wurden jährlich ca. 130.000 Anrufe ohne Weinbau registriert (Abb.7). Dieses System ist neben den anderen Beratungsangeboten (Internet, Fax, usw.) ein wichtiger Bestandteil der Pflanzenschutzberatung Baden-Württemberg. in Abkürzungen [1] ZEPP Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen im Pflanzenschutz [2] ISIP Informationssystem integrierte Pflanzenproduktion e.v.