Die aktuelle Lage in der DR Kongo:

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Transkript:

Die aktuelle Lage in der DR Kongo: Ein Update zur Verlängerung der Übergangsperiode und zur anhaltenden Gewalt im Osten Von Pamphile Sebahara In den vergangenen Monaten haben zwei wesentliche Ereignisse die Situation in der Demokratischen Republik Kongo geprägt: Die Verlängerung des sogenannten politischen Übergangs bis zum Juni 2006 und neue Gewaltausbrüche im Osten. In Nord- und Süd-Kivu verbreiten ruandische Hutu-Rebellen und örtliche kongolesische Milizen Angst und Schrecken. Die immer größere Instabilität im Osten ist heute eines der Haupthindernisse für die Vorbereitung der Wahlen. Angesichts der Bedeutung, die einem erfolgreichen Wahlprozess für die Entwicklung des Kongos zukommt, haben sich die Regierung in Kinshasa und die MONUC nun zu einem härteren Vorgehen bei der Entwaffnung und der Rückführung dieser Gruppen durchgerungen. Um diesen Ansatz langfristig erfolgreich umsetzen zu können, kommt es jedoch nicht nur auf den politischen Willen an, sondern zugleich auf die Verfügbarkeit beträchtlicher personeller und materieller Ressourcen. Daher kommt der Unterstützung beider Akteure durch die internationale Gemeinschaft eine Schlüsselrolle zu. 1. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Verlängerung der Übergangszeit und ehrgeiziger neuer Zeitplan Die durch den innerkongolesischen Dialog von Sun City erarbeitete und am 4. April beschlossene Verfassung sah nach der Bildung der nationalen Einigungsregierung im Jahre 2003 eine 24-monatige Übergangszeit vor. Diese endete am 30. Juni 2005 ohne dass die vorgesehenen Wahlen stattgefunden hätten. In dieser Situation musste auf die Bestimmungen der Übergangsverfassung zurückgegriffen werden, die eine zweimalige Verlängerung der Übergangszeit um sechs Monate ermöglicht. Erforderlich für eine Verlängerung ist laut Verfassung ein offizieller Antrag der unabhängigen Wahlkommission (CEI) und eine positive Entscheidung der Nationalversammlung und des Senats. Die Wahlkommission stellte ihren an die Legislative gerichtete Antrag am 15. Juni 2005 und verwies darin eindringlich auf die Problemstellungen, die die Organisation der Wahlen innerhalb der vorgesehen Frist unmöglich gemacht hatten. Angeführt wurden u. a. der fehlende rechtliche Rahmen für Referenden und Wahlprozesse. Verzögerungen bei der Sensibilisierungskampagne der Bevölkerung sowie bei der Ausbildung von Wahlhelfern und Wahlleitern. Probleme bei der Bereitstellung der für den Wahlprozess erforderlichen Ausstattungsgegenstände Schwierigkeiten bei Eintragung der Wählerinnen und Wähler in die Wählerlisten. Der verzögerte Arbeitsbeginn der Wahlkommission in den Jahren

2003/2004, der in Konflikten bei der Zusammensetzung der Kommission begründet war. Die problematische Sicherheitslage im Land, die die Abhaltung von Wahlen verhindert. In ihrem Antrag legte die Wahlkommission dem Parlament zugleich einen neuen Zeitplan für die anstehenden Wahlen vor. Diesem folgend, soll das Verfassungsreferendum am 27. November 2005 stattfinden. Provinz- und Parlamentswahlen sowie der erste Wahlgang der Präsidentschaftswahl sollen am 20. und 21. März 2006 folgen. Der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahlen sowie die indirekte Wahl zum Senat durch die Provinzparlamente sollen schließlich am 24. April 2006 durchgeführt werden. Nationalversammlung und Senat stimmten diesem Vorgehen zu und verlängerten die Übergangszeit um eine abermals einmal verlängerbare Frist von sechs Monaten. Dieser Entscheidung folgend, wird die Zeit des Übergangs nun erst im Juni 2006 enden mit dem Amtsantritt des dann gewählten neuen Staatspräsidenten. Grundsätzlich ist hierzu festzustellen, dass dieser Zeitplan zwar durchaus eng angelegt ist aber zugleich realisierbar und umsetzbar erscheint. Um den Plan in die Tat umzusetzen, müssen jedoch alle politischen Akteure auf nationaler, regionaler und auf internationaler Ebene Verantwortung übernehmen und ihre eingegangenen Verpflichtungen einhalten. Nur so ist eine Lösung der Probleme möglich, die die Organisation der Wahlen im Laufe der letzten 24 Monate verhinderten. Zu den Kosten: Schätzungen nach werden die Wahlen rund 370 Mio. Euro kosten. Auf der Sitzung der Geldgeber in Brüssel am 11. Juli 2005 wurden daher 84 Mio. Euro zusätzlich aufgebracht, um das Defizit zu den Versprechungen vom Dezember 2004 auszugleichen. Darüber hinaus muss der UN-Sicherheitsrat noch der Erhöhung der MONUC-Mittel in Höhe von 100 Mio. Dollar zustimmen, die für die Durchführung der Wahlen benötigt werden. Von einer Zustimmung ist prinzipiell auszugehen, da das Gesamtbudget der MONUC für 2005-2006 immerhin 1,3 Milliarden Dollar beträgt. 2. Doch kein Marsch auf Kinshasa die Wählerregistrierung läuft Die oben beschriebene Verlängerung der Übergangszeit wurde sowohl von der kongolesischen Regierung der Nationalen Einheit als auch von internationalen Akteuren getragen. Diejenigen Oppositionsparteien jedoch, die nicht in den Übergangsinstitutionen repräsentiert waren, standen der Verlängerung mehr als kritisch gegenüber. Dies gilt insbesondere für die Union pour la démocratie et le progrès social (UDPS) von Étienne Tshisekedi. Bereits im April mobilisierten diese Kräfte die Bevölkerung für einen Marsch auf Kinshasa. Dieser hatte am 30. Juni 2005 stattfinden sollen, wenn die Wahlen bis zu diesem Zeitpunkt nicht durchgeführt würden. Die Demonstrationen, die im Mai und Juni in mehren großen Städten des Landes sowie in Brüssel organisiert wurden, haben die Spannungen und die Angst vor Ausschreitungen zwischen der sogenannten radikalen Opposition und der Regierung zum 45. Jahrestag der Unabhängigkeit noch verstärkt. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung reisten im Juni 2005 mehrere afrikanische und europäische Partner der DR Kongo nach Kinshasa, um die kongolesische Führung davon zu überzeugen, den eingeschlagenen Weg des Überganges beizubehalten und die Vorbereitung der Wahlen zu beschleunigen. Dazu gehören, u. a. der südafrikanische Staatspräsident Thabo Mbeki, der Präsident der EU- Kommission José M. Barroso sowie der europäische Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe Louis Michel. Ihre Appelle wurden in Kinshasa berücksichtigt. Der von allen gefürchtete Marsch auf die Hauptstadt fand nicht statt zum Teil auch aufgrund der massiven Präsenz der Sicherheitskräfte. Allerdings kam es bei den Demonstrationen in Kinshasa, Mbuji Mayi, der Hochburg der UDPS, und in Brüssel zu Kämpfen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, die ca. ein Dutzend

Todesopfer und mehrere Verletzte forderten. Trotz der Spannungen wurde ab Mitte Juni der Wahlvorbereitungsprozess beschleunigt. So begann die unabhängige Wahlkommission im Juni 2005 in Kinshasa mit der Registrierung von Wählerinnen und Wählern. Am 31. Juli war dieser Prozess in den 24 Gemeinden der Hauptstadt beendet. Von geschätzten 3,5 Mio. Wahlberechtigten wurden 2,9 Mio. in die Wählerverzeichnisse aufgenommen. Im Juli wurden diese Maßnahmen in der Province Orientale (Nordosten) und in Niederkongo (Westen) fortgeführt. Die gleiche Maßnahme begann am 7. August in den Provinzen Katanga, West-Kasaï, Ost-Kasaï und Zentral-Kasaï. Insgesamt sollen 28 Millionen potenzielle Wählerinnen und Wähler erfasst werden. Für den Ablauf der Wahlen bedeutsam ist dabei die Tatsache, dass die radikale Opposition auch wenn sie das Vorgehen der Wahlkommission und die Verlängerung der Übergangszeit kritisiert, nicht den Wahlprozess an sich boykottiert. Was den Aspekt der Sicherheit anbelangt, so hat die durch EU-Gelder finanzierte und ausgebildete Unité de police intégrée (Upi) am 14. Juni 2005 ihre Arbeit aufgenommen. Ihre Hauptaufgabe besteht im Schutz der Übergangsinstitutionen in Kinshasa, um die Durchführung der Wahlen zu unterstützen. Als vorläufige Bilanz kann heute festgehalten werden, dass der Wahlprozess sich nun definitiv entfaltet hat und bis zum Ende der neuen Übergangszeit im Juni 2006 keine Unterbrechung mehr erfahren dürfte. 3. Im Osten nichts Neues? Weiterhin Gewalt gegen die Zivilbevölkerung Im Osten der DR Kongo kam es im Laufe der letzten Monate verstärkt zu Gewalttaten gegen die Bevölkerung. Ermordungen, Entführungen, Folter und Vergewaltigungen kamen verstärkt sowohl in Ituri als auch in Nord- und Süd-Kivu vor. Diese Gewaltakte wurde entweder von Angehörigen der lokalen Milizen oder von ausländischen bewaffneten Gruppen begangen bisweilen sogar gemeinschaftlich von beiden. Der jüngste Bericht der UN-Sonderberichterstatter weist dabei darauf hin, dass die Konflikte in diesen Gebieten zudem weiterhin durch die anhaltende illegale Ausbeutung der natürlichen Ressourcen genährt werden. Darüber hinaus verschärft der illegale Handel sowie insbesondere der Waffenhandel die Konfliktsituation. Über die genannten Gruppen hinaus begehen Dissidentengruppen bzw. marodierende Einheiten der nationalen kongolesischen Streitkräfte (FARDC) ebenfalls brutale Übergriffe auf die Zivilbevölkerung. Anlass ist häufig die verspätete Zahlung des Wehrsoldes. Tiefere Ursache ist jedoch die nur langsam fortschreitende Integration der Einzelfraktionen (nationale Armee, Rebellen sowie ehemalige Milizen wie die Mai-Mai) in die nationalen Streitkräfte, die heute aus allen ehemaligen Kampfgruppen bestehen. Vor diesem Hintergrund beschloss der Sicherheitsrat Ende Juli, das Waffenembargo für alle bewaffneten Gruppen in Kivu und Ituri bis zum 31. Juli 2006 zu verlängern. Die EU hat ihrerseits restriktive Maßnahmen gegen Personen beschlossen, die gegen das Waffenembargo in der DR Kongo verstoßen. Sollten sich diese Maßnahmen tatsächlich als effektiv erweisen, so würden sie zum Abbau der Spannungen erheblich beitragen. Leider zeigen die Erfahrungen aus der Vergangenheit jedoch, dass das Waffenembargo im Kongo oftmals unterlaufen und umgangen wird. Daher wäre es dringend notwendig, die Maßnahmen zur Kontrolle des Embargos zu verstärken. 3.1. Ituri: MONUC wird endlich aktiv Seit dem Abzug der multinationalen europäischen Eingreiftruppe (Operation Artemis) am 1. September 2003, der eine dreimonatige Präsenz in Ituri vorangegangen war, wurden mehrere Initiativen zur Friedenskonsolidierung ergriffen. Die MONUC hat ihre Präsenz in Ituri im Mai 2005 auf 4.700 Soldaten erhöht und geht heute entschlossener vor, um die Bevölkerung besser zu schützen.

Die Übergangsregierung hat dort zudem die belgisch ausgebildete 1. Brigade der kongolesischen Armee stationiert und ein Programm zur Demobilisierung und Wiedereingliederung in die Gemeinschaft (DRC) gestartet. Auch wurde ein Friedensabkommen mit den verschiedenen bewaffneten Gruppen in Ituri unterzeichnet. Ziel war dabei die Integration einiger dieser Gruppen in die nationalen Streitkräfte, obwohl diese Gruppen das Accord global et inclusif von Sun City nicht unterzeichnet hatten. Um die Milizen dazu zu bringen, ihre Waffen freiwillig abzugeben und sich für das DRC-Programm zu melden, setzte ihnen die MONUC am 1. April 2005 eine Frist. Nach diesem Zeitpunkt und aufgrund der nach wie vor verbreiteten Widerstände verstärkte sie ihre Abriegelungs- und Suchaktionen (Search and Cordon) in Zusammenarbeit mit der kongolesischen Armee. Dies führte zu einigen Erfolgen: Im Juli 2005 hatten mehr als 15.000 Kämpfer aus Ituri ihre Waffen abgegeben. Die Anführer der einzelnen Gruppen wurden in die nationale Armee in Kinshasa integriert. Im März und April 2005 wurden einige dieser Kommandeure festgenommen, da ihre Milizen offenbar an der Ermordung von neun Blauhelmen im Februar 2005 beteiligt waren. Trotz der mittlerweile herrschenden relativen Sicherheit in der Distrikthauptstadt Ituris, dauern Unsicherheit und Gewalt in den meisten anderen Gebieten des Distriktes an. Eintausend lokale Kämpfer weigern sich weiterhin, ihre Waffen niederzulegen und attackieren und bedrängen nach wie vor die Bevölkerung. Die MONUC verlor dabei bis heute 14 Blauhelme, davon elf allein in diesem Jahr. Nach einem Bericht von Ärzte ohne Grenzen (MSF) kommt es heute täglich zu Plünderungen, Entführungen, Demütigungen und Ermordungen von Zivilpersonen. Dies behindert auch entschieden die Arbeit der humanitären Helfer. So wurden zwei schweizerische Mitarbeiter von MSF am 2. Juni 2005 in Ituri entführt und erst zehn Tage später freigelassen. Als Reaktion hierauf beschloss MSF, die humanitäre Hilfe in der Umgebung von Bunia einzustellen. Dort versorgte die Organisation zuvor über 100.000 Vertriebene. Zur Beendigung der Übergriffe durch die bewaffneten Gruppen setzt die MONUC ihre Abriegelungs- und Suchaktionen im Ituri-Distrikt in Zusammenarbeit mit der dortigen kongolesischen Armee fort. Jedoch ist heute die Angst vor einer neuen Phase der Rebellion weitverbreitet, nachdem in der Presse Anfang Juli 2005 Informationen über die Bildung einer Revolutionären kongolesischen Bewegung (Mouvement révolutionnaire congolais, MRC) in Kampala (Uganda) veröffentlicht wurden. Diese soll von Kommandeuren der verschiedenen bewaffneten Milizen in Ituri angeführt werden. Nach dem Protest der MONUC haben die ugandischen Behörden angekündigt, dass sie auf ihrem Hoheitsgebiet keine Handlungen dulden würden, die die DR Kongo destabilisieren könnten. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern sie diese Erklärung umsetzen. Ein Zeichen des guten Willens wäre seitens Ugandas etwa die Festnahme oder die Überführung einiger der Kriegsherren aus Ituri an die kongolesischen Behörden, die verdächtigt werden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der DR Kongo begangen zu haben. 3.2. Akteure der Gewalt in Kivu: Die ruandischen Rebellen Die Gewalt gegen Zivilpersonen in den Provinzen des Nord- und des Süd-Kivu geht von mehreren bewaffneten Gruppen aus. Zu nennen sind hier Dissidenten der Ex-Rebellen Mai-Mai-Milizen und vor allem ausländische bewaffnete Gruppen, bestehend aus ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR (Forces démocratiques de libération du Rwanda), den Forces nationales de libération (FNL) aus Burundi und zwei ugandischen Rebellenbewegungen. Die ruandischen Hutu-Rebellen sind dabei zahlenmäßig die größte Gruppe und haben in den letzten Monaten mit mehreren tödlichen Angriffen gegen

Zivilpersonen sowie Kämpfen mit der kongolesichen Armee und der MONUC auf sich aufmerksam gemacht. So sind Sie dafür verantwortlich, dass am 9. Juli 39 Bewohner der Ortschaft Ntulumamba (Süd-Kivu) bei lebendigem Leib in ihren Hütten verbrannt wurden. Doch wer genau verbirgt sich hinter der ruandischen FDLR? Die Forces démocratiques de libération du Rwanda (FDLR) umfassen alle ruandischen Hutu-Rebellen, die sich seit dem Völkermord der Tutsi im Jahre 1994 in Ruanda in der DR Kongo aufhalten. Sie bestehen hauptsächlich aus ehemaligen Angehörigen der ruandischen Armee (Ex- Far) und aus extremistischen Interahamwe, die am Völkermord beteiligt waren. Sie sind im Jahr 2000 aus den Organisationen ALIR 1 und ALIR 2 (Allianz für die Befreiung von Ruanda) hervorgegangen. Je nach Quellen wird ihre Stärke auf 10.000 bis 15.000 Kämpfer geschätzt. Während des zweiten Kongokriegs von 1998 bis 2002 wurden die ruandischen Hutu-Rebellen gegen Bezahlung von den gegnerischen Parteien instrumentalisiert. Mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens wurde die FDLR folglich mittellos und fing an, die Bevölkerung in den von ihr kontrollierten Gebieten auszubeuten. Die FDLR unterwarf kongolesische Dörfer, entführte Dorfbewohner, übernahm die Zinnminen der Region oder erpresste Schutzgelder von Minenarbeitern. Angesichts dieser Lage ist es bis heute extrem schwer, Kräfte der FDLR, die behaupten politisch aktiv zu sein von denjenigen zu unterscheiden, die letztlich einfach marodierende und kriminelle Banden bilden, wie etwa die Rastas in Südkivu. Die erhöhte Anzahl von mörderischen Angriffen in Nord- und Südkivu legt den Schluss nahe, dass mehrere Gruppen von Kriegsherren angeführt werden, die keinerlei hierarchisch gegliederter Führung und Kontrolle unterstehen. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass die FDLR am 31. März 2005 in Rom eigentlich eine einseitige Waffenruhe und die Rückkehr nach Ruanda verkündet hatte. Seitdem ist jedoch nichts dergleichen geschehen. Die von MONUC eröffneten sechs Durchgangslager für demobilisierte Kämpfer der FDLR stehen bis heute leer. 4. Zwangsentwaffnung: Der einzig gangbare Weg? Heute stellt die FDLR ein Problem sowohl für die kongolesische Bevölkerung in Kivu als auch für die Sicherheit in Ruanda dar. Vor allem jedoch bilden sie ein Hindernis in bezug auf die Vorbereitung der Wahlen. Deshalb ergreifen die Regierung in Kinshasa, die MONUC und selbst die Afrikanische Union (AU) mittlerweile schärfere Maßnahmen, um sie zu entwaffnen. Nachdem die freiwillige Entwaffnung gescheitert ist, scheint ein hartes Durchgreifen gegen die FDLR gegenwärtig die einzige Lösung zu sein. 4.1. Was tut die Regierung in Kinshasa? Was die Regierung in Kinshasa betrifft, so verkündete Präsident Joseph Kabila am 28. Juni 2005, alle ausländischen bewaffneten Gruppen auf seinem Hoheitsgebiet, insbesondere im Osten, mit Gewalt entwaffnen zu wollen. Dieser Ankündigung folgten durchaus Taten: So startete die kongolesische Armee im Juli eine Offensive gegen die Stützpunkte der FDLR in Nord-Kivu. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Fähigkeit der kongolesischen Armee, den gut bewaffneten und in mehr als zehn Jahren in den Kivu-Bergen guerilla-erprobten ruandischen Hutu-Rebellen die Stirn bieten zu können. Daher ist es erforderlich, die Ausbildung der integrierten Brigaden der kongolesischen Armee zu beschleunigen und sie angemessen auszurüsten. Mit der Unterstützung mehrerer Partner der DR Kongo (Südafrika, Angola, Belgien, EU, usw.) wurde dies begonnen. Mit anderen Worten: Die Reform des Sicherheitssystems muss massiv vorangetrieben, konsequent unterstützt und so schnell wie möglich abgeschlossen werden. 4.2. Was tut MONUC? Die MONUC begann am 4. Juli 2005 eine groß angelegte Sicherungsmaßnahme für die Bevölkerung in Nord- und Südkivu.

Das Ziel besteht darin, die FDLR von ihren Einkommensquellen abzuschneiden (illegale Wegzollstellen, Erpressung von Schutzgeldern, Plünderungen) und sie zur Rückkehr nach Ruanda zu zwingen. Die Abriegelungs- und Suchaktionen werden mit Hilfe von Kampflugzeugen, von Spezialeinheiten aus Guatemala, durch pakistanische Einheiten aber auch durch die kongolesische Armee durchgeführt. Die MONUC beteiligt sich bisher nicht an diesen Aktionen, da dies ihrer Ansicht nach nicht durch ihr Mandat abgedeckt ist. Allerdings hat sich MONUC-Chef William Swing seit Anfang Juli beim UN- Sicherheitsrat dafür eingesetzt, das MONUC-Mandat zu ändern, um eine Beteiligung an diesen Maßnahmen zu ermöglichen. Es ist prinzipiell anzunehmen, dass der Sicherheitsrat das Mandat dahingehend überarbeiten wird, dass der MONUC ein größerer Handlungsspielraum zur Sicherung des Wahlprozesses zur Verfügung steht. Dies wäre letztlich nur plausibel: Schließlich handelt es sich bei dem Wahlprojekt sowohl was die Wählerschaft als auch was das Budget betrifft um die größten Wahlen, die von der UN und der EU jemals unterstützt wurden. 4.3. Was tut die Afrikanische Union? Im Januar 2005 verpflichtete sich der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU), Truppen zur Unterstützung der Zwangsentwaffnung der FDLR zu entsenden. Auf seiner Sitzung vom 15. bis 18. März wurde errechnet, dass rund 6.000 Mann für ein solches Eingreifen erforderlich wären. Am 24. Juni beauftragte der Sicherheitsrat der AU die AU-Kommission, eine Expertengruppe in die DR Kongo zu entsenden, um Bedarf und Machbarkeit einer solchen Intervention zu untersuchen. In dem vorläufigen Bericht dieser Kommission wird der Bedarf allerdings auf 19.000 bis 34.000 Soldaten geschätzt. Wohlgemerkt zusätzlich zu den mehr als 11.000 Blauhelmen der MONUC, die bereits im Osten stationiert sind Der Sonderbeauftragte der EU für die Region der Großen Seen kündigte daraufhin an, dass die EU eine solche afrikanische Intervention im Falle des Scheiterns der freiwilligen Entwaffnung unterstützen könnte. Zwar steht die Richtigkeit des AU-Vorhabens außer Frage, jedoch behindern mehrere gravierende Probleme seine Machbarkeit: Welche afrikanischen Länder wären wirklich in der Lage eine solche Zahl an militärischem Personal zur Verfügung zu stellen, wo die AU seit März nicht einmal die damals zunächst anberaumten 6.000 Soldaten aufbringen konnte? Und: Wer würde die Kosten übernehmen? Allgemein wird das Problem der bewaffneten Gruppen, insbesondere der FDLR im Osten der DR Kongo, zu einer politischen Priorität werden müssen. Das Näherrücken der Wahltermine und die vermehrte Anzahl von Angriffen auf Zivilpersonen scheinen den Willen der kongolesischen und der UN- Entscheidungsträger mittlerweile gestärkt zu haben, dem Treiben dieser Gruppen ein Ende zu setzen. Daher gilt es nun eine kohärente Strategie zu entwickeln. Keiner der Akteure, die in dem kongolesischen Friedensprozess engagiert sind, wird ihn alleine zu Wege bringen. Die internationale Gemeinschaft (UN und AU) muss die Regierung in Kinshasa dabei unterstützen, den laufenden Wahlprozess zu Ende zu führen. Dafür ist die Entwaffnung der FDLR erforderlich. Autor:== m~ãéüáäé= péä~ü~ê~ ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungs- und Informationsgruppe für Frieden und Sicherheit (GRIP) in Brüssel. Die vorliegende Studie konzentriert sich auf den Zeitraum April bis Ende Juli 2005. Ansprechpartner: Dr. Michael Bröning Tel.: 0228-883 592 Michael.Broening(at)fes.de Friedrich-Ebert-Stiftung Referat Afrika Godesberger Allee 149 53170 Bonn