D ie Mengen an Öl, Gas und Kohle. Hauptsache Bio?

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Ein Papierbecher, der innen mit einer dünnen Folie aus einem Blend von bioabbaubarem Polyester und PLA beschichtet ist, lässt sich kompostieren, aber auch leicht und ohne Zusatzaufwand im Papier-Recycling entsorgen (Foto: BASF) Rohstoffnutzung und Abfallwirtschaft. Wie die aktuelle Atomkraftdiskussion, die Erdöl- und die E10-Debatte zeigen, wird auf der einen Seite intensiv nach alternativen Energieformen und Rohstoffen sowie nach effizienten Entsorgungswegen gesucht. Auf der anderen Seite herrscht in der Öffentlichkeit und in den Publikumsmedien große Verwirrung, wie die vielen verschiedenen Ansätze zu bewerten sind. Das Schlagwort bio ist in aller Munde. Doch was bedeuten bio, nachhaltig, umweltfreundlich, energieeffizient? Nur Ökoeffizienzanalysen zeigen Auswege aus dem Begriffsdickicht. Hauptsache Bio? JENS HAMPRECHT LARS BÖRGER SABINE PHILIPP D ie Mengen an Öl, Gas und Kohle auf der Welt sind begrenzt. In Zukunft können erneuerbare Energien und Biomasse diese begrenzten fossilen Energieträger und Rohstoffe in einem gewissen Maß ersetzen bzw. ergänzen. Daher kommt den nachwachsenden Rohstoffen langfristig immer größere Bedeutung zu. Sie sind als Einsatzstoffe aber nicht per se gut, so wenig wie Erdöl per se schlecht ist. Ebenso wie man Öl entweder verbrennen oder zu wertvollen chemischen Rohstoffen umwandeln kann, unterliegen auch Mais, Weizen und Zuckerrohr einem mehrfachen Wettbewerb. Zuallererst sind es Nahrungsmittel. Sie dienen aber auch der Strom- und Wärmegewinnung, der Herstellung von Biokraftstoffen und nicht zuletzt der chemischen Industrie als Rohstoff. Da man unter diesem Blickwinkel Biorohstoffe ähnlich wie fossile Rohstoffe behandelt, ARTIKEL ALS PDF unter www.kunststoffe.de Dokumenten-Nummer KU110825 sollten auch dieselben Kriterien bei ihrem Einsatz herangezogen werden. Im Rahmen von Ökoeffizienzanalysen, wie sie die BASF betreibt, oder anderer LCAs (life cycle assessments), lässt sich herausfinden, welche von mehreren Produktalternativen in der Gesamtschau aus Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit über den ganzen Lebenszyklus hinweg die ökoeffizienteste ist. Hier schneiden Bio-Rohstoffe und auch Bio- erneuerbare Rohstoffe ökologisch besser als konventionelle Rohstoffe Umweltbelastung Kosten (normiert) Kunststoffe mitnichten immer besser ab [1] (Bild 1). Betrachtet man im Einzelfall Transportwege, Wasserverbrauch oder Düngemittelbedarf, Abholzung von Wäldern oder Energieaufwand bei der Verfeinerung der Biomasse, so kann das vermeintlich umweltfreundliche Material weniger ökoeffizient sein als das fossil-basierte Vorgängerprodukt. Gerade Kunststoffexperten wissen, dass es zum Einsparen fossiler Energie und zur Verminde- erneuerbare Rohstoffe billiger als konventionelle Rohstoffe Bild 1. Die unstrukturierte Verteilung der Messpunkte in dieser Zusammenstellung zeigt, dass erneuerbare Rohstoffe weder grundsätzlich ökologisch besser noch preiswerter sind als konventionelle Rohstoffe. Hinter jedem dieser Punkte verbirgt sich eine Ökoeffizienzanalyse (Quelle: BASF) > 39

Biokunststoffe rung von Treibhausgasemissionen auch Wege ganz ohne Biomasse gibt (Bild 2). Bioabbaubare Kunststoffe: Ressourcenschonung mit Kompost Heizung 32 % 4028 Mio. t Kraftstoffe 50 % Die Kunststoffindustrie, aber auch andere Branchen kennen seit Langem den Dreiklang der Materialentsorgung: werkstoffliche, rohstoffliche und energetische Verwertung. Je nach Menge, Qualität, Heterogenität und Logistik kann jede der drei Verwertungsarten im speziellen Fall die optimale sein. Legt man Strom 8% Kunststoffe chemische Industrie 10 % Bild 2. Mineralölverbrauch weltweit im Jahr 2010: Nach wie vor werden 80 bis 90 % des gesamten Erdöls durch Heizung/Kühlung und Transport/Verkehr verbraucht: Die Herstellung von Chemie-Produkten einschließlich der Kunststoffe beansprucht nur ca. 10 % der Erdölressourcen (Quelle: BP Statistical Review of World Energy 6/2011) Bild 3. Tüten aus einem speziell dafür entwickelten Blend von bioabbaubarem Polyester und PLA sind nach EN 13432 zertifiziert und daher vollständig biologisch abbaubar (s. Test im Foto) (Fotos: BASF) Kunststoffe können auf der anderen Seite jedoch auch einen Beitrag dazu leisten, Biomasse in großem Maßstab nutzbar zu machen. Dazu sind nicht notwendigerweise biobasierte, sondern biologisch abbaubare Werkstoffe nötig. Inzwischen ist es bekannt, dass diese beiden Eigenschaften bioabbaubar und biobasiert nichts miteinander zu tun haben müssen. Das Woher und das Wohin eines Produkts müssen nicht gekoppelt sein: Ein biobasiertes Kunststoffbauteil kann in der Müllverbrennungsanlage landen, während eine Tüte, die sich aus der Petrochemie ableitet aber nach EN 13432 bioabbaubar ist, in der Kompostieranlage zur Verwertung kommt (Bild 3 ). Im Rahmen der Diskussion um den Nutzen bioabbaubarer Kunststoffe ist in den letzten Jahren das Thema Kompostierung und Bioabfallwirtschaft stärker in den Fokus gerückt. Die Kompostierung ist die aerobe Verarbeitung von organischem Abfall durch Mikroorganismen. Solcher Abfall entsteht nicht nur in den Küchen der Privathaushalte, sondern auch bei großen Lebensmittelketten und überall dort, wo Lebensmittel erzeugt, gelagert und transportiert werden. Bioabfallwirtschaft: Treibhausgase und Ressourcennutzung umfassende Ökoeffizienzanalysen zu Grunde, so ist bei Kunststoffprodukten in vielen Fällen die energetische Verwertung die beste. Auch die Verarbeitung von Bioabfall zu Kompost lässt sich als Anteil des kompostierten Bioabfalls am gesamten Bioabfall 100 % 80 60 40 20 0 kompostiert rohstoffliche Verwertung betrachten: Die Apfelschale und die faule Tomate werden nach der Kompostierung zu organischem Material, aus dem wieder Apfelbäume und Tomatenstauden hervorgehen können. Mithilfe von Beuteln und Taschen aus hochwertigen bioabbaubaren Kunststoffen wird es noch einfacher, hygienischer deponiert oder verbrannt USA Deutschland Italien Großbritannien Frankreich Spanien Bild 4. Deutschland ist bei der Kompostierung von organischem Abfall im internationalen Vergleich bereits sehr weit, in anderen Ländern kann noch viel getan werden (Quelle: European Bioplastics Association, End of Life Factsheet Composting) 40 Carl Hanser Verlag, München

und sauberer, diese organischen Materialien über die industrielle Kompostierung wieder in den Rohstoffkreislauf zurückzuführen. Das ging bisher zwar auch ohne Kunststoffbeutel: In Deutschland ist die Abfalltrennung und die Kompostierung von Bioabfall im Vergleich zu anderen Ländern der Welt sehr weit entwickelt. Denn wer hat bisher nicht die alte Zeitung genutzt, um seinen grünen Haushaltsabfall zur Biotonne zu bringen, selbst wenn sie unhygienisch ist und leicht durchweicht. Aber selbst in Deutschland ist das Potenzial noch nicht ausgeschöpft (Bild 4). Global betrachtet hingegen gibt es hier enormen Nachholbedarf. Beispiel Asien: Zusammen mit der GTZ (Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) und lokalen Behörden hat die BASF im Jahr 2010 in Samutsonkram/Thailand, ein Projekt zur Verteilung von Biomüllbeuteln gestartet, gekoppelt mit einer Informationskampagne zum Thema Abfallentsorgung. In Thailand existiert noch keine Infrastruktur zur Sammlung oder Verwertung von organischen Haushaltsabfällen. Mehr als 90 % der beteiligten Haushalte bestätigten, nach dem Projekt das Thema besser zu verstehen und signalisierten Interesse an einer systematischen Sammlung. Eine Infrastruktur, wie sie in Deutschland schon lange besteht, ist Voraussetzung dafür, Bioabfälle wirtschaftlich sinnvoll zu der Ressource Kompost zu verarbeiten. Auch Australien ist ein Land, das nach Angaben der Australian Bioplastics Association im Jahr 2006 noch 62 % des jährlich erzeugten Bioabfalls und damit 14 Mio. t auf der Deponie entsorgt. Durch die Emission von Methan erzeugt 1 kg Bioabfall auf einer Deponie 4000 g CO 2 -Äquivalente, während bei der industriellen Kompostierung nur 19 g anfallen [2]. Bioabfall, der auf einer Deponie anstatt in einer Kompostanlage verrottet, trägt also überproportional zur Emission von Treibhausgasen bei. Gleichzeitig ist Kompost ein Wertstoff, der eine wichtige pflanzliche Nährstoffquelle darstellt und die Bodeneigenschaften verbessert, da er den weltweit durch Intensivlandwirtschaft ausgelaugten Böden einen Teil des verloren gegangenen Phosphors wieder gibt. Auch in Gegenden, die mit starker Bodenerosion zu kämpfen haben, erweist sich Kompost als hilfreich zur Bild 6. Besonders ökoeffizient ist eine bioabbaubare Einkaufstüte, die man mehrfach zum Einkaufen verwendet und danach zur Sammlung von Bioabfall nutzt (Fotos: BASF) Erdreichstabilisierung, und er ist kostengünstiger als künstliche Bodenverbesserung. Kompost ist also ökologisch wie wirtschaftlich ein interessantes Produkt. Tüten und Taschen: zum Einkaufen und Entsorgen Bild 5. Im Biokompostwerk in Grünstadt (Rheinland- Pfalz) hat die BASF im Jahr 2009 die grundsätzliche Kompostierbarkeit von Bioabfalltüten aus dem bioabbaubaren Kunststoff Ecovio demonstriert. 2011 wird ein Großversuch mit 65 000 Haushalten durchgeführt, dessen Auswertung ebenfalls zusammen mit dem Grünstädter Biokompostwerk und einem unabhängigen Institut stattfindet (Foto: BASF) Tüten und Taschen aus bioabbaubaren Kunststoffen können in großem Maßstab dabei helfen, Kompost sauber und hygienisch zu sammeln. Die bioabbaubare Tüte selbst stellt dabei aufgrund ihres geringen Gewichts kaum einen Nährstoff dar, vereinfacht und ermöglicht aber in manchen Gegenden erst die Sammlung von Bioabfall und damit die Erzeugung von wertvollem Kompost. Die BASF hat im April 2011 im Kreis Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) einen Pilotversuch gestartet, bei dem 65000 Haushalte mit einem Testpack Bioabfalltüten aus dem bioabbaubaren BASF-Kunststoff Ecovio versorgt wurden. Nachdem bereits 2009 in Grünstadt (Bild 5), 2010 in Kingston, Kanada, und 2011 in Dandenong, Australien, in lokalen Kompostieranlagen gezeigt werden konnte, dass Bioabfalltüten aus Ecovio problemlos unter industriellen Kompostierbedingungen abbauen, soll nun auch der Großmengenversuch und die Akzeptanz beim Bürger untersucht werden. In Houston (Texas) werden Rasenschnitt und Gartenabfälle bereits in bioabbaubaren Kunststofftüten gesammelt; in Straubing bei München gehören Bioabfalltüten aus bioabbaubaren Kunststoffen nach einer umfassenden Pilotphase inzwischen zum Alltag. Weitere deutsche Städte und Gemeinden haben Interesse bekundet. Der bioabbaubare Polyesterblend Ecovio kann seine Vorteile dabei nicht nur als Bioabfalltüte demonstrieren (Bild 6). > 41

Biokunststoffe Eine Einkaufstüte aus bioabbaubarem Kunststoff, wie sie z. B. die Handelskette Aldi Süd anbietet, ist dann ökoeffizienter als eine konventionelle PE- oder eine Papiertüte, wenn man sie aufgrund ihrer Stabilität mehrfach zum Einkaufen verwendet und dann zusätzlich als Bioabfalltüten nutzen kann. Das ergibt eine Ökoeffizienzanalyse, die diese drei Tütenarten mit genau diesem Anforderungsprofil vergleicht (Bild 7). in einer industriell betriebenen Kompostieranlage unter definierten Bedingungen. Um dem Littering an Land wie auf See Herr zu werden, hilft nur Aufklärung und die Umkehr von einer Wegwerfgesellschaft hin zu einer Gesellschaft, die den Wert einzelner Produkte, auch nach ihrer Gebrauchsphase erkennen lernt. Ein allgemeines Verbot von konventionellen Kunststoff-Einkauftaschen ist daher nicht sinnvoll. Vor allem dann nicht, wenn für Etabliert: bioabbaubare Kunststoffe Ökoeffizienz-Portfolio* 0,8 Szenario: Kunststofftragetaschen durchschnittlich Ecovio 2,5 mal wiederverwendet, Papiertragetasche 1,5 mal wiederverwendet. Anschließende Nutzung der Tragetasche zur 1,0 PE Sammlung von Papier Bioabfällen. 1,2 1,2 1,0 0,8 Kosten (normiert) *: Das Ökoeffizienz-Portfolio wurde reskaliert (0,8 1,2), um die Ergebnisse besser sichtbar zu machen Umweltbelastung (normiert) Bild 7. Verwendet man die Einkauftasche mehrfach und nutzt sie dann als Bioabfalltüte, so ergibt eine Ökoeffizienzanalyse einen Vorteil für die Tüte aus dem bioabbaubaren Polyesterblend. Die PE-Tüte lässt sich nicht für die Entsorgung von Bioabfall in der Kompostieranlage verwenden und die Papiertüte weicht durch oder reißt und hält daher weniger lange (Das Ökoeffizienz- Portfolio wurde reskaliert (0,8 bis 1,2), um die Ergebnisse besser sichbar zu machen) (Quelle: BASF) Bild 8. Der Markt für biobasierte und bioabbaubare Kunststoffe wird in den kommenden Jahren ein Nischenmarkt bleiben, er zeigt jedoch hohe Wachstumsraten: Für die Biokunststoffe zusammen (biobasiert und bioabbaubar) werden jährlich 44 % Wachstum prognostiziert (Quelle: PlasticsEurope market research group (PEMRG); PRO-BIP-Studie, Juni 2009) Seit die BASF im Jahr 1998 Ecoflex, ihren bioabbaubaren Polyester auf fossiler Rohstoffbasis, vorstellte, hat sich das Material weiterentwickelt. Begünstigt durch das steigende Interesse und die Verfügbarkeit von nachwachsenden Rohstoffen sind unter dem Handelsnamen Ecovio zahlreiche Blends von Ecoflex mit PLA (Polymilchsäure) entstanden, die im Gegensatz zu Ecoflex selbst unterschiedlich stark biobasiert sind. Ecovio FS Film ist für die klassische Folien-/Tütenherstellung entwickelt worden und enthält noch mehr nachwachsende Rohstoffe als sein Vorgänger Ecovio F Film. Ecovio FS Paper ist optimiert für die Papierbeschichtung (Titelbild), Ecovio FS Shrink Film für die Herstellung von Schrumpffolien. Alle Produkttypen bieten im Umgang mit organischen Stoffen, Lebensmitteln oder Bioabfällen einen speziellen Nutzen, sei es als Verpackungsfolien, Tüten, Taschen oder auch als Mulchfolien auf dem Acker. Keine Lösung für alles konventionelle Kunststoffetoffe (99,8 %) globaler Kunststoffmarkt 2008: 245 Mio. t Ebenso wie biobasierte sind bioabbaubare Kunststoffe, unabhängig von ihrer Rohstoffbasis, weder eine Patentlösung für alle Kunststoffanwendungen, noch für das Müllproblem in unserem Straßenbild: Sie zersetzen sich nur vollständig und schnell Markt für Biokunststoffe Mio. t +44 % p.a. Biokunststoffe (0,2 %) 2008 die Entsorgung der alternativen bioabbaubaren Tüte noch keine ausreichende Infrastruktur vorhanden ist. Die BASF konzentriert sich daher mit ihren bioabbaubaren Kunststoffen auf Anwendungen, in denen die Bioabbaubarkeit einen Mehrwert darstellt, in der sie verbesserte Eigenschaften, geringere Systemkosten oder ganz neue Produktlösungen erbringen. Marktentwicklung und politischer Rahmen Nach Meinung der Experten wächst der Markt für bioabbaubare Kunststoffe in 0,4 2,3 2013 den nächsten Jahren um mehr als 20 % pro Jahr, das ist das Vier- bis Fünffache des Wachstums konventioneller Kunststoffe (Bild 8). Trotzdem wird es auch in Zukunft ein Nischenmarkt bleiben, denn die Bioabbaubarkeit eines Kunststoffs ist nur in ganz speziellen Anwendungen sinnvoll. Für Aufwind in diesem Spezialitätenmarkt sorgt die EU-Abfallwirtschaftspolitik, deren Hauptaugenmerk auf der Vermeidung von Abfällen liegt [3]. Auch für die EU-Experten ist die Kompostierung ein wichtiges Verfahren, um die Deponierung von organischen Abfällen zu verringern und schädliche Auswirkungen auf Wasser, Boden und Luft zu verhindern [4]. Immerhin entstanden im Jahr 1995 in der EU 3 % der Treibhausgase durch die Deponierung von organischen Abfällen. Dazu kommt das Thema Flächenverbrauch durch Deponien, das inzwischen besonders asiatische Staaten, u. a. China, als Problem erkannt haben. 1999 hat die EU daher eine Richtlinie erlassen, die die Mitgliedstaaten dazu anhält, die Mülldeponierung bis zum Jahr 2016 auf 35 % der Menge von 1999 zu reduzieren. Um Kompostierung in der EU zu fördern, wurden 2007 Qualitätsstandards für Kompost eingeführt, mit deren Hilfe die Entwicklung des Marktes vorangetrieben und die Akzeptanz bei Verbrauchern gesteigert werden soll. Mit dem gleichen Ziel erarbeitet die EU-Kommission derzeit Gesetzesvorschläge zum Bioabfall, die von Studien über das Abfallmanagement begleitet werden [5]. Diese Aktivitäten rund um eine übergreifende Entsorgungswirtschaft und Ressourcenschonung sind ein weiteres Zeichen für einen Wandel in der Gesellschaft, die sich noch 42 Carl Hanser Verlag, München

stärker als bisher über den Wert von Abfall klar wird. Fazit und Ausblick i Kontakt BASF SE Fachpresse D-67056 Ludwigshafen Fax: +49 621 60-49497 > www.basf.de/ecovio Noch sind nicht alle Kompostierer von dem Nutzen bioabbaubarer Biomüllbeutel aus Kunststoff überzeugt: Jahrelang war jede konventionelle Kunststofftüte in der Biotonne zu Recht ein rotes Tuch. Mithilfe einer durchgängigen Zertifizierung und guten Kennzeichnung sollten Einzelhändler, Verbraucher und die Betreiber von Kompostieranlagen hier ein gutes Stück weiterkommen. Hier kann noch viel geschehen, denn auch in Europa landet der Bioabfall noch längst nicht komplett auf dem Kompost. Einen deutlichen Sprung nach vorn wird die Nutzung von organischem Abfall darüber hinaus machen, wenn sich neben Kompostieranlagen auch Biogasanlagen flächendeckend durchsetzen. Die Vorreiter in dieser Entwicklung sind in Europa neben Deutschland auch Spanien und Frankreich [6]. Während eine Kompostierung als aerobe Verdauung des Bioabfalls durch Mikroorganismen zu verstehen ist, bei der neben CO 2, Wasser und Biomasse entsteht, lässt sich mithilfe von anaerob, also unter Luftausschluss aktiven Bakterien, organischer Abfall zu CO 2 und dem Brennstoff Methan, also zu Biogas, umsetzen [7 bis 8]. Die Kombination von anaerober Vergärung oder Biogasgewinnung mit einer nachgeschalteten klassischen Kompostierung bringt doppelten Nutzen: Gemischter feuchter Haushaltsabfall kann in einem ersten Schritt zur Erzeugung von Biogas als Energielieferanten für die Stromerzeugung verwendet werden. In einem zweiten Schritt lässt sich der verbleibende Abfall dann im Kompostierwerk zu wertvollem Kompost verarbeiten. An bioabbaubare Kunststoffe ist daher mittelfristig die Anforderung zu stellen, eine anaerobe wie eine aerobe Verwertung zu ermöglichen. LITERATUR 1 Reimer, V.; Künkel, A.; Philipp, S.: Sinn oder Unsinn von Bio. Kunststoffe 98 (2008) 8, S. 32 36 2 Climate Change 2007: Mitigation. Contribution of Working Group III to the 4th Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change; BASF Ecoefficiency Compass; Bingemer&Crutzen, 1987 3 http:eurlex.europa.eu/lexuriserv/ LexUriServ.do?uri=COM:2008:0811:FIN:DE:HTML 4 http://ec.europa.eu/environment/waste/ compost/index.htm 5 http://ec.europa.eu/environment/waste/ compost/developments.htm 6 Biogas: Basisdaten Deutschland. Stand Juni 2010; hrsg: Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.v. (FNR); Levis, J.W., et al: Assessment of the state of food waste treatment in the US and Canada. Waste Management (2010), doi: 10.1016/ j.wasman. 2010.01.031 7 Fact Sheet Anaerobic Digestions, European Bioplastics, March 2010 8 Luc de Baere, Organic Waste Systems Case study: Biogas as an effective and revenue generating Biowaste Management system; European Biowaste Forum; February 2010, Brussels DIE AUTOREN DR. JENS HAMPRECHT ist zuständig für Strategy and Innovation Management Biodegradable Polymers in der globalen Geschäftseinheit Specialty Plastics bei der BASF SE, Ludwigshafen. DR. LARS BÖRGER ist tätig im New Business Development Biodegradable Polymers der globalen Geschäftseinheit Specialty Plastics bei der BASF SE, Ludwigshafen. DR. SABINE PHILIPP ist zuständig für die Fachpressearbeit des Bereichs Performance Polymers der BASF SE, Ludwigshafen; sabine.philipp@basf.com. SUMMARY BIO ABOVE ALL? RESOURCE USE AND WASTE MANAGEMENT. As the current discussions about nuclear power, oil and E10 show, there are on the one hand intense efforts to find alternative forms of energy and sources of raw material as well as efficient means of disposal. On the other hand, there is a great deal of confusion among the public and media about how to judge the variety of different approaches. The buzzword bio is heard everywhere, but what do the expressions bio, sustainable, environmentally friendly, energy efficient really mean? Only eco-efficiency analyses provide an escape from the terminological labyrinth. Read the complete article in our magazine Kunststoffe international and on www.kunststoffe-international.com 43