Rückenmark Wo liegt das Rückenmark und wie ist es gebaut? - Was sind Spinalnerven? - Was sind Reflexe? - Wie ist ein Reflexbogen gebaut? Bau und Funktion Lage Das Rückenmark ist ein weisser ca. 50 cm langer und 1 cm dicker Strang, der, von den Rückenmarkshäuten umgeben, im Wirbelkanal der Wirbelsäule verläuft. Spinalnerven Die Wirbelsäule besteht aus einzelnen Wirbeln und Bandscheiben, die sich gegeneinander bewegen können. Zwischen den Wirbeln treten jeweils links und rechts die Spinalnerven (insgesamt 31 Paare) aus. Das ist eine heikle Konstruktion. Wenn eine Bandscheibe beschädigt oder verschoben wird, kann sie auf den austretenden Spinalnerv drücken und starke Schmerzen verursachen (Bandscheibenvorfall). Links: Schematischer Längsschnitt der Wirbelsäule und des Rückenmarks. Beachten Sie, dass die Spinal nerven nicht - wie das von der Seite den Anschein hat - durch die Bandscheibe austreten, sondern links und rechts hinter ihr, wie das die rechte Darstellung (Ansicht von hinten links) zeigt. Unteres Ende Das Rückenmark endet auf der Höhe des ersten Lendenwirbels. Von hier aus ziehen nur noch die Wurzeln der Spinalnerven im Wirbelkanal nach unten. Darum kann man zwischen den unteren Lendenwirbeln mit einer langen Nadel für diagnostische Zwecke Liquor entnehmen (Lumbalpunktion) oder Stoffe in den Liquor einbringen (z. B. Betäubungsmittel bei Lumbalanästhesie), ohne Nervengewebe zu beschädigen. 1
Grau und weiss Im Querschnitt durch das Rückenmark hebt sich die schmetterlingsförmige graue Substanz von der äusseren weissen Substanz deutlich ab. Der Begriff «Substanz» ist etwas seltsam, weil es sich ja um Gewebe handelt. Schema eines Querschnitts durch die Wirbelsäule mit dem Rückenmark, ca. 5fach vergrössert. Das Rückenmark verläuft von den drei Rückenmarkshäuten umgeben im Wirbelkanal der Wirbelsäule. Links und rechts treten die Spinalnerven ein und aus. Graue Substanz Die graue Substanz besteht zur Hauptsache aus den Zellkörpern und den kurzen Fortsätzen (Dendriten) der Nervenzellen. In ihrem zur Bauchseite gerichteten Vorderhorn sind es die Zellkörper der Motoneuronen, in der Mitte und hinten v. a. Zellkörper von vegetativen Neuronen und von Schaltneuronen. Die Zellkörper der sensorischen Neuronen liegen ausserhalb des Rückenmarks in den Spinalganglien. Spinalnerven Jeder Spinalnerv besitzt eine hintere und eine vordere Wurzel. In der hinteren Wurzel kommen die Meldungen von den Sinnesorganen über die sensorischen Neuronen ins Rückenmark. Die Zellkörper der sensorischen Neuronen bilden auf jeder Etage links und rechts einen Knoten: das Spinalganglion. In der vorderen Wurzel werden die Befehle durch die Axone der motorischen Neuronen zu den Muskeln geleitet. Die Zellkörper der Motoneuronen liegen im Rückenmark im Vorderhorn der grauen Substanz. Weisse Substanz Die weisse Substanz enthält die Nervenfasern der auf- und absteigenden Nervenbahnen. Sie verdankt ihre weisse Farbe den Myelinhüllen der Axone. Die Meldungen von den 2
Sinnesorganen erreichen durch die aufsteigenden sensorischen Bahnen das Gehirn. Dessen Anweisungen gelangen über die absteigenden motorischen Bahnen zum Erfolgsorgan. Querschnittslähmung Weil alle motorischen Bahnen vom Gehirn zu den Skelettmuskeln im Rückenmark verlaufen, führt eine Verletzung, bei der das Rückenmark durchtrennt wird, zur Lähmung aller Skelettmuskeln, deren Nerven unterhalb dieser Durchtrennung austreten (Querschnittslähmung). Da auch die sensorischen Bahnen unterbrochen sind, sind die gelähmten Körperteile auch gefühllos. Reflexe Wo liegt das Rückenmark und wie ist es gebaut? - Was sind Spinalnerven? - Was sind Reflexe? - Wie ist ein Reflexbogen gebaut? Die einfachsten Reaktionen sind Reflexe. Sie laufen beim Einwirken des entsprechenden Reizes unabhängig von inneren Faktoren in jedem Fall ab. Die Erregung, die in der Sinneszelle entsteht, wird vom sensorischen Neuron direkt auf ein motorisches und von diesem auf das reagierende Organ übertragen. Man nennt diesen einfachsten Funktionskreis des Nervensystems Reflexbogen. Wir betrachten als Beispiel den Kniescheibensehnenreflex. 3
Ablauf eines Reflexes - Reflexbogen Der Test des Kniescheibensehnenreflexes gehört zu den Routineuntersuchungen beim Arztbesuch. Der Patient sitzt mit locker hängenden Beinen auf dem Tisch und der Arzt schlägt mit einem Hämmerchen unterhalb der Kniescheibe auf die Sehne des Streckmuskels: Das Bein streckt sich. Der Schlag auf die Sehne dehnt den Streckmuskel im Oberschenkel etwas und reizt dehnungsempfindliche Sinneszellen im Muskel (sog. 4
Muskelspindeln). Diese schicken ihre Erregungen über sensorische Neuronen ins Rückenmark, wo sie direkt auf Motoneuronen und von diesen auf Muskelfasern des Streckmuskels übertragen werden. Die durch den Schlag ausgelöste Erregung wird ohne den Umweg über das Gehirn direkt zum Streckmuskel geleitet. Der Reflex läuft unabhängig vom Befinden und von der Motivation zwangsläufig ab, wenn der Reflexbogen intakt ist und wenn die Erregungsleitung und der Muskel einwandfrei funktionieren. Der Kniescheibensehnenreflex ist ein Muskeldehnungsreflex. Der Muskel reagiert auf eine schnelle Dehnung, z. B. bei der Landung nach einem Sprung mit einer Kontraktion, die den Stoss auffängt. Hemmung des Antagonisten Wie die meisten Muskeln wird der Strecker nach der Kontraktion von seinem Gegenspieler (Antagonisten) dem Beuger wieder gedehnt. Da die gleichzeitige Kontraktion von Strecker und Beuger zu einem Krampf führen würde, muss sichergestellt werden, dass nicht beide Muskeln gleichzeitig Kontraktionsbefehle erhalten. Dies geschieht, indem die Erregung, die den Strecker aktiviert, gleichzeitig den Beuger hemmt. Sie wird vom sensorischen Neuron über Schaltneuronen mit hemmenden Synapsen auf Motoneuronen zum Beuger übertragen und verunmöglicht dessen Kontraktion. Eigenreflexe Reflexe, wie der Kniescheibensehnenreflex, bei denen der Sensor im reagierenden Muskel liegt, heissen Eigenreflexe. Fremdreflexe Bei einem Fremdreflex liegen Sensor und Erfolgsorgan an verschiedenen Orten. Ein Beispiel eines Fremdreflexes ist das schnelle Heben und Beugen des Beins beim Tritt auf einen Nagel (folgende Abbildung zeigt das Beugen). Dabei arbeitet auch das zweite Bein mit. indem es sich streckt. Die Erregung gelangt über Schaltneuronen auf die andere Seite des Rückenmarks und wird hier über eine erregende Synapse zum Strecker und über eine hemmende zum Beuger des zweiten Beins geleitet. 5
Zweck der Reflexe Reflexe der Skelettmuskeln schützen den Körper und stabilisieren seine Haltung. Auch Husten, Schlucken und Niesen sind Reflexe. In Drüsen können Reflexe die Abgabe von Sekreten auslösen. So erhöht der Geruch von frischen Brötchen o. ä. den Speichelfluss, unabhängig davon, ob wir die Aussicht haben, in deren Genuss zu kommen. Vegetatives Nervensystem Welche Aufgaben hat das vegetative Nervensystem? - Wo liegen seine Zentren? - Was bewirken Sympathikus und Parasympathikus? Aufgaben 6
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Bau Die wichtigsten Zentren des vegetativen Nervensystems liegen im Zwischen- und Nachhirn. Im Gegensatz zu den motorischen Bahnen des willkürlichen NS, deren Axone von den Zellkörpern im RM bis zu den Organen ziehen, besteht jede vegetative Bahn vom ZNS zu einem Organ aus zwei Neuronen. Der Zell körper des zweiten Neurons liegt in einem Ganglion ausserhalb des ZNS. Zwei Antagonisten Das vegetative NS besteht aus dem sympathischen und dem parasympathischen NS. Die meisten Organe sind von beiden Systemen innerviert. Die Ganglien des Sympathikus bilden die zwei Grenzstränge links und rechts neben der Wirbelsäule. Die Neuronen dieser Ganglien erhalten Befehle über Nervenfasern aus dem Rückenmark und leiten sie über ihre Axone zu den inneren Organen. Die Ganglien des Parasympathikus liegen im Körper verstreut, meist nahe beim Erfolgsorgan. Sie erhalten ihre Befehle mehrheitlich vom Hirnnerv Vagus - oder über Fasern aus dem untersten Teil des Rückenmarks. Wirkung Sympathikus und Parasympathikus sind Antagonisten: Der Sympathikus steigert die Leistung der Organe, die vom Parasympathikus gebremst werden, und umgekehrt. So erhöht der Sympathikus die Herzschlagfrequenz und der Parasympathikus senkt sie. Wer was aktiviert, können Sie weitgehend von einer Faustregel ableiten: Der Sympathikus erhöht die unmittelbare Leistung des Körpers nach aussen in einer physischen oder psychischen Stresssituation (Flucht- oder Kampfsituation). Er beschleunigt Atmung und Kreislauf und hemmt die Verdauung. Der Parassympathikus fördert die Regeneration und den Aufbau von Reserven. Er beschleunigt die Verdauung und drosselt die Leistungen von Kreislauf und Atmung. Im Schlaf dominiert der Parasympathikus, bei Stress der Sympathikus. 8
Nebennierenmark, Adrenalin Zum Sympathikus gehört auch das Nebennierenmark, das als HormondrüseAdrenalin produziert. Adrenalin hat auf die inneren Organe eine ähnliche Wirkung wie der Sympathikus: Es erhöht die Leistung nach aussen. 9