Wolfgang Neumann Bruno fast sechs Ein Vorlesebuch mit Geschichten für Kinder GwG-Verlag
Bruno fast sechs Ein Vorlesebuch mit Geschichten für Kinder von Wolfgang Neumann und Bildern von Stefan Sandrock GwG-Verlag Köln Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie e.v.
Die Autoren Wolfgang Neumann lebt und arbeitet als Psychologe und Autor in Bielefeld. Stefan Sandrock lebt und arbeitet als freiberuflicher Maler und Grafiker in Hamburg. 2009 GwG-Verlag, Köln www.gwg-ev.org Lektorat: Thomas Reckzeh-Schubert, Köln Layout: Jan Hansmann, Köln Umschlagbild: Stefan Sandrock Printed in Germany ISBN 978-3-926842-43-5
Inhalt Bruno schreibt ein Vorwort................... 6 Bruno und der Bär......................... 9 Bruno hat eine Zahnlücke................... 12 Bruno und das Klavier...................... 15 Bruno und der Regen...................... 18 Bruno hat Hunger......................... 21 Bruno hat sich verlaufen.................... 23 Bruno bekommt gute Laune................. 25 Bruno will nicht gedrückt werden............. 28 Bruno fährt Bahn......................... 32 Bruno hat einen Plan....................... 35 Bruno weiß nicht......................... 38 Bruno hat böse Gedanken................... 41 Bruno findet einen Schatz................... 44 Bruno muss zum Arzt...................... 47 Bruno ist eifersüchtig...................... 50 Bruno hat Schluckauf...................... 53 Bruno kauft ein........................... 56 Bruno hat keine Zeit....................... 59 Bruno hat Anna wehgetan................... 61 Bruno lernt lesen.......................... 64
Bruno fühlt einen Besitzerstolz............... 66 Bruno hat Schmerzen...................... 69 Bruno lernt Schwimmen.................... 72 Bruno mag Weihnachten doch............... 75 Brunos Mama findet keine Ruhe.............. 77 Bruno muss ins Krankenhaus................ 80 Bruno sucht den feinen Unterschied........... 82 Bruno vermisst Knüddel.................. 85 Bruno schießt ein Tor...................... 88 Bruno schlägt sich den Bauch voll............. 91 Bruno möchte einen Hund.................. 94 Bruno hält sich tapfer...................... 97 Bruno will was wissen...................... 99 Bruno hasst Wetterberichte................. 102 Bruno streikt............................ 105 Bruno wird verkauft...................... 108 Bruno fast sechsundsechzig................. 111
Bruno schreibt ein Vorwort Nein Bruno schreibt noch kein Vorwort, er ist fast sechs Jahre alt, kommt bald in die Schule und Schreiben lernt man in der Schule. Darauf freut Bruno sich... Aber wenn er schon schreiben könnte und wenn entweder Mama, Papa oder Onkel Georg, oder die neue Freundin von Papa oder der neue Freund von Mama ihm alle Geschichten vorgelesen hätten, dann würde er sagen..., Nun genug des Spiels. Rein hypothetisch: aber das Buch wird den kleinen Brunos (oder Brunis) gefallen. Es handelt von den Alltagsproblemen kleiner Menschen, wie man sie artikuliert, bewusst macht, stehen lässt, reflektiert wie man sie löst, wie man Perspektiven frei macht, wie man den Kleinen Verlässlichkeit demonstriert. Wie man ihnen zeigt, dass Probleme nicht zur Zerrüttung führen, wie man das schreckhaft hysterische Reagieren vermeidet, wie man eine unergründliche und letztliche Sicherheit des Lebens im Sturm der Probleme an die verängstigt irritierten Kleinen weitergibt. Alles wird gut. Aber auch: wo die eigenen Stärken liegen, was man schon mit fast sechs so alles tun kann, wo man seine Stimme zu Recht erheben kann. Und wenn man scheitert mit seinen Auswanderambitionen, wie man ohne Gesichtsverlust die Kurve kriegt. Ein Buch, das Kinder stärkt. Ein Vorlesebuch, würde ich sagen. Und wenn Bruno sich artikulieren könnte: da können die Erwachsenen eine Menge darüber lernen, wie sie sich richtig und toll verhalten können. Eine Provokation zur Reflektion 6
des eigenen Erziehungsverhaltens. Beim Vorlesen werden Lernprozesse beim Erwachsenen ausgelöst man möchte eigentlich auch so sein, wie es Bruno gefällt. Und Bruno lernt, wie man Erwachsene beeinflusst was wirkt und was weniger. Retroaktive Sozialisation nennt man das im Fachchinesisch. Und wo die Grenzen vorbildhaften Tuns für beide liegen. Und ein Bildungsbuch gekonnt mischt der Autor Alltags- und Fachsprache style shift kindgemäß und wird hunderte Nachfragen oder Erklärungsnotwendigkeiten beim Vorlesen erzeugen. Warum auch hat man Durst wie ein Kamel? Bruno lebt in einem Lehrerinnenhaushalt na und? Der ist heute längst nicht mehr so strahlend wie er früher erschien und eigentlich nie war. Die Probleme sind prototypisch sie gelten für alle Kinder. Bruno muss ganz konkret sein, um wirken zu können. Erwarten wir andere Geschichten von einem erfahrenen Therapeuten und Autor wie Wolfgang Neumann? Nein die treffende Kinderpsychologie, die sich nie naseweis vordrängt, sondern erd- und erfahrungsverbunden im Gewand des Alltags daherschreitet die erwirbt man sich nur, wenn man Menschen aller Altersstufen kennen gelernt hat. Bruno fast sechs hilft allen, sich auch selber zu verstehen (siehe das letzte Kapitel: Bruno fast sechsundsechzig ). Im Auftrag von Bruno: Rainer Dollase Professor für Entwicklung und Erziehung an der Universität Bielefeld 7
Bruno und der Bär Bruno will eines Tages den Bären im Tierpark besuchen, am liebsten einmal ganz alleine. Weil aber Bruno noch klein und der Tierpark groß und weit weg ist, sagt Brunos Mama: Nein, nicht alleine, Bruno, ich begleite dich! Bruno ist damit nicht einverstanden, aber wenn Mama Nein sagt, dann ist leider nichts zu machen. Wenn ich aber groß bin, dann besuche ich den Bären aber doch alleine, sagt er und Mama sagt: Ja, wenn du groß bist! Am anderen Tag fragt Bruno: Bin ich jetzt groß? Ja, mein Großer, du bist groß, aber noch nicht groß genug, um den Bären allein zu besuchen, leider! Da hat Bruno sich gemessen und wirklich, er ist zwar wieder gewachsen, aber nur wenig. Ist das blöd, denkt er und überlegt, was zu tun ist. Erst probiert er es mit Mamas Stöckelschuhen, aber damit kann er nicht laufen, dann stellt er sich auf einen Stuhl, aber den überall hin mitzuschleppen, ist ihm doch 8
zu unbequem. So geht er am Sonntag mit Mama in den Tierpark. Es ist wunderschönes Herbstwetter, die Sonne lacht und Bruno auch. Als sie aber zum Bärengehege kommen, stehen so viele Leute davor, dass Bruno den Bären nicht sehen kann. Da hat Mama ihn auf die Schultern genommen und Bruno sagt: Siehst du Mama, jetzt bin ich groß genug, um die Bären zu sehen und, wenn ich dich vergesse, dann bin ich sogar allein! 9
Als er aber sieht, wie andere Kinder ein Eis schlecken, erinnert er sich an Mama und fragt: Darf ich auch ein Eis?! Hab mein Geld vergessen!, sagt Mama und schämt sich ein wenig. Aber Bruno sagt, das sei nicht so schlimm, das Wichtigste sei doch, dass er den Bären gesehen habe, dass der nicht schwitzen würde, bei dem warmen Wetter und so ganz ohne Eis. Da hat Mama Bruno abgesetzt und noch mal in ihrer schwarzen, wohlriechenden Ledertasche gesucht, der Tasche, in der alles drin ist, was man so zum Leben braucht und hat doch wahrhaftig noch zwei Euro gefunden. Jetzt können wir doch ein Eis essen gehen!, meint Mama und Bruno schlägt vor, sich eine Limo zu teilen, weil Durst von der Sonne hätten doch alle und der Bär könne sich ja Quellwasser nehmen. 10