Feinstaub PM10 statistische modellierung und prognose

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Daniel Gethmann/Anselm Wagner (Hg.): Staub, Wien Münster: Lit Verlag, 2012: xx yy Feinstaub PM10 statistische modellierung und prognose Ernst Stadlober In Graz werden jede Wintersaison Tagesmittelwerte von Feinstaub-PM10-Konzentrationen (= Luftpartikel mit einem aerodynamischen Durchmesser unter zehn Mi kro gramm) gemessen, die regelmäßig den von der EU festgelegten Grenzwert von 50 Mikrogramm (μg) pro Kubikmeter überschreiten. Dies ist hauptsächlich bedingt durch ungünstige meteorologische Bedingungen (Inversionswetterlagen mit schlechter Durchlüftung, wenig Wind und wenig Niederschlag), verbunden mit Belas tungen, die durch Aktivitäten unserer menschlichen Gesellschaft entstehen (hohe Verkehrsfrequenz, Hausbrand und Industrie). Daher ist es angezeigt, darüber nachzudenken, wodurch eine allfällige Feinstaubbelastung verringert werden könnte. Zielführende Maßnahmen kann man nur dann einleiten und durchführen, wenn man die kurzfristige Entwicklung nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ abschätzen kann. Dies wird durch zuverlässige Vorhersagen der PM10-Konzentration des nächsten Tages möglich. Speziell in der Wintersaison ist das Grazer Becken durch stationäre Temperaturinversion, wenig Wind und seltene Niederschläge gekennzeichnet. Diese Witterungs bedingungen verursachen eine hohe Feinstaubbelastung in der Luft. Die PM10- Konzentration wird in Einheiten von μg/m 3 gemessen. Gemäß den EU-Richt linien 1 darf der Grenzwert für den PM10-Tagesmittelwert (TMW) von 50 μg/m 3 an nicht mehr als 35 Tagen des Kalenderjahres überschritten werden. In Öster reich sind seit 2010 nur mehr 25 Überschreitungen erlaubt. In Graz-Mitte hatten wir seit 2002 allein in den Wintersaisonen (1. Oktober bis 31. März) zwischen 36 (2008/09) und 105 (2005/2006) Überschreitungen des Grenzwertes. Es ist wohlbekannt, dass sich eine hohe PM10-Belastung negativ auf die Funktion der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems auswirken kann. In Schwarze et al. 2 wird ein umfangreicher Überblick über entsprechende Studien aus verschie- 1. Vgl. EC Directive: Council directive 2008/50/EC on ambient air quality and cleaner air for Europe, in: Official Journal of the European Communities L 151 (2008), 1 44. 2. Vgl. Per Schwarze/J. Øvrik/Marit Låg/Magne Refsnes/Paul Nafstad/Ragna Hetland/Erik Dy bing: Particulate matter properties and health effects: consistency of epidemiological and toxicological studies, in: Human&Experimental Toxicology 25 (2006), 559 579.

2 ernst stadlober denen Teilen der Welt gegeben. Aus diesem Grund und wegen der EU-Regulative hat die Politik zu reagieren und gezielte Maßnahmen gegen das PM10-Problem auszuarbeiten. Dies kann nur dann zum Erfolg führen, wenn man mit ausreichender Genauigkeit abschätzen kann, wie hoch die PM10-Belastung auf Grund einer prognostizierten Wetterlage sein wird. Daher haben wir Vorhersagemodelle für die Eintagesvorhersage von PM10 entwickelt und getestet. 3 Feinstaubsituation in Graz Abb. 1 zeigt fünf Messstationen in Graz, an denen PM10-Messungen durchgeführt wurden: die zwei Verkehrsspots Graz-Mitte und Graz-Don Bosco, die zwei Messstationen Graz-West und Graz-Süd in Gewerbe- und Industriegebieten und die Messstation Graz-Nord, die in einem Wohngebiet liegt. Abb. 1: Fünf Grazer Messstationen für PM10: Graz-Mitte, Graz-Don Bosco, Graz-West, Graz-Süd, Graz-Nord. 3. Vgl. Ernst Stadlober/Siegfried Hörmann/Brigitte Pfeiler: Quality and performance of a PM10 daily forecasting model, in: Atmospheric Environment 42 (2008), 1098 1109.

feinstaub pm10 3 Abb. 2 und 3 zeigen die Anzahl der Frosttage (Lufttemperatur unter null Grad) und die Anzahl der Überschreitungstage (PM10 > 50 μg/m 3 ), erhoben an den vier Messorten Graz-Don Bosco, Graz-Mitte, Graz-Süd und Graz-Nord in den acht Wintersaisonen 2003/04 bis 2010/11. Dabei ist ein deutlicher Zusammenhang Abb. 2 und Abb. 3: Anzahl der Frost- und Überschreitungstage für vier Grazer Messorte in den 8 Wintersaisonen 2003/04 bis 2010/11.

4 ernst stadlober zwischen diesen Kenngrößen zu erkennen. Interessant ist, dass die drei Winter 2003/04 2005/06 sehr streng waren und gleichzeitig auch die meisten Überschreitungstage aufweisen. Der extrem milde Winter 2006/07 hingegen hat beinahe gleich viele oder sogar mehr Überschreitungstage als die benachbarten Winter mit nied rigeren Temperaturen. Ein Grund könnte sein, dass 2006/07 zwar sehr mild war, aber andererseits nur wenige Niederschlagstage (45) aufwies, wohingegen zum Beispiel der strengere Winter 2008/09 mit den wenigsten Überschreitungstagen überdurchschnittlich viele Niederschlagstage (63) zu verzeichnen hatte. Deutlich erkennt man den Jahresverlauf (hohe Belastung im Winterhalbjahr, niedrige Belastung im Sommerhalbjahr) in Abb. 4, wo die aus den Jahren 2003 bis 2006 aggregierten Monatsmittelwerte von PM10 für die drei Messorte Graz-Nord, Graz-Mitte und Graz-Süd dargestellt sind. Das Wohngebiet Graz-Nord weist in den Wintermonaten eine deutlich niedrigere mittlere Belastung als die anderen Gebiete auf. Abb. 4: Monatsmittelwerte von PM10 für drei Grazer Messorte (2003-2006). Wenn man die Verläufe der Halbstunden-Mittelwerte eines Tages verfolgt, kann man damit die durchschnittliche Verlaufscharakteristik von Sommer- und Wintertagen studieren (siehe Abb. 5 auf der folgenden Seite, Charakteristik in Graz-Don Bosco). Generell hat man an Werktagen eine höhere Belastung als an Samstagen oder Sonntagen, unabhängig von der Jahreszeit. An Sommerwerktagen gibt es die höchste Belastung am Morgen um zirka sieben Uhr, während an Winterwerktagen ähnlich hohe Belastungsspitzen am frühen Vormittag (neun Uhr) und am Abend (19 Uhr) auftreten. Die deutlich geringere PM10-Konzentration an Sonntagen

feinstaub pm10 5 Abb. 5: 1/2h-Mittelwerte von PM10 im Tagesverlauf in Graz-DonBosco, links Sommersaison (1.4. 30.9.2005), rechts Wintersaison (1.10.2005 31.3.2006). lässt sich vor allem durch den reduzierten Sonntagsverkehr erklären. Am Sonntag gibt es bis 22 Uhr keinen Schwerverkehr durch LKWs und die Verkehrsfrequenz (hauptsächlich PKWs) in Graz beträgt zirka 60 bis 70 Prozent von der des Werktagsverkehrs, was bereits in einer umfangreichen Studie untersucht wurde. 4 Der wichtigste Einflussfaktor für die PM10-Konzentration an Wintertagen in Graz ist die Temperaturinversion, das heißt die Temperatur am Grund ist niedriger als die Temperatur über dem Grund, da dann kein vertikaler Austausch der Luftschichten stattfinden kann. Dadurch können die staubbeladenen Partikel nicht aus dem bodennahen Bereich in höhere Luftschichten entweichen. In Graz sind zirka 30 bis 50 Prozent der Wintertage so genannte Tage mit Inversionswetterlage. Als Indikator für diesen Effekt wird die Temperaturdifferenz zwischen dem Messort in Graz und der Messstelle Kalkleiten (360 Meter über Graz) verwendet. Abb. 6 (auf der folgenden Seite) zeigt den Einfluss der Inversion zusammen mit dem so genannten Wochenendeffekt in Graz-Mitte. Liegt keine Inversion vor, dann hat man nur sehr selten eine Grenzwertüberschreitung zu erwarten; bei Inversion tritt hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Grenzwertüberschreitung auf, sogar an Sonntagen. An Werktagen hat man bei Inversion im Mittel eine PM10- Konzentration von 80 μg/m 3, sonst nur von 50 μg/m 3 (63 Prozent von 80); an Sonntagen liegen diese Werte bei 60 beziehungsweise 35 μg/m 3, was einer erniedrigten Be lastung an Sonntagen von 70 bis 75 Prozent gegenüber den Werktagen entspricht. Weitere meteorologische Einflussfaktoren sind der Niederschlag und der Wind, beide reduzieren die PM10-Belastung. Durch die Beckenlage von Graz gibt es aber 4. Vgl. Ernst Stadlober/Brigitte Pfeiler: Explorative Analyse der Feinstaubkonzentrationen von Oktober 2003 März 2004, Endbericht im Auftrag von Magistrat Graz, Umweltamt: 2004.

6 ernst stadlober Abb. 6: PM10 Tagesmittelwerte mit 95%-Konfidenzintervallen in Graz-Mitte (5 Wintersaisonen) abhängig von Inversion und Tagestyp. speziell in der Wintersaison nur sehr schwache Windströmungen, und der Anteil der Tage mit Niederschlag in Form von Regen oder Schnee liegt nur zwischen 26 und 37 Prozent. Statistische Prognosemodelle: Modellierung durch multiple lineare Regression Bezüglich Graz-Mitte/Gries wird ein statistisches Prognosemodell für die mittlere PM10-Konzentration des nächsten Tages, gültig für die Wintersaison (Oktober bis März) erstellt, wobei dieser Standort in der Feuerbachgasse erst seit 18. Februar 2010 in Betrieb ist und seither den langjährigen Messort Graz-Mitte in der Landhausgasse ersetzt. Das Ziel ist es, ein möglichst einfaches und praktikables Modell mit wenig erklärenden Variablen zu entwickeln, das Prognosewerte liefert, die eine Grenzwertüberschreitung mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig vorhersagen können. Diese Werte sollen bereits am frühen Nachmittag des Vortages zur Verfügung stehen, das heißt man kann nur auf die Information zurückgreifen, die zur Mittagszeit (=zwölf Uhr) des Vortages vorliegt. Dies sind einerseits Messwerte aus dem Luftgütenetz des Landes Steiermark (24-Stunden-Mittelwert bis zwölf Uhr des Vortages: Temperatur und PM10) und meteorologische Vorhersagewerte (Temperaturdifferenz Graz-Kalkleiten, Niederschlag, mittlere Windgeschwindigkeit), die von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Zweigstelle Steiermark, geliefert werden. Der Wochenendeinfluss (unterschiedliche Verkehrsfrequenzen)

feinstaub pm10 7 und der saisonale Effekt (mögliche Verstärkung im Winterverlauf ) werden über so genannte Indikator-Variablen mit Werten 0 oder 1 abgebildet. Als abhängige Variable wird aus statistisch motivierten Gründen PM10 gewählt und für den Prognosewert am Tag t folgendes Modell aufgestellt: 5 PM10(t) = β 0 + β 1 x 1 (t) + + β m x m (t) + ε(t), wobei die Zufallsfehler ε(t) unabhängig normal verteilt sind mit Mittelwert 0 und Varianz σ 2. Die Auswahl der Eingabevariablen x i (t) erfolgt über eine schrittweise multiple lineare Regression. Dabei werden aus einem Pool von Eingabevariablen jene mit dem größten Einfluss auf PM10(t) ausgewählt. Die Schätzungen b i der unbekannten Koeffizienten β i werden aus der Regressionsrechnung basierend auf Daten der Wintersaisonen 2002/03 bis 2009/10 ermittelt. Die neun Eingabevariablen x i (t) unterteilen sich in drei Gruppen: Zwei Messwerte: 24 h-mittelwerte (12 Uhr Tag (t-2) bis 12 Uhr Tag (t-1)) PM10_lag [μg/m 3 ] und Temp_lag [ Celsius] Vier kategorische Variable für Tag t: (0 = trifft nicht zu, 1 = trifft zu ) Samstag, Sonntag, Februar, März Drei meteorologische Vorhersagen für Tag t: Niederschlag [0 = nein, 1 = ja], mittlere Windgeschwindigkeit [m/sec], In version = Temperatur (Graz-Mitte) Temperatur (Kalkleiten) [ Celsius] In Abb. 7 (auf der folgenden Seite) sind die Eingabevariablen nach ihrer Wichtigkeit geordnet. Die bedeutendste Variable ist dabei die Temperaturdifferenz, die den Einfluss von Inversionswetterlagen wiedergibt, gefolgt vom Vortageswert der PM10-Konzentration. Der hohe Einfluss der Verkehrsfrequenz spiegelt sich in der Variablen Sonntag wieder, während der Effekt der Lufttemperatur möglicherweise mit dem Hausbrand zusammenhängt. Die drei Faktoren Windgeschwindigkeit, die Verkehrsabsenkung an Samstagen und der Niederschlag haben einen Einfluss ähnlicher Größenordnung. Die kategorischen Variablen März und Februar deuten daraufhin, dass in diesen Monaten, bei gleichen Witterungsbedingungen wie in den anderen Wintermonaten, eine höhere PM10-Belastung zu erwarten ist. Das heißt, es gibt einen so genannten Aufschaukelungseffekt der Feinstaubbelastung im Verlauf der Wintersaison. 5. Vgl. Siegfried Hörmann/Brigitte Pfeiler/Ernst Stadlober: Analysis and prediction of particulate matter PM10 for the winter season in Graz, in: Austrian Journal of Statistics 34 (2005), 307 326.

8 ernst stadlober x-variable Koeff. b i StdFehler sd(b i ) T-Wert Konstante 7.242.109 66.73 Inversion -.296.017-17.23 Temp(Graz-M)-Temp(Kalkleiten) PM10_lag 24h gleitendes Mittel.018.001 14.24 Sonn/Feiertag -1.028.079-13.00 Temp_lag 24h gleitendes Mittel.968.079 12.25 Mittlere Windgeschwindigkeit -1.363.121-11.25 Samstag -.722.086-8.44 Niederschlag -.531.066-8.08 März.611.085 7.17 Februar.360.085 4.23 Abb. 7: Multiples Regressionsmodell für PM10(t) Graz-Mitte/Gries. Grad der Anpassung r²=0.61; Standardabweichung der Regression se=1.06 Qualität der Prognose Für die Beurteilung der Qualität der Prognose wurde eine Qualitätsfunktion definiert 6, die auf die speziellen Regeln der EU (strenge Bewertung in der Nähe des Grenzwertes von 50 μg/m 3 ) abgestimmt ist. Jedem Paar (M = Messwert, P = Prognosewert) wird ein Wert zwischen 0 und 1 zugeordnet. Werte nahe bei 1 bedeuten sehr gute Prognosen, nahe bei 0 schlechte Prognosen. Die Qualitätsfunktion wird in fünf Kategorien von exzellent (Wert in [0.8, 1.0]) bis sehr schlecht (Wert in [0.0, 0.2]) abgebildet. Der folgende Konturplot gibt die kategorisierte Qualitätsfunktion wieder. Dabei werden die PM10-Messwerte auf der x-achse mit den PM10-Prognosewerten auf der y-achse verglichen (Einheit = μg/m 3 ). Die praktische Qualität des Modells wird mit Hilfe der kategorisierten Qualitätsfunktion beurteilt (Abb. 8 auf der folgenden Seite). Wir sprechen von einer guten Prognose, wenn die Beurteilung 1 = exzellent (Wert in [0.8, 1.0]), 2 = gut (Wert in [0.6, 0.8]) oder 3 = zufrieden stellend (Wert in [0.4, 0.6]) ist. Der PM10-Vorhersagewert des Tages t der aktuellen Wintersaison wird über das multiple Re gres sionsmodell mit den aus den vergangenen Wintersaisonen 2002/03 bis 2009/10 geschätzten Koeffizienten b i (Abb. 7), den gemessenen Werten PM10_lag und Temp_lag und den 6. Vgl. Stadlober/Hörmann/Pfeiler: PM10 daily forecasting model (Anm. 3).

feinstaub pm10 9 Abb. 8: Qualitätsfunktion mit 5 Qualitätsstufen: Vergleich PM10-Messung (x-achse) mit PM10-Prognose (y-achse). für den Tag t prognostizierten meteorologischen Werten bestimmt. Im Auftrag des Umweltamtes der Stadt Graz hat das Institut für Statistik der TU Graz die täglichen Prognosen (1. November 2010 bis 31. März 2011) für Graz-Mitte/Gries wie folgt durchgeführt: Die drei meteorologischen Vorhersagewerte (Wind, Inversion, Niederschlag) wurden im Laufe des Vormittags von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Zweigstelle Steiermark, übermittelt und die zwei Messwerte (PM10_lag, Temp_lag) wurden vom Online-System des Landes Steiermark übernommen. 7 Bis spätestens 14.00 Uhr konnten dann die PM10-Prognosen im Internet in Form einer Ampelschaltung zur Verfügung gestellt werden. 8 Den Projektpartnern wurde gleichzeitig täglich per E-Mail ein Excel-File mit den aktualisierten Daten und Auswertungen übermittelt. Abb. 9 (auf der folgenden Seite) zeigt die Qualität der Prognose in Graz-Mitte/ Gries für die Wintersaison 2010/11. Dabei konnte man einen hohen Prozentsatz von 87.4 der Prognosen als zumindest zufriedenstellend einordnen. Beachtenswert ist der große Einfluss der Silvesterraketen auf den PM10-TMW am 1. Jänner 2011, der dadurch auf 178 μg/m 3 ansteigt. Eine Prognose ohne Berücksichtigung dieses Sondereffekts würde einen Wert von 66 μg/m 3 liefern. Durch Einführung eines Silvestereffekts (Erhöhung des Niveaus auf Grund von Erfahrungen in vergangenen Jahren) wurde die Prognose auf 140 μg/m 3 korrigiert. 7. Vgl. www.umwelt.steiermark.at/cms/ziel/2060750/de 8. Vgl. www.oekostadt.graz.at

10 ernst stadlober Abb. 9: Qualität der Prognose in Graz-Mitte Gries 2010/11 (1=50.3%, 2=25.8%, 3=11.3% à 87.4%, 4=9.3%, 5=3.3%). Die Güte der Prognose kann unter verschiedenen Szenarien studiert werden. Ein Szenario möchten wir hier kurz vorstellen. Man kann zum Beispiel danach fragen, wie oft die Prognose eine Überschreitung des Grenzwertes von 50 μg/m 3 anzeigt, wenn man nur Tage mit Messwerten PM10 75 μg/m 3 betrachtet. In der Wintersaison 2010/11 wurden in Graz-Mitte/Gries 14 solcher Überschreitungstage beobachtet und alle Prognosen bis auf eine hatten eine Überschreitung des Grenzwertes von 50 μg/m 3 vorhergesagt. In 13 von 14, also 93 Prozent der Fälle lieferte die Prognose also den richtigen Hinweis auf eine hohe Feinstaubkonzentration (Abb. 10). Abb. 10: 14 Tage mit Messwert PM10 75μg/m³ in Graz-Mitte 2010/11.

feinstaub pm10 11 Zusammenfassung und Ausblick Mit Hilfe von statistischen Prognosemodellen kann man mit relativ geringem Datenaufwand zuverlässige Prognosen für die zu erwartende Feinstaubbelastung des nächsten Tages erstellen. Die Eingabegrößen der Regressionsmodelle bilden meteorologische Einflüsse, sowie Wochenend- und Monatseffekte in adäquater Weise ab. Wichtig dabei ist die leichte Verfügbarkeit der Messgrößen, sodass die praktische Anwendbarkeit, Implementierung und problemlose Umsetzung im operativen Alltagsbetrieb gewährleistet ist. Der Modellansatz ist sehr universell und auch auf andere Regionen übertragbar. Dies wurde im Rahmen eines EU Life-Projekts an Hand von multiplen Regressionsmodellen von PM10 für die Städte Klagenfurt und Bozen demonstriert. 9 In der kürzlich fertiggestellten Arbeit von Stadlober et al. 10 werden unterschiedliche Modellierungsansätze für mehrere Messorte der beiden Städte Brünn und Graz entwickelt und miteinander verglichen. Diese Analyse liefert interessante Hinweise auf meteorologische Effekte und Einflüsse von Verkehr und Industrie auf die PM10 Konzentration. Die Charakteristiken sind in Brünn und Graz sehr unterschiedlich, können aber durch statistische Modelle sehr gut quantifiziert werden, so dass in beiden Städten eine zuverlässige Prognose der PM10-Konzentrationen möglich ist. 9. Vgl. LIFE04 ENV/AT/000006: KAPA GS Klagenfurts Anti PM10 Aktionsprogramm mit Graz und Südtirol, 1.7.2004 30.9.2007. 10. Vgl. Ernst Stadlober/Zuzana Hübnerová/Jaroslav Michálek/Miroslav Kolár: Prediction and forecast of daily PM10 concentrations in Brno and Graz by different regression approaches, submitted for publication, 2012.