Reisebericht DR Kongo. Sicherheitslage & Sicherheitssektorreform

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Transkript:

Reisebericht DR Kongo Sicherheitslage & Sicherheitssektorreform Angesicht der regionalen Krise, verstärkt durch die Situation im Nachbarland Burundi und der ungewissen politischen Zukunft in der DR Kongo, nehmen die Konflikte im Osten des Landes nicht ab. Im Gegenteil, die Schwelle der Gewalt und Brutalität ist besonders in der Provinz Nord-Kivu sehr hoch. Die Massaker um Beni und Butembo sind zum Politikum geworden. Nach der Veröffentlichung des Berichts der Congo Research Group steht die kongolesische Armee FARDC als einer der Gewaltakteure im Fokus. Zudem verhärten sich die Spekulationen über eine gewollte Destabilisierung der Region, da die Massaker häufig in Gegenden stattfinden, in denen der Geheimdienst ANR und die FARDC stationiert sind. Verantwortlich für die brutalen Angriffe auf die Bevölkerung ist ebenso die uganda-stämmige Miliz ADF-Nalu. Deren Anzahl wurde durch militärische Aktionen zwar verkleinert, diese führten aber nicht zu einer Auflösung der Rebellengruppe. Seit Beginn der Massaker im Oktober 2014 sind über 1.000 Tote zu beklagen. Die Miliz FDLR ist zahlenmäßig zwar geschwächt, dies mindert aber nicht den Grad an Brutalität der Miliz. Es sollen sich FDLR-Kämpfer im Grenzgebiet zu Burundi aufhalten und auch in Lagern in Malawi und Sambia. Gleichzeitig schreitet die interne Spaltung der Miliz voran. Im Juni sind Lagerkämpfe innerhalb der Miliz ausgebrochen, was auf eine deutliche interne Schwächung hinweist. Die Zahl der Kämpfer schwankt zwischen 1.500 2.000 Mann. Militäraktionen wie Sukola II der kongolesischen Armee gegen die FDLR schwächten die Miliz zu einem gewissen Grad, führten aber nicht zu deren Kapitulation. Problematisch ist und bleibt die Vertreibung der Milizen in andere oftmals unwegsamere Gegenden, in denen sie die Bevölkerung weiterhin drangsalieren. Seit dem Frühjahr dieses Jahres kooperiert die UN-Blauhelmtruppe MONUSCO erneut mit der kongolesischen Armee. Diese Zusammenarbeit suspendierte die MONUSCO im vergangenen Jahr aufgrund der Ernennung zweier kongolesischer Generäle zum leitenden Stab der Militäraktion gegen die FDLR. Die beiden Generäle standen auf der roten Liste der UN- Blauhelmtruppe, da sie sich schweren Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hatten. Die jüngste Militärkooperation Usalama zwischen FARDC und MONUSCO richtet sich seit Mai 2016 gegen die ADF-Nalu. Das Katz-Maus-Spiel zwischen Armee, MOUNSCO und Rebellen birgt viele Gefahren für die Bevölkerung. Laut OCHA vom März 2016 zählt der Nord-Kivu um die 782.000 intern Vertriebenen. Neben den militärischen Aktionen wird die Forderung 1

nach vor allem politischen Lösungen seitens der humanitären Organisationen, der Kirchen und der Bevölkerung immer stärker. Neben der hohen Anzahl von Vertriebenen und Opfern, scheitern diese militärischen Missionen oftmals auch am Fehlen eines nachhaltigen Stabilisierungskonzepts. Sobald eine Miliz vertrieben oder in kleinere Gruppen zersplittert wurde, versagen die staatlichen Akteure, die befreiten Gebiete mit nachhaltigen Strukturen zu sichern. Problematisch ist zum einen die fehlende Präsenz seitens der Regierung in Kinshasa zum anderen die Schwäche lokaler Autoritäten, die wenig politisches Profil und Erfahrung besitzen. Das Mandat der MONUSCO erneuerte sich im März 2016 für ein weiteres Jahr. Die Beziehungen zwischen der UN-Mission und der kongolesischen Regierung sollen trotz erneuter gemeinsamer Militäraktionen sehr angespannt sein. Die Regierung in Kinshasa forderte eine Reduzierung der UN-Truppen und machte erneut darauf aufmerksam, dass die UN-Mission im Land nicht erwünscht sei. Diese sieht sich selbst mit einem Mandatsproblem konfrontiert, da die MONUSCO zum einen die FARDC militärisch und logistisch unterstützen, zum anderen aber die Bevölkerung schützen soll. Besonderes hinsichtlich der aufflammenden Proteste gegen die Verzögerung der Wahlen und der Massaker um Beni eröffnet sich das Dilemma, wie die UN-Blauhelme bei nicht berechtigter staatlicher Gewalt seitens der FARDC gegen die Bevölkerung reagieren werden. Seitens humanitärer Organisationen und Zivilgesellschaft steht die MONUSCO auch aufgrund der vielen personellen Rotationen, der nicht ausreichenden Landeskenntnis und dem zu geringen Menschenrechts-Monitoring, gerade hinsichtlich der sich verschärfenden Situation und den zunehmenden Konfrontationen zwischen Bevölkerung und Sicherheitskräften, in der Kritik. Die Verteilung der MONUSCO-Einheiten verursacht Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die sich vor allem außerhalb der größeren Städte nicht geschützt fühlt und sich über mangelnde Präsenz der Blauhelmtruppe beklagt. Sicherlich ist die Konzentration vieler Truppen in und um Goma problematisch und wird den gewalttätigen Hotspots in der gesamten Region nicht gerecht. Da international besonders der Nord- und der Süd-Kivu im Fokus stehen, wird die sehr prekäre Sicherheitslage und komplexe Konfliktsituation in der ehemaligen Provinz Katanga, die nun in die Provinzen Tanganyika, Haut-Lomami, Lualaba und Haut-Katanga aufgeteilt ist, zu wenig wahrgenommen auch von Seiten der MONUSCO. Einen Abzug der MONUSCO bei der angespannten Sicherheitslage und der ungewissen politischen Zukunft kann sich die Mehrheit der Bevölkerung allerdings nicht vorstellen. Die Gefahr einer noch größeren gewaltsamen Fragmentierung der Region wäre ein zu befürchtendes Szenario. Die Demobilisierungsprogramme für ehemalige Milizen und ihre Familien verlaufen sehr schleppend. Oftmals nicht ausreichend finanziert, mit zu wenig Ressourcen ausgestattet und kaum Perspektiven für eine zukünftige Lebensgrundlage, werden die ehemaligen Kämpfer samt Familien zurück in die Krisengebiete geschickt. Somit ist die Gefahr der erneuten Rekrutierung durch Milizen sehr hoch. 2

Gegen die FARDC liegen Vorwürfe der Verwicklung in weitere kriminelle Geschäfte, wie den täglichen Entführungen von Zivilisten und der Schutzgelderpressung, vor. Die Verantwortung liegt oftmals in den oberen Rängen der Armee und nicht bei einfachen Soldaten, diese werden als einzelne Schuldige zwar belangt, aber mafiöse Netzwerke nicht aufgedeckt. Im Gegensatz zum Nord-Kivu ist allerdings ein Rückgang der Anzahl von Entführungen im Süd-Kivu zu verzeichnen. In der Provinzhauptstadt Bukavu gab es in diesem Jahr keinen einzigen Fall und auch im Umland sollen die Auswirkungen dieses grassierenden Banditentums zurückgegangen sein. Generell sprechen sowohl die MONUSCO als auch lokale Akteure von einer teilweise sicherheitspolitischen Entspannung im Süd-Kivu - dagegen steht die alarmierende Sicherheitslage im Nord-Kivu. Neben den politischen Verwerfungen und der angespannten Sicherheitslage sind die aufkochenden ethnischen Konflikte vor allem im Nord-Kivu mit Sorge wahrzunehmen. Die konfliktöse Beziehung zwischen Nande, Hunde und autochthonen Hutu-Gruppen in möglichen Allianzen mit der Tutsi-Bevölkerung bedarf genauer Analyse und ist oftmals ein Ventil, um kleine Vorkommnisse wie Autounfälle und Diebstähle zu politisieren, was in einigen Fällen zu Selbstjustiz führen kann. Einige der Milizen bilden sich aus dem Bedürfnis des Schutzes eines Dorfes oder einer Gemeinschaft heraus. Oftmals gehören diesen als Mayi Mayi bekannten Bürgerwehren mehrheitlich normale Dorfbewohner an, die zur Waffe greifen und sich militarisieren. Nährboden ist die prekäre Sicherheitslage, unkontrollierte Armeeeinheiten und der abwesende Staat. Der Rückbezug auf Selbstjustiz ist ebenso alarmierend, welcher durch ein fehlendes funktionierendes staatliches Rechtssystem Einzug erhält. Viele Kongolesen befürchten aufgrund der steigenden ethnischen Konflikte und der Einmischung von den Nachbarländern eine Balkanisierung der Region. Überregionale Spannungen und eine aggressive Rhetorik seitens der Staatsmänner befeuern den Krisenherd Große Seen Region zusätzlich. Nicht nur die politische und humanitäre Krise im Nachbarland Burundi spielt dabei einen gefährlichen Faktor, auch die illegalen Überschreitungen an der ruandisch-kongolesischen Grenze nehmen mit den dazugehörigen Anschuldigungen zu. Mehrfach sollen Personen in FARDC- und/oder FDLR- Uniform auf ruandischen Boden gesehen worden sein, aber auch ruandische Soldaten bewegen sich auf kongolesischem Hoheitsgebiet. Im April ordneten die kongolesischen Behörden die Schließung der drei Flüchtlingscamps Mpati, Kivuye und Bweru im Nord-Kivu an. Die Gründe für die Schließung sind laut FARDC, die Unterwanderung von FDLR und Mayi-Mayi-Rebellen in den Camps. Nach Einschätzungen des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge lebten in den Camps ungefähr 35.000 Menschen, die nun landlos sind. Darunter befinden sich viele Hutu-Familien, die keine freundschaftlichen oder familiären Allianzen in der Bevölkerung haben und deren Zukunft ungewiss ist. Daher ist auch der Grad der Rekrutierung durch Milizen hoch. Neben der defizitären Umsetzung einer Sicherheitssektorreform bereitet die fehlende unabhängige Justiz nach wie vor der Bevölkerung große Sorgen. Viele Inhaftierte haben keinen 3

Zugang zu Anwälten und Staatsanwälten; ein kompliziertes und kostspieliges System von Gebühren auf allen Ebenen des Prozessverfahrens erschwert sowohl für Angeklagte als auch Opfer von Straftaten den juristischen Prozess. Auch im Gefängnis zählt der monetäre Rückhalt. Je mehr finanzielle Mittel ein Inhaftierter zur Verfügung hat, umso besser ist er in den sehr maroden, überfüllten und menschenunwürdigen Strafvollzugsanstalten untergebracht und versorgt. Eine leichte Verbesserung korreliert mit dem Anstieg der Prozesse gegen höhere Offiziere der FADRC und andere Militärangehörige. Nichtsdestotrotz ist die grassierende Straflosigkeit und fehlende Justiz eins der gravierendsten Probleme in der DR Kongo. Wahlkalender 2016 Der Frust seitens der Bewohner in den östlichen Provinzen auf die Hauptstadt Kinshasa und die dortige Regierung ist groß und die Unzufriedenheit nimmt mit Blick auf den zeitlich näher rückenden Temin zur Präsidentschaftswahl am 27. November 2016 zu. Von Seiten der Bevölkerung, lokalen NGOs und der Kirche ist mehrheitlich die Forderung nach der Einhaltung des Wahltermins zu vernehmen. Die Regierung spielt mit Verzögerungstaktiken, deren neuste Version ein Referendum ist, bei dem die Bevölkerung befragt werden soll, wen sie gerne zum Präsidenten hätte Kigali lässt grüßen. Die nationale Wahlkommission CENI hat genaue Vorstellungen darüber, wie lange die Vorbereitungszeit für die Wahlen dauern würde - 16 Monate - mit konkreten Vorbereitungen wurde allerdings noch nicht begonnen. Erste Überprüfungen der Wahlregister sind für Juni geplant. Allmählich beginnt die CENI zusammen mit lokalen Organisationen in den Provinzen Personal für die Überarbeitung der einzelnen Wahlregister zu rekrutieren. Vielen ist bewusst, dass die Wahlen nicht fristgerecht eingehalten werden können. Was bei einem Verzug der Wahlen für Ventile geöffnet werden, bleibt Spekulation. Die bereits angespannte Situation macht allerdings deutlich, dass bei nicht stattfindenden Wahlen der Ausgang dieses Jahres sehr explosiv sein könnte. Der aussichtsreichste gemeinsame Kandidat der Opposition, Moise Katumbi, flüchtete kurz nach seiner Nominierung im Mai dieses Jahres ins europäische Exil. Gegen ihn liegt ein Strafbefehl seitens der kongolesischen Justiz vor. Er soll amerikanische Söldner rekrutiert haben. Nicht nur gegen seine Person, auch gegen sein engeres Umfeld gehen die staatlichen Behörden mit Anschuldigungen und Repressionen vor. 27 seiner engeren Mitarbeiter sitzen momentan in Haft. Neben dem Abhalten der Präsidentschaftswahlen sind die Forderungen nach einem aktualisierten Termin für die Kommunalwahlen sehr stark zu vernehmen. Diese stehen seit 2006 aus. Viele Kandidaten haben bereits für ihre Kandidatur und Aufstellung im letzten Jahr bezahlt. Die Lokalwahlen haben im vergangenen Oktober aber nicht stattgefunden und die Gelder an die Kandidaten wurden bislang nicht zurückgezahlt. Die politische Zukunft des Landes ist ungewiss. Ein mögliches Szenarium wäre der Ausgang des bislang weniger erfolgreich laufenden Dialoges zwischen Regierung und Opposition in 4

Kinshasa, mit der Einigung auf eine Transitionsphase in der die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sowie die Kommunalwahlen festgelegt und Konditionen an die amtierende Regierung gestellt werden. Viele zivilgesellschaftliche Akteure fordern von Präsident Kabila ein öffentliches Statement, in dem er sich gegen eine dritte Amtszeit ausspricht. Auch Journalisten bekommen das äußerst angespannte Klima im Lande zu spüren. Medien, vor allem Radiostationen, werden zum einen immer stärker für Regierungspropaganda genutzt zum anderen an ihrer Arbeit gehindert. Die DR Kongo belegt Platz 152 von 180 Ländern im World Press Freedom Index, veröffentlicht von Reporter ohne Grenzen. In diesem Jahr schlossen kongolesische Behörden drei Radiostationen und zwei TV-Sender. Für Ende Mai riefen das Oppositionsbündnis G7 und die Plattform Citoyen 2016 zu landesweiten Demonstrationen auf. Anlass war die vom Verfassungsgericht genehmigte Verlängerung der Amtszeit des derzeitigen Präsidenten Kabila, bis eine Nachfolge gewählt wird, sowie die Forderung nach der Einhaltung des Wahlkalenders und ein Ende der anhaltenden Gewalt um Beni. In Bukavu und Kinshasa waren die Demonstrationen erlaubt, wohingegen die Provinzgouverneure in Lubumbashi und Goma ein Verbot aussprachen. In Goma kam es zu mehreren Festnahmen und zwei Toten, in Bukavu verlief die Demonstration ohne Vorkommnisse. Landkonflikte Die Frage um Land, Landbesitz und Zugang zu Land ist und bleibt eine der dringendsten. Von einer nachhaltigen Landreform ist nicht zu sprechen. Im Gegenteil, Enteignungen großer Flächen fruchtbaren Landes durch die Präsidialfamilie und amtierende Politiker wie bspw. in Masisi schreiten fort. Dieses Missmanagement von fruchtbaren Böden führt zu Vertreibungen und Unruhen. In den wenigsten Fällen wird die betroffene Bevölkerung entschädigt. Auch nehmen die Konflikte um Ressourcen und Land aufgrund der Flüchtlingssituation zu. Über 23.000 burundische Flüchtlinge sind unter sehr schlechten Bedingungen in zwei Flüchtlingslagern in Fizi und Uvira im Süd-Kivu untergebracht. Diese Region ist von Instabilität, kaum vorhandener Infrastruktur und ökonomischen Problemen geprägt. Staatliche Kontrolle und Aufnahmekapazitäten sind stark limitiert. Die burundischen Flüchtlinge treffen auf über 50.000 intern vertriebene Kongolesen (insgesamt zählt der Süd-Kivu mehr als 360.000 intern Vertriebene). Zudem sind burundische Milizen seit vielen Jahren in der Region präsent. Mit Beginn der politischen Krise im Nachbarland nehmen die Anzahl an Milizen, gewaltvollen Übergriffen und Rekrutierungen zu. Eine Sicherung der Grenzen und ein Monitoring in den Flüchtlingslagern sind nicht vorhanden. Die lokale Bevölkerung schätzt diese Entwicklung als sehr gefährlich ein und zieht immer wieder Vergleiche zu den Flüchtlingsströmen aus Ruanda nach 1994. Rohstoffe, Kleinbergbau und Konflikte Der kongolesische Rohstoffsektor ist vom Preisverfall für mineralische Rohstoffe auf dem globalen Rohstoffmarkt und der weltweiten Finanzkrise stark betroffen. Verglichen mit den 5

Exportzahlen von 2009 ging der Export von Kassiterit (Zinnerz) und Coltan zurück, erholt sich aber langsam von der Boykottsituation aus dem Jahr 2010/2011. Der Abbau von Rohstoffen ist für die Kivu-Provinzen weiterhin ein sehr wichtiger Einkommensfaktor. 89% des Coltanexportes geht nach China, 61,6% des Exportes von Kassiterit nach Belgien. Problematisch ist das Fehlen eines Absatz- oder Umlaufmarktes. Die Zwischenhändler kaufen den Kleinschürfern das Material auf Pump ab und bezahlen erst, wenn sie es auf dem internationalen Markt weiterverkaufen konnten, was zu Wertverlusten und zu vielen Spannungen zwischen beiden Akteuren führt. Der illegale Handel mit Gold stellt die Wirtschaft der DR Kongo vor große Schwierigkeiten. Immer noch werden fast 100% des Goldhandels illegal aus dem Land geschafft. Profiteure sind, neben mafiösen Strukturen lokaler Geschäftsmänner, auch Vertreter der FARDC und der Politik, die Nachbarländer und überregional agierende Akteure. Die unterschiedlichen Steuersysteme in der DR Kongo und Ruanda begünstigen den Schmuggel. Die Exportkosten von mineralischen Rohstoffen sind in der DR Kongo verglichen mit Ruanda sehr hoch. Im Nord-Kivu siedelt sich die industriell verarbeitende Bergbaufirma Alphamin aus Südafrika als erstes großes Unternehmen an. Ein positiver Impuls könnte der Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur (Straßen, Gesundheitszentren etc.) in der Region Walikale sein, was auch die Sicherheitssituation verbessern könnte. Allerdings zeichnen sich Konflikte bereits im Vorfeld mit den Kleinschürfern und Kooperativen ab, die Vertreibungen und Nachteile befürchten. Die Formalisierung des Kleinbergbaus und die Rechte für Kleinschürfer sind zentrale Forderungen. Damit verbunden ist eine Reform des kongolesischen Bergbaugesetzes Code Minier, die bereits 2012 hätte erfolgen sollen. Die Mehrheit der artisanalen Kleinschürfer arbeitet im informellen Sektor, hat somit keine legale Basis, um Rechte einzufordern und ist zu 100 % abhängig von Zwischenhändlern, lokalen Autoritäten und Staatsangehörigen. Zudem gibt es kein geregeltes Steuersystem für die Kleinschürfer. In der Konsequenz werden ihnen viele unklare, zum Teil willkürliche Steuern abgenommen. Laut des Code Minier müssen die Kleinschürfer Mitglieder einer Kooperative sein. Diese sehen ihre Interessen in den Kooperativen kaum vertreten. Oftmals sind diese von starren hierarchischen Strukturen, dem Durchsetzen von Partikularinteressen einer oberen Chefetage, Hunderten von Mitgliedern und wenig Engagement gekennzeichnet. Viele Kleinschürfer sehen daher keinen Vorteil, sich kostenpflichtig einer Kooperative anzuschließen. Zwar sind Fortschritte im Kleinbergbau durch Zertifizierungssysteme, größere Transparenz und mehr Sicherheitsstrukturen in einigen Minen, in denen v.a. Coltan und Zinn abgebaut werden, zu verzeichnen, aber die Gebiete um die Minen herum erfahren weiterhin Gewalt und Überfälle, da es dort an Sicherheit und Kontrollmechanismen fehlt. Die Einführung einer Minenpolizei police minière wurde prinzipiell als notwendige Maßnahme begrüßt, um Konflikte in und um die Minengebiete besser einzudämmen und die Gebiete zu schützen. Allerdings fehlt es dort, wie in anderen Sektoren auch, an guter Ausbildung und ausreichender/regelmäßiger Bezahlung. 6

Sehr kritisch sehen viele Akteure im artisanalen Sektor die Industrieinitiative für einen konfliktfreien Abbau und Handel mit Zinn ITRI. Die Initiative nimmt bislang eine Monopolstellung ein, kann Konditionen und Preise diktieren und verlangt sehr hohe Summen für die Etikettierung. Problematisch bei der Etikettierung ist auch, dass die dadurch höheren Ausgaben auf die Kleinschürfer verlagert werden. Daher sind alternative Systeme wie das Better Sourcing Programm sehr erwünscht, um Monopolstellungen aufzulösen. Gesine Ames 7