Rede in Berlin am

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Transkript:

1 Rede in Berlin am 11.5.2013 Liebe Mitbürger, Mitstreiter, liebe Betroffene und deren (mit)leidende Angehörige Ich freue mich, dass ich eingeladen wurde, hier und heute den Borreliosekranken eine Stimme zu geben. Wir sind heute hier in Berlin am Brandenburger Tor zusammengekommen, weil Sie alle schon Ihre persönlichen Erfahrungen mit der Krankheit Borreliose gemacht haben oder miterlebten, wie Ihre Angehörigen, Ihre Freunde oder Arbeitskollegen unter den vielfältigen Symptomen dieser Krankheit leiden und wie wenig die derzeitige medizinische Versorgung dieser Multisystemerkrankung gerecht wird. Wir sind durch Berlins Straßen gezogen, weil wir für die berechtigten Interessen der Borreliosekranken Aufmerksamkeit zu erwecken wollen. Gestern wurde von den Organisatoren dieser Demonstration im Bundesgesundheitsministerium in der Friedrichstraße ein offener Brief an unseren Gesundheitsminister Bahr mit über 6 000 Unterschriften von Unterstützern abgegeben, was eindrucksvoll zeigt, wie viele Menschen hinter diesem gemeinsamen Anliegen stehen. Den vielen tatkräftigen Helfern für diese gemeinsame große Anliegen sei an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich gedankt, allen voran Frau Birgit Jürschik-Busbach. Dieser Protest hier in Berlin ist nötig geworden, weil die Politik wie auch die Ärzteschaft die Borreliosepatienten einfach ignoriert, ja die chronische Form der Borreliose sogar leugnet und so ihnen die notwendige medizinische und soziale Versorgung verweigert. Und das ist nicht nur bei uns in Deutschland so, sondern in fast allen Ländern, in denen diese Chamäleon-artige Krankheit auftreten kann. Es gibt Borreliose in allen Ländern des 40.-60. Breitengrad, aber auch z.b. in Australien, Neuseeland oder Südafrika, um nur einige weitere Länder zu nennen. Heute finden in 28 Ländern der Welt zeitgleich Protestaktionen, Demonstrationen und Veranstaltungen statt, um auf die schlechte Versorgung von Borreliosekranken aufmerksam zu machen.

2 Dieser Protest-Tag zur Borreliose wird heute in Neuseeland ebenso begangen wie in Australien, in den USA, in Kanada, Island, Südafrika und in Europa vom hohen Norden in Finnland über BERLIN bis nach Spanien und sogar in Russland. In Kanada z.b. wird man die Niagara-Fälle und den CN-Tower in Toronto grün anstrahlen, um auf die zunehmende Häufigkeit der Borreliose auch in Kanada aufmerksam zu machen, eine wirklich weltumspannender Aufschrei aller Borreliosekranken, um endlich gehört zu werden!! Denn in allen Kontinenten und Ländern erleben Borreliose-Patienten die gleichen Probleme, da überall die Leitlinien der IDSA, der Infectious Diseases Society of America, übernommen wurden und gelten (sogar in Australien, wo es nach den bisherigen offiziellen Verlautbarungen des Gesundheitsministeriums angeblich gar keine Borreliose geben soll). Es sind dies vor allem folgende Probleme: Unzureichende diagnostische Methoden mit bis heute nicht standardisierten Testverfahren, von denen es allein in Deutschland 30 verschiedene gibt. Es ergeben sich zu oft falsch negative Ergebnisse, weil die verwendeten Testkits z.b. nicht die im jeweiligen Land vorhandenen Borrelienspezies enthalten und weil der weniger sensitive Test, der ELISA-AK-Test der offizielle Screeningtest für eine Borrelieninfektion ist und nicht der an sich sensitivere Westernblot. Dieses medizinisch unsinnige Verfahren, der sogenannte Zweistufentest, ist in Deutschland aber für alle Kassenärzte für die Borreliosediagnostik zwingend vorgeschrieben, da dies die IDSA vor Jahren einmal so eingeführt hatte, wenn auch nur für die epidemiologische Forschung und nicht für die Patientenversorgung. Unzureichendes Wissen der Erstbehandler in Arztpraxen und Krankenhäusern zur Frühborreliose z.b. darüber, wie unterschiedlich Wanderröten aussehen können oder dass trotz einer Borrelieninfektion nur ca. jeder 2. überhaupt eine Wanderröte entwickelt. Unzureichendes Wissen über die anderen klinischen Frühzeichen nach einer Borrelieninfektion wie z.b. die Borreliosegrippe, v.a. dann, wenn keine Wanderröte aufgetreten ist.

3 Unzureichende Kenntnis der verschiedenen Stadien der Erkrankung. Denn oft wird von den Ärzten nur das Borreliose-Stadium I gekannt und erkannt und die viel häufiger auftretende chronische Form der Erkrankung wird hingegen regelrecht geleugnet. Im Jahre 2009 wurden z.b. von den Ärzten an die Krankenkassen alle in ihren Praxen behandelten Borreliosefälle mit der ICD- Verschlüsselung A 62.9 gemeldet und dies ergab - hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung von Deutschland- rund 800 000 behandelte Borreliosefälle. Dieser Zahl gegenüber steht die Angabe von 60 000 bis höchstens 100 000 Neuerkrankungen /Jahr, die vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin auf Anfrage mitgeteilt wird. Diese Zahl wird seit Jahren auch in allen offiziellen Veröffentlichungen des NRZ, des Nationalen Referenzzentrums Borreliose in München immer wieder genannt und damit auch in allen Medienveröffentlichungen. Zuletzt erst vor 1 Woche, am 3.5.2013 wurde sie vom Leiter des NRZ, Dr. Fingerle in einer Veröffentlichung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zitiert. Die seit Jahren steigenden Infektionszahlen, wie sie auch in den jährlichen Meldungen an die Krankenkassen dokumentiert werden, werden dabei einfach verschwiegen. In diesem letzten offiziellen Artikel des NRZ findet sich aber auch der bemerkenswerte Satz von Dr. Fingerle, dass Diagnose bzw. Verdachtsdiagnose in erster Linie auf den klinischen Symptomen basiert. Mikrobiologische Befunde, insbesondere der Nachweis spezifischer Antikörperbildung, können die Diagnose dann weiter untermauern.man fragt sich nur, warum dann nicht in der täglichen ärztlichen Praxis nach dieser Richtschnur gehandelt wird!!! Um diese große Diskrepanz in der Wahrnehmung der Erkrankungshäufigkeit zu schließen, müsste es eine gesetzliche Meldepflicht in allen deutschen Bundesländern geben. Diese Meldepflicht gibt es zwar schon seit DDR-Zeiten in alle neuen Bundesländern, aber erst seit 2011 wird nun nach und nach auch in den alten Bundesländern eine Meldepflicht für Borreliose eingeführt. Begonnen haben damit im Juni 2011 die südlichen Bundesländer Saarland und Rheinland-Pfalz, seit März 2013 ist nun endlich auch Bayern dazugekommen, so dass jetzt immerhin schon 9 von 16 deutschen Bundesländern eine Meldepflicht für Borreliose haben.

4 Von der Meldepflicht nicht erfasst und dokumentiert werden jedoch alle chronischen Fälle dieser Krankheit, da es die chronische Form der Borreliose nach der derzeitigen Mehrheitsmeinung der Mediziner gar nicht gibt. Also gibt es auch Sie alle hier, die Sie chronisch an Borreliose erkrankt sind, gar nicht!!! Aber gerade, weil Sie alle keine eingebildeten Kranken sind, stehen wir hier und heute am Brandenburger Tor, damit man sieht, wie viele Mitbürger bereits von dieser lebenszerstörenden Krankheit betroffen sind. Denn es ist v.a. die chronische Form der Borreliose, die das meiste körperliche und soziale Leid verursacht. Leider gibt es aber auch bis heute kaum einen medizinischen Gutachter der - von Unfall-Versicherern oder Berufsgenossenschaften beauftragt - es wagen würde, aus diesem wie in Zement gegossenen Meinungsbild auszubrechen und die Beschwerden der Patienten zu würdigen als das, was sie sind: chronische Krankheitssymptome, die entweder durch weiter aktive Borrelien oder durch die von ihnen ausgelöste Entzündung verursacht werden. Deshalb gibt es für die Betroffenen auch keine finanzielle Entschädigungen oder Rentenzahlungen von den Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften. Diese erkennen zwar vielleicht noch bei einer Wanderröte die erfolgte Borrelieninfektion an, nicht aber die sich daran anschließende oft jahrelange Leidenszeit als eine borrelienbedingte Krankheit. Manchmal kommt es aber auch zu einem Umdenken bei den behandelnden Ärzten. Dies ist z.b. von Dr.Waisbren bekannt, einem bekannten amerikanischen Infektiologen und einem Mitbegründer der IDSA, der 2011 ein Buch über seine Behandlung von chronisch kranken Borreliosepatienten veröffentlicht hat. In diesem heisst es, ich zitiere: Aufgrund meiner Ausbildung zum Arzt für Infektionskrankheiten, der medizinischen Literatur und meiner klinischen Erfahrung bin ich inzwischen zu der Meinung gekommen, dass es in den USA eine Epidemie an Fällen mit chonischer Lyme Borreliose gibt, die einer größeren Aufmerksamkeit bedürfte, als sie es von der Regierung und dem akademischen medizinischen Establishment erhält. Und weiter Es ist hart für mich zu glauben, dass all die Fälle von chronischer Lyme Borreliose (in meiner Praxis) meiner puren Einbildung entspringen. Da die chronische Verlaufsform der Borreliose nicht anerkannt wird, gibt es auch keinen ICD-Schlüssel dafür, keine adäquate Reha-Maßnahmen, keine

5 Krankenhaus- Spezialambulanzen, die sich mit dieser Patientengruppe auskennen würden, und natürlich auch kaum niedergelassene auf chronische Borreliose spezialisierte Ärzte. Nach offizieller Lesart sind nämlich all die Beschwerden der Patienten im chronischen Stadium entweder normale altersbedingte Alltagswehwehchen oder aber psychosomatisch bedingte Symptome, die man nur mit Psychopharmaka oder psycho-therapeutischen Therapien und Reha-Maßnahmen zu behandeln bräuchte und dann wären die Betroffenen schnell wieder gesund. Dass dem nicht so ist, wissen Sie und Ihre Angehörigen nur zu gut!! Die Zahl der von chronischer Borreliose Betroffenen steigt ständig an, nicht zuletzt, weil die Behandlung im Frühstadium unzureichend und oft auch regelrecht falsch ist. Denn auch noch 30 Jahre nach der Entdeckung dieser Infektionskrankheit werden Wanderröten als Ekzeme oder Pilzinfektionen behandelt, wird nach einem Zeckenstich erst einmal wochenlang abgewartet, wo doch eine sofortige antibiotische Behandlung geboten wäre. Oder es werden unmittelbar nach einem Zeckenstich serologische Untersuchungen auf Antikörper veranlasst, obwohl diese doch frühestens 4-6 Wochen später erst positiv sein können. Und kommt vom Labor dann zu diesem frühen Zeitpunkt ein negatives Ergebnis zurück, unterbleibt - oft sogar bei einer noch sichtbaren Wanderröte - eine Antibiose, weil ja angeblich wegen der fehlenden Antikörper überhaupt keine Borrelien-infektion stattgefunden hat. Oder es wird nur eine Standard-N 1-Packung Antibiotikum mit 20 Tabletten verordnet. Alle Beschwerden, die nach einer solchen Antibiotikum-Kurztherapie dann doch noch auftreten, werden aber nicht mehr den Borrelien zugeschrieben, weil ja eine IDSA-leitlinienkonforme Behandlung erfolgt sei und es deshalb einfach nicht sein kann, dass noch Borrelien-bedingte Symptome bestehen. Dabei gibt es viele andere Infektionskrankheiten, die chronisch verlaufen und deshalb auch oft jahrelang antibiotisch behandelt werden müssen. Denken Sie an Lepra, Tuberkulose oder auch an Syphilis, die ja wie die Borreliose ebenfalls durch Spirochätenbakterien verursacht wird. Die Syphilis des Waldes, wie die Franzosen die Borreliose auch nennen, darf aber nach den offiziellen Therapieempfehlungen in den Leitlinien deutscher Fachgesellschaften der Neurologie und Dermatologie nur 21 bis max. 28 Tage antibiotisch behandelt werden!

6 Aus dem bisher Gesagten ergeben sich folgende Forderungen an Politik und Ärzteschaft: 1, Anerkennung der chronischen Borreliose als eigenständiges Krankheitsbild 2, Meldepflicht für frische, aber ebenso für chronische Borreliosefälle in allen deutschen Bundesländern (nicht nur in 9 von 16). 3, Standardisierung der diagnostischen Testkits (Antikörper- und Immunoblotteste) bei gleichzeitigem Verbot aller nicht diesem Standard entsprechenden Teste zur Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit der in Deutschland durchgeführten serologischen Untersuchungen. Dies ist die vordringlichste Aufgabe des Nationalen Referenzzentrums (NRZ) unter der Leitung von Dr. Fingerle!! 4, Bezahlung -wie bis zum Jahre 2007- von Borrelien-Aktivitätsnachweistesten wie dem LTT (Lymphocytentransformationstest) oder dem Elispot von allen Krankenkassen und nicht nur wie derzeit nur noch von den Privatkassen. 5, Überarbeitung der bisher vorhandenen S 1-Leitlinien einzelner Fachgesellschaften zu einer gemeinsamen S 3-Leitlinie aller ärztlichen Fachgesellschaften über die Früh- und Spät- Borreliose unter Einbeziehung der bereits vorliegenden Therapieempfehlungen der ILADS und der deutschen Borreliose- Gesellschaft (dabei muss insbesondere die Notwendigkeit von Kombinationstherapien zur Bekämpfung der Persister- und Biofilmformen der Borrelien berücksichtigt werden und die Anpassung der Therapiedauer an das jeweilige Krankheitsstadium). 6, Offener Informationsaustausch zwischen den Arztgruppen über die jeweils neuen Erkenntnisse der internationalen Borrelioseforschung, um die neu gefundenen Therapieoptionen auch für die deutschen Patienten zugänglich zu machen. Die Behandlung der Borreliose gehört auf Grund ihrer inzwischen großen Verbreitung in die Hand eines jeden Haus- und Facharztes, der trotz des erhöhten Zeit- und Kostenaufwandes für diese Patienten aber keine Regressfordeungen seitens der Krankenkassen zu befürchten haben sollte. Denn die Borreliose ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sie ist keine seltene Krankheit mehr und muss daher von jedem Arzt wirksam und kompetent behandelt werden können. Hoffen wir, dass unser heutiger Protesttag dabei mit hilft, diese Ziele zu erreichen!!