Strahlenrisiko + Besonderheiten des Strahlenschutzes bei Kindern Dr. Marcel Scheithauer Strahlenschutz am Universitätsklinikum und der Universität Jena
1. Strahlenwirkung + Risiko 2. Strahlenbiologische Besonderheiten von Kindern 3. Rechtliche Aspekte 4. Rechtfertigung und Minimierung
Strahlung (Energiezufuhr) Anregung oder Ionisation von Atomen (Sekundenbruchteile) Chemische Veränderungen (Sekunden) (hauptsächlich am Erbgut DNS) Reparatur Keine oder fehlerhafte Reparatur (Stunden) Strahlenwirkung (Jahre)
Arten der Strahlenwirkungen auch bei geringer Dosis möglich Zelltod bei hoher Dosis sterben viele Zellen Veränderung im Erbgut kein Zelltod deterministische Strahlenwirkungen (Hautschäden, Linsentrübung, Strahlenkrankheit) stochastische Strahlenwirkungen (Krebserkrankung, Erberkrankungen)
Betrachtungen zur Dosis: Untersuchung Effektive relativ rel. zur natürlichen Dosis zu Strahlen- [msv] Rö-Thorax belastung Extremitäten, Gelenke 0,01 0,1 1,5 Tage Thorax in 2 Eb. 0,1 1 15 Tage Schädel 0,07 0,7 12 Tage Brustwirbelsäule 0,7 7 4 Monate Becken 0,7 7 4 Monate Abdomen 1,0 10 6 Monate Mammographie bds. 2 Eb. 0,5 5 3 Monate CT - Kopf 2,3 23 1,1 Jahr CT - Thorax 8 80 3,8 Jahre CT Abdomen, Becken 10 100 4,8 Jahre CT - Ganzkörper 14 140 6,7 Jahre ERCP - Untersuchung* 7 70 3,5 Jahre PET 3,8 38 1,8 Jahre Empfehlung der Strahlenschutzkommission, Orientierungshilfe für bildgebende Untersuchungen, 2008 * eigene gemittelte Werte, berechnet aus dem Dosisflächenprodukt von 33,7 Gy*cm²
Betrachtungen zur Dosis: Flüge in großen Höhen kosmische Exposition 5- bis 10- mal höher als auf NN fliegendes Personal erreicht bis 6 msv/a Reiseziel (hin von FRA und zurück) mittl. Dosis [µsv] Rom 92 Kanarische Inseln 28 Johannesburg 48 New York 110 San Francisco 160 Rio de Janeiro 44 Vergleich zur Medizin: Untersuchung effektive Dosis [µsv] Extremitäten, Gelenke 10 einzelne Thoraxaufnahme 100 Abdomen 1.000 ERCP Untersuchung 70.000 CT Abdomen 10.000 CT Ganzkörper 14.000
Betrachtungen zum Risiko: Risikogruppe / Untersuchung Risiko Hand / Zahn 1: 10 Millionen Lunge / HWS / Schädel 1: 100.000 Mammographie 1: 40.000 Abdomen, Phlebografie, CT-Schädel 1: 10.000 Magen / Dünndarm-DL / CT-Wirbelsäule 1: 8.000 ERCP - Untersuchung 1: 7.000 Kolon-DL, CT-Abdomen, CT-Thorax 1: 5.000 Strahlenrisiko: 1 : 7.000 = 0,015 % Die Endoskopie ist ein operativer Eingriff. Mortalität: ERCP mit endoskopischer Papillotomie: 0,4 % (Freeman NEJM 1996)
1. Strahlenwirkung + Risiko 2. Strahlenbiologische Besonderheiten von Kindern 3. Rechtliche Aspekte 4. Rechtfertigung und Minimierung
Bei Kindern ist die Strahlenempfindlichkeit des Gewebes erhöht. Die Strahlenempfindlichkeit hängt mit der Zellteilungsrate zusammen. Es gilt: Zellen, die sich oft teilen sind strahlenempfindlicher als Zellen, die sich selten teilen. Kind fast alle Organe sind strahlenempfindlich Erwachsener nur Organe mit hoher Zellreproduktion sind besonders strahlenempfindlich (z. B. Knochenmark, Eierstöcke, Hoden, Dünndarmschleimhaut) Bei Kindern ist das Absorptionvermögen für Röntgenstrahlung erhöht. Wassergehalt im kindlichen Gewebe ist höher Strahlung wird stärker absorbiert höhere Dosis bei Durchstrahlung gleicher Schichtdicke
Kinder haben eine höhere verbleibende Lebenszeit als Erwachsene. Strahleninduzierte Krebserkrankungen treten erst nach vielen Jahren nach Strahlenexposition auf. Leukämien Schilddrüsen-Ca Mamma-Ca Bronchial-Ca Trend Signifikanz Magen-Ca Colon-Ca Plasmozytom 10 15 20 25 30 35 40 45 Jahre nach Strahlenexposition Hiroshima und Nagasaki, Shigematsu et al. Rad. Eff. Res. Found. 1993
Kindern werden einmal Eltern. Ionisierende Strahlung hat auch genetische Wirkungen. Ein Strahlenschaden kann sich also als Erbschäden bei den Nachkommen äußern. Die Strahlenwirkung auf die Vererbung wird aber meist überschätzt. Daten aus ICRP 103 (über alle Altergruppen gemittelt) Risiko für einen strahleninduzierten Erbschaden 0,2 %/Sv oder 0,002 %/10 msv Beispiel: Durch eine CT-Untersuchung beträgt das Risiko für einen strahleninduzierten Erbschaden etwa 0,002 %. Risiko für eine strahleninduzierte Krebserkrankung 5 %/Sv oder 0,05 %/10 msv Beispiel: Durch eine CT-Untersuchung beträgt das Risiko für eine strahleninduzierte Krebserkrankung etwa 0,05 %. Faktor: 1 : 25
Kinder haben andere Körperproportionen und Gewebelokalisationen als Erwachsene. Der Körper eines Säuglings / Kleinkindes ist kürzer und gedrungener als der eines Erwachsenen. mehr Organe im Strahlenfeld (bei Rö. im Körperstamm) mehr Organe direkt benachbart zum Strahlenfeld Unterschiede in der Lokalisation der besonders strahlenempfindlichen Organe (Beispiel: Knochenmark - blutbildendes System) Kind Lokalisation Erwachsener 29 % Stammskelett 74 % 35 % Extremitäten 9 % 27 % Schädelknochen 8 % Schneider, Montz: Die quantitative Verteilung des erythropoetischen Knochenmarks beim Menschen gemessen mit Radioeisen. J Mol Med 2005; 16: 969 73.
Zusammenfassung Kinder sind keine kleinen Erwachsenen! Strahlenempfindlichkeit und Absorptionsvermögen des Gewebes ist erhöht höhere verbleibende Lebenszeit höheres genetisches Risiko andere Körperproportionen und Gewebelokalisationen Fragestellungen und Untersuchungen unterscheiden sich Empfehlung der Strahlenschutzkommission (2006) Bildgebende Diagnostik beim Kind
1. Strahlenwirkung + Risiko 2. Strahlenbiologische Besonderheiten von Kindern 3. Rechtliche Aspekte 4. Rechtfertigung und Minimierung
Durchleuchtungsarbeitsplatz 1912
Rechtsgrundsatz im Strahlenschutz Betrieb von Röntgeneinrichtungen (Röntgenverordnung), Umgang mit radioaktiven Stoffen (Strahlenschutzverordnung) VERBOTEN! bis auf unter Vorbehalt genehmigte Ausnahmen mit folgenden Voraussetzungen: personeller Art materieller Art organisatorischer Art
WER darf WAS? Strahlenanwendung am Menschen fachkundige Ärzte fachkundige MTRA Personal (Ärzte, Schwestern, OP- Personal) mit den Kenntnissen im Strahlenschutz anordnen + selbständig anwenden selbständig anwenden unter Aufsicht eines fachkundigen Arztes anwenden Kurse + praktische Erfahrung Anerkennung von LÄK Berufsausbildung Kurs Anerkennung von LÄK ALLE ohne Kenntnisse im Strahlenschutz dürfen gar nichts bezüglich Strahlung, auch keine Erfahrungen sammeln
1. Strahlenwirkung 2. Strahlenbiologische Besonderheiten von Kindern 3. Rechtliche Aspekte 4. Rechtfertigung und Minimierung
Grundsätze im Strahlenschutz RöV Strahlenschutz Rechtfertigung Minimierung Begrenzung Patient Patient / Personal Personal
Rechtfertigung strenge Indikationsstellung gezielte Fragestellungen des anfordernden Arztes abgestufte Diagnostik alternative Untersuchungsmethoden Vermeiden von Wiederholungsuntersuchungen Hier dargestellt wurden generelle Forderungen, die nicht nur für die Kinderradiologie gelten. So viel wie nötig, so wenig wie möglich As low as reasonably achievable (ALARA)
Minimierung Dosissteigerung durch falsch gewählte Parameter Schneider. Aufnahmetechnik und Strahlenschutz im Kindesalter. Teil 1- Projektionsradiographie und Durchleuchtung. Radiologie up- 2date 3 (2006), DOI 10.1055/s-2006-944724
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