Ostersonntag, 31. März 2013, 10 Uhr Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein Predigt über Johannes 20, 11-18

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Transkript:

Ostersonntag, 31. März 2013, 10 Uhr Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein Predigt über Johannes 20, 11-18 Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Liebe Schwestern und Brüder, für mich gehört es zu dem stärksten Ostermoment, wenn das Lied Christ ist erstanden durch die Kirche schallt. Ich freue mich schon richtig darauf, wenn wir es später miteinander singen werden. Ich liebe dieses befreiende Heraussingen des Osterrufes, spüre die Glaubenskraft, die so viele Generationen dort hinein gelegt haben und mein Osterglaube fühlt sich getragen auf dem Strom der unzähligen Menschen, die rund um die Erde durch die Zeiten einstimmen: Ja, Christ ist erstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Wenigsten einmal, wenigstens heute über den Tod und seine vielen Stacheln, mit denen er uns täglich quält, triumphieren. Christ ist erstanden- ein österlicher Kampfgesang gegen dunkles Grübeln und Gefühle der Sinnlosigkeit. Das ist eine Seite von Ostern, Ostern hat auch andere Gesichter, es hat auch eine leise Seite vorsichtig, fast zögerlich tastet sich dort das Ostergeschehen voran bis es sich in den ersten Osterzeugen, vielmehr Osterzeuginnen voll entfaltet. Dazu hören wir aus dem Johannesevangelium, dem 20. Kapitel, die Verse 11-18. Ostern geschieht zu aller erst in den Menschen, in ihrer inneren Welt. Von dorther begreifen sie, was sich vor ihren Augen abspielt. Und das ist wichtig, wir erleben den Prozess häufig andersherum: von außen nach innen. Erst kommt der äußere Fakt, dann folgen wir auch innerlich. So 1

wie der ungläubige Thomas, der erst handfeste Beweise haben will, bevor er der Auferstehung Jesu Glauben schenken will. Aber so läuft es nicht mit Ostern. In dieser und auch in anderen Ostergeschichten, zum Beispiel bei den Freunde, die nach Emmaus laufen, muss sich etwas im Inneren der Menschen öffnen, das erst versetzt sie in die Lage zu erkennen, dass Jesus nicht verloren und nicht im Tod geblieben ist. Diese Begegnung ist zuerst ein inneres Geschehen, das dann nach außen hin wirklich wird. Kein lautes, klar benennbares Glückerlebnis, sondern eine Entwicklung, die in tiefster Trauer ihren Anfang nimmt. Ostern hat viele Gesichter. Johannes erzählt diese Geschichte als ein Beispiel für die vielen Erfahrungen, die Menschen von Anfang an mit Jesu Auferstehung gemacht haben. Und ich bin dankbar für die verschiedenen Facetten, weil sie uns in den unterschiedlichen Phasen unseres Lebens, den jeweils passenden Zugang zum Ostergeschehen öffnen können. Maria stand draußen vor dem Grab und sie weint. Ihr Lebens- und Hoffnungsentwurf ist zerbrochen. Dieser Tod ruft mehr als die Trauer um einen geliebten Menschen hervor, er löst auch die Verzweiflung darüber aus, dass sich die Zukunft zerschlagen hat. Maria und alle, die Jesus folgten, waren sich so sicher gewesen, dass Gottes Reich nun angefangen hatte, dass das Leben endlich für alle gut und gerecht würde. Voller Staunen und Begeisterung hatten sie Jesus zugehört, hatten miterlebt wie kranke Menschen wieder gesund wurden, traurige sich wieder aufrichteten. Und die, deren Selbstbewusstsein am Boden gelegen hatte, wieder neuen Mut schöpften. Das alles war in der Nähe Jesu möglich, spürbares, sichtbares Heil. Und nun war alles vorbei. 2

Marias Blick geht zurück, sie ist völlig gefangen von dem grausamen Geschehen, das in dem Mord an Jesus gipfelte. Nun bleibt ihr nichts als das Grab, sie will nur noch dem Toten nahe sein, nur dort kann sie noch Trost finden. Weinend schaut sie ins Grab und sieht die Engel dort sitzen. Ihr geht es so schlecht, dass sie sich nicht einmal über die Engel in ihren weißen Gewändern wundert. Sie ist nur entsetzt darüber, dass Jesu Leichnam verschwunden ist. Sie wendet sich um, sieht Jesus und erkennt nicht. Nur noch Tod bestimmt ihren Blick. Jesus fragt sie, wie die Engel zuvor, warum sie weine und wen sie suche. Sie versteht immer noch nicht und hält Jesus für den Gärtner. Der Gärtner diese Figur weckt andere biblische Bilder zum Leben. Es ist Abend. In der Abendkühle geht ein Gärtner durch seinen Garten und ruft einen Menschen. Der aber hat sich versteckt, weil er Angst hat. Er hat vom verbotenen Baum gegessen und dadurch die Trennung zwischen Gott und Mensch heraufbeschworen, die Zeit ist entstanden und damit Vergänglichkeit und Tod. Der Baum des Lebens ist nicht mehr zugänglich. Aber nun bei Maria zieht der Morgen herauf und der Gärtner ruft Maria beim Namen. Ein neuer Tag beginnt. Das Weinen um den Tod ist zu Ende, die Trennung zwischen Gott und Mensch behoben, die Zeit aufgehoben, das Leben da. Das ist Paradies, das ist Ewigkeit. Paradies, Ewigkeit, Gott und Menschen kommen sich ganz nah: das alles verdichtet sich in dem einen Moment indem Jesus sie mit ihrem Namen anspricht: Maria! Und Maria erkennt! Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, du bist mein. Maria wird herausgerufen aus ihrer Verzweiflung, herausgerufen aus diesem: alles ist vorbei, zerbrochen, gescheitert. Hineingerufen in ihr neues Leben, für 3

immer geliebt und gewürdigt, für immer in Gottes Spur. Sie wendet sich um und erkennt ihn: Rabbuni, mein Meister. Und natürlich, wir können uns das alle lebhaft vorstellen, will sie auf ihn zu, 0ihn umarmen, festhalten, spüren, dass er leibhaftig da ist. Jesus hält sie zurück: Rühr mich nicht an, sagt er, denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren. Diese berühmten Worte, oft auf lateinisch benannt: Nolimetangere, lassen viele Deutungen offen: Du kannst mich nicht festhalten oder Ich bin nicht von dieser Welt oder hinter dieser Welt liegt eine andere Welt In diesem Moment ist die Gestalt der Maria Magdalena auch ein Symbol für uns, für die christliche Gemeinde. Sie kann weder in dem leeren Grab noch in der Anwesenheit der Engel ein Zeichen der Auferstehung erkennen. Zum Osterglauben kommt es erst in der Begegnung mit dem Auferstandenen selbst. Maria, die in ihrer Trauer auf den toten Jesus fixiert ist...wird in diesem Augenblick darauf gestoßen, den lebendigen Jesus wahrzunehmen, den Jesus, der zu einem Leben auferweckt ist, das den Tod ein für alle Mal hinter sich hat. Selbstständig werden ist mit Trennung verbunden. Die Kunst des Selbstständigwerdens liegt darin, die Trennungen von den Menschen, unter deren Schutz man sich bislang bewegte, zu begreifen, ohne die Beziehungen zu ihnen deshalb abzuwerten oder gar preiszugeben. Es gibt Augenblicke, in denen werden Menschen unwiderruflich erwachsen, oft tut das weh! Dass auch eine Chance und Entwicklungsmöglichkeiten darin liegen, das merkt man oft erst später. Maria muss in diesem Augenblick des Erkennens lernen, dass die Beziehung zu Jesus wieder neu da ist aber zugleich die Trennung bleibt. Eine Rückkehr ist nicht möglich. 4

Jesus sagt: Rühr mich nicht an! Das heißt: Jesus ist nicht mehr der, der er war bevor er durch Leiden und Tod ging. Maria kann ihn nicht mehr in das Vorher zurückholen. Ihn nicht festhalten, festlegen auf die Person, die er war. Jesus ist jetzt ein Anderer, er ist durch den Tod hindurchgegangen, auferstanden. Maria und auch die Freunde müssen ihn gehen lassen, damit er nun für alle da sein kann, in einer neuen Gegenwart über Ort und Zeit hinaus Maria schaut nicht mehr zurück, sie begreift, dass es Zukunft gibt und sie lässt sich davon in Bewegung setzen. Sie geht zu den Freunden, den Jüngern und erzählt, was ihr selbst widerfahren ist: Ich habe den Herrn gesehen und das hat er mir gesagt! Jesu Auferstehung ist nichts, was wir festhalten oder belegen können, sie geschieht in Begegnungen, wieder und wieder, Begegnungen, die sich äußerer Überprüfbarkeit entziehen. Aber Ostern und das wird gerade in dieser Geschichte deutlich, eröffnet eine neue, wichtige Perspektive: In seiner letzten Rede vor seinem Tod sagt Jesus: Eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Und das genau geschieht hier. Die weinende Maria erlebt mitten in ihren Tränen etwas Neues. Sie muss ihre Trauer nicht überspielen, sondern in diesem dunklen Moment kann sie plötzlich hoffen. Nach dieser Geschichte gehört zu Ostern auch das weinen dazu, all unsere schweren Erfahrungen, das, was schief gegangen ist. Unsere Zerbrechlichkeit muss nicht überspielt werden, sondern im Weinen kann auf etwas Neues gehofft werden: Gott wird abwischen alle Tränen Hier ist kein Triumph, sondern eher leise Zuversicht: mir kann nach wie vor schweres widerfahren, ich habe nach wie vor Angst, vor all dem bin ich nicht geschützt, aber ich vertraue darauf, dass Jesus schon neben mir steht, mich ruft, meine Angst lindert und mir die Tränen trocknet. 5

Ja, das Leben hier und heute mag schwer sein und oft mühselig, aber es gibt diese Momente, da weitet sich der Horizont, da werde ich erkannt und Hoffnung strahlt mitten in mein Leben hinein. Diese Begegnung mit dem Auferstandenen ist ein geheimnisvolles Geschehen, das wir nicht selber erzeugen können, das uns unverdient und überraschend widerfährt. Dafür gibt es auch andere Worte, die ähnliche Erfahrungen beschreiben: Verwandlung, Befreiung, Heilung, Umkehr. Auferstehung hat etwas mit Aufstehen zu tun. Das gleiche griechische Wort wird im Neuen Testament auch für die Menschen verwendet, die geheilt wurden. Die am Anfang von Gram gebeugte Maria, geht am Ende aufrecht und verkündet ihren Brüdern, was sie gesehen hat. Aus solchen Auferstehungserfahrungen wächst Auferstehungspraxis wie meine theologische Lehrerin Luise Schottroff es nennt. Die Erfahrung bleibt nicht folgenlos, sondern sie mündet in neues Handeln. Wer sie gemacht hat, wer erfahren hat, dass die göttliche Liebe nach allen Menschen sucht, der will Menschen an der Hoffnung beteiligen. Und es gibt an allen Ecken und Enden zu tun, das wissen wir alle zur Genüge. Im Moment beschäftigt uns hier in Berlin besonders das Schicksal der Flüchtlinge es werden händeringend nach Wohnungen und Unterkünfte für wachsende Anzahl der Menschen gesucht. Aber nicht nur die materielle Hilfe ist an dieser Stelle wichtig, wir müssen auch daran arbeiten, dass sich die Mentalität bei vielen Menschen verändert. Und sie Flüchtlinge nicht als Bedrohung sehen und entsprechend abwehren, sondern als Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Dabei muss man sich immer wieder deutlich machen, dass die meisten Flüchtlinge auf der Erde in Ländern Zuflucht finden, die arm sind, jedenfalls viel ärmer als wir. In der kommenden Zeit erwarten wir Menschen aus Syrien, die vor Zerstörung und Tod fliehen. 6

Viele von Ihnen, die hier im Gottesdienst sind, engagieren sich, tun das Ihre, um anderen Menschen beizustehen. Und ich bin dankbar, dass die Bereitschaft zum Ehrenamt gerade bei uns in der Kirche wächst. Und zu solcher Auferstehungspraxis gehört auch immer der Glaube an das Unmögliche, sonst muss man schier verzweifeln an all den Hürden, die die Realität täglich vor uns aufbaut und an der Mentalität, die uns beharrlich einflüstert: Hat doch sowieso keinen Sinn, das war schon immer so, das wird doch nichts, das schaffst Du nie! Dazu habe ich im Fastenkalender einen wunderbaren kleinen Ausschnitt aus einer Geschichte aus dem Kinderbuch Alice im Spiegelland von Lewis Carroll gefunden: Alice lachte. Probieren nützt nichts, unmögliche Dinge kann man nicht glauben. Du hast wahrscheinlich niemals geübt. Sagte die Königin. In deinem Alter habe ich es jeden Tag eine halbe Stunde lang getan. Manchmal habe ich schon vor dem Frühstück sechs unmögliche Dinge geglaubt. An unmögliche Dinge glauben Das zu üben, gehört auch zu einer guten Auferstehungspraxis dazu. Es stärkt uns, wenn wir uns einsetzen für andere Menschen. Manche Menschen halten den christlichen Osterglauben für naiv. Mag sein, aber vielleicht sind auch die naiv, die ihr Leben hauptsächlich auf äußere belegbare Tatsachen gründen. Die Sinn spendenden und befreienden Dimensionen wie Liebe, Hoffnung und Glauben werden dabei ja eher ausgeblendet und das sind doch die Kräfte, die uns erst richtig menschlich machen: lebendig und fähig zur Wandlung. Maria am Grab war todtraurig, erschreckt, verängstigt und sicher enttäuscht, aber sie hat sich berühren lassen! Sie hat den ersten Hoffnungsstrahl gepackt und es gewagt in seine Richtung weiterzugehen. Ich finde das sehr tröstlich...es gibt seit Ostern kein Verlorensein für immer mehr! Ostern geht weiter, wir sind auf dem Weg in Gottes Zukunft. Deshalb können wir laut und fröhlich unsere Osterlieder singen. Amen. 7