Neue Aufgabenverteilung und Kooperationsformen zwischen den Gesundheitsberufen



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Transkript:

Neue Aufgabenverteilung und Kooperationsformen zwischen den Gesundheitsberufen Stellungnahme unseres Verbandes zur Anhörung am 24. August 2006 beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 1. Mit welchen Weichenstellungen für die Professionsentwicklung reagiert Ihr Verband auf die neuen Versorgungsanforderungen im Gesundheitswesen? Seit 1. August 2006 sind die Ausbildungsordnungen zur Medizinischen und Tiermedizinischen Fachangestellten in Kraft. Bereits fünf Jahre zuvor hielt die Handlungsorientierung mit der Ausbildungsordnung zur Zahnmedizinischen Fachangestellten Einzug in der dualen Ausbildung. Mit den Neuordnungen sind die Medizinische, Zahnmedizinische und Tiermedizinische Fachangestellten den künftigen Herausforderungen noch besser gewachsen. Die Ausbildungen wurde den veränderten Anforderungen in den Praxen angepasst und so konzipiert, dass der medizintechnische Fortschritt und die aktuellen Erkenntnisse von Lebens- und Gesunderhaltung stets unmittelbar in die laufende Ausbildung aufgenommen werden können. Wichtige Bestandteile in der Ausbildung sind nach wie vor zum einen die Verwaltung, z. B. mit Betriebsorganisation, Zeitmanagement, Dokumentation, Datenschutz und Abrechnungswesen und zum andern die medizinische Assistenz bei der Diagnostik und Therapie der Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte. Einen hohen Stellenwert nehmen in den neu geordneten Ausbildungen jetzt auch die Prävention und Rehabilitation ein. Diese medizinischen Maßnahmen werden auch volkswirtschaftlich künftig wesentlich mehr Beachtung finden. Insgesamt gibt es mit den Berufen der Medizinischen, Zahnmedizinischen und Tiermedizinischen Fachangestellten damit auch für veränderte Versorgungsformen im Gesundheitswesen sehr gut qualifizierte Fachberufe. In der Erstausbildung werden folgende Kompetenzen vermittelt und gefestigt: - medizinisches Grundwissen, als Grundlage der Handlungskompetenz in der Assistenz bei Therapie und Diagnostik - administrative Handlungskompetenz - psychosoziale Kompetenz Während der gesamten Novellierungsprozesse aller drei Berufe hat unser Verband aktiv mitgearbeitet und somit die Interessen unserer Berufsangehörigen vertreten und damit zur Weichenstellung unserer Professionen beigetragen. Selbstverständlich für unsere Berufsgruppe ist die ständige Fort- und Weiterbildung. Auch wenn von uns eine grundlegende Akademisierung nicht angestrebt wird ist es unser Ziel, dass auch diese Berufe durchlässig werden und unsere dualen Ausbildungen nicht in der Sackgasse enden. Dies setzt voraus, dass die Berufe im Gesundheitswesen auch national abgeglichen werden müssen. 22.08.2006 1/6

2. Welche Maßnahmen sollten nach Auffassung Ihres Berufsverbandes ergriffen werden, um personelle Engpässe in Ihrer Gesundheitsprofession auszugleichen? Die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen schaffen für unsere Berufsgruppe, analog anderer Gesundheitsberufe, eine schon fast groteske Situation. Die Arbeit wird immer mehr, die Anforderungen immer höher, die vorhandenen Arbeitsplätze immer weniger und die Mitarbeiterinnen verdienen immer weniger Geld. Systematisches Vorgehen, Prozessorientierung und Flexibilität sind die Merkmale unserer Arbeit. Dabei spielt die Medizinische Fachangestellte/Arzthelferin und die Zahnmedizinische Fachangestellte/Zahnarzthelferin eine fachlich kompetente Mittlerrolle zwischen Arzt und Patient. Managementfähigkeiten, medizinische Fachkompetenz und psychosoziale Kompetenz sind Strategiedisziplinen, die bei der ambulanten Versorgung eine wichtige Rolle spielen müssen. a. Sollte sich die Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen verändern, um z.b. einer personellen Unterversorgung zu begegnen und/oder eine bessere Versorgungsqualität zu erreichen (z.b. durch Delegation ärztlicher Tätigkeit an Pflegkräfte oder Arzthelfer, Übergabe von Service-Aufgaben im Bereich der Pflege an andere Berufsgruppen)? Im Interesse der Patienten müssen Wissen, Kenntnisse und Verständnis für die Arbeit der anderen Professionen gefördert werden. Nicht Konkurrenz und Konfusion, sondern Kommunikation ist der Schlüssel für Integration und Effizienz im Gesundheitswesen. Gleichzeitig müssen sich die Gesundheitsberufe einer besseren Zusammenarbeit im Sinne einer besseren Versorgungsqualität stellen. Der Patient steht im Mittelpunkt. Dem Handeln der verschiedenen Akteure muss eine spezifische, patientenorientierte Sichtweise zugrunde liegen und sie müssen über eine multi- und interdisziplinäre Zusammenarbeit zu einer weitgehenden Vernetzung und einer bedarfsgerechten Ausrichtung der bestehenden Versorgungsangebote beitragen. Die Orientierung am Patienten muss wieder in das Zentrum des beruflichen Handelns der Gesundheitsberufe rücken. b. Welche Bedeutung kommen Ihrer Meinung nach multiprofessionellen Teams zu und in welchen Bereichen werden bzw. sollten diese eingesetzt werden? Welche Rolle sehen Sie darin für die von Ihnen vertretene Berufsgruppe? Zukünftig werden multiprofessionelle Teams sicherlich eine größere Bedeutung erlangen, denn insbesondere in ländlichen Gegenden ist schon jetzt eine schlechtere ärztliche Versorgung sichtbar. Das beinhaltet dann auch den Einsatz von medizini- 22.08.2006 2/6

schen Fachangestellten/Zahnmedizinischen Fachangestellten. Der niedergelassene Arzt/Zahnarzt könnte dies sowohl in seiner Praxis, bei Haubesuchen, in Altenheimen, in Kindergärten und an anderen Orten anordnen. Die Mitarbeiterin könnte vor Ort alle delegierbaren Leistungen ausführen. Dazu wäre erforderlich: Das Erweitern des Katalogs delegierbarer Leistungen Das Erweitern des Einsatzbereiches für Mitarbeiterinnen in ambulanten Praxen z.b. in der Alters(zahn)medizin Die Integration der Medizinischen/Zahnmedizinischen Fachangestellten z.b. im Case-Management Die Sicherstellung, dass auch Service-Aufgaben durch qualifiziertes medizinisches Personal z.b. durch Medizinische Fachangestellte/Zahnmedizinische Fachangestellte gewährleistet wird. c. Welche neuen Rollen sehen Sie dabei für die von Ihnen vertretene Berufsgruppe? Auf Grund der derzeitigen Regelung können an ausgebildete Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen innerhalb von delegierbaren Leistungen bereits jetzt zahlreiche Aufgaben übertragen werden. Nach Überprüfung der subjektiven Fähigkeiten der ausgebildeten Mitarbeiterin und der objektiven Gefährlichkeit sind das u.a.: venöse Blutabnahme Überwachung von Infusionen Katheterisierung der Frau Einläufe Aufzeichnung des Ruhe-EKG Wundversorgung und Verbandwechsel nach ärztlicher Anweisung Maßnahmen der Schmerztherapie wie Anlegen des Tensgerätes oder des Schmerzpflasters Ein weiteres großes Aufgabenfeld ist die Betreuung und Begleitung von Demenzpatienten und ihrer Angehörigen. Diese Leistungen sind bereits jetzt im geriatrischen Basisassessment (GBA) der Hausärzte geregelt. Hierzu gehört außerdem die Unterstützung der Diagnostik mittels Testverfahren. Neben der Vielzahl von geriatrischen Patienten gibt es immer mehr multiple chronisch Kranke. Diese bedürfen ebenfalls einer zunehmenden Betreuung, Behandlung und Begleitung. Dabei liegt das Augenmerk auf einer optimierten Therapie und der sekundären Prophylaxe. Dazu können gehören: Betreuung des Diabetikers Anleitung zum Erlernen der Spritztechnik Anleitung zum Erlernen der Stoffwechselselbstkontrolle Verbandwechsel Injektionen laborchemische Stoffwechseluntersuchung 22.08.2006 3/6

Diätberatung Schulung und Beratung zur Kost ggf. Hilfestellung bei Durchführung der durch den Arzt eingeleiteten flankierenden sozialen Maßnahmen innerhalb der Praxis Analog der aufgeführten Tätigkeiten zur Betreuung von Diabetikern gilt dies auch für die Anleitung und Betreuung von Hypertoniepatienten. Weitere Tätigkeiten wären: Verwaltung, Organisation Aufklärung und Informationen der Patienten Risikokommunikation Betreuung und Management von Patienten bzgl. Lebensstilveränderungen Erstellung und/oder Bereitstellung von Hilfen zum Selbstmanagement der Patienten - z.b. Medikamentenplan, Notfallplan, Patientenpass Überprüfung der Patientencompliance, Erfassung von Problemen Eine weitere Patientengruppe, die einer besonderen Aufmerksamkeit und Zuwendung bedürfen, sind Tumorpatienten und Patienten im präfinalen Stadium. Auch hier kann die Medizinische Fachangestellte/Arzthelferin eine Schlüsselposition übernehmen und damit arztentlastend arbeiten und vor allem den Patienten auf seinem Weg begleiten und unterstützen. Die Mitarbeiterin kann auch hier verschiedene Tätigkeiten übernehmen - ob bei der Optimierung der Schmerztherapie, der Wundversorgung oder der psychosozialen Begleitung der Familie. Es wird bereits jetzt empfohlen, diese Tätigkeiten nur in Form von Einzeldelegation an ausgebildete und weiterqualifizierte Mitarbeiterinnen weiterzugeben. Abhängig ist die Delegationsfähigkeit außerdem vom (generellen) Gefährdungsgrad bei der Durchführung und der Arztdichte, also der Zeit, wie schnell der Arzt im Notfall vor Ort sein könnte. Unverzichtbar für die Delegation sind neben den Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die in der Ausbildung erlernt wurden, die Kompetenzerweiterungen durch Fort- und Weiterbildungen. Klare Qualifikationsanforderungen und Profile geben hier eine Möglichkeit der Qualitätskontrolle und geben dem Patienten zudem die Sicherheit, dass die Tätigkeiten ordnungsgemäß und sach- und fachgerecht durchgeführt werden. In einer immer älter werdenden Gesellschaft sollte es ein Selbstverständnis sein, schon von Geburt an Gesundheit zu fördern. Präventions- und Prophylaxemaßnahmen sollten lebensbegleitend angeboten werden. Die Aufgaben die sich daraus ergeben, könnten zu einem guten Teil auch von entsprechend qualifizierten Medizinischen Fachangestellten/Zahnmedizinischen Fachangestellten geleistet werden. Eine Vernetzung unterschiedlicher Professionen, die sich die Aufgaben gegenseitig nicht neiden, sondern gemeinsam bewältigen, könnte zum Wohle der Patienten positiv gestaltet werden. 22.08.2006 4/6

d. Welche Rahmenbedingungen (auch rechtliche) sind notwendig, um diese Zusammenarbeit zu erleichtern? Es geht nicht um pflegerische Maßnahmen durch den Pflegedienst auf der einen Seite und medizinische Behandlung durch das Praxisteam andererseits, sondern um die Wahrnehmung des Patienten in seiner individuellen Situation, im akuten Krankheitsbild oder im Verlauf einer chronischen Erkrankung. Dazu ist das Aufzeigen begleitender Maßnahmen zur Neudefinition von Lebensqualität im Krankheitsprozess und zur Neugestaltung des Lebensumfeldes und Lebensplans nötig. Einsatzfelder und Tätigkeitsinhalte der einzelnen Gesundheitsberufe müssen klar beschrieben und analysiert werden. Ein Vergleich der beruflichen Kompetenzen wird viele Parallelen aufzeigen. Dies zeigt, dass sich Handlungskompetenzen einiger Berufe im Gesundheitswesen überschneiden. Dies kann und muss für die Versorgung der Patienten positiv genutzt werden. Kompetenzen und autonomes Handeln der verschiedenen Gesundheitsdienstberufe müssen im Zusammenhang neu definiert werden. 3. In verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens zeichnen sich Probleme im Zusammenhang mit einer weder effektiven noch effizienten Verteilung von Aufgaben im Gesundheitswesen ab. Welche Position vertritt Ihr Berufsverband im Zusammenhang mit Neuzuschnitten von Tätigkeitsfeldern bestimmter Heilberufe (z.b. Pflegepraxen, Gemeindeschwestern, Anästhesieassistenten). Ist ein Neuzuschnitt aus Ihrer Sicht notwendig und erstrebenswert und wie begründen Sie dies? Existenziell für den Patienten ist dabei, dass er in seiner Ganzheit betrachtet wird. Es geht nicht nur darum, was der Körper braucht, sondern u.a. auch um die kulturelle und die familiäre Situation. Durch die vielen Schnittstellen hat eine sektorale Trennung der medizinischen und sozialen Professionen nicht nur Auswirkungen auf den Betreuungsprozess und den Informationsverlust, sondern bedeutet gleichzeitig einen Effizienzverlust. Um den gewachsenen Anforderungen gerecht zu werden, sind neue Impulse nötig. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es zur Schaffung völlig neuer Strukturen kommen muss. Vernetzung, Umstrukturierung und Kompetenzerweiterung einzelner Professionen können eine Realisierung der erhöhten Anforderungen ermöglichen. Der inhaltlich konzeptionelle Austausch über Aus- und Weiterbildungsstand der einzelnen Gesundheitsberufe untereinander führt zu einer Perspektivenerweiterung. Dies ermöglicht eine bessere direkte Kooperation und Koordination. Die Schaffung neuer Experten, Berufsgruppen und/oder neuer Instanzen ist für eine verbesserte Krankenversorgung wenig sinnvoll. Sie erweitert zwar das Versorgungsnetz, trägt aber nicht gleichzeitig zwingend zu seiner verbesserten Versorgungssituation bei (Quelle: Rogers 1995). 22.08.2006 5/6

Durch neu geschaffene Differenzierung und Spezialisierung kommt es zu einer künstlich geschaffenen Verflechtung der Versorgungsleistungen. Dies führt zu einer personellen Verdichtung in der Versorgung, die einhergeht mit immer mehr Schnittstellen. Mehr Schnittstellen bedeuten gleichzeitig jedoch immer einen Informationsverlust. Die Kommunikation der Gesundheitsberufe ist schon jetzt auf Grund der Sektoreneinteilung und der berufsspezifischen Sprache sehr schwierig. Dies heißt auch einen Verlust individueller Potentiale der Krankheitsbewältigung des Patienten. Je mehr Patient-Personal-Schnittstellen es gibt und je mehr koordiniert wird außerhalb der bereits bestehenden Strukturen umso geringer wird die Patientencompliance (Erfassung von Problemen). Der Patient, als schwächstes Glied dieser Kette, ist angesichts der bereits bestehenden unübersichtlichen Strukturen kaum noch in der Lage, eindeutig zu identifizieren, wer wann - wo und warum für ihn und seinen Versorgungsbedarf zuständig oder verantwortlich ist. Dies heißt einen Verlust an Lebens- und Behandlungsqualität und damit einen Effizinsverlust. Patienten möchten ihren Leidensweg bzw. ihre Krankheitsgeschichte nicht immer wieder neu, immer wieder anderen Personen erzählen. Das demotiviert bei der Mitgestaltung des Behandlungsprozesses. Ein modernes, zukunftorientiertes und finanzierbares Gesundheitssystem ist nur möglich mit proaktiven Patienten und proaktiven Gesundheitsberufen, denen ein frühzeitiges initiatives - im Gegensatz zu einem abwartenden, reaktiven - Handeln eigen ist. 22.08.2006 6/6