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A Film by GEORG MISCH UNTERRICHTSMATERIALIEN Concept8.com

Begleitendes Unterrichtsmaterial für Lehrerinnen und Lehrer Altersstufe: Empfohlen ab 12 Jahren Fächer: Religion, Ethik, Politische Bildung, Geographie, Geschichte und Sozialkunde Themen: Muhammad Asad, Islam, Religion, Leben zwischen verschiedenen Kulturen, Völkerverständigung Hinweis: Die einführenden Texte sind als Diskussionsanregung und zur Information für die Lehrpersonen gedacht, die anschließenden Fragen richten sich an die SchülerInnen. INHALT DES MATERIALS 1. Inhalt des Films 2. Aufbau und Inszenierungsstil des Films 3. Muhammad Asad seine Herkunft 4. Die Reise als Horizonterweiterung 5. Muhammad Asad der interkulturelle Grenzgänger 6. Muhammad Asad Pionier und Visionär 7. Mauern zwischen Völkern 8. Der Koran und die Komplexität der Auslegung 9. Islam und Demokratie 10. Der 11. September und die Rolle der Medien 11. Krieg gegen den Terror und der Islam heute 12. Perspektiven Abspann und Status Quo 13. Einige weitere Statements von Muhammad Asad 14. Biographie Leopold Weiss/Muhammad Asad 15. Filmographie Georg Misch 16. Hintergrundinformationen zu den Themen: A. Einführung in den Islam B. Der Prophet Muhammad C. Mekka D. Der Koran E. Islam und Demokratie F. Gruppierungen innerhalb des Islams G. Literatur

1. Inhalt des Films DER WEG NACH MEKKA Die Reise des Muhammad Asad folgt dem Lebensweg von Leopold Weiss alias Muhammad Asad, von den Randgebieten der ehemaligen Donaumonarchie bis nach Israel, Palästina, Saudi-Arabien, Pakistan, New York, Marokko und Spanien. Der Regisseur besichtigt die Orte, an welchen Muhammad Asad sich einst aufgehalten hat. Parallel entblättert sich ein vielschichtiges Bild des Islams und des Verhältnisses zwischen dem Westen und der islamischen Welt. Auf den Stationen der Reise werden die Überlegungen Asads heutigen Problemen im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident gegenübergestellt. Das Filmteam tritt in seine Fußstapfen und trifft auf dem rekonstruierten Lebenspfad Menschen aus seinem nahen Umfeld: Familie und Freunde, Experten und Wissenschafter, Verehrer seines Werks sowie zahlreiche Zufallsbekanntschaften, die von dem in Vergessenheit geratenen Wegweiser viel, noch nichts oder nur wenig wissen. Dass ein Österreicher der Schlüssel zu einem besseren Verständnis zwischen der westlichen und der muslimischen Welt hätte sein können, überrascht. Muhammad Asad war ein Visionär - ein vergessener Autor, Philosoph, Träumer sowie Gründervater und UN-Botschafter Pakistans, der neben seinen Schriften über das Weltbild, das Recht und die Philosophie des Islam, mit seiner Koranübersetzung das moderne theologische Denken dieser Religion positiv wertend beeinflusste. Noch heute gilt seine Übersetzung unter Wissenschaftern und Akademikern als eine der besten. Asad verstand sich als Mittler wiewohl seine religiösen Überzeugungen und politischen Sympathien klar verteilt waren und im Film auch wiederholt eine Problematisierung erfahren. Durch sein Wirken wurde Asad zu einem bedeutenden Kulturvermittler zwischen der abendländischen Kultur und jener des Orients. Dabei erscheint es erstaunlich, dass heute nur noch Wenige von Muhammad Asad wissen. 3

2. Aufbau und Inszenierungsstil des Films Der Film Der Weg nach Mekka besteht überwiegend aus aktuellen Aufnahmen (der Dreh war in den Jahren 2004 bis 2006) aber auch aus Archivmaterial, was dem Film eine historische und zeitübergreifende Dimension verleiht. Während das aktuelle Filmmaterial die gegenwärtige (allgemeinere) Situation widerspiegelt, vermittelt uns das Archivmaterial (wie z.b. Fotografien, Radio- und TV-Interviews u.ä.) ein direktes und konkretes Bild des islamischen Denkers, Muhammad Asad. Interviewt werden Menschen, die Asad entweder persönlich gekannt oder sich mit seinen Ideen und literarischen Werken intensiv auseinandergesetzt haben. Indem es dabei sowohl um familiäre, freundschaftliche als auch indirekte (nicht persönliche) Beziehungen geht, wird dem/ der ZuschauerIn ein sehr umfassender Personenkreis an Asad-KennerInnen präsentiert. Die im Film dargebotenen Landschaftsaufnahmen (Wüsten-, Meeres, Luftaufnahmen) vermitteln nicht nur eine gewisse Ruhe, sondern untermauern auch die starke Spiritualität und Naturverbundenheit des Protagonisten. Die Filmmusik (engl. score) besteht hauptsächlich aus Saiteninstrumenten und spiegelt in ihren orientalischen Klängen den arabischen Lebensraum wider während elektronische Töne eine zeitgenössische Verbindung herstellen. Fragestellungen: - Wie ist der Film aufgebaut? Was vermitteln uns die Bilder der Jetztzeit und was vermittelt uns das Archivmaterial? - Wie wirkten die Landschaftsaufnahmen auf euch? Haben sie eine Funktion? - Versucht, die Filmmusik zu beschreiben! Inwiefern spiegelt sie den Lebensraum des Protagonisten wider? 3. Muhammad Asad seine Herkunft Muhammad Asad alias Leopold Weiss entstammte einer jüdischen Familie. Aus seiner Biographie erfährt man, dass seine Kindheitsund Jugendjahre (1900 bis 1922) vor allem von einem Spannungsfeld zwischen jüdischen Traditionen, Minderheitenstatus und antijüdischen Ressentiments auf der einen Seite und Säkularisierung, Assimilation und eigenen Auswanderungsvisionen auf der anderen Seite geprägt waren. Aufgrund politischer Unruhen und Vorzeichen des bevorstehenden 1. Weltkrieges floh Leopolds Familie 1914 von der Ukraine nach Wien. Leopold Weiss genoss eine strenge und religiöse Erziehung. Anstatt jedoch die aufoktroyierten Ideologien ( Alle Muslime sind Barbaren ) unhinterfragt zu übernehmen, reiste er 1922 unvoreingenommen zu seinen Onkeln nach Palästina, von wo aus er auch als Korrespondent für die Frankfurter Zeitung tätig war. Da er in seiner Kindheit auch Aramäisch gelernt hatte, fiel es ihm leicht, Arabisch zu lernen und nach ausgiebigen Koranstudien entschloss er sich, vom Judentum zum Islam zu konvertieren (1926/27). 4

Diese Entscheidung stellte einen höchst ungewöhnlichen Schritt dar: Die Konversion in den Islam bedeutete eine völlige religiöse Umorientierung und damit die Abkehr von der ursprünglichen Re ligionszugehörigkeit. Dies stieß bei den Eltern Leopolds auf Unverständnis, doch ungeachtet der Kritik war der soeben konvertierte und umbenannte Muhammad Asad von seinem neu einge schlagenen Lebensweg überzeugt. Im Koran sah Asad die Ideen reflektiert, die ihm eine Kunst, zu leben vermitteln und ihn vom westlichen Materialismus weg- und zu Gott hinführen sollten. Fragestellungen: - Was erfährt man im Film über Asads Herkunft und Familie? Beschreibe das Umfeld, in dem Leopold Weiss/ Muhammad Asad aufwuchs! - Was waren die Kennzeichen der da maligen politischen Zeit und Situation? - Inwiefern prägten ihn seine Herkunft und Erziehung für das spätere Leben? Mit welchen Spannungen und Widerständen hatte Asad zu kämpfen? - Warum entschied sich Asad für die Konversion zum Islam? Welche Ideen des Islam waren für ihn ausschlaggebend, seine ursprüngliche Religionszugehörigkeit das Judentum zu verlassen? 4. Die Reise als Horizonterweiterung Januar 1922. Ich trete eine Reise an, aus Europa heraus, in eine Welt, die unüberbrückbar fremd scheint. Aber sind wir deswegen von dieser Welt ausgeschlossen? Nein. Darin muss der Sinn jeder Reise liegen: Die Fremdheit der ganzen Welt berühren und uns dadurch selbst erkennen. Schon in jungen Jahren erlebte Muhammad Asad die Faszination der Reise. Im Zuge seines Aufenthaltes bei seinen Verwandten in Palästina entwickelte sich ein ausgeprägtes Interesse für den arabischen Lebensraum und zunehmend eine tiefe Verbundenheit zum Islam. Anschließende kürzere und längere (Lebens-)Stationen waren Saudi Arabien, Indien, Pakistan, USA, Marokko und zuletzt Spanien. Auf seiner Pilgerreise nach Mekka ritt Asad ursprungsgetreu auf einem Kamel durch die Wüste, um wie er in einem späteren Interview erzählt Gott und sich selbst ganz nah zu sein und weil er sich dort mit der Natur am verbundensten fühlte. Die Reise ist somit eines der Kernthemen im Film. Indem der Regisseur Georg Misch sich auf die gleiche Reise begibt, die einst Asad unternommen hatte, verschafft der Film nicht nur Einblicke in die heutige Situation der einstigen Lebensstationen, sondern zeichnet auch die Wege nach, die Asad zu seiner Glaubensauslegung so wie auch zu sich selbst geführt hat. Trotz des Titels Der Weg nach Mekka kommt der Film und somit auch der Zuschauer jedoch nie dort an. 5

Fragestellungen: - Was offenbart Asads Eingangs-Zitat über die Erfahrung der Reise? Was kann man, so Asad, durch die Reise lernen bzw. erfahren? - Nennt die Stationen von Muhammad Asads Reise! Wo begann seine Reise, in welche Staaten und Gebiete führte ihn seine Reise und wo endete sie? - Inwiefern ist mit dem Buch bzw. dem Film Die Reise nach Mekka nicht nur die rein geographische Reise gemeint, sondern auch die spirituelle und geistige? Was hat Asad durch seine Reise entdecken/erfahren/verstehen können? Wohin hat ihn seine Reise in geistiger Hinsicht geführt? - Während Mekka das Ziel der islamischen Pilgerreise ist, kommt das Filmteam nie wirklich in Mekka im Ziel an. Seht ihr im Titel des Films auch einen übertragenen Sinn widergespiegelt? - Inwiefern steht die Reise auch in anderen Filmen (Geschichten, Romanen) für Veränderung/Befreiung/ Abenteuer? Könnt ihr Beispiele von Filmen nennen, in denen die Reise zentrales Motiv ist? Was erhofft sich der Protagonist/die Protagonistin häufig von der Reise? Worin bestehen die Herausforderungen? 5. Muhammad Asad der interkulturelle Grenzgänger Muhammad Asad steht für eine Person, die man als interkulturellen Grenzgänger bezeichnen kann. Asads Überschreitungen betrafen sowohl Länder, Kulturen als auch Religionen: Durch seine Reisen im nahen Osten und persönlichen Begegnungen mit muslimischen Vertretern (wie z.b. der enge Kontakt zum Saudi-Arabischen König Abd al-aziz ibn Saud) wurde sein Interesse für den Islam geweckt. Das Erlernen der arabischen Sprache ermöglichte das Verständnis des Koran, der Namenswechsel bei der Konversion von Leopold Weiss zu Muhammad Asad markiert den Übertritt in die neue Religionsgemeinschaft. Somit mündete der konkrete Kontakt mit dem Islam nicht nur in ein anfängliches Interesse, sondern auch in ein grundlegendes Verständnis des Anderen. Bei der Annäherung an die ihm anfangs fremde Kultur (arabisch-islamische Welt) hatte er das Glück, aus Vergangenem schöpfen zu können (wie z.b. das Wissen und die Kenntnis über die westliche Welt, seine Aramäischkenntnisse, Verbindungen und Kontakte in Europa). So halfen ihm seine Kenntnisse von Judentum und Christentum nicht nur dabei, die Besonderheiten und Unterschiede zum Islam zu erfassen und zu verstehen, sondern auch die Gemeinsamkeiten zu erkennen. Insgesamt verdeutlicht Asads Grenzgängertum, dass Kulturen immer offene, durchlässige und veränderliche Grenzen haben und wie nahezu selbstverständlich Einzelnen und Gruppen das Überqueren kultureller Grenzen möglich sein kann. Damit steht Asad für den ständig Suchenden, der seine eigene Lebenswelt fortwährend änderte, um Altes mit Neuem zu verbinden. Fragestellungen: - Inwiefern ist Muhammad Asad ein Grenzgänger? In welchen Punkten überschritt er Grenzen? Welche Szenen im Film offenbaren seine Überschreitungen? - Was konnte Asad durch seinen Grenzgängertum erfahren bzw. erreichen? - Welche Eigenschaften bringt ein(e) Grenzgänger(in) mit? - Was kann man eurer Meinung nach von einer/einem GrenzgängerIn lernen? - Auf welche Herausforderungen trifft ein(e) GrenzgängerIn? Worin bestanden die Herausforderungen für Muhammad Asad? 6

6. Mauern zwischen Völkern Jude oder Araber, beide sind hier verrannt, in engstirnigem Hass, der sie nicht weiterbringt. Jeder sagt dem anderen: Nicht Du sollst hier sein. Muhammad Asad bemühte sich stets um Beseitigung der Mauern zwischen Orient und Okzident (Abendland). Während es aber auch viele historische Beispiele für die friedvolle Koexistenz zwischen dem Islam, dem Judentum und dem (europäischen) Christentum gibt hatten sich über Jahrhunderte hinweg zwischen diesen drei Religionen auch scheinbar unüberwindbare Mauern aufgebaut. Für dieses problematische Beziehungsgeflecht sind mehrere historische Gründe zu nennen. Zum einen waren zahlreiche europäische Staaten (v.a. England und Frankreich) über lange Zeit hinweg Kolonialmächte in islamisch geprägten Staaten (Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Indonesien u.a.). Da das koloniale Wirtschaftssystem in der Regel die Kolonien lediglich als Lieferanten von Rohstoffen bzw. nur geringfügig verarbeiteten Gütern vorsah, entwickelte sich dadurch ein strukturelles Abhängigkeitsverhältnis zum Mutterland, welches die Kolonie mit höherentwickelten Gütern versorgte: Zwischen den besitzenden Kolonialmächten und den fabrizierenden Kolonien entstand eine wirtschaftliche Ungleichheit. Noch heute steht der Westen in den Augen vieler Muslime für Arroganz und Materialismus, während der Islam in den Augen der westlichen Welt als gesellschaftlich und wirtschaftlich rückständig gilt. Diese gegenseitigen Ressentiments spiegeln sich auch in vielen gegenwärtigen Konflikten wider. (Nahostkonflikt, Krieg gegen den Terror in Afghanistan bzw. Irak etc.) 7

Zum anderen führte auch der Zionismus (jüdische Nationalbewegung), der sich um 1880 politisch zu organisieren begann und einen eigenen jüdischen Nationalstaat in Palästina anstrebte, nachhaltig zu Verstrickungen des Nahostkonflikts. Auch im Film kommen die aktuellen Spannungen zwischen israelischen Juden und Palästinensern zum Ausdruck. Auf der Busfahrt nach Mekka hört man einen Radiobeitrag, in welchem der Sprecher mutmaßt, dass die langen Grenzkontrollen auf Seiten der Israelis vorsätzlich und Absicht seien, um die Pilger zu erniedrigen. Die systematischen geographischen Ausgrenzungen aus Israel hätten dazu geführt, dass die Beduinen die alteingesessenen arabischen Wüstenbewohner nicht nur ihren Platz, sondern auch ihren Stolz und ihre Identität verloren hätten. Der gezeigte Sturz eines Beduinen vom Kamel könnte zudem dafür stehen, dass alte Traditionen aussterben und einstige Fähigkeiten nicht mehr beherrscht werden. Eine weitere Szene deutet auf das angespannte israelischpalästinensische Verhältnis hin. Der israelische Demograf Arnon Soffer, der maßgeblich am Trennungsplan der israelischen Sperranlage im Westjordanland beteiligt war, stimmt mit der politischen Einstellung seines Heimatlandes überein. Er befürwortet ausdrücklich die Trennung der palästinensischen und jüdischen Völkergruppen. Für ihn sind die Beduinen nichts weiter als eine Zirkusattraktion, die bald aussterben wird. Leute wie Muhammad Asad Befürworter der Einheit und Gegner der Grenzen seien, so die Einschätzung des Israelis, naiv. Solche Menschen können die Welt nicht ändern. Im Film kommen aber auch immer wieder Stimmen zu Wort, die auf die gleichen Wurzeln (Abraham als Urvater der drei Weltreligionen) von Islam und Christentum hinweisen. So erklärt ein Palästinenser, dass er als Muslim es als seine Verantwortung empfindet, auch christliche Denkmäler im palästinensischen Gebiet Israels zu schützen und erklärt dem Filmteam: Alles was denen heilig ist, ist auch uns heilig. Fragestellungen: - Obwohl alle drei Weltreligionen (Christentum Judentum Islam) auf gemeinsamen Wurzeln gründen (Abraham als Stammesvater ), ist die Beziehung zwischen dem christlich geprägten Mitteleuropa, islamisch geprägten Staaten und israelischen Juden seit jeher von zahlreichen Konflikten geprägt. Recherchiert, was mögliche Gründe für das problematische Beziehungsgeflecht sind. Welche Rolle spielen die unterschiedlichen Religionen? Welche Rolle spielen wirtschaftliche Verhältnisse? In welchen Filmszenen werden aber auch auf gemeinsame Wurzeln hingewiesen? - Wie wollte Muhammad Asad die Konflikte zwischen dem Orient und dem Westen lösen? Welche Ideen und Ansätze liefert diesbezüglich der Film? - Beschreibt die Szenen, in denen das angespannte Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern (Beduinen, Pilger) zum Ausdruck kommt. Was kommt 8

in den jeweiligen Szenen zum Ausdruck? Wodurch fühlen sich die Pilger durch die israelischen Soldaten schikaniert? - Welche Meinung vertritt Arnon Soffer, der Mann, der an den Bauplänen der Sperranlage an der Westbank beteiligt war? Warum befürwortet er die Mauer? - Könnt ihr andere Beispiele für historische Mauern oder Grenzen nennen, die Völker voneinander trennen sollten? Was für Ideologien stehen bzw. standen sich gegenüber? - Warum bezeichnet der israelische Ingenieur Asads Ideen, welche insbesondere auf Einheit und Brüderlichkeit abzielten, als naiv? - Kann man eurer Meinung nach wie Asad es beabsichtigte mit guten Einstellungen, die Welt ändern? - Warum ist es so schwierig, zwischen verfeindeten Parteien zu vermitteln? Geht das überhaupt? Kann man allen gerecht werden? - Inwiefern ist der gezeigte Sturz vom Kamel des einen Beduinen nicht lustig, sondern tragisch? Inwiefern offenbart sich hier ein Dilemma? 7. Muhammad Asad - Pionier und Visionär Als Journalist, Publizist, Übersetzer und Politiker vereinte Muhammad Asad Eigenschaften und Zielsetzungen, welche die europäische und nahöstliche Geschichte mitbeeinflussten. Einige Beispiele seines Schaffens und Denkens: - Asad war gegenüber Kritik an seiner Koranübersetzung aufgeschlossen, denn er war überzeugt, dass man durch Diskussionen zu einem tieferen Verständnis der Materie erlangen könne. - Asad widmete seine Koranübersetzung den Menschen, die denken Er wollte vor allem, dass Menschen selbst denken, dass sie sich ihren Glauben nicht von anderen auslegen lassen und die Verantwortung für das eigene Denken und Handeln abgeben. - Durch seine westliche Prägung schuf er eine Koran- Übersetzung, die er dem Westen zugänglich machen konnte. - Er schuf eine zeitgemäße Koran-Übersetzung und definierte Geschlechterrollen gemäß der ursprünglichen Bedeutung im Koran (der Mann als Fürsorger und nicht als Herr / Herrscher, was mit der Zeit oftmals verzerrt dargestellt wurde) - Er setzte sich für die Gleichberechtigung der Frau ein, indem er beispielsweise an der Verfassung für den pakistanischen Staat mitwirkte und an dem Gesetz beteiligt war, das islamischen Frauen eine Präsidentschaft erlaubt.* 9

Die Bedeutung einer zeitgemäßen Interpretation hatte für Muhammad Asad immer eine besondere Relevanz: Ich bin nur ein Muslim, der im Text des Korans nach dem richtigen Weg für die heutige Zeit sucht. Die Ideen und Ansätze, die Asad den Menschen vermitteln wollte, ließ er im Tafsir im Kommentarteil des Korans miteinfließen. Somit wurde Asad durch seine politischen, literarischen und gesellschaftlichen Errungenschaften zum Pionier und Vorkämpfer. Indem er es auch verstand, seine Ansätze für langfristige und richtungsweisende Ziele einzusetzen, wurde Asad letztendlich auch zum Visionär, zum (Voraus-) Seher. Fragestellungen: - Welche Werte bzw. Prinzipien lagen Asads Denken und Handeln zugrunde? - Inwiefern war Muhammad Asad ein Pionier bzw. Vorkämpfer? Was zeichnet einen Pionier aus? - Inwiefern war Muhammad Asad auch ein Visionär? - Was zeichnet eurer Meinung nach eine(n) Visionär(in) aus? Welche Eigenschaften vereint ein(e) Visionär(in)? - Könnt ihr Beispiele aktueller Pioniere oder Visionäre nennen? In welchen (Berufs-) Gruppen findet man häufig Menschen, die sich mit ungewöhnlichen Ideen befassen und die Gesellschaft vorantreiben wollen? * Dieses Gesetz ebnete den Weg für Benazir Bhutto, der späteren pakistanischen Ministerpräsidentin. Im Zeitraum von 1988 bis 1990 und von 1993 bis 1996 regierte Bhutto in Pakistan. Damit war sie die erste weibliche Ministerpräsidentin eines islamisch geprägten Staates. Eine weitere weibliche Staatschefin eines islamisch geprägten Landes war Megawati Sukarnoputri, die von 2001 bis 2004 Präsidentin von Indonesien war. Foto: Ejderha www.photocase.de 10

8. Der Koran und die Komplexität der Auslegung Man muss mit meinen Auslegungen des Korans nicht einverstanden sein, denn selbst die klassischen Koran-Interpreten stritten über viele Details. Meinungsverschiedenheiten vertiefen unser Verständnis des Korans. Wie vielschichtig und komplex das Problem der Koran übersetzung ist, verdeutlicht die Szene, in der eine Gruppe Asad-AnhängerInnen in Pakistan über die Stellung der Frau im Islam diskutieren. Nichts sei so kontrovers wie die Stellung der Frau, so die Übersetzungs- Expertin. Sie gibt einige Beispiele dazu. In Vers 4.34 lauten die ersten vier Worte: Männer herrschen über Frauen. Der Ursprung des Wortes herrschen sei, so die Expertin, allerdings unterstützen und dies sei vor allem im wirtschaftlichen Sinn gemeint. Laut ihrer Meinung müsste es demnach heißen, dass Männer ihre Frauen wirtschaftlich unterstützen sollen. Aber diese Auslegung sei mit Ausnahme von Muhammad Asads Koran-Übersetzung von keinem anderen Übersetzer berücksichtigt worden. Als Beispiele nennt die Expertin die Übersetzung von Pickthall*, der schreibt: Männer haben Vormacht über Frauen und Yussuf Ali**, der schreibt: Männer sollen Frauen beschützen. Lediglich Asad schreibe: Männer sollen sich um Frauen kümmern. Asad betone, so die Expertin, die Rolle des Mannes als Fürsorger und nicht als Herr. Dies sei ein Beweis dafür, dass Asad die Bedeutung ursprungsgetreu interpretiert und sich keinen patriarchalischen Denkstrukturen unterworfen habe. ' $&"! %!$#"! AUSZUG AUS MUHAMMAD ASADS KORAN-ÜBERSETZUNG 4:34 DIE MÄNNER sollen für die Frauen vollständig Sorge tragen mit den Wohltaten, die Gott den ersteren reichlicher erteilt hat als den letzteren 1, und mit dem, was sie von ihren Besitztümern ausgeben mögen. 1 Wörtl. mehr auf einige von ihnen als auf andere. Der Ausdruck qawwam ist eine Intensivform von qa im ( einer, der für etwas verantwortlich ist oder Sorge trägt für eine Sache oder eine Person). So bedeutet qama ala-l-mar a er nahm sich des Unterhalts der Frau an oder er unterhielt sie (siehe Lane VIII, 2995). Die grammatische Form qawwam ist umfassender als qa im und verbindet die Konzepte des physischen Unterhalts und Schutzes wie auch der moralischen Verantwortung: und aufgrund des letztgenannten Faktors habe ich diesen Satz wie folgt übertragen: Die Männer sollen für die Frauen vollständig Sorge tragen. * Muhammad Willam Marmaduke Pickthall (1875-1935) war englischer Staatsbürger, der im Jahre 1917 zum Islam konvertierte. Im Jahre 1930 übersetzte er den Koran ins Englische. Mehr dazu unter: http://www.eslam.de/begriffe/p/ pickthall.htm ** Abdullah Yusuf Ali (1872-1953) war ein in Bombay (Indien) geborener Gelehrter. Er übersetzte den Koran im Jahre 1938 ins Englische. Die Werke von Marmaduke Pickthall und Abdullah Yusuf Ali gelten als die bekanntesten und am meisten verbreiteten Übersetzungen weltweit. 11

Welche Möglichkeiten und Perspektiven Asad in einem angemessenen Zugang zum Koran sieht, kommt in einem Radiobeitrag zum Vorschein: Jedes Zeitalter erfordert einen neuen Zugang zum Koran, denn der Koran ist für alle Zeiten bestimmt. Es ist unsere Pflicht, tiefere Bedeutungen im Koran zu finden, indem wir uns neues Wissen und neue Erfahrungen aneignen. Der Koran verlangt, dass euer Verstand stets wachsam ist. Stets bemüht, sich der Botschaft Gottes zu nähern. Gott selbst widmete den Koran den Menschen, die denken. ' $&"! %!$#"! AUSZÜGE AUS MUHAMMAD ASADS KORAN-ÜBERSETZUNG 3:7 Er ist es, der dir von droben diese göttliche Schrift erteilt hat, Botschaften enthaltend, die klar in und durch sich selbst sind, und diese sind die Essenz der göttlichen Schrift wie auch andere, die allegorisch sind 2. 2 Die obige Passage kann als ein Schlüssel zum Verständnis des Qur an betrachtet werden. Tabari identifiziert die ayat muhkamat ( Botschaften, die klar in und durch sich selbst sind ) mit dem, was die Philologen und Juristen als nass bezeichnen nämlich Vorschriften und Aussagen, die auf Grund ihres Wortlauts evident (zahir) sind (vgl. Lisan al- Arab, Artikel nass). Folglich betrachtet Tabari nur solche Aussagen oder Vorschriften des Qur an, die nicht mehr als eine Interpretation zulassen (was natürlich Meinungsunterschiede hinsichtlich der Implikationen einer spezifischen aya muhkama nicht ausschließt), als ayat muhkamat. Meines Erachtens wäre es jedoch zu dogmatisch, jede Passage des Qur an, die nicht der obigen Definition entspricht, als mutaschabih ( allegorisch ) zu betrachten: denn es gibt viele Aussagen im Qur an, die 38:29 All dies haben Wir erläutert in dieser gesegneten göttlichen Schrift, die Wir dir offenbart haben (o Muhammad), so daß die Menschen über ihre Botschaften nachdenken mögen und daß jene, die ihren Verstand gebrauchen, sie sich zu Herzen nehmen mögen. mehr als einer Interpretation fähig sind, aber gleichwohl nicht allegorisch sind geradeso wie es viele Ausdrücke und Passagen gibt, die trotz ihrer allegorischen Formulierung dem gründlich forschenden Verstand nur eine mögliche Bedeutung offenbaren. Aus diesem Grund können die ayat mutaschabihat als jene Passagen des Qur an definiert werden, die auf bildliche Weise ausgedrückt sind, mit einer Bedeutung, die metaphorisch impliziert, aber nicht unmittelbar, explizit dargelegt wird. Die ayat muhkamat werden als die Essenz der göttliche Schrift (umm al-kitab) gekennzeichnet, weil sie die grundlegenden Prinzipien enthalten, die ihrer Botschaft und insbesondere ihren ethischen und sozialen Lehren zugrundeliegen: und nur auf der Grundlage dieser klar und deutlich ausgesprochenen Prinzipien können die allegorischen Passagen richtig interpretiert werden. (Für 12

Fragestellungen: 2:164 Wahrlich, in der Schöpfung der Himmel und der Erde und in der Aufeinanderfolge von Nacht und Tag; und in den Schiffen, die durch das Meer eilen mit dem, was für den Menschen nützlich ist; und im Wasser, das Gott vom Himmel herabsendet, und damit der Erde Leben gibt, nachdem sie leblos gewesen war, und allerlei lebende Geschöpfe sich darauf vermehren läßt; und in dem Wechsel der Winde und den Wolken, die auf den ihnen bestimmten Bahnen zwischen Himmel und Erde laufen: (in all diesem) sind in der Tat Botschaften für Menschen, die ihren Verstand gebrauchen 3. - Worin liegt die Komplexität der Koran-Übersetzung? Warum werden Textstellen oft unterschiedlich ausgelegt? Welche aktuellen Mediendebatten verdeutlichen die Komplexität der Auslegung? - Was verdeutlicht der Film über die Textstelle, in der es um die Stellung der Frau geht? - Welche unterschiedlichen Interpretationen zieht die Übersetzungs-Expertin heran und welche Haltungen kommen zum Vorschein? - Was verdeutlicht Asads Übersetzung? Wie definiert er die Stellung der Frau? - Warum widmete Muhammad Asad seine Koranübersetzung To people who think, also den Menschen, die denken? Warum trägt der Film die gleiche Widmung? - Worin zeigt sich laut Asad eine angemessene Koran- Auslegung? - Was verlangt der Koran von uns Menschen? Wie kann man tiefere Bedeutung im Koran erlangen? - Zieht Parallelen zur Bibel! Muss man die Bibel auch interpretieren oder muss man den Text wortwörtlich nehmen? Welche Normen übernehmen wir aus der Bibel? Wo seht ihr Parallelen zum Islam? - Recherchiert, welche biblischen Figuren auch im Koran erwähnt werden! (Siehe Hintergrundinformationen!) eine ausführliche Diskussion von Symbolik und Allegorie im Qur an siehe Anhang I.) 3 Diese Passage ist eine von vielen, in denen der Qur an sich an jene richtet, die ihren Verstand gebrauchen, um die alltäglichen Wunder der Natur zu beobachten, den Beweis der dem Menschen eigenen Erfindungsgabe eingeschlossen ( die Schiffe, die durch das Meer eilen ), als so zahlreiche Anzeichen für eine bewußte, schöpferische Macht, die das Universum durchzieht. 13

9. Islam und Demokratie Obwohl der Islam jünger als Christentum und Judentum ist (Entstehungszeit um 610 n. Chr.), und in der islamische Welt bedeutende Grundlagen für wissenschaftliche Disziplinen wie etwa Medizin, Mathematik und Astronomie gelegt wurden, während Europa noch im tiefsten Mittelalter war, wird der Islam im Westen oft als rückständig und repressiv betrachtet. Fehlende Entwicklungen in Bezug auf Aufklärung und Industrialisierung tragen sicherlich dazu bei, dass islamisch geprägte Staaten oft religiöser, konservativer und traditionsgebundener sind. Im Westen wird daher oft von einer Unvereinbarkeit von Islam und Demokratie gesprochen. Denn während westliche und demokratische Staaten das Prinzip der Gewaltenteilung, der freien und allgemeinen Wahlen und die Rechtsstaatlichkeit im Verfassungsstaat verankert wissen wollen, betonen manche islamisch geprägte Staaten die Souveränität Gottes und sehen Gott damit sowohl als religiöses als auch als staatliches Oberhaupt an. Das Volk ist dort gegenüber Gott dementsprechend untergeordnet. Da man seitens Europa wiederum einen zunehmenden Bedeutungsschwund von Religion und Kirche beobachten kann, empfinden viele der säkularisierten Europäer jede Form aktiver, in den öffentlichen Raum hineingetragener Religiosität als eine Gefahr für die liberale Lebensform. Religionen werden toleriert, solange sie als Privatangelegenheit betrachtet werden. Debatten über Kopftuchverbot in öffentlichen Institutionen verdeutlichen diese Sicht. Die in vielen muslimisch geprägten Staaten ausbleibende Demokratisierung andererseits sieht ein muslimischer Vertreter* in den folgenden Faktoren begründet: dem Fehlen einer Zivilgesellschaft, der Bunkermentalität infolge der Kolonisierung, schlechte Erfahrungen mit Demokratien (u.a. in Kaschmir, Algerien, Palästina und Tschetschenien), der westlichen Unterstützung von absolutistischen und Militärregimes in der muslimischen Welt, den Interessenskonflikten im Nahostkonflikt u.ä. Während demnach viele muslimische Staaten schlechte Erfahrungen mit Demokratisierungsversuchen haben, steht der Westen oftmals einer in die Öffentlichkeit getragenen Religiosität kritisch gegenüber. Erneut wird so der Eindruck erweckt, dass Islam und Demokratie unvereinbar sind. Muhammad Asad war jedoch überzeugt davon, dass Islam und Demokratie sich nicht ausschließen: Einige muslimische Gelehrte behaupten, dass die Demokratie nicht mit dem Konzept eines islamischen Staates kompatibel sei. Aber natürlich ist sie das und der Koran umreißt alle Grundzüge der Demokratie. Fragwürdig sei, so Asad, nicht die Religion an sich, sondern diejenigen Vertreter, die sich weigerten, zeitgemäß mit gesellschaftlichen Strömen umzugehen. Diese ignoranten Mullahs, sie vertragen nichts, was aus einer Zeit nach dem 15. oder 16. Jahrhundert stammt. Oder die Extremisten, die auf einer falschen Auffassung von religiösem Anstand beharren, und sie umsetzen, indem es Frauen verboten wird, Autos zu fahren. * Dr. Murad Wilfried Hofmann, einer der bekanntesten deutschsprachigen Kenner des Islam und der islamischen Welt spricht in einem Interview über das Demokratieverständnis im Islam und die oftmals fehlende Bereitschaft für demokratische Reformen seitens islamisch geprägter Länder. Das vollständige Interview finden Sie unter dem Weblink: http://www.islam.de/1211.php 14

Fragestellungen: - Mit welchne Vorurteilen werden heutzutage viele MuslimInnen in Europa konfrontiert? Was sind häufige Vorbehalte gegenüber ihrer Religion? - Worin seht ihr mögliche Gründe für die Unvereinbarkeit von Islam und Demokratie? An welchen Faktoren sind Demokratisierungsversuche in islamisch geprägten Staaten gescheitert? Inwiefern steht Europa einer in die Öffentlichkeit getragenen Religiosität kritisch gegenüber? - Wo seht ihr aber auch grundlegende Aspekte der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie? In welchen Bereichen (wie z.b. Bildung, Politik, Medien) müsste man (in islamischen Ländern und in Europa) eurer Meinung nach ein Bewusstsein für Demokratie schaffen? - Recherchiert in den Medien, wo über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie bzw. Moderne die Rede ist! Welches Bild wird diesbezüglich häufig in den Medien entworfen? Nehmt kritisch dazu Stellung! - Warum schließen sich laut Muhammad Asad Demokratie und Islam nicht aus? Inwiefern sieht er das Problem nicht im Islam an sich, sondern bei einigen seiner Vertreter? Welche Vertreter meint er damit? 10. Der 11. September und die Rolle der Medien Vor allem seit dem 11. September 2001 haben sich die Fronten zwischen der westlichen und der islamischen Welt zunehmend verschärft. Das Wort Islam hat seit diesem Zeitpunkt vor allem in den Medien Hochkonjunktur. Doch oft wird die Bezeichnung Islam undifferenziert gebraucht. Menschen, die lediglich überzeugte Muslime sind, werden mit Menschen gleichgesetzt, die ideologische und fanatisch-religiöse Ziele verfolgen.* Diese Art von undifferenzierter und polemischer Gleichsetzung kommt auch im Film zum Ausdruck. Bei der 9/11-Gedenkfeier in New York hetzt eine US-Amerikanerin gegen 15

den Islam: Der islamische Faschismus verfolgt euch mit dem Schwert. Der Islam kennt keinen Frieden. Reden mit diesen Menschen hat keinen Sinn. Sie kennen nur das Feuer. Sie missbrauchen unsere Freiheit, um uns zu besiegen (...). Da die Anti-Islam-Hetzerin öffentlichkeitswirksam die Präsenz der Medien ausnutzt, sollte in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Medien mitbedacht werden. Die im Film gezeigte Gedenkfeier kann man neben dem Bedürfnis nach Besinnung und Erinnerung auch als mediale Inszenierung und als Demonstration der Einheit und Geschlossenheit der Vereinigten Staaten verstehen. Zahlreiche Reporter rufen voller Emotionen das unfassbare Ereignis ins Gedächtnis und erinnern an die Opfer und Hinterbliebenen. Eine Reporterin fragt nachdrücklich: Was änderte sich nach dem 11. September? Fragestellungen: - Welche Rolle spielen die Medien (ReporterInnen, TV- Stationen etc.) während der 9/11 - Gedenkfeier? Was zeigt der Film? - Was verkörpern die einzelnen anwesenden Menschen- Gruppen (Reporter, Trauernde, Schaulustige)? Zeigt sich hier auch eine kollektive Erinnerung mit Eventcharakter? - Dient die Gedenkfeier auch einem übergeordneten Zweck, wie z.b. der Demonstration einer amerikanischen Geschlossenheit und Einheit? Was wird bei der Gedenkfeier inszeniert? Was wird über die Medien an die ZuschauerInnen transportiert? - Kennt ihr selbst Beispiele aus unseren Medien, wo die Berichterstattungen keine Aufklärungsarbeit leisten, sondern eher propagandistische Desinformation verbreiten und damit die Angst der Leute zusätzlich schüren? Nenne aktuelle und vergangene Beispiele! - Wie ist der Begriff Djihad laut Muhammad Asad zu verstehen, wie wird er meist in den Medien benutzt? (Siehe Tonbandszene in Marokko) * Zur Begriffserläuterung: Fundamentalismus bezeichnet eine geistige Haltung, die durch kompromissloses Festhalten an (ideologischen, religiösen) Grundsätzen gekennzeichnet ist. Islamismus bezeichnet eine Ideologie, die dem islamischen Fundamentalismus zugrunde liegt. Quelle: Duden. Das Fremdwörterbuch. 7. Aufl. 2001. 11. Krieg gegen den Terror und der Islam heute Unsere Medien enthalten fast täglich Berichte über islamistische Extremisten, Selbstmordattentäter, aufständische Separatisten usw., die vor Terrorattentaten und Gewaltaktionen nicht zurückschrecken. Viele gewaltbereite Gruppen proklamieren, dass sie für und mit dem Islam kämpfen. Fanatismus meint im ursprünglichen Sinn das aggressive und übertriebene Verfolgen eines Ziels mit dem Überzeugtsein einer bestimmten Idee oder Ideologie. Fanatiker treten durch das rigorose, unduldsame Eintreten für eine Sache in Erscheinung und versuchen diese kompromisslos durchzusetzen. Oft ist die Religion hier nur ein Mittel, um politische Ziele zu erreichen. Zum heutigen Krieg gegen den Terrorismus bezieht der Sohn von Muhammad Asad, Talal Asad (Professor für Anthropologie) in einer Szene folgendermaßen Stellung: Krieg gegen den Terrorismus ist ein unheilvolles Konzept. Es wird Krieg gegen einen undefinierbaren Feind geführt, der weder formal noch legal kapitulieren kann. Dieser Krieg wird ewig währen. 16

Fragestellungen: Talal Asad mutmaßt, dass sein Vater kritisiert hätte, dass der 11. September ausgenutzt wird, um gegen die muslimische Welt zu Felde zu ziehen. Gleichzeitig hat Muhammad Asad fanatische Bewegungen innerhalb des Islam scharf kritisiert. Die Zustandsbeschreibung, die Asad in Bezug auf seine eigene Religionsgemeinschaft abgibt, fällt sehr nüchtern aus: Unsere Gemeinschaft ist die dümmste, die es gibt. Uns wurde mit dem Koran die beste Leitlinie gegeben. Und mit dem Propheten der beste Führer. Und was haben wir draus gemacht? Wir sind heute das Allerletzte. Wir, ich sage wir, denn ich kritisiere meine Gemeinschaft, weil ich sie so liebe. - Was ist die Meinung von Talal Asad - Sohn von Muhammad Asad - über Krieg gegen den Terrorismus? Warum sagt er, dass der Krieg ewig dauern wird? - Was ist eure Meinung dazu? Kann der Krieg gegen den Terrorismus wie er heute geführt wird, Erfolg haben? Worin seht ihr die Lösung für das aktuelle Problem? Wie können sich die westliche und die islamische Welt einander annähern? - Welche Rolle spielen bei den gegenwärtigen Konflikten Politik, Macht und Geld, während die Religion nur ein Vorwand ist? - Inwiefern verdeutlicht Asad, dass nicht die Religion schuld an Missständen ist, sondern die Menschen? Welche Menschen verdienen seiner Meinung nach den Islam nicht? - Was bedeutet Fanatismus? - Wo liegen eurer Einschätzung nach die Gründe für Fanatismus? Wie kann man Fanatismus entgegenwirken? - Wie sollten eurer Meinung nach die Medien über die Gewalttaten von islamistischen Extremisten berichten? Sollten sie weniger berichten, damit den Verantwortlichen keine öffentliche Plattform geboten wird? Arbeitsaufgabe: Foto: bisgleich www.photocase.de - Recherchiere in den Medien, welches Vokabular ihr in Bezug auf Terroristen findet! Inwiefern erzeugt man mit Begriffen wie Freiheitskämpfer, Unabhängigkeitskämpfer etc. eine eher sympathisierende Haltung beim Zuhörer/Zuschauer? Welche Wirkung haben Begriffe wie islamische Fundamentalisten? Werden diese Begriffe immer differenziert genug verwendet? Überlegt, welche (versteckte) Haltung seitens der Medien zum Ausdruck kommt! Bedenkt auch das Phänomen, dass man in christlich geprägten Ländern wie Österreich nie von christlichen Terroristen ( Nordirlandkonflikt ) sprechen würde, während unsere Medien die anderen oft über ihre Religionszugehörigkeit definieren. 17

12. Perspektiven Abspann und Status Quo 13. Einige weitere Statements von Muhammad Asad Oktober 2007: Pakistan schlittert durch fundamentalistische Gewalt zunehmend in Ausnahmezustand. Bei einem Anschlag auf Benazir Bhutto werden hunderte Menschen getötet. Sie überlebt, stirbt aber nach einem zweiten Attentat wenige Monate später. Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs protestiert gegen die Benennung des Muhammad Asad Platzes und bezeichnet sie als Provokation in Zeiten des wachsenden Islamismus. Das westliche Gedankengut wurde durch die Kreuzzüge vergiftet, durch die Vorstellung, dass der Islam die Religion des Teufels sei. All das sitzt so tief drin, dass es den meisten nie bewusst wird. 138 muslimische Autoritäten aus der ganzen Welt senden einen offenen Brief an Papst Benedikt und andere christliche Oberhäupter. Sie laden zu einem historisch einmaligen Treffen zwischen Muslimen und Christen ein, und sehen die Gemeinsamkeiten beider Religionen als Basis für einen echten Weltfrieden. Fragestellungen: - Im Film werden am Schluss Beispiele aktueller Zustandsbeschreibungen genannt. Was ist eure persönliche Meinung dazu? In welche Richtung werden sich die derzeitigen Entwicklungen (Stichwort Nahostkonflikt, Al Kaida, Terrorismus, Taliban, Situation Irak u.a) hinbewegen? - Recherchiert in den Medien (Internet, Zeitung, TV), welche Berichte sich positiv zum Islam und anderen Religionen äußern? Bekommt man als RezipientIn (LeserIn, ZuschauerIn) immer ein ausgeglichenes Bild präsentiert? - Oft wird gesagt, dass Integration der Schlüssel für eine kulturelle Annäherung ist. Kann auch ein besseres Wissen (z.b. über den Islam, über Migrationshintergründe) zu einer kulturellen Annäherung führen? Was kann jeder einzelne von uns dazu beitragen? Wie gelingt eurer Meinung nach eine sinnvolle Integration von muslimischen MitbürgerInnen in Österreich? Wie fühlen sich diejenigen (MuslimInnen, MigrantInnen) von euch integriert, die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben? Nennt Beispiele gelungener Integrationsprojekte! Dass der Islam sich stets im Krieg gegen die nicht-islamische Welt befindet, ist ein Blödsinn. Damit sollen all die Kriege gerechtfertigt werden. Muslime müssen versuchen, den Westen von seinen Vorurteilen zu befreien. Muslime müssen zum Beispiel erklären, dass Dschihad nicht die Eroberung unwilliger Völker ist, um sie zum Islam zu zwingen. Ihnen den Islam, sozusagen aufs Auge zu drücken. Nein. Dschihad sollte erklärt werden als Strebsamkeit und Bemühen, im ursprünglichen linguistischen Sinn. Und moralisch betrachtet, das Bemühen um spirituelle Wahrheit und ein besseres Leben für die Gesellschaft. Der Islam sollte frei von Fanatismus sein. Ohne den Anspruch, dass wir den einzig richtigen Weg haben und dass die anderen verloren sind. Mäßigung in allen Bereichen ist eine grundlegende Forderung des Islams. 18

14. Biographie Leopold Weiss alias Muhammad Asad Leopold Weiss alias Muhammad Asad wurde 1900 in Lemberg geboren - damals Teil des K&K Reiches, heute liegt die Stadt in der Ukraine. Leopold Weiss/Muhammad Asad wuchs in Lemberg und Wien auf und genoss eine sehr religiöse jüdische Erziehung. Als er sich zunehmend von seiner Religion entfremdete und mit den politischen und gesellschaftlichen Zuständen in den frühen 20er Jahren unzufrieden war, reiste er 1922 nach Palästina, um seine Onkel zu besuchen. Von dort aus war er auch als Korrespondent für die Frankfurter Zeitung tätig. Dem damals aufkommenden Zionismus und dem jüdischen Siedlertum stand er sehr kritisch gegenüber und führte Streitgespräche mit Chaim Weizman, dem Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation. Gleichzeitig war er fasziniert von seinen ersten Kontakten mit Arabern, Muslimen und dem Islam. Die Komplexität und Spiritualität dieser Religion war für ihn ein Gegenpol zu dem von ihm verabscheuten Materialismus der westlichen Welt. Weitreichenden Reisen als Korrespondent der Frankfurter Zeitung im mittleren Osten folgten, wobei insbesondere der Kontakt mit Beduinen für Weiss sehr bedeutsam war. 1926 tat er etwas, was insbesondere für Juden außergewöhnlich ist: Er konvertierte zum Islam, änderte seinen Namen auf Muhammad Asad und machte die Hajj, die Pilgerreise nach Mekka. Er vertiefte sich in Koranstudien und begeisterte sich für die Wiederbelebung des Islam. Als persönlicher Freund von König Ibn Saud, dem Gründer Saudi Arabiens, lebte er jahrelang an dessen Hof. Es ist diese Zeit, wegen der Asad oft mit Lawrence von Arabien verglichen wird. Anschließend reiste Asad nach Indien, wo er für die Dauer des Zweiten Weltkriegs wegen seines österreichischen Passes zusammen mit Nazis in einem camp for enemy aliens interniert war, während seine Schwester und sein Vater im Konzentrationslager ermordet wurden. In Indien wurde Asad ein enger Freund des Poeten und Philosophen Muhammad Iqbals, der Asad bat, an der Gründung des ersten islamischen Staates mitzuarbeiten: Pakis- 19

15. Filmographie Georg Misch tan. Asad wurde zu einem der Gründerväter des Landes, da er die Grundprinzipien der Verfassung abfasste und darauf bestand, dass sie die Wahl eines weiblichen Staatsoberhauptes erlauben solle. Dies ebnete den Weg für Benazir Bhutto, der ersten weiblichen Regierungschefin eines islamischen Staates. In der Folge wurde Asad zu Pakistans Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York. Muhammad Asad war einer der bedeutendsten islamischen Autoren seiner Zeit und schrieb richtungsweisende Bücher und hunderte Essays über Weltbild, Recht und Philosophie des Islam sowie seine Autobiographie The Road to Mecca. Sein magnus opus ist jedoch seine kommentierte englische Koranübersetzung, für die er ursprünglich zwei Jahre Arbeit veranschlagt hatte, sich dann aber 17 Jahre mit ihr befasste. Seine Übersetzung trägt die Widmung to poeple who think und wird von Akademikern als eine der besten Koranübersetzung angesehen. Asad starb 1992 in Andalusien. Asad war einer der außergewöhnlichsten Grenzgänger zwischen der islamischen Welt und dem Westen: Weltreisender, Journalist, Linguist, Übersetzer, Sozialkritiker, Reformist, Diplomat, Politologe, Theologe und Denker. Was seinen vielfachen Aktivitäten gemein ist, war sein Streben nach einem gegenseitigen Verständnis zwischen der islamischen Welt und dem Westen und seine intellektuelle Herangehensweise an den Islam, die im scharfen Gegensatz zum Fundamentalismus steht. Gerade dies macht sein Leben und Werk so zeitlos und heute so relevant. Trotz aller Rückschläge durch die Schwächen und Fehler der Muslime ist der Islam auf spiritueller und sozialer Ebene immer noch die großartigste Antriebskraft, die die Menschheit je erlebt hat. (Muhammad Asad, The Road To Mecca). Georg Misch 2008 DER WEG NACH MEKKA DIE REISE DES MUHAMMAD ASAD 2004 CALLING HEDY LAMARR 2002 I AM FROM NOWHERE 1999 LINES 1998 ERE WE GO 1997 TRAUTONIUM 1997 INSIGHT 20

16. Hintergrundinformationen zum Thema Der Islam hat eine Geschichte von mehr als 1400 Jahren und verschiedene muslimische Gemeinschaften erstrecken sich geographisch über alle Kontinente. Ohne räumliche und historische Kontextualisierung ist die Definition von über gemeinsame Grundlagen der Religion hinausgehende Teilaspekte oft schwierig. Der Koran ist die gemeinsame Grundlage des Islams jedoch ist er aufgrund seiner sprachlichen Komplexität sehr vielschichtig und lässt unterschiedliche Auslegungen zu. Es gibt keine zentrale Institution mit einem weltlichen Oberhaupt, die von allen Muslimen anerkannt wird. Daher gibt es neben den unterschiedlichen Möglichkeiten der Koran-Interpretation auch unterschiedliche Gruppierungen und Rechtsschulen innerhalb dieser Religion. Je nach Lesart des Korans unterscheiden sich die verschiedenen Gruppierungen in den diversen Gewohnheiten der Glaubensausübung. Hier einen Allgemeinheitsanspruch zu formulieren, würde sowohl dem Islam als auch den unterschiedlichen Gemeinschaften innerhalb dieser Religion nicht gerecht. Aufgrund dieser Tatsachen ist darauf hinzuweisen, dass auch bei einigen der folgenden Hintergrundinformationen allgemeingültige Definitionen nicht immer möglich sind. HINTERGRUNDINFORMATIONEN INHALT: A. Einführung in den Islam B. Der Prophet Muhammad C. Mekka D. Der Koran E. Islam und Demokratie F. Gruppierungen innerhalb des Islams G. Literatur A. Einführung in den Islam Der Islam geht auf den Propheten Muhammad zurück, der in den Jahren 610-632 die Offenbarungen Gottes in Mekka empfing. Das arabische Wort islâm stammt von der Wurzel s-l-m, deren Grundbedeutung Wohlergehen, Heil, Friede, Sicherheit ist. Das Wort salâm, das Frieden bedeutet, stammt aus derselben Wurzel. Wörtlich bedeutet Islam Hingabe, Ergebung. Der Islam ist eine monotheistische Religion, was zur Folge hat, dass muslimische GlaubensanhängerInnen an einen einzigen Gott glauben. Das arabische Wort für Gott ist Allah. Abraham, der Stammvater der drei monotheistischen Religionen (Christentum- Judentum - Islam), wird im Koran daher als Muslim bezeichnet, da er als Ur-Monotheist erkannt hatte, dass es nur einen Gott geben kann. Der Koran ist für Muslime die Fortführung der Offenbarungen vorheriger Propheten in der Tradition Abrahams und Muslime verehren Abraham, Moses und Jesus als Propheten Allahs. Muhammad wird als der letzte und letztgültige Prophet Gottes betrachtet und der Koran als Höhepunkt der göttlichen Offenbarung. Der Islam gründet auf dem Koran. Als Zeugnis für die Offenbarungen, die Muhammad zwischen 610 und 632 von Gott empfing, gilt der Koran als das unverfälschte Wort Gottes und gilt als unnachahmbar und von übermenschlicher Schönheit. Es existiert kein Gott außer Gott und Muhammad ist sein Verkünder, ist das Glaubensbekenntnis Schahada und bildet die absolute Grundlage des Glaubens im Islam. Jeder Mensch, der die Schahada im Beisein zweier muslimischer Zeugen ausspricht, ist formell ein Muslim. Allerdings muss ein bekennender Muslim das Gottesbewusstsein verinnerlichen und eine Haltung ein- 21 HINTERGRUNDINFORMATIONEN

nehmen, die vom arabischen Begriff Islam umschrieben wird: Hingabe zu Gott, die zunächst eine geistige Einstellung ist. Unter den fünf Säulen im Islam versteht die Mehrzahl der Muslime die Anerkennung und Praktizierung der Glaubensgrundlagen. Dazu gehören: Glaubensbekenntnis (Schahada), rituelles Gebet, Fasten, das Almosengeben (Zakat) und die Wallfahrt nach Mekka (Hadsch). PLURALITÄT UND DER ISLAM HEUTE Als jüngste Offenbarungsreligion entstand der Islam im 7. Jahrhundert und ist mit etwa 1,3 Milliarden AnhängerInnen nach dem Christentum (ca. 2,1 Milliarden AnhängerInnen) die inzwischen zweitgrößte Religion der Welt, wird aber als die weltweit am schnellsten wachsende Weltreligion angesehen. Seit seiner Gründung in Arabien vor etwa 1400 Jahren hat sich der Islam geographisch bis nach Zentralasien, China, Indonesien, Malaysia, Afrika bis hin zu allen übrigen Kontinenten der Erde ausgebreitet und ist auch in Europa und Nordamerika mit vielen islamischen Gemeinschaften vertreten. Die Betonung dieser zeitlichen und geographischen Erstreckung soll verdeutlichen, welche Pluralität und Komplexität mit dem Islam einhergehen. Um sich Themen, Fragen und Begriffen, die den Islam betreffen, annähern zu können, müssen wir immer den historischen und geographischen Kontext mitberücksichtigen. B. Der Prophet Muhammad Abraham hatte zwei Söhne. Ismael, der Erstgeborene, und Isaak, der zweitgeborene. Während viele bekannte biblische Gesandte wie David, Moses oder Jesus aus der Genealogie Isaaks abstammen, wurde der letzte Gesandte Muhammad von der Genealogie Ismaels ausgewählt. Auch wenn sich die Gesandten des Christentum, des Islams und des Judentums voneinander unterschieden, die Wurzeln Abrahams teilen alle drei Weltreligionen miteinander. Muhammad lebte von ca. 570 bis 632 und gilt als der Prophet und Begründer des Islams. Bevor Muhammad Prophet wurde, lebte Muhammad als Kaufmann in Mekka. In prä-islamischen Zeiten war Mekka eine wohlhabende 22