GeroStat Beitrag im Informationsdienst Altersfragen 05/06 2001 Herausgeber: Deutsches Zentrum für Altersfragen, Berlin Bevölkerungsvorausberechnungen für Deutschland - Projektionen der Alterung Teil II 1 Elke Hoffmann Nach Vorstellung ausgewählter Bevölkerungsvorausberechnungen für Deutschland im ersten Teil des Beitrages folgen hier zwei speziellere Prognoseverfahren sowie ein tabellarischer Überblick zu allen Annahmen und Ergebnissen. (e) Migration und zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland (Münz, Ulrich 2000) Diese Bevölkerungsprojektion enthält drei Szenarien, die ausschließlich durch verschiedene Wanderungsannahmen bestimmt sind, weil sie sich auf die Auswirkung von Zuwanderung auf die Bevölkerungsentwicklung konzentriert. Aus der Analyse bisheriger Wanderungen von und nach Deutschland werden Trends bestimmt, die mit gewisser Wahrscheinlichkeit weiterlaufen könnten. Entscheidend für den Ablauf dieser Trends ist der Einfluss ökonomischer, ökologischer, ethnisch-kultureller, politischer und sozialer Rahmenbedingungen in den Herkunftsländern sowie im Zielland Deutschland. Diese sind einerseits für abgelaufene Prozesse gut zu analysieren jedoch nur bedingt zu prognostizierenden. Deshalb sind solche Prognoseverfahren vor allem auch für das Verständnis der Dynamik von Bevölkerungsprozessen bei Implikation bestimmter nicht-demografischer Rahmenbedingungen günstig. Die Ergebnisse des mittleren als dem wahrscheinlichsten Szenario (vgl. Abb.) verweisen auf einen Rückgang der Bevölkerungszahl ab 2015 auf ca. 77,6 Mio. Einwohner im Jahr 2030. Die Zunahme des Anteils der ausländischen Bevölkerung wird sich verringern. Im Jahr 2030 wird dieser Anteil etwa 12,6% betragen. Die Altersstruktur der Ausländer wird sich vor allem durch den Rückgang der Zuwanderung zuungunsten der jüngeren Generationen verschieben. Bis 2030 wird der Altenquotient 2 dieser Bevölkerungsgruppe von derzeit 10 auf 19 steigen. Alterungsprozesse werden demnach in der nächsten Zeit auch für die ausländische Bevölkerung in Deutschland relevant sein. (f) Probabilistische Bevölkerungsprognosen für Deutschland (Lutz, Scherbov 1998) Ausgehend von einer Zusammenschau und Diskussion der zahlreichen Prognosen verschiedener Institutionen Deutschlands werden Aussagen über Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten der dort prognostizierten demografischen Prozesse abgeleitet: Hinsichtlich der Fertilität wird ein Mittelwert von 1,45 Kindern je Frau als wahrscheinlichste Entwicklung in die Prognose aufgenommen. Für die Entwicklung der Lebenserwartung wird angenommen, dass sie in 90% aller Fälle bis zu 3 Jahren zunehmen wird, wobei der wahrscheinlichste Wert bei 1,5 Jahren liegt. Für den durchschnittlichen jährlichen Wanderungssaldo wird ein Gewinn von 200.000 Personen als der wahrscheinlichste Wert eingesetzt. Das Ergebnis der Berechnungen besagt, dass die Bevölkerungszahl Deutschlands im Jahr 2050 mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% niedriger sein wird als heute. Eine Abnahme auf 75 Mio. im Jahr 2040 gilt als wahrscheinlichste Entwicklung. Die Alterung der Bevölkerung schreitet fort. Ein Anstieg des Anteils der über 60-jährigen Bevölkerung auf 30% bis 40% im Jahr 2030 gilt als sicher. Die Zahl der Personen ab 80.
Lebensjahr wird vor allem nach 2035 sprunghaft ansteigen und 2050 sehr wahrscheinlich einen Anteil von bis zu 21,5% an der Gesamtbevölkerung errei-chen. Der Altenquotient steigt entsprechend auf ca. 75 im Jahr 2030 und weiter auf 85 im Jahr 2050. Fazit: Die Alterung der Bevölkerung setzt sich fort, beschleunigt ihr Tempo und ist einer der markantesten demografischen Prozesse des neuen Jahrhunderts. Jedoch: sie ist kein spezifisch deutsches Problem. Alterungsprozesse sind weltweit zu beobachten und kommen in allen Ländern in Gang, die einen stärkeren Geburtenrückgang verzeichnen. Dazu gehört mittlerweile auch ein großer Teil der Entwicklungsländer. Parallel dazu wird das Wachstum der Weltbevölkerung schwächer, aber die Polarisierung der demografischen Probleme nimmt zu: zum einen konzentrieren sich die Wachstumspotentiale in altersmäßig jungen und von hoher Sterblichkeit gezeichneten Bevölkerungen insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent sowie in Süd- und Südostasien. Auf der anderen Seite schrumpfen und altern die geburtenschwachen Bevölkerungen der industrialisierten Welt mit ihrem Zentrum im europäischen Raum. Während der Anteil der europäischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung 1950 noch 21,8% ausmachte, schmolz er auf heutige 12,0% und wird nach der mittleren Prognosevariante der UN im Jahr 2050 auf 6,5% absinken. Das Medianalter 3 der Weltbevölkerung wird sich von 26,5 Jahren (2000) auf 36,2 (2050) erhöhen, für Europas Bevölkerung wächst es von 37,7 auf 49,5 Jahre. Die Bevölkerung Deutschlands (Medianalter: 40,1 J.) wird weltweit gegenwärtig nach Japan, Italien und der Schweiz als eines der ältesten Länder ausgewiesen. Im Jahr 2050 wird Deutschland jedoch von solchen Länder wie Spanien, Slowenien, Österreich, Armenien, Tschechische Republik, Griechenland und China überflügelt sein. Sie altern nach der UN-Prognose noch wesentlich schneller. Das macht die Dynamik aber auch die Globalität dieses Prozesses deutlich. Deutschland wird sich ebenso wie alle Länder der industrialisierten Welt auf eine langfristige demografische Herausforderung für seine ökonomischen und sozialen Systeme einstellen müssen. (vgl. dazu u.a. Höhn 1996, Schmid 1999, Schulz, R. 2000, UN 2000)
Quellen: Birg, H.; Börsch-Supan, A. (1999). Für eine neue Aufgabenverteilung zwischen gesetzlicher und privater Altersversorgung. Eine demographische und ökonomische Analyse. Gutachten für den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. Bucher, H.; Kocks, M. (1999). Die Bevölkerung in den Regionen der Bundesrepublik Deutschland. Eine Prognose des BBR bis zum Jahr 2015. in: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.). Perspektiven der zukünftigen Raum- und Siedlungsentwicklung. Informationen zur Raumentwicklung 11/12.1999. S. 755-772. Bundesministerium des Innern (2000). Modellrechnungen zur Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2050. Europäische Kommission (1999). Bevölkerungsstatistik. Daten 1995-1998. Ausgabe 1998. Luxemburg. Europäische Kommission (2000). Europäische Sozialstatistik. Bevölkerung. Luxemburg. Höhn, Ch. (1996). Bevölkerungsvorausberechnungen für die Welt, die EU-Mitgliedsländer und Deutschland. in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft. Opladen: Leske+Budrich. Jg. 21, 2. S. 171-218. Lutz, W.; Scherbov, S. (1998). Probabilistische Bevölkerungsprognosen für Deutschland. in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft. Opladen: Leske+Budrich. Jg. 23, 2. S. 83-109. Münz, R.; Ulrich, R. E. (2000). Migration und zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. in: Bade, K. J.; Münz, R. (Hrsg.). Migrationsreport 2000. Fakten-Analysen-Perspektiven. Frankfurt/M.: Campus. S. 23-57. Schmid, J. (1999). Der Harte Faktor der Weltveränderung: Die demographischen Entwicklungen bis zum Jahre 2050. in: Aus Politik und Zeitgeschichte B52-53. S. 12-22. Schulz, E. (1999). Zur langfristigen Bevölkerungsentwicklung in Deutschland. Modellrechnungen bis 2050. in: DIW-Wochenbericht 42. Schulz, R. (2000). Die Alterung der Weltbevölkerung. in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft. Opladen: Leske+Budrich. Jg. 25, 2. S. 267-289. Statistisches Bundesamt (2000). Bevölkerungsentwicklung Deutschlands bis zum Jahr 2050. Ergeb-nisse der 9. koordi-nierten Bevölkerungsvorausberechnung. UN-World-Population-Prospects. UN Population Division. The 2000 Revision. http://www.undp.org/popin/wtrends/wtrends.htm 1 Teil I des Beitrags erschien im Heft 3/4-2001. vgl. auch: http://www.dza.de/gerostat/gerostat.htm 2 Altenquotient: Anzahl der Personen ab 60. Lebensjahr bezogen auf 100 Personen im Alter von 20 bis unter 60 Jahre
3 Das Medianalter definiert jenes Alter, in dem genau 50% der Bevölkerung jünger und 50% älter sind.